LeCoquinus
24.06.2004, 21:13 |
@R. Deutsch betr. Machttheorie Thread gesperrt |
-->Hallo,
genau da kann man ansetzen. Also ist Handel nichts anderes als eine legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen. Die Gewalt jedoch ist je nach Gesellschaft und Moralvorstellung sehr viel problematischer und definitiv NICHT der alleinige Impuls für einen hohen STATUS innerhalb einer Gruppe.
Dottores Machttheorie betrachtet nur eine Seite eines vielflächigen Würfels. Seine Beobachtungen zweifellos richtig, aber seine Schlußfolgerungen greifen imho zu kurz.
Es geht um die Frage: Wozu dieser Hang zur Macht.
Warum stellen sich einzelne, Gruppen und gar ganze Staaten über andere. Warum Tribut, Steuern, Abgaben. Wieso wird ein Abgabegut (z.B. Gold ) überhaupt erhoben?
Um es auf den Punkt zu bringen:
Die Art Homo sapiens befindet sich im Gegensatz zu vielen Säugern, mit Erlangung der Geschlechtsreife in ständiger Brunft. Typische Brunftzeiten gibt es keine. Daraus resultiert ein andauerndes Gerangel um STATUS zur Bezugsgruppe. Das kann direkt von Mensch zu Mensch bis hin zu Konkurrenzgerangel innerhalb von Völkergemeinschaften sein.
Man denke z.B. an sich prügelnde Fußballfans,"America first" usw...
In Brasilien habe ich Gegenden gefunden, wo die Leute sich direkt vom Land ernährten, ja sogar viele Dinge des Alltags aus den Rohstoffen der Natur herstellten. Von einer Meldepflicht bei den Behörden haben die noch nie gehört, Steuern zahlen die auch keine. Und trotzdem nutzen dies Menschen jede Gelegenheit um Handel zu betreiben, um an GZ zu kommen. Wofür? Einen Steuereintreiber werden die NIE sehen!!!
Klar, die taten dies um sich so lebenswichtige Dinge wie Fernseher, Schnaps, Waschmaschine oder gar"modischere Klamotten" usw. usw. zu kaufen. Das war nix andres als STATUSERHÃ-HUNG; KEIN ZWANG von Außen (doch GZ, aber nur weil es so viel einfacher ist)!!!!
PS: Strom für elekt. Geräte wird dort häufig direkt von den Überlandleitungen einach abgezapft.
Wenn ich Dottore richtig verstanden habe, behauptet seine Machttheorie, daß Gold in der Antike deswegen so wertvoll war, weil es oft Bestandteil von Tributzahlungen war. Soweit so gut. Aber warum waren die Herrscher so spitz danach?
Ich denke die ursprüngliche Form des Geldes bestand in seiner Funktion, den Status des Besitzers direkt zu erhöhen.
Dies geschaht u.a. durch seine Funktion als
a)Schmuck
Man denke an die bestickten Gürtel der Indianer als Tauschware (Wampums), Glasperlenketten usw.
oder b) als waffenfähiger Rohstoff
Siehe Dottores Ausführungen dazu
weiter Möglichkeiten kann Dottore mit Sicherheit nennen.
Gewalt und Macht sind in der menschlichen Gesellschaft, ob man will oder nicht, ein wichtiger Bestandteil, aber nicht DER Stamm auf dem alles ruht.
Wenn Gewalt in der Gesellschaft das dominante Prinzip wäre, dann wäre das menschliche Verhalten bei der Partnerfindung mit Sicherheit nicht derart komplex. Mann sucht Frau: Kein Problem! Frau ausmachen, Keule über den Schädel, in die Höhle schleifen, Karnickelnummer und fertig ist die Familie?!
Nee, nee. Die Fortpflanzungsbiologie des Menschen steckt eigentlich noch in vielem in den Kinderschuhen, obwohl es schon eine Menge Erkenntnisse dazu gibt.
Eines kann man jedoch dazu sagen: Die Partnerfindung ist sehr Energie- und Zeitaufwendig.
Ein eminent wichtiger Punkt hierbei ist der STATUS in der Bezugsgruppe.
Wie kann man den STATUS (zwecks Fortpflanzung) erhöhen?
a) durch MACHT
b) durch SEX-Appeal
c)....d)....e)...??????
SEX-Appeal kann/konnte wirksam u.a. durch Schmuck v.a. Goldschmuck erhöht werden.
Dies ist wohl DER Grund, warum Gold als Tauschobjekt schon immer beliebt war.
Es ist schlichtweg ein Statusmittel!
Das die Machthaber umso begieriger danach waren, ist eine logische Schlußfolgerung und steigerte natürlich seinen Wert.
Wie ist es denn heute? Die machtvolle Übergruppe STAAT definiert ein GZ (bei uns aus bedruckten Papier) und MUß (mit viel Aufwand) ihm den NIMBUS eines Statusmittels geben (u.a. Steuern).
Fällt einmal die staatliche Ordnung weg, entfleucht sofort auch der gewaltgedeckte Nimbus.
Gold(schmuck) dagegen, ist durch seine Eigenschaften, seit alters her ein Statusmittel, ohne daß dem etwas erzwungen werden müßte.
Daher funktioniert es auch als Tauschmittel, wenn mal das aufgezwungene GZ entfleucht.
Sorry für die Tippfehler; hab das jetzt gerade mal auf die Schnelle aus dem Ärmel geschüttelt...
Bis dann
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bernor
24.06.2004, 21:59
@ LeCoquinus
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E i n Tippfehler sei hier schon mal berichtigt... |
-->...weg mit dem"e"... gib mir ein"o"...
Also:
Ich denke die ursprüngliche Form des Goldes bestand in seiner Funktion, den Status des Besitzers direkt zu erhöhen.
Geld dagegen ist machtinduziertes GZ, nicht wahr?
Diese dummen Tippfehler...[img][/img]
Gruß bernor
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LeCoquinus
24.06.2004, 22:03
@ bernor
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Nur zu, es ist ja nur ne sehr rohe Rohfassung:-) (o.Text) |
-->
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LeCoquinus
24.06.2004, 22:05
@ bernor
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Äh... Gold ist kein waffenfähiger Rohstoff, Beilgeld z.B. schon... (o.Text) |
-->
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dottore
25.06.2004, 12:33
@ LeCoquinus
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Re: Gold als Statussymbol |
-->>Hallo,
>genau da kann man ansetzen. Also ist Handel nichts anderes als eine legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen.
Hi,
die ersten Händler, über die wir Kenntnis haben (3. Jt. BC, sog. DAM.GAR) sind königliche Agenten. Sie reisten unter königlichem Schutz - wie auch sonst? Sie beschaffen dem königlichen Haushalt jene Güter, die nicht im Abgaben-Kanon erhalten waren. Die Existenz eines"vorköniglichen Händlers" ist durch nichts belegt. Es ist eine Rückprojizierung: Heute gibt es Händler, also muss es sie schon vor dem Eintritt von Macht und Herrschaft in der Geschichte gegeben haben.
