Frank
23.06.2004, 17:55 |
Offener Brief Thread gesperrt |
-->Offener Brief an die Verantwortlichen der Zeitschriften
HUMANWIRTSCHAFT und (r)evolution
Die HUMANWIRTSCHAFT Juli/August 2004 lädt den Leser zum Zins-Monopoly ein, wo nur derjenige Gewinner ist, der mehr als 40 % seiner Haushaltsausgaben als Zinsen auf sein Gespartes einnimmt. Grundlage ist ein auch in der Zeitschrift (r)evolution oft behaupteter Zinsanteil von 40 % in den Preisen. Diesen ermittelt Autor Helmut Creutz im Wesentlichen (es gibt verschiedene, leicht variierende „Berechnungsverfahren“, s. die genannten Zeitschriften), indem er die gesamten über Geschäftsbanken geflossenen Sollzinsen innerhalb eines Jahres durch die privaten Konsumausgaben im gleichen Jahr teilt. Für Deutschland und das Jahr 2001 sind demnach 382 Mrd. Euro durch 1.137 Mrd. Euro zu teilen, das ergibt 0,34 entsprechend 34 %. Dabei unterliegt er vier Irrtümern:
1. Zinsanteilermittlung durch Korrektur der Irrtümer
Irrtum 1: Vorausgesetzt wird, dass ALLE Unternehmen ihre Zinslasten auf die Kunden umlegen. Das entbehrt jeder Grundlage, da der am freien Markt erzielbare Preis durch ANGEBOT UND NACHFRAGE entsteht. Wir stellen uns drei Betriebe vor, die vergleichbare Produkte produzieren, eins sei schuldenfrei, eins durchschnittlich und eins mit dem doppelten Durchschnitt verschuldet. Nach Creutz müssten diese Produkte nun beispielsweise 100, 140 und 180 Euro kosten. Doch das funktioniert nicht. Der Kunde wird das Produkt für 100 Euro vom schuldenfreien Betrieb bevorzugen, die beiden anderen Firmen machen pleite. Wenn sie überleben wollen, müssen sie ihre Produkte ebenfalls für etwa 100 Euro anbieten. Das kann gelingen, wenn sie die Differenzen von 40 bzw. 80 Euro von ihrem GEWINN abzweigen, sich gegenüber dem ersten Unternehmen also mit weniger Profit begnügen. Genau diese Verhältnisse herrschen in de realen Wirtschaft. Dort treffen wir auf kleine und mittlere Unternehmen, die im Schnitt nur 7,5 % Eigenkapital besitzen, also hoch verschuldet sind, und zudem noch kräftig besteuert werden (eine weitere Belastung neben der Zinslast). Und die großen Konzerne mit ihrer durchschnittlichen Eigenkapitalausstattung bei 25 % und zudem mit ihren internationalen Verflechtungen zu Steueroasen. Sie zahlen relativ wenig Zinsen und fast gar keine Steuern! Deshalb bestimmen sie die Preise. Die Kleinen und Mittleren müssen sich nicht nur am freien Markt danach richten, sondern sich in letzter Zeit sogar (wie aus der Presse zu erfahren etwa als Zulieferer der Autokonzerne oder als Milchlieferanten für Lebensmittel-Handelsketten) die Preise regelrecht diktieren lassen. Analoges gilt für den Wohnungsmarkt (Mieten). Weiter: In Deutschland grassiert die Pleitewelle: Rund 40.000 Betriebe machten 2003 dicht, viele davon auch, weil sie ihre Schuldzinsen nicht mehr zahlen konnten. Nach Creutz ist das ein Ding der Unmöglichkeit, da diese Zinsen ja die Käufer zu zahlen haben.
Irrtum 2: Die gesamten Sollzinsen in Höhe von 382 Mrd. Euro werden nicht nur von den Unternehmen erbracht. Diese stellen nur 55 % Anteil an den deutschen Gesamtschulden entsprechend etwa 210 Mrd. Euro. Unternehmen werden allerdings auch deswegen besteuert, damit der Staat Zinsen zahlen kann. Nimmt man grob an, dass er die Hälfte seiner Zinsen von den Unternehmen holt, so sind zu den 210 Mrd. noch 38 Mrd. zu addieren, das macht dann 248 Mrd.
