marsch
27.06.2004, 18:53 |
Hilfe erbeten: 'Negativer Realzins! Thread gesperrt |
--><table><table border="0" width="600"><tr><td><font face="Arial"><font size=5> </font></font><div align="Justify">
Hallo zusammen!
Folgendes erhielt ich per Mail:
---------Mailanfang---------------
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Was die Buba allerdings ebenfalls weiß (und was in der aktuellen Gelddiskussion oft untergeht), ist folgendes: Der Staat besitzt von allen Schuldnern die beste Bonität, zahlt also WESENTLICH niedrigere Zinsen als Unternehmen und Private. Er kann seine kreditfinanzierten Ausgaben dermaßen steigern und damit die Inflation anheizen, dass er eine für ihn günstige Konstellation schafft, in der sich die Inflationsrate genau zwischen dem Kreditzinsniveau der Realwirtschaft und dem Zinsniveau seiner Schulden einstellt. Der Effekt: Während Kreditinstitute aus Unternehmens- und Privatkrediten noch einen hinreichend hohen Realzins (Nominalzins minus Inflarate) einstreichen, lassen sich in diesem Fall Staatsschulden mit negativen (!) Realzinsen bedienen.
Schulden lassen sich keineswegs NOMINAL tilgen, aber REAL sieht die Sache schon anders aus. Und da in den meisten Ländern außerhalb der EU die ZB im Eigentum der jeweiligen Regierung ist, können sich die meisten Schwachwährungsstaaten das Staatsschuldenproblem trotz Kreditgeldstandart vom Hals halten (um es letztendlich gegen Devisenprobleme zu tauschen - aber das ist ein anderes Thema).
Schau Dir mal ganz genau (z.B.bei Eurostat) die Daten von Irland an. Wegen des harmonisierten Zinsniveaus sieht sich die irische Regierung in der glücklichen Situation, durch die hohe dortige Infla real fast gar keine Zinsen auf ihre Schulden bezahlen zu müssen. Ist zwar schade für die Besitzer von irischen Rentenpapieren, aber tatsächlich lassen sich die realen Schulden durch rigorose Neuverschuldung wegschmelzen, wie Butter in der Sonne. Hinzukommt noch inflationsgetriebenes Wirtschaftswachstum - und schon sinkt die Schuldenquote, das Verhältnis v. Staatsschulden u. BIP von 100% auf 30%.
Es ist schon ein sehr seltsames Geldsystem, ein System, in dem aus Schulden Geld entsteht, und - wenn zuviel Schulden auf zu wenig Warenmenge treffen - dasselbe Geld durch zuviel Schulden entwertet wird.
Schulden lassen sich nur mit Schulden bekämpfen. Das funktioniert zwar niemals nominal. Aber in vielen Staaten der Erde (außerhalb der EU, USA und Japan) wird von der Infla-Lösung sehr wohl Gebrauch gemacht.
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---------Mailende------------------
Nun habe ich mich mit dem Argument"negativer Realzins" und dessen Folgen -möglicher"realer"(?) Schuldenabbau?- noch nicht beschäftigt.
Allerdings habe ich für die BRD auf die Schnelle schon mal was zusammengebastelt.
[img][/img]
Berechnung Nominalzins: Tatsächliche Zinszahlungen Bund in Prozent des Schuldenstandes des Bundes
Nichts mit Schuldenabbau. (1971-1975)! Auch die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zeigt, daß obige Argumentation so nicht hinkommen kann.
Aber ich habe meine Schwierigkeiten -abgesehen von der rein praktischen Beobachtung- die Sache mit dem"real und nominal" argumentativ in den Griff zu bekommen.
Wäre dankbar für jeden Hinweis! (Forumsarchiv/suche habe ich schon bearbeitet. Wenn es denn mal funktioniert hat, habe ich nichts gefunden, was mir wirklich weiterhelfen konnte. Auch im Netz war nichts dabei)
Vielen Dank und Grüße
MARSCH
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dottore
28.06.2004, 10:28
@ marsch
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Re: Hilfe erbeten: 'Negativer Realzins! |
-->Hi MARSCH,
zu der Mail:
>.....