>Die Gewalt jedoch ist je nach Gesellschaft und Moralvorstellung sehr viel problematischer und definitiv NICHT der alleinige Impuls für einen hohen STATUS innerhalb einer Gruppe.
Jede tradierte Geschichte, selbst jeder Mythos, jede Religionsvorstellung nicht minder, beginnt mit einem originären"obersten Machthalter". Dieser übt Gewalt aus bzw. hat das Potenzial zur Gewaltausübung. Ob der Herrscher geachtet, verachtet, verehrt oder gefürchtet wurde, spielt keine Rolle. Er herrscht und was heißt Herrschaft, wenn nicht"herrschen"?
>Dottores Machttheorie betrachtet nur eine Seite eines vielflächigen Würfels. Seine Beobachtungen zweifellos richtig, aber seine Schlußfolgerungen greifen imho zu kurz.
>Es geht um die Frage: Wozu dieser Hang zur Macht.
Ã-konomisch oft genug erklärt: Es ist produktiver (für den jeweils Herrschenden) zu herrschen als nicht zu herrschen, also von den Nicht-Herrscher Güter, Dienste, Leistungen abzufordern, die man sonst selbst erbringen müsste. Geht beim"Opfer" los und endet in der Steuer.
>Warum stellen sich einzelne, Gruppen und gar ganze Staaten über andere.
Weil sie mehr oder bessere Waffen und Bewaffnete haben.
>Warum Tribut, Steuern, Abgaben.
Weil sie dem Machthalter ökonomische Vorteile verschaffen. Der Wert der dazu erforderlichen Waffen (ob eingesetzt oder nur"gezeigt" - der Mensch lernt schnell) entspricht dem, was mit ihrer Hilfe abgefordert werden kann.
>Wieso wird ein Abgabegut (z.B. Gold ) überhaupt erhoben?
Weil man nicht selbst am Fluss suchen oder im Bergwerk malochen möchte.
>Um es auf den Punkt zu bringen:
>Die Art Homo sapiens befindet sich im Gegensatz zu vielen Säugern, mit Erlangung der Geschlechtsreife in ständiger Brunft. Typische Brunftzeiten gibt es keine. Daraus resultiert ein andauerndes Gerangel um STATUS zur Bezugsgruppe. Das kann direkt von Mensch zu Mensch bis hin zu Konkurrenzgerangel innerhalb von Völkergemeinschaften sein.
Ganz recht. Auch der Herrscher lebt nicht als Eremit, daher Herrscherfamilien, Dynastien usw.
>Man denke z.B. an sich prügelnde Fußballfans,"America first" usw...
>In Brasilien habe ich Gegenden gefunden, wo die Leute sich direkt vom Land ernährten, ja sogar viele Dinge des Alltags aus den Rohstoffen der Natur herstellten. Von einer Meldepflicht bei den Behörden haben die noch nie gehört, Steuern zahlen die auch keine. Und trotzdem nutzen dies Menschen jede Gelegenheit um Handel zu betreiben, um an GZ zu kommen. Wofür? Einen Steuereintreiber werden die NIE sehen!!!
Sie nicht, aber andere in Brasilien. Sonst gäbe es kein GZ. Ein GZ ist immer STZM, sonst wäre es ein Nullum. Wer im einzelnen die Steuern schuldet, spielt keine Rolle. Nur muss sie mindestens einer schulden.
>Klar, die taten dies um sich so lebenswichtige Dinge wie Fernseher, Schnaps, Waschmaschine oder gar"modischere Klamotten" usw. usw. zu kaufen. Das war nix andres als STATUSERHÃ-HUNG; KEIN ZWANG von Außen (doch GZ, aber nur weil es so viel einfacher ist)!!!!
Selbstverständlich erhöht ein Halter von GZ seinen Status. Die Verwandlung von GZ in die genannten Waren zeigt anderen den Status. Es gibt auch jede Menge Status-"Geld", siehe Völkerkunde.
>PS: Strom für elekt. Geräte wird dort häufig direkt von den Überlandleitungen einach abgezapft.
>Wenn ich Dottore richtig verstanden habe, behauptet seine Machttheorie, daß Gold in der Antike deswegen so wertvoll war, weil es oft Bestandteil von Tributzahlungen war. Soweit so gut. Aber warum waren die Herrscher so spitz danach?
Eben weil es den Status zeigt. Wo es kein Gold gab, waren es es andere Dinge, z.B. riesige Steine, Muschelrollen, Federn schöner Vögel, Leopardenfelle, usw. Charles Opitz hat das ausführlichst beschrieben. Ich habe solches"traditional money" in vielen Beispielen.
Wie Gerloff so richtig bemerkt, würde es zunächst nicht abgefordert, um es auszugeben. Das ergab sich erst mit den Metallen, wie noch und noch belegt.
>Ich denke die ursprüngliche Form des Geldes bestand in seiner Funktion, den Status des Besitzers direkt zu erhöhen.
Dieses Geld diente der Thesaurierung und dem Anzeigen des Macht- und Herrschaftssatus. Metall ließ sich dann aus den bekannten Gründen (Standardisierung, Teilbarkeit usw.) kurant machen - also immer wieder aufs Neue abfordern
>Dies geschaht u.a. durch seine Funktion als
>a)Schmuck
>Man denke an die bestickten Gürtel der Indianer als Tauschware (Wampums), Glasperlenketten usw.
>oder b) als waffenfähiger Rohstoff
>Siehe Dottores Ausführungen dazu
>weiter Möglichkeiten kann Dottore mit Sicherheit nennen.
Der Idealzustand war erreicht, als die Verwendung als Waffenmaterial erschien, bzw. als Waffenbeschaffungmaterial. Das geht auf Dauer nur, wenn a) das Waffenmaterial monopolisiert bleibt bzw. b) das Beschaffungsmaterial monopolisiert werden kann. Da führt am Metall kein Weg vorbei - mit den bekannten stark schwankenden Paritäten. Kupfer und Zinn (zusammen = Bronze) waren zu Beginn der"Bronzezeit" sehr teuer (in anderen Metallen oder Waren), heute nicht mehr.
>Gewalt und Macht sind in der menschlichen Gesellschaft, ob man will oder nicht, ein wichtiger Bestandteil, aber nicht DER Stamm auf dem alles ruht.
Hängt von der Definition der"menschlichen Gesellschaft" ab. Kleine Trupps (Familien, Mini-Stämme usw.) brauchen nur wenig davon. Heute unabdingbar. Auch ein Stamm beginnt als kleines Pflänzchen.
>Wenn Gewalt in der Gesellschaft das dominante Prinzip wäre, dann wäre das menschliche Verhalten bei der Partnerfindung mit Sicherheit nicht derart komplex.
Alle Gewaltausübung ist komplex bzw. wurde immer komplexer. Heute nennt man das"Demokratie" - ein sehr kompliziertes (und daher gut tarnbares) System der Gewaltausübung.
>Mann sucht Frau: Kein Problem! Frau ausmachen, Keule über den Schädel, in die Höhle schleifen, Karnickelnummer und fertig ist die Familie?!