Irrtum 3: Die 382 Mrd. Sollzinsen ergeben sich als Summe aller Zinszahlungen innerhalb eines Jahres. Es wird dabei nicht berücksichtigt, dass viele ZINSZAHLER innerhalb der Jahresfrist auch ZINSEMPFÄNGER sind. Dies zu berücksichtigen ist organisatorisch praktisch unmöglich, da man dann nicht nur die Zinsflüsse, sondern für jeden Zinsfluss auch Zahler und Empfänger erfassen und am Ende des Jahres untereinander verrechnen müsste. Wir stellen uns ein Unternehmen vor, das im ersten Halbjahr seine Eigenmittel verzinslich angelegt hat und dafür 3.000 Euro Zinsen erhält. Am 1. Juli werden die Eigenmittel abgezogen und für den Bau einer neuen Halle ausgegeben. Um diese Halle vollständig bezahlen zu können, wird noch ein Kredit aufgenommen, für den dann im zweiten Halbjahr 7.000 Euro Zinsen fällig sind. In die gesamten Sollzinsen gehen nun beide Zinsflüsse unabhängig von ihrer Richtung ein, also tauchen 10.000 Euro. als Anteil an den 382 Mrd. Euro. auf. Eigentlich hat die Firma aber nur (7.000-3.000 =) 4.000 Euro Zinsen gezahlt. Das Beispiel ist typisch für die Realität: Die Kredite der Banken AN Banken liegen bei 2,4 Bio. Euro entsprechend ca. 40 % der Bilanzsumme aller Banken. Das heißt: Ein Zinszahler ist im Schnitt innerhalb eines Jahres zu 40 % der gezahlten Zinsen auch Zinsempfänger. Über mehrere Jahre betrachtet, wie für die Zinsanteilsberechnung erforderlich, nimmt der Effekt noch weiter zu.
Irrtum 4: Die 1.137 Mrd. „private Konsumausgaben“ sind viel zu wenig. Denn neben diesen privaten Konsumausgaben von 1.137 Mrd. machten beispielsweise noch Konsumausgaben des Staates in Höhe von 382 Mrd. (nur zufällig identisch mit Sollzinsen), Ausgaben für Bauten in Höhe von 230 Mrd. oder für Ausrüstungen 168 Mrd. das deutsche INLANDSPRODUKT in 2001 aus, das rund 2.000 Mrd. Euro erreichte. Das „Differenzgebiet“ zwischen privaten Konsumausgaben und Inlandsprodukt entsprechend 849 Mrd. wird willkürlich als „zinsfrei“ ausgeklammert, um die Zinslast in den gewünschten Bereich zu drücken! Etwa die Bauunternehmen, die mit dem Staat ihr Geschäft gemacht haben, werden als komplett schuldenfrei angenommen. Weiter ist zu fragen, warum nicht der gesamte UMSATZ als Referenz dient? Dieser war mit 3.418 Mrd. Euro dreimal höher als die von Creutz benutzte Größe!
Die Berücksichtigung obiger Korrekturen führt zwar nicht zu einem genauen Ergebnis, zeigt aber, dass der Zinsanteil in den Preisen WESENTLICH geringer sein muss als 40 %. Man darf grob pro Irrtum einen Korrekturfaktor von 0,5 annehmen:
40 % x 0,5 x 0,5 x 0,5 x 0,5 = 2,5 %
2. Bestätigung des Ergebnisses anhand der Bundesbankdaten
Die realwirtschaftlichen Schlüsseldaten der Bundesbank bestätigen dieses Ergebnis mit überraschender Genauigkeit:
Zinsen der inländischen Unternehmen:
Zinserträge: 24 Mrd. Euro
Zinsaufwendungen: 55,5 Mrd. Euro
Man sieht auch hieran sehr schön den „Ausgleichseffekt“: Die Erträge gleichen 44 % der Aufwendungen aus (Irrtum 3). Somit bleiben per Saldo
55,5 Mrd. - 24 Mrd. = 31,5 Mrd. Zinsaufwendungen.
Hinzu nehmen müssen wir noch einen Teil der Zinsen des Staates, die insgesamt mit rund 68 Mrd. ausgewiesen werden. (Diese Zinsen wurden z. B. an die Besitzer von Bundesschatzbriefen gezahlt. Die 68 Mrd. entsprechen recht dem geschätzten Anteil von 20 % an 382 Mrd. Euro). Wenn wir davon ausgehen, dass die Hälfte davon (34 Mrd.) aus den Unternehmen gezogen wird und folglich mit den Zinsaufwendungen von 31,5 Mrd. addieren, erhalten wir
rund 66 Mrd. Euro.
Diese ABSOLUTE GESAMTZINSBELASTUNG der Unternehmen bedeutet
3,3 % vom Bruttoinlandsprodukt sowie 2 % der Umsätze!
Es stellt sich die Frage, warum nicht dieser direkte und sichere Weg zum Ziel genommen wurde. Creutz scheint dem Irrtum zu unterliegen, dass es ihn nicht gibt.
