off-shore-trader
17.06.2004, 17:08 |
Lothar Späth trifft den Nagel auf den Kopf - Die erstickte Flamme Thread gesperrt |
-->Die erstickte Flamme
Im letzten Jahr, als der Kanzler noch SPD-Parteivorsitzender war, veröffentlichte der Leiter des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Professor Hans-Werner Sinn, sein mittlerweile bekanntes Buch „Ist Deutschland noch zu retten?“. Darin hat er Gerhard Schröders späterem Nachfolger das erste Kapitel mit der Überschrift „Schlusslicht Deutschland“ mit den Worten gewidmet: „Für Franz Müntefering, der glaubt, Deutschland wachse nur deshalb so langsam, weil wir schon da sind, wo die anderen erst noch hin wollen.“
Nun nehme ich an, dass Franz Müntefering seinerzeit wohl kaum die vorliegende Krise des deutschen Sozialstaats meinte, sondern wohl eher das Ausmaß der sozialen Absicherung. Die SPD weiß, dass Deutschland auch hier auf Dauer keinen Sonderweg innerhalb der EU gehen kann.
Ob man allerdings dann annehmen darf, dass die Bürger aus anderen Mitgliedstaaten ein derartig umfangreiches Sozialprogramm wie das deutsche für erstrebenswert halten, weiß ich nicht. Und sowenig ich weiß, wo andere Länder in Sachen Sozialstaat hin wollen, so sehr weiß ich, wo wir uns bereits befinden - auf dem falschen Dampfer!
Nach den vom Sozialministerium jüngst veröffentlichten Zahlen haben die Sozialausgaben im Jahr 2002 den höchsten Stand in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Und sie wachsen weiter. Seit 1960 sind sie von Jahr zu Jahr stetig gestiegen. Es ist nicht ein einziges Jahr ohne spürbare Erhöhung des Sozialbudgets vergangen. In fetten wie in schwierigen Jahren fand eines in jedem Fall statt: die Erhöhung der Sozialausgaben.
Berücksichtigt man bei der Entwicklung des Sozialbudgets die gesamtwirtschaftliche Situation, indem man die entsprechenden Ausgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzt, so ergeben sich über die Gesamtzeit hinweg zwar Auf- und Abwärtsbewegungen, doch ist der Trend in den betrachteten 42 Jahren - übrigens ähnlich den Arbeitslosenzahlen - eindeutig steigend. Die niedrigste Quote liegt mit 21,1 Prozent am Anfang, die höchste mit 32,5 Prozent am Ende des Betrachtungszeitraums.
Damit machen die Sozialausgaben inzwischen fast ein Drittel des Werts der hier zu Lande erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen aus. Und auf Grund der gesamtwirtschaftlichen Lage werden für 2003 sowie für das laufende Jahr weitere Rekordzahlen erwartet. Das ist auch für ein Land, das Wert darauf legt, eine „soziale“ Marktwirtschaft zu sein, deutlich zu hoch!
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gekürzt
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Läge der Preis für den hohen Grad sozialer Absicherung einfach darin, ein paar Abstriche bei den Wachstumsraten zu machen, könnte man sich zwar immer noch über den Handel streiten, es wären damit aber nicht die Probleme vorliegenden Ausmaßes verbunden. Doch selbst die verteilungsbetonte SPD gewinnt die schmerzliche Erkenntnis, dass Wachstum sich nicht beliebig verteilen lässt. Und so hört man von der neuen Hoffnung der sozialdemokratischen Partei inzwischen auch Worte wie: „Man kann nur verteilen, was man vorher erwirtschaftet hat, und ernten, was man vorher gesät hat.“ Ein Grundsatz, der einem eingefleischten Sozialdemokraten, der gewohnt ist, mit Bedarfsgerechtigkeit zu argumentieren, schwer über die Lippen geht.
Wachstum ist keine erlegte Beute, die man in Ruhe zerlegen kann, weil sie nicht mehr wegläuft. Wachstum ist ein hochkomplexer Prozess, der ähnlich einer Flamme seinen Nutzen nur spenden kann, solange die Verbrennung aufrechterhalten wird. Reicht die Sauerstoffzufuhr nicht aus, erlischt die Flamme. Unser Wachstumsfeuer ist erstickt, weil wir zu viel und auch noch feuchtes Holz darauf gelegt haben. Es wieder neu zu entzünden ist weit schwerer, als ein brennendes Feuer am Leben zu erhalten.