>Nee, nee. Die Fortpflanzungsbiologie des Menschen steckt eigentlich noch in vielem in den Kinderschuhen, obwohl es schon eine Menge Erkenntnisse dazu gibt.
>Eines kann man jedoch dazu sagen: Die Partnerfindung ist sehr Energie- und Zeitaufwendig.
>Ein eminent wichtiger Punkt hierbei ist der STATUS in der Bezugsgruppe.
>Wie kann man den STATUS (zwecks Fortpflanzung) erhöhen?
>a) durch MACHT
>b) durch SEX-Appeal
>c)....d)....e)...??????
>
>SEX-Appeal kann/konnte wirksam u.a. durch Schmuck v.a. Goldschmuck erhöht werden.
>Dies ist wohl DER Grund, warum Gold als Tauschobjekt schon immer beliebt war.
>Es ist schlichtweg ein Statusmittel!
Wer wollte das bestreiten? Die Korrespondenzen der Großreich-Könige in der Antike sind voll davon ("will meinen Palast ausschmücken, schicke Du mehr Gold" usw. - siehe die Amarna-Briefe).
>Das die Machthaber umso begieriger danach waren, ist eine logische Schlußfolgerung und steigerte natürlich seinen Wert.
Die Machthaber waren die ersten price setter - wer sonst?
>Wie ist es denn heute? Die machtvolle Übergruppe STAAT definiert ein GZ (bei uns aus bedruckten Papier)
Aus monopolisiertem Papier. Das ist der Kern.
>und MUß (mit viel Aufwand) ihm den NIMBUS eines Statusmittels geben (u.a. Steuern).
Ja, die Buba speckt gewaltig ab.
>Fällt einmal die staatliche Ordnung weg, entfleucht sofort auch der gewaltgedeckte Nimbus.
Klar.Ohne Staat kein GZ.
>Gold(schmuck) dagegen, ist durch seine Eigenschaften, seit alters her ein Statusmittel, ohne daß dem etwas erzwungen werden müßte.
Der Status lag im sanktionslosen, da machtbewehrten Zeigen, nicht im Haben. Das ist heute anders: Jeder Privatmann hat doch Angst, sein Gold zu zeigen, wenn es dei Schmuck-Schwelle übersteigt. Angst vor Zugriff durch die Macht.
>Daher funktioniert es auch als Tauschmittel, wenn mal das aufgezwungene GZ entfleucht.
Bestritten. Gold funktioniert nur als Statussymbol, wenn es angstfrei geziegt werden kann. Das wiederum geht nur, wenn es"oben" und dann von"oben herab" auch Statussymbol ist. Die Versuche, es seines, Macht ausdrückenden Status zu entkleiden, sind bekannt.
Da es aber kein Statussymbol"als solches" gibt - außer es ist Machtsymbol (siehe das Erscheinen von Gold ganz oben in allen Macht-Hierarchien, vom Pharao über Assur, China, Peru, die Pagoden, den Felsendom, das"goldene Dacherl", die Kirchen usw. usw.) - täuschen sich jene, die"ans Gold glauben": Sie träumen von einer Wiederkehr des Goldes als Machtstatus-Symbol, obwohl sie keine Machthalter sind.
Anmaßung eines Machtstatus also, was nur aufgehen kann, wenn die Macht Gold wieder selbst zum Statussymbol erklärt.
Deshalb auch die verzweifelten Versuche, Gold zum"wirklichen" Geld zu erklären bzw. der Glaube an die"Wiederkehr" des Goldstandards, der Jubel, wenn Machthalter wie der Malaye Doktor M. es anderen"Mächten" mal so richtig"zeigen" will, aber doch nichts zu Stande bringt, weil er eben doch ohnmächtig ist.
Diese Rechnung wird ohne den Wirt, die Staatsmacht also, gemacht und zwar die jeweils mächtigste. Die USA halten sich mit ihrem Goldschatz wenigstens die Option zum GS offen. Ob sie ausgeübt wird (werden muss) steht in der Sternen.
Ich bitte zu bedenken, dass ein GS (Gold dann als Machtsymbol) niemals von"Untermächten" (schon gar nicht von"Privaten") eingeführt wurde, sondern von jenen, die sich jeweils am Mächtigsten oder zumindest"gleich mächtig" fühlten (GB, F, Dt. Reich erst viel später). Dass sich Staatsmächte einen GS"von unten", also vom braven,"anständigen" Bürger aufzwingen ließen, ist ganz einfach lächerlich.
Wie sich der POG im jeweiligen Macht-GZ entwickelt, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Ich fürchte nur, dass die Macht dann zuschlägt, wenn er ihr nicht mehr in den Kram passt.
Danke für die wertvollen Anregungen + Gruß!
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R.Deutsch
25.06.2004, 14:21
@ dottore
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Re: Das Modell ist einfach zu simpel imho |
-->
Dottore geht ins seinem Machtmodell immer davon aus, dass nur einer die Pistole hat, nur einer bewaffnet ist und alle anderen beherrscht werden.
Diese simple Raub und Sklavenmuster wurde leider oft genug verwirklicht, aber es hat eben mit Wirtschaft nichts zu tun. Solche Gesellschaften verarmen i.d.R. sehr rasch. (Sowjetunion, DDR, Nordkorea etc.).
Der Fall ändert sich vollkommen, wenn beide gleich bewaffnet sind. Dann müssen sie nämlich verhandeln und erst dann setzt Wirtschaften ein (freiwilliger wechselseitiger Austausch). Und weil GZ an der eigenen Grenze endet, braucht man ein Zahlungsmittel, das auch ohne GZ Geld ist - eben Gold.
Wenn dottore mit der Pistole zum Bauern geht um Milch zu holen, entspricht das seinem Modell. Spätestens wenn der Bauer ihn von Hinten erschießt, merkt er, dass er wohl zu kurz gedacht hat. Die Amerikaner lernen diese Lektion gerade mal wieder auf schmerzliche Weise.
In seinem letzten Satz kommt dottore wegen diesem Problem deutlich ins Hudeln, wenn er schreibt:
Ich bitte zu bedenken, dass ein GS (Gold dann als Machtsymbol) niemals von"Untermächten" (schon gar nicht von"Privaten") eingeführt wurde, sondern von jenen, die sich jeweils am Mächtigsten oder zumindest"gleich mächtig" fühlten (GB, F, Dt. Reich erst viel später). Dass sich Staatsmächte einen GS"von unten", also vom braven,"anständigen" Bürger aufzwingen ließen, ist ganz einfach lächerlich.
Hier haben sich also die Mächtigen gegenseitig ihr GZ aufgezwungen - oder wie?
Merke: Lächerlich ist, wenn König Canute am Meeresufer steht, und der Flut befiehlt, sich zurückzuziehen.