3. Bestätigung auf Grund der Erhebung des Prof. Niederegger
Der Professor für Volkswirtschaft Gerhard Niederegger hielt in seinem Buch „Das Freigeldsyndrom“ die 40 % ebenfalls für überzogen, aber 5 bis 15 % für möglich. Von Herrn Creutz gibt es hierzu eine Erwiderung mit einer zentralen Gegenargumentation:
„Der Vergleich jener von Niederegger angeführten 5 bis 15 % der Wertschöpfung (woraus er offensichtlich den von ihm angenommenen zehnprozentigen Anteil in den Preisen ableitet) mit dem von mir angegebenen Preisanteil von 30-50 % ist jedoch irreführend:
Einmal betreffen die 5-15 % nur die Fremdkapitalzinsen, so dass die Verzinsung des Eigenkapitals noch hinzukommt. Zum zweiten gehen nicht nur die Zinslasten der Unternehmen in die Preise ein, sondern auch die des Staates und der öffentlichen Einrichtungen. Zum dritten muss man diese Zinslasten nicht mit der Wertschöpfung bzw. dem Volkseinkommen vergleichen, sondern letztlich mit den um rund 30 % Prozent geringeren Haushaltsausgaben.“
Diese Entgegnung enthält weitere Irrtümer:
Irrtum 6: „Einmal betreffen die 5-15 % nur die Fremdkapitalzinsen, so dass die Verzinsung des Eigenkapitals noch hinzukommt.“
Richtig, man muss Ausgaben (Fremdkapitalzinsen) und Einnahmen (Verzinsung des Eigenkapitals) gegeneinander verrechnen, um seine wirkliche Zinsbelastung festzustellen. Wenn also die 5-15 % von Herrn Niederegger nur die Fremdkapitalzinsen betreffen, dann ist dieses Ergebnis natürlich gegenüber dem richtigen ZU HOCH. Da die Verzinsung des Eigenkapitals im Schnitt 44 % der des Fremdkapitals ausmacht, bedeutet das einen Korrekturfaktor von 100 %-44 % = 56 % bzw. 0,56 für die 5-15 %. Der wahre Zinsanteil liegt demnach also bei rund 3 bis 8 %.
Irrtum 7: „Zum zweiten gehen nicht nur die Zinslasten der Unternehmen in die Preise ein, sondern auch die des Staates und der öffentlichen Einrichtungen.“
Die öffentlichen Einrichtungen sind bereits Bestandteil des Staates (= Bund, Länder, Gemeinden), in welcher Welt lebt Herr Creutz? Dessen Anteil am gesamten Zins in den Preisen ist bei fairer Veranschlagung (Irrtum 2) relativ gering. Das Argument besitzt also für einen Sprung von 3-8 % auf 30-50 % Zins im Preis kaum Zugkraft. Doch sollen großzügig 7 % angenommen werden.
Irrtum 8: „Zum dritten muss man diese Zinslasten nicht mit der Wertschöpfung bzw. dem Volkseinkommen vergleichen, sondern letztlich mit den um rund 30 % Prozent geringeren Haushaltsausgaben.“
Hier geht es um die Referenzgröße, also die Größe unter dem Bruchstrich (Irrtum 4). Wertschöpfung bzw. Volkseinkommen bedeutet Bruttoinlandsprodukt. Haushaltsausgaben bedeutet private Konsumausgaben (in 2001 exakt 43 % geringer als das Bruttosozialprodukt). Dass diese als Referenz nicht taugen, wurde bereits begründet. Null Punkte, es bleibt bei 7 %.
Auch Niederegger geht jedoch von der kompletten Umlage der Preise auf den Kunden aus, was nicht haltbar ist. Damit erhält man als Ergebnis ungefähr 3,5 %.
Gefährliches Manipulations-Monopoly
Das von Creutz in der aktuellen HUMANWIRTSCHAFT veranstaltete Monopoly soll implizieren, dass nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung vom Zinssystem profitiert. Den meisten Spielern wird suggeriert, Verlierer (Zinsknechte) zu sein. Damit wird nach meinem Dafürhalten der soziale Friede untergraben.
Creutz verzerrt dabei nicht nur die Realität des Zinsanteils in den Preisen völlig, sondern auch auf der Einkommensseite.
Vergessen wird, dass bereits angesichts von über 90 Mio. kapitalbildenden Lebensversicherungen in unserem Land breite Teile der Bevölkerung zumindest nicht erheblich vom Zinssystem geschädigt werden. 929 Mrd. Euro hatten die Deutschen 2001 in Versicherungen angelegt, annähernd soviel wie auf Banken. Nur, wer weiß schon, wie viel Zinsen schließlich in der ausgezahlten fünf- oder sechsstelligen Summe stecken werden?