Und so erhöhen sich von Jahr zu Jahr nicht nur die Arbeitslosenzahlen und die Sozialausgaben, sondern auch die Anforderungen an die Reformen. Je schmerzlicher wiederum die Reformen sein müssen, desto schwieriger wird es, sie durchzusetzen. Und je größer die Kompromisse werden, desto unwahrscheinlicher wird es, dass der Holzhaufen wieder Feuer fängt. Ein Teufelskreislauf!
Dieser Zusammenhang gilt leider völlig unabhängig von dem Wunsch, alle Bürger mit einem Höchstmaß an Absicherung durch die Gemeinschaft zu versorgen. Man kann das wünschen und trotzdem einsehen, dass es nicht funktioniert. Ludwig Erhard schrieb schon in den Fünfzigern mahnende Worte über die Gefahr, aus der Sozialen Marktwirtschaft einen Versorgungsstaat zu machen. Er nannte es einen „modernen Wahn“, alles absichern zu wollen.
Leider sind seine schlimmsten Befürchtungen eingetreten. Wir haben vieles gesichert, darunter die stetig steigende Arbeitslosigkeit. Wodurch Erhard wirklich überrascht worden wäre, hätte er damals die Zahlenreihen der letzten 42 Jahre schon einsehen können, ist die Tatsache, wie lange es möglich war, einer vernünftigen Kursänderung auszuweichen.
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gekürzt
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<ul> ~ handelsblatt</ul>
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Baldur der Ketzer
17.06.2004, 18:20
@ off-shore-trader
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Lothar Späth Die erstickte Flamme - es ist noch immer Suppe da.... |
-->Hallo,
in meiner ex-ex-deutschen Wohngemeinde muß man jetzt wieder, wie soll man das exakt und politisch korrekt sagen, äh,
<center>
neuzuziehende vermögens- und einkommenslose Einwohner, die nicht dem ehemaligen Innenbereich des deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 entstammen </center>
unterbringen.
Bloß, die Kassen sind gähnend leer.
Also will der Gemeinderat jetzt als billigste Lösung Container anschaffen.
Bloß, das kostet ja immer noch etliche zig Tausende.
Soviel zur Frage, ob die Badewanne jemals weniger an Neuzulauf verkraften muß - NEIN.
Im übrigen ist ein Land, das es sich leisten kann, millionenschwere Schandmale in die Regierungshauptstadt zu pflanzen, weder zu retten, noch vernünftig, oder gar klamm.
Es ist noch immer genug Steuergeld da. Die Steuereinnahmen sind doch ebenso auf Rekordhoch.
Außer der sächsischen Schweiz konnte man doch nirgends bei den Wahlen hörbaren Unmut vernehmen - wenn man davon ausgeht, daß 39% PDS in Frankurt/Oder nicht gerade ein Fingerzeig gegen Sozialwahn gewesen sein dürften.
Schreibt man die Kurve zeitlich weiter, bekommt grün/dunkelrot eine immer stärkere Bedeutung. Und auch der Glaube an die primäe soziale Bedarfsdeckung - wer zahlen muß, ist keine zulässige Frage und wird ausgeblendet.
Die BRDDR hat also angeblich 1 Mio. Millionäre oder so (hab die Zahl nicht mehr Kopf)? Toll.
Nehmen wir der Einfachheit halber an, alle Millionäre hätten im Schnitt 4 Millionen, dann beläßt man ihnen großzüzgigerweise eine Mio und den Rest zieht man im Rahmen einer solidarischen Gesamtaufgabe heran.
Fast 3 Bio. Kohle. Reicht doch. Her damit. Wirds bald. Und schon gibts keine Staatsschulden mehr. Wieso ist da bloß noch keiner draufgekommen?
Daß das Vermögen in Form von Firmenwerten etc. besteht, die nicht ohne Wertverflüchtigung zu liquidieren sind, stört ncht weiter und ist egal, bei der VEB-Aktion 1971 hat das ja auch keinen gestört. Es geht alles, wenn man nur will, wußte schon Adolf Hitler.
Im großen Lagerfeuer glimmen noch Glutnester, wie wir anhand unseres wiwos sehen können. Noch ist da nicht alles erstarrt und erkaltet. Davon läßt sich noch mal ein paar Jahre zehren. Bis die umstehenden merken, daß es langsam wirklich saukalt wird, jetzt auf einmal.