Gruß
R.Deutsch
p.s. danke Coquinus und volle Zustimmung
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Uwe
25.06.2004, 14:57
@ LeCoquinus
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Re: @LeCoquinus...betr. Machttheorie |
-->>LeCoquinus:[i]... Also ist Handel nichts anderes als eine legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen. Die Gewalt jedoch ist je nach Gesellschaft und Moralvorstellung sehr viel problematischer und definitiv NICHT der alleinige Impuls für einen hohen STATUS innerhalb einer Gruppe.[/i]
Hallo, LeCoquinus,
wenn Du schreibst, das es um den Status innerhalb eines"Systems" geht, so kann ich leicht folgen, da dies wohl generell so definiert werden kann, wo es um Leben geht.
Jedoch sobald Du Handel als eine legitimierte Form benennst, um diesen Status innerhalb einer Bezugsgruppe zu verändern, so bist Du m.E. bereits ein Schritt weiter und hast die Entstehung der Macht als bestehend hingenommen.
Rangorndungskämpfe zur biologischen Fortplanzung stehen wohl entwicklungsmäßig zeitlich in jedem Fall vor dem Handel, so dass"die Auswirkungen der ständigen Brunft", wie Du sie beschreibst, nämlich über den per Handel erlangten Status, m.E. ebenfalls auf einem nachfolgenden Entwicklungsniveau der Gesellschaft liegt.
Der Status vor der Macht war sicher eine biologisch und körperlich bestimmtes Ergebnis (Rangkämpfe, da hat der Mensch dem Kern nach wohl nichts Herausragendes, was ihn gegenüberanderen zahlreichen Lebenwesen besonders hervorhebt) und mit zunehmender Entwicklung der Fertigkeiten (Geist, Kommunikation, Werkzeuge/Waffen) konnte dieser Status zur Macht ausgebaut werden, ja sogar vom biologisch Notwendigkeiten entkoppelt werden.
Jetzt konnte auch festgestellt und damit sanktioniert werden, was schädlich für das Überleben der Gruppe ist (Herleiten von Natur-"Gesetzen"/Reglionen) und so eine"Moral" definiert werden, die für den"Machtbereich" gilt (unterschiedliche Moralvorstellung nicht nur bei Naturvölkern bis in jüngste Zeit).
Alles dies leitet sich noch m.E. ohne jegliche Notwendigkeit eines Handels ab. Erst als die"Ordnung" Heiratsabgaben abforderte, die als Ausgleich für die Veränderung der Sippenstruktur zu entrichten waren, kann m.E. der Zeitpunkt definiert werden, wo auch Handel, neben Raub, zur Erlangung des"Preises" eingesetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt besteht m.E. jedoch schon die Macht, die die Einhaltung u.a. dieser Reglung überwachen kann.
Es läßt sich m.E. mit dottores Darstellung zur Notwendigkeit des Wirtschafts, die als roten Faden die (Gewalt-)Macht nimmt, mehr im vermeitlichen Anfang erklären, als mit"freien Handel" oder, wie Du eingangs formuliert hast, einer legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen.
Gruß,
Uwe
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monopoly
25.06.2004, 15:54
@ dottore
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Re: @dottore Quellen insb. Assyrien /Kreditverträge |
-->>>Hallo,
>>genau da kann man ansetzen. Also ist Handel nichts anderes als eine legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen.
>Hi,
>die ersten Händler, über die wir Kenntnis haben (3. Jt. BC, sog. DAM.GAR) sind königliche Agenten. Sie reisten unter königlichem Schutz - wie auch sonst? Sie beschaffen dem königlichen Haushalt jene Güter, die nicht im Abgaben-Kanon erhalten waren. Die Existenz eines"vorköniglichen Händlers" ist durch nichts belegt. Es ist eine Rückprojizierung: Heute gibt es Händler, also muss es sie schon vor dem Eintritt von Macht und Herrschaft in der Geschichte gegeben haben.
Immer wieder schön ihre Quellen. Vor einiger Zeit hatten sie mal geschrieben, die ersten ihnen bekannten Kreditverträge stammen aus Altassyrien in einer Zeit vor Christus. Habe kürzlich mal gelesen das die ältesten erhaltenen Schriftdokumente aus dieser Zeit stammen bzw. angenommen wird, teilweise wird angenommen die Schrift sei dort erfunden (eher unglaubwürdig) Ich wollte nur nochmal der Klarheit wegen fragen, ist es auch mölich /Wahrscheinlich das es noch ältere Dokumente von Kreditverträgen gibt. In welcher Sprache waren die Verträge auf diesen Tafeln (alt-Hebräisch?). Zu Hebräisch wird ja von einigen angenommen es sei
1. Die hebräische Konsonantenschrift ist die Ur-Schrift schlechthin, dies nicht primär im historisch-chronologischen Sinne, sondern weil die hebräische Sprache eine organi-sche Sprache und keine Kunstsprache ist. Die aus der hebräischen Sprache abgeleitete Schrift ist deshalb axiomfrei und stellt eine direkte Beziehung zum absoluten Weisheitswissen her, das vom menschlichen Organismus, seiner Struktur, seinen Funktionen, seinen Beziehungen und Gesetzen ausgeht.
2. Alle anderen Schriftsprachen der Welt sind dagegen Kunstsprachen, die aus dem Hebräischen abgeleitet wurden.
Wollte eben nur wissen, ob es ältere Kreditverträge gibt die in einer Schrift aufgezeichnet wurden, die nachweislich nicht aus dem Hebräischen abgeleitet wurde, wenn jemals Sprachen überhaupt daraus abgeleitet wurden....(!)
Kredit/Dahrlehn - Tzedaqa
Danke
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Uwe
25.06.2004, 16:57
@ R.Deutsch
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Re: Das Wirtschaften als 'Edelste Wesensart' der Menschen? |
-->Nein, Reinhard,
diese Vorstellung ist in meinen Überlegungen einfach zu idealistisch, da das Wirtschaften nicht als"Einzelveranstaltung" funktioniert, sondern nur eingebetet in einem Regelwerk/System von Vereinbarungen, das natürlich im Wandel der Zeiten/Macht festgesetzt wird.
>R.Deutsch: Diese simple Raub und Sklavenmuster wurde leider oft genug verwirklicht, aber es hat eben mit Wirtschaft nichts zu tun. Solche Gesellschaften verarmen i.d.R. sehr rasch. (Sowjetunion, DDR, Nordkorea etc.).[/i][/i]
und lass mich ergänzen:
Ägypten:
Altes Reich ca. 500 Jahre
Mittleres Reich ca. 400 Jahre
Neues Reich ca. 500 Jahr
mit jeweiligen Zwischenzeiten von ca. 100 bis 120 Jahren, wobei der"Beamtenstaat" (Stärkung der 'Provinzfürsten') jeweils zum Ende eben Erscheinungsformen zeigte, die abweichend von den"Bütezeiten" waren.
Das"Sklavenmuster" kann natürlich nur über die"Fremdem" geworfen werden, den der Sklavenhandel ist nun einmal auch Bestandteil wirtschaftlicher Blüte derjenigen, die Sklaven einsetzen.
Gruß,
Uwe
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Uwe
25.06.2004, 19:17
@ monopoly
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Re: @monopoly; hier zur Schriftentwichklung |
-->Die Schrift, monopoly,
scheint einer Entwicklung zu unterliegen, so dass von Erfindung wohl ebensowenig die Rede sein kann, wie es bei der Sprache der Fall sein kann.