Vergessen wird auch die Tatsache, dass von den oben genannten 382 Mrd. Schuldnerzinsen rund 80 Mrd. (fast ein Viertel) als Bankenmarge abgingen und den Banken davon kaum ein Gewinn blieb. Fast die gesamten 80 Mrd. wurden für Neuanschaffungen und die Zahlung von Löhnen und Gehältern verwandt - wer bei der Bank arbeitet, wird mit Zinsen bezahlt! Schon deshalb dürfte man hier nicht 40 %, sondern nur etwa 30 % ansetzen.
Verschwiegen wird auch, dass der Zins keineswegs das einzigste risiko- und leistungslose Einkommen ist. So erhält etwa die Hälfte der bundesdeutschen Bevölkerung leistungs- und risikolose Einkommen in Form von Subventionen und Sozialleistungen, wie etwa die Eigenheimzulage. Dies belastet den Bereich „Arbeit“ genau wie die Zinsen. Im Osten leben übrigens nach neusten Presseberichten nicht mal mehr 50 % der Menschen vom eigenen Einkommen.
Sehr geehrte Frau Wendnagel, werter Herr Hannich!
Soeben habe ich Ihnen gezeigt, wie man auf drei verschiedenen Wegen zum durchschnittlichen Zinsanteil in den Endverbraucherpreisen in Deutschland gelangen kann:
1. ausgehend vom Ansatz des Herrn Helmut Creutz unter Korrektur der dabei von ihm gemachten Fehler mit ausführlicher Begründung dieser
2. ausgehend von realwirtschaftlichen Schlüsseldaten der Bundesbank für das Jahr 2001
3. ausgehend vom Ansatz des Professors Niederegger unter Berücksichtigung der Einwände des Herrn Creutz
Die drei Ergebnisse sind praktisch deckungsgleich und zeigen, dass der durchschnittliche Zinsanteil im Preis höchstens wenige Prozent beträgt. Demgegenüber wird in Ihren Zeitschriften ein Zinsanteil von 40 % behauptet.
Das erachte ich vor allem deshalb als gefährlich, weil es - wie im Monopoly von Herrn Creutz, das ja in der NEUEREN freiwirtschaftlichen Literatur bei vielen Gelegenheiten gespielt wird - den öffentlichen Frieden in den Ländern, wo die Zeitschriften verbreitet werden (Schweiz, Ã-sterreich, Deutschland) beeinträchtigen könnte.
Die in meiner Beweisführung verwendeten Daten sind frei zugänglich und relativ einfach anzuwenden. Die 40 % klingen bereits „gefühlsmäßig“ unwahrscheinlich und hätten etwa die Frage implizieren müssen: Kann es sein, dass bei Verdopplung des Zinssatzes (dann 80 % Anteil) statt 60 % nur noch 20 % Anteil am Preis für die Betriebe ausreichen? In einem kleinen „Strategiepapier“ an Sie, Herr Hannich, sowie in einem Telefongespräch habe ich ferner deutlich darauf hingewiesen, dass diese Behauptung des Herrn Creutz, die von Frau Prof. Kennedy und Prof. Senf sowie zahlreichen Autoren und Protagonisten einfach übernommen wurde (erschreckend!), stark überzogen ist und ich dies beweisen kann. Ich habe die sofortige Einstellung der „Bierdeckelaktion“ gefordert.
Ich werfe Ihnen hiermit vor, Ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht und Ihrer Verantwortung in Sinne des Pressegesetzes nicht ausreichend gerecht geworden zu sein.
Sie wurden jedoch hiermit über den wirklichen Sachverhalt präzise informiert. Wenn Sie dennoch Verständnisschwierigkeiten haben, sollten Sie einen Sachverständigen zu Rate zu ziehen bzw. sich direkt bei der Bundesbank erkundigen.
Vorsorglich gebe ich zur Kenntnis, dass man Ihnen ab jetzt BÃ-SWILLIGKEIT vorwerfen kann, wenn Sie weiterhin die Behauptung befördern, der Zinsanteil in den Preisen sei größer als wenige Prozent. Das könnte Konsequenzen haben, die weit über eine Beschwerde beim Presserat hinaus gehen.
Frank Sichla, Ex-Lektor HW, im Juni 2004
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---Elli---
23.06.2004, 18:05
@ Frank
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Re: Offener Brief / Ist ja ein Hammer mit diesem Herrn Creutz! oT (o.Text) |
-->
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Trithemius
23.06.2004, 18:17
@ Frank
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Re: Jetzt schon 40 %? |
-->Guten Tag!
Dieser schöne Bierdeckel hier
Wer die Weltkugel in concreto darstellt, ist demnach endlich"enttarnt"?