Und dann werden sie sich streiten, wer das Feuer hat ausgehen lassen.
Und das Ergebnis wird sein, es sei die moralische solidarische Plöcht der Feuerstellenbetreiber, auf eigene Verantwortung dafür zu sorgen, daß es warm bliebe, egal, wieso und warum. Weil es eben warm sein müsse. Basta. Von der Pflicht aller sich wärmenden, mal mit anzupacken, wird nicht die Rede sein.
Wobei man fairerweise sagen muß, daß die übergroße absolute Mehrheit derer am Feuer sich schon Blasen an Händen und Füßen vom Schleppen geholt hat. Die können nicht mehr. Und mögen nicht mehr. Was die Antreiber aber nicht dazu brächte, mal selbst sich zu bequemen und zu.......
Nach 60 Jahren Aufschwung sind auch etliche Äste ins Kraut geschossen, die so nicht hätten wuchern dürfen. In einem Korrekturzyklus kommt dann der virtuelle Grätner der Vernunft und bringt das wieder schmerzlich in Ordnung......
Beste Grüße vom Baldur |
prinz_eisenherz
17.06.2004, 22:01
@ Baldur der Ketzer
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Warum lassen wir uns das gefallen? |
-->>Im großen Lagerfeuer glimmen noch Glutnester, wie wir anhand unseres wiwos sehen können. Noch ist da nicht alles erstarrt und erkaltet. Davon läßt sich noch mal ein paar Jahre zehren. Bis die umstehenden merken, daß es langsam wirklich saukalt wird, jetzt auf einmal.
Und dann werden sie sich streiten, wer das Feuer hat ausgehen lassen.>
Der vorgezeichnete Abstieg mit dem allmählich ausgehenden Feuer mag richtig sein und zur Zeit ist all überall keine brauchbare Alternative in Sicht.
Die Alt - 68ziger haben uns mit ihren Medienbatallione dermaßen im propagandistische Würgegriff, dass ich persönlich es kaum fünf Minuten vor der Glotze oder dem Radio aushalte, ohne nicht gleich Schaum vor dem Mund zu haben.
Und genau diese neue „Staatselite“ ist immer noch so beseelt von ihren kommunistischen Jugendträumen, dass man deren Absichten und zukünftigen Handlungen leicht vorhersehen kann und ebenso leicht vorhersehbar ist, wie dieses in dem totalen Desaster endet, vergleichbar dem schleichende Niedergang des Arbeiterparadies DDR.
Mit wenigen Ausnahmen sind diese Politmonster zum Umdenken unfähig und außerstande sich ihrer Lebenslüge zu stellen.
Aber das zu erwartende „wie konnte das nur geschehen“, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, besonders verwundert von den eigentlichen Verursachern geäußert, dass Nachkarten, findet wie immer nicht im eigenen Land statt, sondern genau diese selbsternannten Geistesgrößen werden dann, wie schon so oft, im sicheren Ausland sitzen und sich von dort aus wieder kräftig über die Unfähigkeit „Der Deutschen“ ellenlange Artikel schreiben oder schwachsinnige Bücher verfassen.
Ihre eigene Rolle, sie als die eigentlichen Ursache des langsam verlöschenden Feuers werden sie natürlich wieder dezent ausklammern, denn sie haben es doch immer nur gut gemeint, nur das blöde Volk hat sie nicht richtig verstanden.
Warum bekommen wir Deutsche es nicht hin, angesichts des leicht zu spürenden aktuellen Volkszornes unsere Peiniger... [Rest gelöscht von Elli]
Ich meine die Zeit ist reif dafür.
bis denne
prinz_eisenherz |
bernor
18.06.2004, 19:08
@ Baldur der Ketzer
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Bis zu einem... |
-->Im großen Lagerfeuer glimmen noch Glutnester, wie wir anhand unseres wiwos sehen können. Noch ist da nicht alles erstarrt und erkaltet. Davon läßt sich noch mal ein paar Jahre zehren. Bis die umstehenden merken, daß es langsam wirklich saukalt wird, jetzt auf einmal.
wirklich saukalten Finale, welches, vor allem für den"Staat", so aussehen könnte:
Ihr tratet zu dem herde
Wo alle glut verstarb.
Licht war nur an der erde
Vom monde leichenfarb.
