Cross
12.07.2004, 20:24 |
Danegeld Thread gesperrt |
-->"Die Angeln sollen - so habe ich es oft gehört - durch Sven Haraldsohn, den wilden Dänenkönig [gemeint ist Sven Gabelbart], unsägliches Unheil erlitten haben und zur Zahlung eines ihnen von diesen unreinen Hunden auferlegten Tributes gebracht worden sein", heißt es in der Chronik des Thietmar von Merseburg ( 975 - 1018).
Tributzahlungen zu erpressen war wikingischer Brauch. In England wurde er zeitweilig, besonders in der Regierungszeit des schwachen Königs Ethelreds des
Ratlosen, mit solcher Regelmäßigkeit betrieben, daß das"Dänengeld" zum Synonym
für Steuern wurde. Noch in Quellen des 12. Jahrhunderts, als weit und breit keine wikingische Bedrohung mehr zu sehen war, ist vom"census, qui geld vel scot vel Denegeld nominatur" (Abgabe, welche Geld oder Schoß oder Danegeld genannt wird) die Rede. Auf schwedischen Runeninschriften des 10. und 11. Jahrhunderts wird an Männer erinnert, die in England Geld kassiert haben, und bei Ausgrabungen verschiedener Horte in Skandinavien wurden insgesamt zirka 50 000 englische Münzen gefunden - Reste der in England eingetriebenen Tribute.
Reinhard Barth, Taschenlexikon, Winkinger, Piper Verlag
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dottore
13.07.2004, 14:01
@ Cross
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Re: Geld = Zins = Steuer, usw. |
-->Hi,
das Danegeld war nicht wenig. 82.500 Pfund (à knapp 460 g) sind in den Quellen nachgewiesen. Es dürften über 100 Tonnen insgesamt gewesen sein.
Literatur u.a.: Jonsson, K., The Routes for the Importation of German and English Coins to the Northern Lands in the Viking Age, in: Kluge, B. (1993) (ed.), Fernhandel und Geldwirtschaft. Beiträge zum deutschen Münzwesen in sächsischer und salischer Zeit. Ergebnis des Dannenberg-Kolloquiums 1990, Jan Thorbecke, Sigmaringen, 1993, 205-232
Mit sehr schönen Grafiken. Daraus geht hervor, dass das Danegeld (Tribut) zumeist dort landete, wo es garantiert keinen Handel gab oder wo Handelswaren hätten herkommen können - von Mittelfriesland über Hinterpommern bis Lettland und tief nach Finnland hinein.
Von irgendwelchem Handel auf den Rhein zu sprechen, erübrigt sich, da es zum Rheinhandel (der verzollt werden musste) aus dieser Zeit ganze 6 Quellen gibt; eine davon behandelt die Hergabe des Reichshofs in Duisburg (Zollstätte) durch den cash-kranken Kaiser, vgl. ausführliche Texte in: Scholz-Babich, M., Quellen zur Geschichte des Klevischen Rheinzollwesens vom 11. bis 18. Jahrhundert, I. Hälfte, Franz Steiner, Wiesbaden 1971
>"Die Angeln sollen - so habe ich es oft gehört - durch Sven Haraldsohn, den wilden Dänenkönig [gemeint ist Sven Gabelbart], unsägliches Unheil erlitten haben und zur Zahlung eines ihnen von diesen unreinen Hunden auferlegten Tributes gebracht worden sein", heißt es in der Chronik des Thietmar von Merseburg ( 975 - 1018).