MfG - Trit
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dottore
23.06.2004, 18:56
@ Frank
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Re: Offener Brief |
-->Hi,
kann die Juli/August-Ausgabe von"Humanwirtschaft" nicht eruieren.
Dafür dieses:
Basis MB Buba Okt 2003: Zur Situation kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland - sog. KMU - mit Zahlen aus 2001.
1. EK (Eigenmittel) = 7,5 %, bei Großunternehmen 25. Rest Fremdmittel, was nicht (!) bedeutet, dass dies verzinsliche (!) Bankverbindlichkeiten sind, sondern im Wesentlichen Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, siehe auch Punkt 4.
2. Die Zinsaufwendungen liegen lt. Erfolgsrechnung bei 2 %, die Zinserträge bei 0,5 % in der gesamten Erfolgsrechnung, was netto also für alle KMU ca. 1,5 % wären (die Buba hat gerundet). Wir haben es bei den KMU mit insgesamt ca. 2,9 Millionen Unternehmen und 99,7 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, die ca. 70 % aller Arbeitnehmer beschäftigen, zu tun, die in ihren Umsätzen (97,5 % der Gesamtleistung, Rest Bestandsveränderungen) also max. 2 % Zinsanteil haben können, da die Umsätze schließlich in realisierten Preisen gemessen werden. Bei Großunternehmen halten sich die Zinsaufwendungen und -erträge mit jeweils 1 % der Gesamtleistung sogar die Waage.
3. Der berühmte"Zinsanteil" in den Preisen (Creutz usw.) ist also barer Unfug. Was wir im EW-Forum schon lang und breit diskutiert hatten.
4. Die erfassten KMU hatten lt. Bundesbank bei einer Bilanzsumme von 889 Mrd. Euro zum Bilanzstichtag an monetären Größen:
AKTIV:
- Kasse: 43.
- Kurzfristige Forderungen abzgl. jener aus Lieferungen und Leistungen (also demnach gegenüber Kreditinstituten): 90,5.
- Langfristige (und ergo verzinsliche Forderungen) plus Wertpapiere (ebenfalls verzinslich oder mit Dividendencoupons und dabei nicht als Beteiligungen ausgewiesen): 24,5.
PASSIV:
- Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten kurzfristig: 156,6.
- langfristig: 171,5.
Wenn wir diese Zahlen saldieren, erhalten wir - bei Weglassen der Kasse - eine Nettoposition Verbindlichkeiten gegen Kreditinstitute von 213,1 Mrd.
Dieses würde bei einem Zinssatz von 10 % eine zu zahlende Zinssumme von ca. 21 Mrd. Euro ausmachen (Window Dressing u.ä. mal außen vor).
Nehmen wir dies, der Einfachheit halber, als die Nettozinslasten (siehe oben) der KMU und ebenfalls der Einfachheit halber mit 1,6 % an (Sollzinsen höher als Habenzinsen), so kämen wir von unten gerechnet auf 1312 Mrd. Umsatz.
Tatsächlich gibt die Bundesbank als Umsatz der KMU 1333 Mrd. an.
Von oben gerechnet, also ausgehend von den 1333 Mrd. Umsatz wären bei Nettozinslasten von (Zinsaufwendungen minus Zinserträge) 1,5 Prozent des Umsatzes (siehe oben) diese bei ca. 20 Mrd., woraus zu schließen ist, dass der Soll-Zinssatz leicht unterhalb der oben genannten 10 % liegen dürfte.
So oder so gerechnet passt es also in der Größenordnung.
Bei Großunternehmen (ab 50 Mio Jahresumsatz) ist der Ergebnis noch eindeutiger gegen das Märchen von der"40 % Zinslast in den Preisen":
Diese haben einen Umsatz von 2076 und dabei Zinserträge von 19,5 und Zinsaufwendungen von 23,5. Beides liegt ebenfalls im ca. 1-Prozent-Bereich.
Die Berechnungen von Herrn Sichla et al. sind m.E. also noch sehr entgegen kommend.
Mir ist wirklich unbegreiflich, wie Leute von Verstand mit"40 Prozent" rechnen können.
Naja, vielleicht sind's demnächst 50 Prozent (unaufhörlich mahlt der"Zinseszinseffekt"). Da die Abgaben (hier als Basis das BIP) lt. ifo-Chef die 50-Prozent-Grenze auch schon hinter sich gelassen haben, kann es wirklich nur noch besser werden.
Gruß!
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---Elli---
23.06.2004, 19:25
@ dottore
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Re: Offener Brief / frühere Postings |
-->>3. Der berühmte"Zinsanteil" in den Preisen (Creutz usw.) ist also barer Unfug. Was wir im EW-Forum schon lang und breit diskutiert hatten.
