-->SĂ€chsische Zeitung
Samstag, 17. Juli 2004
Keine US-Steuergeschenke mehr
Weil die Geldquelle Cross-Border-Leasing nicht mehr sprudelt, macht sich auch in Sachsen NervositÀt breit
Von Ulrich Wolf
Der Kongress in Washington hat ein fĂŒr groĂe US-Konzerne beliebtes Steuermodell beerdigt: Cross-Border-Leasing. Das hat auch Auswirkungen auf sĂ€chsische GroĂstĂ€dte und die hiesige Landesbank. Wie und warum - das zeigt die SZ in einer dreiteiligen Artikelserie.
Dresden. Ausgerechnet vor Weihnachten ĂŒberkam das sĂ€chsische Innenministerium eine Vorahnung: âEin von dem einflussreichen US-Senator Charles Grassley vorgelegter Gesetzentwurf sieht vor, die Leasing-GeschĂ€fte zu verbietenâ, schrieb das Ministerium im Dezember 2003 an die RegierungsprĂ€sidien Chemnitz, Dresden und Leipzig. Und weiter: âDas Staatsministerium des Inneren weist aufgrund dieser Sachlage darauf hin, dass bis auf weiteres CBL-Transaktionen nicht genehmigt werden sollten.â
CBL, dieses KĂŒrzel steht fĂŒr Cross-Border-Leasing. Ăbersetzt heiĂt das so viel wie âĂber-die-Grenzen-hinaus-Vermietungâ. Dabei nutzen US-Banken, Versicherungen sowie US-Töchter deutscher Konzerne - unter anderem auch der Autokonzern Daimler-Chrysler - ein komplexes Finanzmodell. Es beruht auf einer LĂŒcke des US-Einkommensteuergesetzes von 1984: Die US-Investoren mieten beispielsweise von einer Kommune deren AbwasserkanĂ€le, Schienennetze oder Messehallen langfristig an. Gleichzeitig mietet die Kommune das Objekt deutlich gĂŒnstiger zurĂŒck. Der Clou bei dem GeschĂ€ft: Der US-Investor kann die Pachtsumme fĂŒr die Auslandsinvestition in den USA steuermindernd abschreiben. Den Steuervorteil gibt er zum Teil an die Kommune weiter. Die Stadt kassiert so schnell zweistellige Millionen-BetrĂ€ge (Barwertvorteil, siehe Kasten).
Das funktionierte jahrelang - doch nun haben sich die Ahnungen des sĂ€chsischen Innenministeriums bestĂ€tigt. Nach zwei Klagen der EuropĂ€ischen Union vor der Welthandelsorganisation, einem teuren Irakkrieg und einem anwachsenden Haushaltsdefizit ist der Druck auf Washington gewachsen, Steuerschlupflöcher zu schlieĂen: Mitte Juni kam das Aus fĂŒr CBL-GeschĂ€fte. Strittig ist noch, ob das Verbot dieses Steuersparmodells fĂŒr US-Konzerne auch rĂŒckwirkend gilt - und damit in alte VertrĂ€ge eingreift.
Von diesen gibt es in Deutschland mindestens 180, obwohl es in vielen StĂ€dten Proteste und BĂŒrgerbegehren gab. âVom Ausverkauf öffentlicher Einrichtungenâ war da die Rede und einem Handeln, dass âim Hinblick auf die kommenden Generationen verantwortungslos istâ.
SĂ€chsische GroĂstĂ€dte haben immerhin 14 CBL-VertrĂ€ge unterzeichnet. In Chemnitz sind das Klinikum und StraĂenbahnen in der Hand von US-Investoren. In Dresden die KlĂ€ranlage und Teile des Kanalnetzes Kaditz, das Heizkraftwerk âNossener BrĂŒckeâ und StraĂenbahnen. In Leipzig fanden sich US-Erwerber fĂŒr die Kongress- und Messehalle, fĂŒr diverse KlĂ€ranlagen, fĂŒr StraĂenbahnen samt Schienennetz und Oberleitungen, fĂŒr das Klinikum St. Georg sowie fĂŒr die Trinkwasserversorgung. Auch Zwickau ist seine StraĂenbahnen nach Ăbersee los geworden. Virtuell erlösten die vier sĂ€chsischen GroĂstĂ€dte so etwas mehr als vier Milliarden Euro - von denen aber real nur 185 Millionen Euro in ihre Kassen flossen.
Dass diese Differenz so groĂ ist, das liegt an der Kompliziertheit des CBL-Konstrukts. Es muss sich in erster Linie fĂŒr die US-Firmen rechnen. Damit aber die deutschen Partner nicht unter die RĂ€der geraten, macht ein hochspezialisiertes Beraterteam die VertrĂ€ge: WirtschaftsprĂŒfer, RechtsanwĂ€lte und Banker entwerfen ein Werk in Englisch, das oft mehr als 1 000 Seiten umfasst und zumeist auf dem Recht des US-Bundesstaats New York basiert.
Dennoch ist das keine Garantie fĂŒr juristische Wasserdichtheit. So rĂ€t der Sonderfinanzierungs-Experte Arnd BĂŒhner der Unternehmensberatung Ernst & Young AG auch den sĂ€chsischen GroĂstĂ€dten, ihre VertrĂ€ge noch einmal zu prĂŒfen. Sie sollten sicher gehen, ob sie auch tatsĂ€chlich all ihren CBL-Pflichten nachgehen und nachgekommen sind, so BĂŒhner. Denn die SteuerrechtsĂ€nderung in den USA könnte zur Folge haben, dass sich die Rendite fĂŒr den US-Investor deutlich verringert. âDer könnte deshalb versuchen auszusteigenâ, sagt BĂŒhner.
Die Kommunen mĂŒssten vertraglich genau geregelt haben, dass sie fĂŒr den Wegfall des Steuervorteils in den USA nicht verantwortlich gemacht werden können, pflichtet auch der CBL-Experte Ulrich Eder von der DĂŒsseldorfer Unternehmensberatung Due Finance bei. Anderenfalls könnten sie schadensersatzpflichtig werden. âDiese Summe kann im schlimmsten Fall fĂŒnfmal so hoch sein wie der Barwertvorteilâ, sagt ein Kenner der CBL-Szene.
Baldur Vander, Vizechef der auf CBL spezialisierten Landesbank-Sachsen-Tochter East Merchant, warnt jedoch vor Panikmache: âDie VertrĂ€ge sind absolut hart verhandelt.â Gleichwohl beeilt er sich zu ergĂ€nzen: âSolche GeschĂ€fte sind nie ganz ohne Risikoâ.
Ob und wie sich die sĂ€chsischen CBL-StĂ€dte tatsĂ€chlich geschĂŒtzt haben vor millionenschweren RĂŒckzahlungen - das lesen Sie morgen in der SZ am Sonntag. Und am Montag analysieren wir fĂŒr Sie die Konsequenzen...........
<ul> ~ fĂŒr einen bedeutenden Anbieter von CBL-GeschĂ€ften: die sĂ€chsische Landesbank.</ul>
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