>Tributzahlungen zu erpressen war wikingischer Brauch. In England wurde er zeitweilig, besonders in der Regierungszeit des schwachen Königs Ethelreds des
>Ratlosen, mit solcher Regelmäßigkeit betrieben, daß das"Dänengeld" zum Synonym
>für Steuern wurde. Noch in Quellen des 12. Jahrhunderts, als weit und breit keine wikingische Bedrohung mehr zu sehen war, ist vom "census, qui geld vel scot vel Denegeld nominatur" (Abgabe, welche Geld oder Schoß oder Danegeld genannt wird) die Rede. Auf schwedischen Runeninschriften des 10. und 11. Jahrhunderts wird an Männer erinnert, die in England Geld kassiert haben, und bei Ausgrabungen verschiedener Horte in Skandinavien wurden insgesamt zirka 50 000 englische Münzen gefunden - Reste der in England eingetriebenen Tribute.
Ja, der gute alte census = Zins = gelt = schoß, also Steuer.
Vielen Dank für den Hinweis + Gruß!
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Zandow
13.07.2004, 19:00
@ Cross
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Wikingerraubzüge |
-->Hallo Cross,
nahezu die gesamte Wikingergeschichte ist eine Erfindung christlicher Mönche. Gäbe es die gewaltigen Horte fremder Münzen und einige alte Schiffe nicht, wüßten wir fast nix über diese Völker.
Insbesondere die immer wieder geschilderten Raubzüge der Wikinger entlang der Küsten und aufwärts der Flüsse Europas in der Spätantike und frühen Mittelalter haben nie stattgefunden. Auch die Zerstörung von Städten durch die Wikinger konnte archäologisch nicht belegt werden.
Die Phase des Danegeldes (zunächst als Tribut, später als Steuer) war eine geschichtlich extrem kurze Zeit und währte keinesfalls Jahrhunderte, wie die Quellen (skandinavische und isländische Sagas, Chroniken, Annalen) berichten.
Die ganze Geschichtschreibung der Wikinger (hierbei besonders die Sagas) stammt aus dem 12. bis 14. Jahrhundert und ist nix anderes als eine Beschreibung bzw. Rechtfertigung der Christianisierung der Europäischen Völker, die mit Sicherheit nie so ablief, wie beschrieben. Der Hauptpunkt ist, daß die Christianisierung (auch der Wikinger) viel, viel später stattfand, nämlich erst ab dem ca. 12. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammt auch das Danegeld!
Bedauerlicherweise hab' ich meine umfangreiche Materialsammlung zu den Wikingern nicht zur Hand. Je länger ich mich damit beschäftige, umso mehr wird die ganze Wikingergeschichte und besonders die Geschichte des Christentums für mich zum Mysterium. Man schaue nur die friedliche Annahme des Christentums in Island auf dem Althing des Jahres 1000 an, beschrieben in Aris Islandigabok (geschrieben im 13. Jhh.!!!). Glatte Erfindung!!!!
Letztenendes kann man sich nur noch auf die Archäologie verlassen (eben jene Horte z.B.). Schriftquellen taugen kaum und verfälschen die ganze Sache nur.
Mir ein großes Rätsel z.Z.: Wie ist das Christentum nach Irland gekommen (die frühen irischen Mönche). So einfach aus dem Nix?
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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dottore
14.07.2004, 15:13
@ Zandow
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Re: Wikingerraubzüge |
-->Hi Zandow,
>nahezu die gesamte Wikingergeschichte ist eine Erfindung christlicher Mönche. Gäbe es die gewaltigen Horte fremder Münzen und einige alte Schiffe nicht, wüßten wir fast nix über diese Völker.
Die Wikinger (Name wurscht) gab's. Mutmaßung: Nicht mehr benötigte Söldner, die sich beim langsamen Rückzug ("Goten") oder wg. Nichtbezahlung selbst bedienten.
>Insbesondere die immer wieder geschilderten Raubzüge der Wikinger entlang der Küsten und aufwärts der Flüsse Europas in der Spätantike und frühen Mittelalter haben nie stattgefunden.