In der Mitte des 2.Jht. v.Chr. entwicklet sich aus dem Silbenalphabet, das infolge der Standartisierung und abstrahierung der Keilschrift sich als Amtsschrift durchsetzte, ein Buchstabenalphabet.
Diese Entwicklung geschieht in mehreren Verästelungen, u.a. münden diese in dem phönizischen und dem hebräische Alphabet. Für beide liegen nach meinem d.z. Kentnisstand direkte Zeugnisse aus dem 11.Jh. v. Chr. vor.
Aus dem phönizischen Alphabet (Byblos; Worte in Schriftrichtung von rechts nach links) leitet sich das grieschische Alphabet ab, in deren ältesten Schriften auch noch diese Schriftrichtung (ja sogar die zeilenweise verkehrung der leserichtung; spiegelbildliche frühzeitl. Buchstaben entwickeln sich zuum giech. Alphabet) beibehalten ist.
Nun erscheint es mir jedoch ungewöhnlich, dass eine armäische Einwandergruppe in einem ägyptisch dominierten Landstreifen, das im Randbereich drei ("Groß-")Mächten liegt, eine Schrift durchsetzen können, die als Grundlage des europäischen Alphabets dienen wird. Da bedarf es m.E. schon genauerer Belege.
Zudem wird der bilbliche"Stamm" der Israeliten erst ca. 300 Jahre später aus Ägypten ausziehen, zeitnah vor der Epoche, in der auch schriftliche Zeugnisse dieses"Dialektes" vorliegen.
<table border=1 width=100%><tr><td> </img></td><tr><td>http://home.allgaeu.org/kschroep/griechisch/schrift.htm</td><td>
http://de.wikipedia.org/wiki/Semitische_Sprachen</td></table>
http://www.schreibereien.de/schriftanfaenge.0.html |
dottore
27.06.2004, 14:01
@ monopoly
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Re: @dottore Quellen insb. Assyrien /Kreditverträge |
-->Hi,
>Immer wieder schön ihre Quellen. Vor einiger Zeit hatten sie mal geschrieben, die ersten ihnen bekannten Kreditverträge stammen aus Altassyrien in einer Zeit vor Christus.
Babylonien, 3. Jt. BC.
>Habe kürzlich mal gelesen das die ältesten erhaltenen Schriftdokumente aus dieser Zeit stammen bzw. angenommen wird, teilweise wird angenommen die Schrift sei dort erfunden (eher unglaubwürdig)
Warum unglaubwürdig? Die ältesten Dokumente sind Piktogramme (Bildschrift). Wie sich aus den betreffenden Symbolen (Ähre, Krug, Mensch usw.) dann über Zwischenstufen die Keilschrift (quasi eine stenografische Schnellschrift) entwickelt, ist gut belegt, z.B.:
[img][/img]
>Ich wollte nur nochmal der Klarheit wegen fragen, ist es auch mölich /Wahrscheinlich das es noch ältere Dokumente von Kreditverträgen gibt.
Die ältesten Schriftdokumente sind Lieferungsdokumente, in Soll und Ist aufgeteilt. Das"Liefern" war kein"Handel", sondern Abliefern an die jeweiligen Herrschaften (sog."Palastwirtschaft"). Mit Herrschernamen und -siegeln.
>In welcher Sprache waren die Verträge auf diesen Tafeln (alt-Hebräisch?).
Nein. In diversen altorientalischen Schriften (akkadisch,"sumerisch" usw.). Die ältesten semitischen Dokumente (u.a. Ugarit) viel später. Siehe dazu auch Uwes Postings.
>Zu Hebräisch wird ja von einigen angenommen es sei
>1. Die hebräische Konsonantenschrift ist die Ur-Schrift schlechthin, dies nicht primär im historisch-chronologischen Sinne, sondern weil die hebräische Sprache eine organi-sche Sprache und keine Kunstsprache ist.
Sprache ist nicht Schrift. Was die gesprochen haben, ist sehr umstritten (Vokalisierungsprobleme usw.).
>Die aus der hebräischen Sprache abgeleitete Schrift ist deshalb axiomfrei und stellt eine direkte Beziehung zum absoluten Weisheitswissen her, das vom menschlichen Organismus, seiner Struktur, seinen Funktionen, seinen Beziehungen und Gesetzen ausgeht.
Es ist heftig umstritten, wie z.B. die in Ugarit"gesprochen" haben und ob die Sprache eine Beziehung zur Schrift hat. Am Anfang stehen offenbar Sachsymbole und Zahlzeichen.
>2. Alle anderen Schriftsprachen der Welt sind dagegen Kunstsprachen, die aus dem Hebräischen abgeleitet wurden.
Sicher nicht, weites Feld, von Tausenden von Gelehrten besetzt.
>Wollte eben nur wissen, ob es ältere Kreditverträge gibt die in einer Schrift aufgezeichnet wurden, die nachweislich nicht aus dem Hebräischen abgeleitet wurde, wenn jemals Sprachen überhaupt daraus abgeleitet wurden....(!)
Ja. Das Problem ist entstanden, weil das Hebräische durchgehend bis heute entzifferbar geblieben ist. Die Keilschrift wurde erst im 19. Jh. entziffert und die Unmengen von Keilschrift-Dokumenten werden erst ab ca. 1990 auf breiter Front verfügbar gemacht - längst noch nicht alle. Das ganze Fachgebiet ("Assyrologie") ist eine Boom-Branche.
Gruß!
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dottore
27.06.2004, 14:30
@ R.Deutsch
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Re: Das Modell ist einfach zu simpel imho |
-->>Dottore geht ins seinem Machtmodell immer davon aus, dass nur einer die Pistole hat, nur einer bewaffnet ist und alle anderen beherrscht werden.
Einer schafft es nicht. Es muss schon eine Macht- bzw. Herrschaftsclique sein."Herrschen" heißt allerdings immer Waffeneinsatz, wenn nicht aktuell, dann potenziell - was wohl sonst?
>Diese simple Raub und Sklavenmuster wurde leider oft genug verwirklicht, aber es hat eben mit Wirtschaft nichts zu tun. Solche Gesellschaften verarmen i.d.R. sehr rasch. (Sowjetunion, DDR, Nordkorea etc.).
Die Verarmung tritt erst ein, wenn die Machtkosten nicht mehr externalisiert werden können. Von Raub, Sklaverei und Tribut ex Fremdarealen lebten alle"Reiche" zunächst bestens. Sobald internalisiert werden muss - Finito.
>Der Fall ändert sich vollkommen, wenn beide gleich bewaffnet sind. Dann müssen sie nämlich verhandeln und erst dann setzt Wirtschaften ein (freiwilliger wechselseitiger Austausch).
Danke - ohne Waffen also kein Wirtschaften, q.e.d.
>Und weil GZ an der eigenen Grenze endet, braucht man ein Zahlungsmittel, das auch ohne GZ Geld ist - eben Gold.