Hier ein paar Postings, die ich auf Anhieb gefunden habe:
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/207828.htm
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/189256.htm (viele Antworten)
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/187566.htm
http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/246942.htm
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Eduard
30.06.2004, 13:57
@ Frank
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Re: Offener Brief |
-->Mir scheint, dieses Thema (Art und Weise der Berechnung der Zinslast in den allgemeinen Preisen) nicht neu! Man kann da unterschiedlicher Meinung sein.
Gehen die"Werte" aber sooo extrem auseinander, muss eigentlich irgendwo und/oder irgendjemand einen Gedankenfehler machen. Bloss wer? Jedenfalls sind die Jungs von der HUMANWIRTSCHAFT recht fix und haben das Thema recht gut gleich aufgegriffen. Ich finde, Stellungnahme und Beitrag von Creutz zum Thema docht recht überdenkenswert.
Eduard
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dottore
30.06.2004, 17:49
@ Eduard
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Re: Offener Brief |
-->>Mir scheint, dieses Thema (Art und Weise der Berechnung der Zinslast in den allgemeinen Preisen) nicht neu! Man kann da unterschiedlicher Meinung sein.
Hi,
wieso? Wenn alle KMU rd. 2 % und alle Großunternehmen rd. 1 % des Umsatzes laut ihren Gewinn- und Verlustrechnung als Zinsaufwendungen verbuchen, wie können dann 30 oder 40 %"Zinslast" in den Preisen entstehen?
Ganz einfach: Indem man 30 oder 40 Firmen mit ihren Umsätzen hintereinander schaltet. Wird diese Logik zu Ende gedacht, nähert sich der Zinsanteil 100 %.
Beispiele:
Eine Firma startet mit EK 1000. Firma produziert ohne Arbeitskräfte und mit einer Maschine (oder Mutter Natur), die nicht abgeschrieben werden muss, also Bilanz aktiv/passiv immer 1000. Das EK muss mit 10 % verzinst werden (Dividenden werden wie Zinsen behandelt). Die Firma stellt 100 Einheiten her. Um die 100 (10 % ex 1000) zu erwirtschaften, muss die Firma jede Einheit für 1 verkaufen mal 100 = 100. Der Zinsanteil im Preis jeder Einheit liegt bei 100 %.
Zwei Firmen mit je EK 1000 (wie eben) plus Einstellung von Arbeitskräften. Die Arbeiter von Firma A kaufen die Produkte von Firma B und umgekehrt. Beide Firmen müssen das Geld für die Arbeitskräfte (das EK steckt ja in der perpetuum mobile-"Maschine") sich leihen. Angenommen pro Firma wieder je 1000 mit 10 %. Und: Beide Firmen stellen je 100 Einheiten her.
Die beiden Firmen sind jetzt je 200 schuldig aus EK und FK-Verzinsung. Das EK ruht still und bleibt in den Firmen, das FK wurde an die Arbeiter ausgezahlt. Diese haben insgesamt 2000 und können auch nur in Höhe von 2000 die 200 Produkte kaufen. Für jedes Produkt stehen also 10 zur Verfügung. Würden die 200 Produkte für je 10 angeboten, wäre der Zinsanteil bei Null.
Die Firmen müssen aber (Maschine wird nicht abgeschrieben und geht nicht in die Kalkulation ein) auch je 200 für die Verzinsung EK und FK kalkulieren.
Der Umsatz, den sie machen müssten, liegt also bei 2400. Dem stehen als Nachfrage nur 2000 (ausgezahlte Löhne) gegenüber. Die 400 konnten noch nicht ausgezahlt werden, weil sie noch nicht eingegangen sind.
Entweder die beiden Firmen gehen in Konkurs. Oder die Arbeiter verschulden sich in Höhe der 400 und können dann mit 2400 den mit 2400 kalkulierten Umsatz der Firmen (zweimal je 1000 Löhne plus zusammen 400 Zinsen) realiseren. Jede Einheit mit 12 (mal 200 macht die 2400). Der Zinsanteil an den 12 sind 2, also 16,6 %.
Das lässt sich in allen Varianten kombinieren, z.B. indem eine Firma C dazu kommt, die - siehe oben, nur EK-Verzinsung - ein Vorprodukt an die Firmen A und B liefert und dafür 1 haben muss. Dieses 1 geht in die Kalkulation von A und B ein und verteuert deren Endprodukt auf 13, womit der Zinsanteil auf 23 % steigt, usw., usw.
Oder ganz anders. Auch die Arbeiter, die sich mit 400 verschuldet hatten, müssen jetzt ihrerseits die 10 % Zinsen darauf, also 40, über entsprechend steigende Löhne hereinholen, womit diese auf zusammen mindestens 2040 steigen müssen - was aber das Problem in Runde 2 nicht löst: Die 40 müssen wieder die Firmen vorfinanzieren (weitere 4 als"Zinslast") und die Arbeiter müssen sich entsprechend den dann höher kalkulierten Angebotspreisen weiter und höher verschulden, und so immer weiter.