Die Quellenlage ex"Antike" ist überwältigend. Wozu sich die Mühe machen, das alles zu fälschen (solche Chroniken sind keine Urkunden, mit deren Hilfe"Eigentum" nachgewiesen werden sollte)? Irgendwer muss schließlich die Münz-Massen, die viele"Herrscher" (Mutmaßung: regionale Klopper) zeigen, abgeholt haben oder zumindest deren Ablieferung verursacht haben. Wann die Chroniken usw. entstanden sind, ist und bleibt die große Frage.
>Auch die Zerstörung von Städten durch die Wikinger konnte archäologisch nicht belegt werden.
Ja, neueste Ausgabe"Zeitensprünge".
>Die Phase des Danegeldes (zunächst als Tribut, später als Steuer) war eine geschichtlich extrem kurze Zeit und währte keinesfalls Jahrhunderte, wie die Quellen (skandinavische und isländische Sagas, Chroniken, Annalen) berichten.
Mutmaßung: Mehrfachzählungen von den selben Figuren, die überall anders genannt wurden.
>Die ganze Geschichtschreibung der Wikinger (hierbei besonders die Sagas) stammt aus dem 12. bis 14. Jahrhundert und ist nix anderes als eine Beschreibung bzw. Rechtfertigung der Christianisierung der Europäischen Völker, die mit Sicherheit nie so ablief, wie beschrieben. Der Hauptpunkt ist, daß die Christianisierung (auch der Wikinger) viel, viel später stattfand, nämlich erst ab dem ca. 12. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammt auch das Danegeld!
D'accord. Christianisierung im"spanischen Stil" (siehe Caxamarca) wurde rückprojiziert. Das frühe Christentum muss ein besonderes Geschäftsmodell gewesen sein: Bischof (episcopus) als"Aufseher" (epi-skopein) in Markthallen ("Basiliken"), Treuhänder bei Eigentumsübertragungen (lex salica) usw. eine Fährte. Dann fehlt aber noch der Kick, s. unten.
>Bedauerlicherweise hab' ich meine umfangreiche Materialsammlung zu den Wikingern nicht zur Hand. Je länger ich mich damit beschäftige, umso mehr wird die ganze Wikingergeschichte und besonders die Geschichte des Christentums für mich zum Mysterium. Man schaue nur die friedliche Annahme des Christentums in Island auf dem Althing des Jahres 1000 an, beschrieben in Aris Islandigabok (geschrieben im 13. Jhh.!!!). Glatte Erfindung!!!!
>Letztenendes kann man sich nur noch auf die Archäologie verlassen (eben jene Horte z.B.). Schriftquellen taugen kaum und verfälschen die ganze Sache nur.
>Mir ein großes Rätsel z.Z.: Wie ist das Christentum nach Irland gekommen (die frühen irischen Mönche). So einfach aus dem Nix?
Mutmaßung: Es ging nur mit Hilfe des Fegefeuers. Da the second coming sich nicht realisierte, musste man sich etwas zum"Aufenthaltsort" der Verstorbenen einfallen lassen (superb dazu"Hamlet in Purgatory" - hier der"Geist", der gemeuchelte König Hamlet sen.). Unter den"Purgatoriums"-Orten außer Sizilien (heute: Ortschaft Purgatorio) vor allem Irland - siehe v.a. LeGoff. Daher schwört auch Hamlet jun. auf"St. Patrick".
Damit war das Geschäftsmodell rund: Man konnte jene melken, die Angst vor der Pein hatten und deren Nachkommen auch noch dazu bringen, für die Vorfahren zu"stiften", um deren Qualen zu lindern.
Als die Reformation die damnatio memoriae einführte, war das schöne Kloster-Geschäftsmodell kaputt. Die"tote Hand" (Kirche) musste im ersten Schub groß ablegen, im zweiten dann um 1800.
Noch eins, was mir aufgefallen ist: Niemand baut in großem Stil, wenn er damit nicht Geschäfte machen will (Tempel, Pyramiden, Kathedralen, schon die Megalith-Klamotten - es musste"groß" sein, damit mehr einkam).
Keep in touch + Gruß!
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