Nein. Es muss Tribut- und Abgabenmittel sein, denn wär's das nicht: Wie käme es jemals in die Hand der bewaffneten Herrschaft?
>Wenn dottore mit der Pistole zum Bauern geht um Milch zu holen, entspricht das seinem Modell.
Ach was. Wenn der Waffenmonopolist (und darum geht's in der Geschichte seit 5000 Jahren) den Bauern zwingen kann, abzuliefern, startet die Surplus-Erzeugung. Der Bauer muss mehr Milch produzieren als er bisher selber brauchte.
>Spätestens wenn der Bauer ihn von Hinten erschießt, merkt er, dass er wohl zu kurz gedacht hat.
Waffeneinsatz ist logischerweise kompliziert - daher das für das Phänomen"Herrschaft" unerlässliche Waffenmonopol (siehe ausführlich schon Max Weber).
>Die Amerikaner lernen diese Lektion gerade mal wieder auf schmerzliche Weise.
Sie haben eben die Waffe"suicide" nicht zur Verfügung.
>In seinem letzten Satz kommt dottore wegen diesem Problem deutlich ins Hudeln, wenn er schreibt:
>Ich bitte zu bedenken, dass ein GS (Gold dann als Machtsymbol) niemals von"Untermächten" (schon gar nicht von"Privaten") eingeführt wurde, sondern von jenen, die sich jeweils am Mächtigsten oder zumindest"gleich mächtig" fühlten (GB, F, Dt. Reich erst viel später). Dass sich Staatsmächte einen GS"von unten", also vom braven,"anständigen" Bürger aufzwingen ließen, ist ganz einfach lächerlich.
>Hier haben sich also die Mächtigen gegenseitig ihr GZ aufgezwungen - oder wie?
Nein, die Staaten ihren Bürgern. Im Dt."Reich" war das bekanntlich nicht so einfach, siehe die Bamberger-Kontroverse. Warum sind die Deutschen nicht beim Silberstandard geblieben? Gab's eine Volksbewegung"pro Gold"?
Gruß!
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LeCoquinus
27.06.2004, 16:35
@ Uwe
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Re: @LeCoquinus...betr. Machttheorie |
-->>>LeCoquinus:[i]... Also ist Handel nichts anderes als eine legitime Form um STATUS innerhalb einer Bezugsgruppe aufzubauen. Die Gewalt jedoch ist je nach Gesellschaft und Moralvorstellung sehr viel problematischer und definitiv NICHT der alleinige Impuls für einen hohen STATUS innerhalb einer Gruppe.[/i]
>Hallo, LeCoquinus,
>wenn Du schreibst, das es um den Status innerhalb eines"Systems" geht, so kann ich leicht folgen, da dies wohl generell so definiert werden kann, wo es um Leben geht.
>Jedoch sobald Du Handel als eine legitimierte Form benennst, um diesen Status innerhalb einer Bezugsgruppe zu verändern, so bist Du m.E. bereits ein Schritt weiter und hast die Entstehung der Macht als bestehend hingenommen.
Hallo Uwe,
ich muß mich schon im voraus entschuldigen, daß meine Antworten Zeit brauchen. Die ist bei mir momentan verdammt knapp.
Ich fürchte dasgenauedurchkauen von Wörtern ist nicht meine Stärke! Zugegeben, das Wort"legitim" ist in diesem Zusammenhang problematisch. Ich sollte es vieleicht besser durch"Fairness" ersetzen.
Handel wäre also nichts weiter als eine von BEIDEN SEITEN als fair empfundene Methode um Statusmittel zu erwerben. Das Wort Statussymbol mag ich hier weniger gern verwenden, da ich es eher als ein Symbol für den durch Macht erworbenen Rang verstehe (siehe dazu die purpurgefärbte Toga der römischen Senatoren; die Strauchpaeonie der chinesischen Kaiser usw...). Das verwenden dieser Symbole war nur diesen Herrschaften gestattet und unterlagen einer strengsten Copyright; Machtsymbole halt...(Steigert auch das SEX-APPEAL)
Das Wort Statusmittel umfaßt in meinen Erläuterungen Begriffe wie"Statusgeld" (danke Dottore), andere"Gegenwerte" (mein Haus, mein Auto, mein Boot, meine Frau...), aber auch den Menschen direkt"verschönernde" Accessoires wie Kleidung, Reizwäsche (je raffinierter umso teurer!!!), Kosmetika und Schmuck halt.
Gerade diese Accessoires sind bei uns heutzutage ohne Probleme erhältlich und gelten mittlerweile als selbstverständlich. Deutlich hervorheben können sich die"besseren Herrschaften" nur noch durch die marktschreierische Zurschaustellung superteurer"Modeentwürfe". STATUS-MARKETING halt.
Die oben angesprochene"Status-Theorie" negiert in keinster Weise die Gewalt als"ordnendes" Prinzip!! Sie soll eigentlich nur darauf hinweisen, daß es dazu auch gleichwertige Alternativen gibt, so daß die Angelegenheit weit facettenreicher wird und imho ein paar mächtige Geheimtüren öffnet, welche der Machttheorie alleine verschlossen bleiben.
Das die Macht dem Handel vorausgehen KANN, streite ich nicht ab, es geht aber auch anders!
Ich zitiere hierfür aus Gerhardt Herms Buch:"Die Phönizier"; Econ-Verlag Düsseldorf; Seite 80
"...erkannte man auch in Tyros und Sidon, daß die Gewinne, langfristig gesehen, höher waren, wenn man erschlossene Märkte pfleglich behandelte und Kunden als Partner, nicht (nur) als Ausbeutungsobjekte betrachete.
Ein anderer Bericht Herodots macht denn auch deutlich, wie sich die Fairneß als Geschäftsprinzip bei ihnen schließlich derart durchsetzte, daß sie selbst dort an ihr festhielten, wo es eigentlich gar nicht unbedingt notwendig gewesen wäre.
Der Grieche zitiert einen Karthager, der ihm erzählt hatte, daß die seefahrenden Kaufleute an fremden Küsten ihre Waren auszuladen und am Strand aufzustellen pflegten."Dann", so fährt er fort,"gingen sie wieder auf ihre Fahrzeuge und machten Feuer mit starkem Rauch.
Wenn die Einheimischen den Rauch sähen, kämen sie zum Meer. Dann legten sie den Waren gegenüber Gold (!!!) hin und entfernten sich wieder.
Die Karthager kämen dann von den Schiffen und sähen nach. Wenn ihnen das Gold den Waren angemessen scheine, nähmen sie es an sich.
Wenn aber nicht, gingen sie wieder in die Schiffe und blieben dort sitzen. Jene aber kämen wieder hinzu und legten noch anderes Gold hin, bis es genug war."
Auf diese Weise wurden erste Kontakte hergestellt. Dem Angebot folgte ein Gegenangebot, dann begann das wortlose Feilschen, eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl, Erfindungsgabe und eben EHRLICHKEIT voraussetzte. Die Händler wollten einen möglichen neuen Markt nicht von vornherein verderben, was die Käufer zu honorieren schienen.