>Was die Buba allerdings ebenfalls weiß (und was in der aktuellen Gelddiskussion oft untergeht), ist folgendes: Der Staat besitzt von allen Schuldnern die beste Bonität, zahlt also WESENTLICH niedrigere Zinsen als Unternehmen und Private.
Hängt von dem Rating ab, grundsätzlich ja.
>Er kann seine kreditfinanzierten Ausgaben dermaßen steigern und damit die Inflation anheizen,
Hier geht' los: Staat nimmt 1000 auf und hat die 1000. Erst wenn er sie ausgibt, kann er die Preise bewegen. Bewegt er sie auf 1100, muss er für das, was er vor seinen Ausgaben für 1000 kaufen wollte, jetzt 1100 bezahlen. Also muss er sich die 100 wiederum beschaffen. Er hat nach dem Kauf 1100 Schulden. Ein Inflation ohne Ausgaben, die diese"anheizen" kann es nicht geben.
>dass er eine für ihn günstige Konstellation schafft, in der sich die Inflationsrate genau zwischen dem Kreditzinsniveau der Realwirtschaft und dem Zinsniveau seiner Schulden einstellt.
Was heißt"günstig"? Er muss entsprechend höhere Kredit aufnehmen. Lag der Zinssatz für die ersten 1000 bei 5%, hat er 50 zu zahlen, nach den Ausgaben und der dadurch angeheizten Inflation muss er 55 zahlen. Die Realwirtschaft misst in Preisen, wie sie sich finanziert, hat damit nichts zu tun. Finanziert sie sich, müssen die Finanzierungskosten in den Angebotspreisen kalkuliert werden und der Staat muss dann die entsprechend höheren Preise genau bezahlen wie jeder andere auch. Der Staat kann nicht abzüglich Zinsaufwendungen derer, bei denen er kauft, kaufen.
Das Modell stellt auf etwas ab, das es nicht gibt: Der Staat finanziert sich entweder nur über Schulden oder er kauft nichts.
Finanziert er sich über Steuern, hat er bei Inflation zwar einen tendenziell höheren Steuereingang, aber er muss entsprechend mehr für das ausgeben, was er an Waren oder Leistungen selber kauft.
>Der Effekt: Während Kreditinstitute aus Unternehmens- und Privatkrediten noch einen hinreichend hohen Realzins (Nominalzins minus Inflarate) einstreichen, lassen sich in diesem Fall Staatsschulden mit negativen (!) Realzinsen bedienen.
Die Gläubiger des Staates können durchaus mit einem Realzins abgespeist werden, der bei oder sogar unter Null liegt - bezogen auf die bereits dem Staat gewährten Kredite. Dies werden sie in der nächste Runde aufzuholen versuchen, indem sie die - falls sie unerwartet gekommen ist - Infla-Rate in den auch vom Staat geforderten Zinssätzen einpreisen. Auf Dauer ist ein Minus-Realzins nicht möglich. Selbst wenn der Staat bei einer Infla von 5 % nur 4 %-Titel begibt, werden diese niemals zu pari absetzbar sein, sondern - je nach Laufzeit - einen entsprechenden Emissions-Abschlag aufweisen. Der Staat kann dann seinen 4-%-er nicht zu pari verkaufen, sondern nur zu 90. Dann hat er 90 in der Kasse und muss auf die 100 (Nominal) 4 % Zinsen p.a. bezahlen.
>Schulden lassen sich keineswegs NOMINAL tilgen, aber REAL sieht die Sache schon anders aus.
Nein. Schulden lassen sich nicht mit Schulden tilgen. Weder nominal noch real.
>Und da in den meisten Ländern außerhalb der EU die ZB im Eigentum der jeweiligen Regierung ist,
Stimmt so überhaupt nicht.
>können sich die meisten Schwachwährungsstaaten das Staatsschuldenproblem trotz Kreditgeldstandart vom Hals halten (um es letztendlich gegen Devisenprobleme zu tauschen - aber das ist ein anderes Thema).