Am Ende steht wiederum automatisch eine Zinslastquote von 100 %, was auch eine andere Betrachtungsweise zeigt:
Die Erstausstattung mit Bargeld erfolgte 1948 bereits verzinslich. Die Zinsen ist die BRD der Bundesbank schuldig und die Steuerzahler sind den Betrag der BRD schuldig. Und zwar die Erstausstattung plus die inzwischen aufgelaufenen Zinsen.
Woraus sich ergibt: Auch das"einmal" ausgegeben Geld plus die Zinsen darauf sind noch nicht erhobene Steuern. Woraus wiederum folgt, dass alles Geld und auch das Geld, mit dem die Zinsen darauf bezahlt werden, nichts anderes ist als eine noch nicht erhobene Steuer. Das aktuelle Geld kommt bekanntlich fast nur noch gegen Staatspapiere (oder verwandte Titel, wie öffentliche Pfandbriefe) aus der deutschen ZB (in anderen schon voll) und Staatspapiere ihrerseits sind ebenfalls nichts anderes als noch nicht erhobene Steuern.
In einer Wirtschaft gibt es gesamthaft keine Nettogläubiger und keine Nettoschuldner, wenn alle Salden zum Termin ausgeglichen werden. Nur der Termin, die Staatsschulden via Steuerzahlungen auszugleichen, steht noch aus. Das ist alles. Da der Staat seine Zinsen (Steuern) mit Gewalt eintreiben kann, zieht sich das Ganze nur noch hin (Bonität usw.).
Dass der sog."Privatzins" nichts anderes ist als ein"Zinnß"-Derivat (Zinnß = Steuer) ist hier schon lang und breit diskutiert worden. Wer das in Händen hat, was ein anderer zum"Zinnß"- alias Abgabentermin benötigt, aber nicht in Händen hält, kann den anderen zum Zinser machen (= althergebrachtes Wort für Steuerpflichtigen).
>Gehen die"Werte" aber sooo extrem auseinander, muss eigentlich irgendwo und/oder irgendjemand einen Gedankenfehler machen. Bloss wer?
Der Gedankenfehler liegt in der Perioden-Rechnung bzw. in der Nichtberücksichtigung von Fälligkeiten. Zinsen sind immer nur gestundete Steuern, bzw. Ableitungen davon. Die entsprechenden Derivate tragen logischerweise einen Aufschlag, sonst wurde jeder jedem zum Termin"zinsfrei", also (für den anderen) kostenlos unter die Arme greifen.
Die Steuern zur Tilgung der Staatsschulden liegen bei 1,3 Billionen. Die sie noch nicht erhoben werden, aber Titel darüber existieren, die im Nichtstaatssektor liegen, können aus diesen Titeln weitere Titel (Schuldenaufnehme) gemacht werden: Der Staat beleiht seine 1,3 Billionen Steuerforderungen, sagen wir auf durchschnittlich 10 Jahre. Der Nichtstaatssektor hat jetzt 1,3 Billionen"Geldvermögen". Die kann er jederzeit beleihen (als Sicherheit für weitere, allerdings kürzer laufende Titel hinterlegen).
So werden aus den 1,3 Billionen - sofern zu 50 % beliehen und Laufzeit 5 Jahren - schon über 2 Billionen und aus den 2 Billionen - wieder zu 50 % beliehen und Laufzeit 2,5 Jahren - 3 Billionen, usw. usw. Das Beleihungspotential, auf immer kürzere Laufzeiten (und dies sogar mit nur noch einem Tag Fälligkeitsunterschied) kann gegen unendlich gehen und damit auch die sog."Gesamtverschuldung".
Sobald die Gesamtverschuldung nicht mehr wächst (entweder keine zusätzliche langfristige Zession von Steuern durch den Staat, da Zinsen = abgetretene Steuern > eingehende Steuern, oder keine Möglichkeit mehr, mit noch kürzeren Laufzeiten zu arbeiten), beginnt die"Rückabwicklung": Laufend werden Summen fällig und wenn wir beim Staat bleibt, dann müssen die Termine mit Hilfe zusätzlicher Steuereinnahmen bedient werden.
Die einzig relevante Frage ist demnach: Wer muss die Steuern zum Schluss bezahlen.
>Jedenfalls sind die Jungs von der HUMANWIRTSCHAFT recht fix und haben das Thema recht gut gleich aufgegriffen. Ich finde, Stellungnahme und Beitrag von Creutz zum Thema docht recht überdenkenswert.