"Schaden", berichtet Herodot jedenfalls, und seine vorsichtige Wortwahl zeigt, daß es ihn wunderte (!!!!!!),"Schaden füge keiner dem anderen zu, denn sie selbst (die Verkäufer) rührten das Gold nicht eher an, als bis es ihnen dem Wert der Waren zu entsprechen scheine, und jene (die Käufer) rührten die Waren nicht eher an, bis diese das Gold angenommen hätten."
Es war also ein Geschäft nach Regeln [Anmerkung: welche Regeln? Ohne Machteinfluß?], die uns auch noch heute vertraut sind. Wenn eine Partei dabei übervorteilt wurde, dann aus Gründen, die ebenfalls bis auf unsere Tage die gleichen geblieben sind: zu großzügige Preiskalkulation, versteckte Mängel oder falsche Angaben über den wahren Wert des Produkts. Aber selbst das dürfte nicht allzu häufig vorgekommen sein, denn die HAUCHDÜNNE VERTRAUENSBASIS, auf der sich ALLER Handel abspielt, war die EXISTENZGRUNDLAGE der phönizischen Städte."...
So das sollte fürs erste genügen. Bei weiterführendem Interesse können wir alle (das gesamte Forum) ja an diesem Spekulatius herumfeilen. Es wäre, bei aller Bescheidenheit, Schade diesen Thread einfach so im Abyss des Forums verschwinden zu lassen. Schließlich liegt Arbeit drinn.
Schönes Wochenende noch, und Danke auch and dottore für seine konstruktive Kritik.
Gruß
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dottore
27.06.2004, 18:32
@ LeCoquinus
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Re: @LeCoquinus...betr. Machttheorie |
-->Hi Coquinus,
>Ich zitiere hierfür aus Gerhardt Herms Buch:"Die Phönizier"; Econ-Verlag Düsseldorf; Seite 80
Diese Stelle hatten wir schon intensiv durchgekaut.
>"...erkannte man auch in Tyros und Sidon, daß die Gewinne, langfristig gesehen, höher waren, wenn man erschlossene Märkte pfleglich behandelte und Kunden als Partner, nicht (nur) als Ausbeutungsobjekte betrachete.
Das ist zunächst die Meinung des Autors, der nicht erläutert, was vor der pfleglichen Behandlung gewesen war bzw. wie man sich"die Erschließung von Märkten" vorzustellen hat. Denn im Beispiel wird ja nichts erschlossen, sondern es findet Tausch Karthago-Waren gegen Gold Statt.
Gold, ausführlich Huß in seinen Schriften über Kartgao, war dort Abgabengut - es gab eine Golddepositenbank und Gold wurde geprägt, sogar von den Ägyptern (einzige Münze der Pharaonen überhaupt), um damit punische Säldner kaufen zu können. Ein Stück in Berlin, Preuß. Kulturbesitz - andere habe ich noch nie gesehen.
>Ein anderer Bericht Herodots macht denn auch deutlich, wie sich die Fairneß als Geschäftsprinzip bei ihnen schließlich derart durchsetzte, daß sie selbst dort an ihr festhielten, wo es eigentlich gar nicht unbedingt notwendig gewesen wäre.
Es geht um einen einzigen Bericht Herodots und um eine Küste (mutmaßlich West-Marokko oder noch weiter südlich).
Da die Karthager Gold schuldig waren, war dessen Beschaffung ein Geschäft - wie sich überhaupt jeglicher"Handel" aus der Beschaffung des Abgabenmittels und nicht von irgendwelchen"Waren" gegen"Waren" entwickelt hat.
>Der Grieche zitiert einen Karthager, der ihm erzählt hatte, daß die seefahrenden Kaufleute an fremden Küsten ihre Waren auszuladen und am Strand aufzustellen pflegten."Dann", so fährt er fort,"gingen sie wieder auf ihre Fahrzeuge und machten Feuer mit starkem Rauch.
Dies ist eine sehr schöne Stelle, die den Übergang vom Krieg zum Frieden (ökonomisch) erklärt: Die eine Partei verbirgt sich hinter dem Schutz"Hinterland", die andere hinter ihren Schiffen. Hätten bei einander vertraut, hätten sie ja ein Spotgeschäft machen können.
>Wenn die Einheimischen den Rauch sähen, kämen sie zum Meer. Dann legten sie den Waren gegenüber Gold (!!!) hin und entfernten sich wieder.
>Die Karthager kämen dann von den Schiffen und sähen nach. Wenn ihnen das Gold den Waren angemessen scheine, nähmen sie es an sich.
>Wenn aber nicht, gingen sie wieder in die Schiffe und blieben dort sitzen. Jene aber kämen wieder hinzu und legten noch anderes Gold hin, bis es genug war."
>Auf diese Weise wurden erste Kontakte hergestellt.
Die müssen schon vorher bestanden haben, denn woher hätten die Nicht-Punier wissen können, dass gegen Gold getauscht werden soll? Vgl. dazu auch den Kolumbus-Brief mit Parallelszene Amerika-Entdeckung. K. war es peinlich, dass seine Leute für ein Lederwämschen usw. richtig Gold abräumen konnten, was den anderen nichts galt, sie vielmehr ihre Netze damit beschwerten.
>Dem Angebot folgte ein Gegenangebot, dann begann das wortlose Feilschen, eine Arbeit, die viel Fingerspitzengefühl, Erfindungsgabe und eben EHRLICHKEIT voraussetzte. Die Händler wollten einen möglichen neuen Markt nicht von vornherein verderben, was die Käufer zu honorieren schienen.
Das würde ich auch nicht machen. Wenn ich das - von mir! - benötigte Gold nicht mit Waffeneinsatz beschaffen kann, werde ich mich aufs Feilschen verlegen, zumal, wenn ich noch mehr erwarten kann.
>"Schaden", berichtet Herodot jedenfalls, und seine vorsichtige Wortwahl zeigt, daß es ihn wunderte (!!!!!!),"Schaden füge keiner dem anderen zu, denn sie selbst (die Verkäufer) rührten das Gold nicht eher an, als bis es ihnen dem Wert der Waren zu entsprechen scheine, und jene (die Käufer) rührten die Waren nicht eher an, bis diese das Gold angenommen hätten."
Richtig. Wo soll beim Naturaltausch der Schaden liegen? Der Wert des Goldes liegt nicht in seinem Haben, sondern in dem, was beim Nichthaben (zum Termin) passiert.
>Es war also ein Geschäft nach Regeln [Anmerkung: welche Regeln? Ohne Machteinfluß?], die uns auch noch heute vertraut sind. Wenn eine Partei dabei übervorteilt wurde, dann aus Gründen, die ebenfalls bis auf unsere Tage die gleichen geblieben sind: zu großzügige Preiskalkulation, versteckte Mängel oder falsche Angaben über den wahren Wert des Produkts. Aber selbst das dürfte nicht allzu häufig vorgekommen sein, denn die HAUCHDÜNNE VERTRAUENSBASIS, auf der sich ALLER Handel abspielt, war die EXISTENZGRUNDLAGE der phönizischen Städte."...