Die Schwachwährungsstaaten enden genauso im Bankrott (per Hyperinflation) wie das Dt. reich 1923 auch. Sie können bei Infla immer weniger selbst kaufen und müssen entsprechend immer höhere Schulden machen - vom Aufschulden ganz zu schweigen.
>Schau Dir mal ganz genau (z.B.bei Eurostat) die Daten von Irland an. Wegen des harmonisierten Zinsniveaus sieht sich die irische Regierung in der glücklichen Situation, durch die hohe dortige Infla real fast gar keine Zinsen auf ihre Schulden bezahlen zu müssen. Ist zwar schade für die Besitzer von irischen Rentenpapieren,
Unbeschadet der Zahlen, die ich jetzt nicht geprüft habe, können die Inhaber von irischen Renten unschwer mit ihren Zinseinkünften woanders billiger als in Irland kaufen. Die Preisarbitrage wirkt immer.
>aber tatsächlich lassen sich die realen Schulden durch rigorose Neuverschuldung wegschmelzen, wie Butter in der Sonne. Hinzukommt noch inflationsgetriebenes Wirtschaftswachstum - und schon sinkt die Schuldenquote, das Verhältnis v. Staatsschulden u. BIP von 100% auf 30%.
Das ist völlig unmöglich. Denn Du treibst mit Hilfe von Staatsschulden die Infla hinauf und damit das nominelle BIP, dessen Preise auch für den Staat gelten, der entsprechend höhere Schulden machen muss, um seinerseits an BIP zu kommen.
>Es ist schon ein sehr seltsames Geldsystem, ein System, in dem aus Schulden Geld entsteht, und - wenn zuviel Schulden auf zu wenig Warenmenge treffen - dasselbe Geld durch zuviel Schulden entwertet wird.
Die Schulden können frühere Schulden (Titel) entwerten, umso mehr Titel müssen zusätzlich (später) begeben werden.
>Schulden lassen sich nur mit Schulden bekämpfen. Das funktioniert zwar niemals nominal. Aber in vielen Staaten der Erde (außerhalb der EU, USA und Japan) wird von der Infla-Lösung sehr wohl Gebrauch gemacht.
Überall dort muss der Staat die höheren Preise bezahlen. Das wird übersehen. Einen taat, der zwar Schulden macht, diese aber nicht verausgabt, gibt es nicht.
war ein kleiner Hinweis. Sonst gern mehr.
Gruß!
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marsch
28.06.2004, 16:11
@ dottore
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Re: Hilfe erbeten: 'Negativer Realzins! |
--><table><table border="0" width="600"><tr><td><font face="Arial"><font size=5> </font></font><div align="Justify">
Ein weiteres mal verneige ich mich dankend!
Grundsätzlich gehen meine bis jetzt schon geschriebenen Antworten in die selbe Richtung wie deine Ausführungen.
Aber eine kurze Frage noch. Du schreibst:
"Die Gläubiger des Staates können durchaus mit einem Realzins abgespeist werden, der bei oder sogar unter Null liegt - bezogen auf die bereits dem Staat gewährten Kredite. Dies werden sie in der nächste Runde aufzuholen versuchen, indem sie die - falls sie unerwartet gekommen ist - Infla-Rate in den auch vom Staat geforderten Zinssätzen einpreisen. Auf Dauer ist ein Minus-Realzins nicht möglich.
Interpretiere ich das richtig, wenn ich sage (mit meinen Worten), daß die Kreditgeber (zu erst die Geschäftsbanken, da der Staat über eben diese gehen muß) sich nicht mit einem negativen Realzins"abspeisen" lassen, und deshalb,"so bald als möglich", die Zinsen über die Inflarate heben? Ansonsten Verlustgeschäft, was auf Dauer dazu führen würde, daß niemand mehr dem Staat Kredite gewähren würde und irgendwann auch nicht mehr kann, da pleite!
Wenn das so sein sollte, ist dies der einzige Grund für die"Unmöglichkeit" eines auf Dauer vorhandenen negativen Realzinses, oder gibt es da"mathematische Grundsätze" (oder ähnliches)?