Noch zur Periodenrechnung:
Aus den neuesten Zahlen der Buba geht dies hervor:
Geldvermögen der privaten Haushalte netto: 2 371 Mrd Euro.
Was zunächst gut ausschaut. Nahmen wir nun die 1,3 Billionen noch nicht (monetär, wie auch sonst?) erhobenen Steuern weg, bleibt rund 1 Billion. Diese steckt (kann nur stecken!) in bewertetem nichtmonetären Eigentum (Versicherungen anteilig und auf Realien zielend ca. 450 Mrd, Aktien 230, Beteiligungen 170 und Investmentzertifikate als anteilig auf Realien zielend ca. 170 Mrd.).
Wenn der Staat also wieder alles Monetäre an sich gezogen hat, bleiben diese Realien (Eigentumsrechte) übrig - allerdings dann zu einer nicht mehr monetär auszupreisenden oder zu bewertenden Größenordnung.
Man hat halt dann die Sachen, die man hat. Dass dies nicht den Beifall aller findet, sondern Umverteilungswünsche (zielend auf Sachen, das Monetäre ist und bleibt nur Schaum) starten, versteht sich von selbst.
Gruß!
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Frank
30.06.2004, 18:48
@ dottore
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Re: Offener Brief |
-->Gemäß der zugrunde liegenden Formel
Gesamt-Sollzinsen/Konsumentenpreise
müssten nach den Prognosen der Freigeldler
1. exponentiell steigende Zinslasten
2. Deflation (Konsumentenpreise sinken)
sowieso bald 100 Prozent erreicht sein.
Hier ist also die Formel für den Zeitpunkt des Weltuntergangs!
Danke für das"Hochstellen", Elli, vielleicht kann man das (r) noch mit runter auf die dritte Zeile nehmen.
40 % Zinslast ist übrigens VOLLKOMMEN UNMÃ-GLICH (totale Deflation).
Brief und Entgegnung stehen übrigens auch auf der Site der HW.
Damit, dass weitere Konsequenzen unterblieben, ist der Beweis erbracht, dass diese Bewegung REFORMUNFÄHIG ist.
Sie ist heute schon von gestern. Morgen bereits wird sie von VORGESTERN sein.
FS
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Dieter
30.06.2004, 19:04
@ Frank
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Zinses-Zins |
-->führt m.E. dann zu Deflation wenn die Steigerungen in der Produktivität schwächer gegenüber der steigenden Zinsbelastung werden.
Nicht die prozentuale Höhe der Zinsbelastung wäre entscheidend, sondern das Verhältnis Zinsen/Produktivität-Sozialprodukt, und aufgrund der Kapitalglobalisierung wäre dieser Ansatz nur noch im Weltmaßstab anzusetzen.
Gruß Dieter
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dottore
30.06.2004, 19:17
@ Dieter
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Re: Staatsschulden BRD 1948-heute: 130fach |
-->... also nichts ist zinseszinsiger.
Muss nach dem System auch so sein.
Gruß auch an alle Staatstitel- und Titelderivatehalter!
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monopoly
30.06.2004, 19:38
@ dottore
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Re: Staatstitelhalter: Papst wird 75% haircut absegnen |
-->>... also nichts ist zinseszinsiger.
>Muss nach dem System auch so sein.
>Gruß auch an alle Staatstitel- und Titelderivatehalter!
allerdings zunächst die Argentinischen.....
.. und die Bondbesitzer in Urbi et Orbi gefügig machen.
Die argentinische Ladron-Regierung versucht erneut - über seinen Botschafter - beim Papst eine Deklaration zu erwirken, die den Bondbesitzern klarmacht, daß der 75%ige haircut angesichts der dramatischen sozialen Situation in Argentinien gerechtfertigt sei und er dem Vorgehen der argentinischen Regierung seinen päpstlichen Segen erteilt.
Bislang ist nicht bekannt, ob Einsichtigen dann der Ablaß aller ihrer früheren und künftigen Sünden in Aussicht gestellt wird.:-((
http://www.lanacion.com.ar/04/06/16/de_610639.asp
Gestiones oficiales ante el Vaticano
Buscan que apoye al paÃs por la deuda
16.06.2004
http://www.b-wiebel.de/forum/messages/39431.html
Was ist dann eigentlich mit den nichtchristlichen Bondbesitzern?
Wenn er da mal keinen Ärger kriegt mit seinem Chef bzw. mit andern Göttern.
Interessanterweise haben ja die Worte Zins=Natter=Naescheck(lt. dottore die Macht) und Jesus im Hebräischen die selben Zahlenwerte, aber das nur am Rande für die Freaks die alles wissen wollen.
In diesem Sinne Urbi et Orbi
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