Die Existenzgrundlage war zunächst die Verteidigungsanlage, die hielt eine geraume Zeit stand, aber Alexander dann nicht mehr und wenig später war dann Karthago versalzter Boden.
Danke zurück + schönen Gruß!
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LeCoquinus
27.06.2004, 22:59
@ dottore
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Re: @LeCoquinus...betr. Machttheorie |
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Hallo dottore, du schreibst:
Vgl. dazu auch den Kolumbus-Brief mit Parallelszene Amerika-Entdeckung. K. war es peinlich, dass seine Leute für ein Lederwämschen usw. richtig Gold abräumen konnten, was den anderen nichts galt, sie vielmehr ihre Netze damit beschwerten.
Himmel! Das Zeug muß auf der Insel ja nur so rumgelegen haben, wenn die damit ihre Netze beschwert haben. Waren das Nuggets oder kannten jene Eingeborenen schon Techniken der Metallschmelze?... Das zweite kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen!
Tja, wenn da derart viel"Kieselsteine" rumgelegen haben, kann ich deren Desinteresse an dem Zeugs durchaus verstehen. Damit läßt sich das eigene Sex-Appeal schlecht heben, wenn man die Raffinessen der Goldtreiberei nicht kennt. Wie soll so ein gelber Klumpen sonst Schmücken.
Ein exclusiver Lederwams allerdings, den hat nicht jeder, damit läßt sich bei den Stammesgenossen Eindruck schinden (und schon hat es den Status gehoben).
Ich wette beide Seiten waren der Meinung in diesem Handel, die andere Seite übervorteilt zu haben... und wie!!!
Ob der eingetauschte Lederwams an den wichtigsten Mann im Dorf weitergegeben werden mußte? Es kann ja nicht abgehen, daß irgendein Dorfmitglied sowas exclusives trägt, das erregt Neid! Der Trottel könnte mit sowas mehr Aufmerksamkeit erregen, als sie der Häuptling erfährt...usw. usw.... Und trotzdem ging der Mann diesen freiwilligen Handel ein.
Hmm... selbst im primitiven Handel, offenbart sich sowas wie eine Balance.
Auf der einen Seite den Wunsch seinen Status zu erhöhen, auf der Anderen der ständig eifersüchtige Neid seiner Mitbewerber. Die minderen wollens haben (nachziehen), jene"höheren Niveaus" auch um nicht degradiert zu werden.
Also was kommt als erstes? Der Handel mit evtl. anschließenden Verlust (Raub)?
Oder eine zuerst bestehende Abgabenstruktur? Warum dann die Mühe diesen Handel zu machen, wenn ichs eh wieder abgenommen kriege?
Danke und Nacht
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Helmut
27.06.2004, 23:42
@ LeCoquinus
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Aus dem Schiffstagebuch des Christoph Columbus |
-->>Vgl. dazu auch den Kolumbus-Brief mit Parallelszene Amerika-Entdeckung. K. war es peinlich, dass seine Leute für ein Lederwämschen usw. richtig Gold abräumen konnten, was den anderen nichts galt, sie vielmehr ihre Netze damit beschwerten.
...denn die Indios waren so freigebig die Spanier
aber so maßlos und habgierig, daß es ihnen nicht genügte, wenn die Indios ihnen für ein Endchen
Schnurband, ja selbst für ein Stück Glas oder eine Tonscherbe oder anderes wertloses Zeug alles gaben, was
sie begehrten; auch ohne ihnen nur das Geringste zu geben, wollten sie alles von ihnen haben und
wegnehmen, was der Admiral stets verboten hatte, wenn auch, das Gold ausgenommen, vieles gering an
Wert war, was sie den Christen gaben, aber der Admiral, der die Freigebigkeit der Indios sah, die für sechs
kleine Glasperlen ein Goldstück hergeben würden und dies auch taten, befahl, daß man nichts von ihnen
nehmen dürfe, für das man keinen Gegenwert erstatte.
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LeCoquinus
28.06.2004, 20:07
@ Helmut
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Re: Aus dem Schiffstagebuch des Christoph Columbus |
-->>>Vgl. dazu auch den Kolumbus-Brief mit Parallelszene Amerika-Entdeckung. K. war es peinlich, dass seine Leute für ein Lederwämschen usw. richtig Gold abräumen konnten, was den anderen nichts galt, sie vielmehr ihre Netze damit beschwerten.
>
>...denn die Indios waren so freigebig die Spanier
>aber so maßlos und habgierig, daß es ihnen nicht genügte, wenn die Indios ihnen für ein Endchen
>Schnurband, ja selbst für ein Stück Glas oder eine Tonscherbe oder anderes wertloses Zeug alles gaben, was
>sie begehrten; auch ohne ihnen nur das Geringste zu geben, wollten sie alles von ihnen haben und
>wegnehmen, was der Admiral stets verboten hatte, wenn auch, das Gold ausgenommen, vieles gering an
>Wert war, was sie den Christen gaben, aber der Admiral, der die Freigebigkeit der Indios sah, die für sechs
>kleine Glasperlen ein Goldstück hergeben würden und dies auch taten, befahl, daß man nichts von ihnen
>nehmen dürfe, für das man keinen Gegenwert erstatte.
Hallo Helmut,
tja, das kommt davon wenn man am späten Abend dahersinniert. Irgendwie scheinen einige Gehirnwindungen schon schlafen gegangen zu sein...
Ich nehme an das Tagebuch handelt von der Landung auf der Insel Hispaniola?
Irgendwie hatte ich eine hochentwickelte Indianerkultur wie die der Azteken im Hinterkopf, warum weis ich auch nicht, daher mein Gebrabbel über Handel und Übervorteilung...
Aber ist es nicht phänomenal und typisch? Einerseits die Spanier, Vertreter einer europäischen Großmacht, auf der anderen Seite in kleine Gruppen organisierte Indios. Vom Ausmaß unseres Statusgerangel waren die soweit entfernt wie eine Kuh vom Autofahren! Den gab es sicherlich, aber auf einer weit geringeren Ebene.
Diese Freundlichkeit und Freigebigkeit, zeigt, daß Gewalt in diesen Gebieten sich auf Ausnahmesituationen beschränkte.
Waren die Spanier deshalb so gierig, weil sie aus dem letzten Lumpenpack stammten, das Spanien zu bieten hatte. Oder lag das auch daran, daß Spanien ein hochorganisierter Staat, mit Millionen Staatsbürgern war?
Hängen also Komplexität und Größe des Staatsgebildes direkt mit der Bereitschaft zusammen, die Grenzen der"Menschlichkeit" immer weiter nach hinten zu verlagern, um an Statusmittel zu kommen?
Fragen über Fragen...
Danke und Gruß
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Helmut
28.06.2004, 20:42
@ LeCoquinus
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Es handelt... |
-->>Ich nehme an das Tagebuch handelt von der Landung auf der Insel Hispaniola?
...von der ersten Reise. Beim folgenden Link kannst du es herunter laden (geht aber nur 25 mal):
<ul> ~ Columbus, Schiffstagebuch</ul>
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