Noch mal SCHÃ-NEN DANK!!!!!!
Herzliche Grüße
MARSCH
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dottore
28.06.2004, 18:01
@ marsch
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Re: Hilfe erbeten: 'Negativer Realzins! |
-->Hi MARSCH,
zunächst: Ich habe zu danken. Deine Grafiken und Anregungen, auch die klugen Fragen, sind erste Sahne.
>Aber eine kurze Frage noch. Du schreibst:
>"Die Gläubiger des Staates können durchaus mit einem Realzins abgespeist werden, der bei oder sogar unter Null liegt - bezogen auf die bereits dem Staat gewährten Kredite. Dies werden sie in der nächste Runde aufzuholen versuchen, indem sie die - falls sie unerwartet gekommen ist - Infla-Rate in den auch vom Staat geforderten Zinssätzen einpreisen. Auf Dauer ist ein Minus-Realzins nicht möglich.
>Interpretiere ich das richtig, wenn ich sage (mit meinen Worten), daß die Kreditgeber (zu erst die Geschäftsbanken, da der Staat über eben diese gehen muß) sich nicht mit einem negativen Realzins"abspeisen" lassen,
Den Banken ist das nicht so wichtig, weil sie die Papiere an die Kundschaft weiter reichen. Spätestens die machen mit realem Minus nicht mit.
>und deshalb,"so bald als möglich", die Zinsen über die Inflarate heben?
Ja, rein technisch ist es so: Der Emittent (Bund) bespricht mit dem Konsortium (Banken) Volumen und die nächsten Konditionen. Liegt die Infla-Rate bei 5 % und die von der Bundesfinanzagentur kommen mit einem 5-Prozenter, werden die ausgelacht. Ich habe das selbst mal erlebt, wie ein 6-Prozenter plaziert werden sollte und das zu pari, obwohl die 6-Prozent bei 98 Brief umgingen. Der Buba-Chefrentenhändler (Herr Dr. Irm... damals) wollte nicht nachgeben - da haben ihn die Banker einfach stehen gelassen und gesagt:"Gute Reise, Herr Direktor!" Natürlich kam die Emission dann zu 97,50.
>Ansonsten Verlustgeschäft, was auf Dauer dazu führen würde, daß niemand mehr dem Staat Kredite gewähren würde und irgendwann auch nicht mehr kann, da pleite!
Genau das. Gerade"Daueremittenten" müssen ihre Kundschaft pflegen. Es macht auch keinen Sinn, die Letztabnehmer zu verprellen. Gerade ex-reiche Arme haben ein hervorragendes Gedächtnis.
>Wenn das so sein sollte, ist dies der einzige Grund für die"Unmöglichkeit" eines auf Dauer vorhandenen negativen Realzinses, oder gibt es da"mathematische Grundsätze" (oder ähnliches)?
Beides: Zuerst muss man das Feeling haben, was am Markt geht (siehe das Desaster von Herrn Zumwinkel mit seiner Postbank - kein Feeling für den Markt und dann auch noch bockig werden). Dann muss man sich nach der letzten Rendite richten - also Kurs gleichhoher Verzinslicher in Satz, Kurs, Volumen und Laufzeit vergleichen.
Wenn sich Sechsprozenter fünf Jahre Restlaufzeit mit 10 Prozent rentieren, also weit unter pari stehen, kannst Du keinen weiteren Sechsprozenter fünf Jahre mit pari in den Markt quatschen. Den nimmt Dir keiner ab. Sollten die Banken ihn dennoch nehmen, müssen sie ihn entweder behalten (wozu Geld verschenken, nämlich den automatischen Kursgewinn bis pari, zu dem zurückgezahlt wird?) oder an die Kundschaft geben. Die lacht dann die Bank aus, wenn sie für 100 auf 5 Jahre 6 Prozent geboten bekommt, obwohl sie jederzeit woanders 10 Prozent bekommen kann.
Schönen Gruß zurück!
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