Ihr tauchtet in die aschen
die bleichen finger ein
Mit suchen tasten haschen -
Wird es noch einmal schein!
Seht was mit trostgebärde
Der mond euch rät:
Tretet weg vom herde.
Es ist worden spät.
(Stefan George)
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Baldur der Ketzer
18.06.2004, 21:41
@ bernor
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Re: Baldurs Wochenendgedanken zur Konjunktur |
-->Hallo,
bekanntlich habe ich mit dem Bau zu tun. Die Lage dort kann man getrost als katastrophal bezeichnen.
Im Vergleich zu 1990 ist sicher 3/4 meines deutschen Kundenbestandes mittlerweile verschwunden (pleite, aufgehört, zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft etc.)
Heute sprachich mit einem Kunden bei Bielefeld, und natürlich fiel der Satz, wie gehts denn so....
Was wie ein Schlüssel zu einer Tür paßte und sich sofort ein überaus offener, ehrlicher Resignationsschwall in die Telefonleitung ergoß.
Wie sich das überhaupt noch weiterentwickeln solle, und überhaupt, man könne ja keinen fernseher mehr aufmachen, ohne, und die Kunden würden immer mehr ausgedünnt, es sei ja bald nichts mehr da, und die Zahlen seien auf einem früher für schlicht undenkbar gehaltenen Niveau, völlig im A.
Das Besondere: es rechnet, im Gegensatz zu den Eichelschen Kaffeesatzlesern, keiner aus meinem Kundenkreis damit, daß sich irgendetwas vor vielleicht 2006 bessern würde.
Jetzt ist erst mal Urlaubszeit, im Herbst tut sich auch nicht viel, dann ist von Nov.-April Winter, also, auf gut deutsch, in den nächsten 9 Monaten bzw. auf die Dauer fast eines Jahres hat man sich darauf eingestellt, daß es sich so irgendwie durchschleppt, ohne, daß irgendetwas eine Besserung herbeiführen würde.
Was bedeutet, daß auch in den näxhsten zwölf Monaten Verluste angesagt sind.
In den letzten drei Jahren hat der Sensenmann reiche Ernte gehalten unter Firmen, die schon immer eher knapp dran waren, oder Fehlentscheidungen zu schultern hatten, sowie Firmen in besonders schwierigen Gebieten.
Die alteingesessene Erst-Liga-Gruppe war davon bis jetzt aber noch nicht betroffen. Noch nicht.
Jetzt haben die die Aussicht, daß die Kosten, die man nicht noch weiter drücken kann, weiterlaufen, nein, sogar ansteigen, die Erlöse aber weiterhin nicht hinreichend sind.
Ich gehe davon aus, daß es zum Jahresende hin auch etliche Top-Firmen erwischen wird (nicht nur Baufirmen, die hat es jetzt schon am Wickel, sondern Baumaschinen und ähnliche Investitionsgüter-Zulieferer/Händler).
Die Hersteller wohl eher nicht, weil die überwiegend den Weltmarkt beliefern, und da läufts ja. Nur der heimische Markt ist tot. Und das hält kein Händler so lange aus, wie das schon den Bach runter geht.
Fazit: die ganzen Steuerschätzungen sind doch ebenso für den A.
An jeder Firma, die hopps geht, hängen wieder soundsoviele Zuliefer vor Ort, Dienstleister, usw. Die Arbeitslosenzahlen werden sich insofern auch *prächtig* entwickeln, und ich sehe zumindest für diesen volkswirtschaftlichen Schlüsselbereich für die nächsten zwölf Monate und darüber hinaus schwarz.
Anstatt, daß also, wie erhofft und herbeigebetet, ein Aufschwung kommt, gehe ich davon aus, daß es nochmals eine Stufe runterkracht. Und das in einem Zeitpunkt, in dem mit dem Gegenteil gerechnet wird und viele keinerlei Luft mehr haben, eine weiter andauernde Schleichfahrt zu überleben.
Es macht sich Resignation und Fatalismus breit, so weit ich ein Resümee ziehen soll aus den Gesprächen der letzten Wochen.
Nach der Theorie vom Sentiment müßte also bald die Rakete starten.
Nur fürchte ich, jemand hat in den Karton mit dem Feuerwerk reingepinkelt und das Pulver ist patschnaß. Und MAG NICHT MEHR.
Mal sehen.
Ein schönes Wochenende wünscht Euer Ketzer
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