Artikel http://www.jungewelt.de/2000/11-28/006.shtml
junge Welt Ausland
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28.11.2000
Crash & Crisis?
Eine Analyse von Börsengeschehen und Weltkonjunktur. Von Winfried Wolf
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In der vergangenen Woche erteilte die kapitalistische Ã-konomie der
Ã-ffentlichkeit wieder eine Lektion in Sachen Marxismus: Die
ökonomische Basis, die ansonsten dem Wirtschaftsteil der Zeitungen
vorbehalten ist, verdrängte den politischen Überbau von den ersten
Seiten und bestimmte zeitweilig die Schlagzeilen: »Bild« informierte
die Leserschaft auf Seite 1 mit der Schlagzeile: »Hightech-Aktien im
freien Fall«. »Panikverkäufe am Neuen Markt« titelte die Süddeutsche
Zeitung; »Depression am Neuen Markt« lautete der Aufmacher bei der
deutschen Ausgabe der Financial Times; von einem »Schlachtfest am
Neuen Markt« wußte »Die Welt« zu berichten. Wobei wir davon ausgehen
können, daß inzwischen das finanzielle Engagement in Aktien bzw. die
Kenntnisse über das Börsengeschehen derart verbreitet sind, daß bei
dem Begriff »Neuer Markt« kaum jemand einen geographischen Ort in
Berlin oder sonstwo vermutet.
Auch wenn es nach den Aktieneinbrüchen von Mitte der vergangenen Woche
zu gegenläufigen Reaktionen - zu einem »rebound«, wie die Börsianer
sagen - kam, so ist die Entwicklung an den internationalen Börsen
dennoch bedrohlich. Immerhin hält die Abwärtsentwicklung seit gut
einem halben Jahr an. Und immerhin liegen diesen Börsentendenzen
ernste Krisenerscheinungen der Weltökonomie zugrunde.
»Zyklische Baisse«
Doch zunächst zu den Börsenkursen. Die jüngeren Einbrüche betrafen vor
allem die Aktienkurse der »New Economy«. Hier handelt es sich um
Aktien derjenigen Unternehmen, die zum High-Tech-Sektor und zum
Telekommunikationsbereich zählen. Die Aktienkurse dieser Unternehmen
galten noch vor wenigen Monaten als besonders lukrativ und im Aufwind
befindlich, weshalb für sie in den führenden kapitalistischen Ländern
spezielle Aktien-Indices, also gewichtete Zusammenfassungen der
entsprechenden New-Economy- Aktien gebildet wurden. In den USA ist
dies der Index »NASDAQ«. In der BRD der Index »NEMAX«, der nochmals
unterteilt ist in den Index NEMAX ALL-SHARE, in dem alle (derzeit 333)
Titel des »Neuen Marktes« zusammengefaßt sind, und in den »NEMAX-50«,
der die 50 führenden Titel dieses »Neuen Marktes« bündelt. Darüber
hinaus gibt es noch speziellere Indices, etwa den »Europe-
Stoxx-Telecomunication-Index«, der die Aktienkurse der verschiedenen
europäischen Telekommunikationsunternehmen, die fast alle aus
Entstaatlichungen hervorgingen, zusammenfaßt.
Mit dieser Umgestaltung der Börsenstruktur wurde das
investitionsfreudige Publikum vor allem auf die spekulativen Werte
orientiert. Das funktionierte solange gut, wie NASDAQ und NEMAX den
jeweiligen Aktienindices der »Old Economy«, dem Dow Jones in New York
und dem DAX in Frankfurt/M., vorauseilten. Dies führte dazu, daß immer
breitere Schichten, geblendet vom sagenhaften Aufschwung am »Neuen
Markt«, Erspartes in Aktien anlegten oder gar auf Kredit Aktien
kauften und somit die Börse mit Milliardensummen frischen Geldes
versorgten. Das allgemeine Spekulationsklima färbte gleichzeitig vom
»Neuen Markt« auf die traditionelle Wirtschaft, die »Old Economy«, ab
und zog deren Aktienindices Dow Jones, Dax, Footsie, Nikkei, Heng Seng
usw. mit nach oben.
Was im Börsenboom von Vorteil war, stellt sich seit Frühjahr 2000
angesichts des allgemeinen Rückgangs der Börsenkurse als spezifischer
Nachteil heraus. Die Aktienmärkte der »New Economy« brechen derzeit
weit schneller ein als die traditionellen Werte. In den USA verlor der
NASDAQ-Index in den vergangenen drei Monaten 35 Prozent seines Wertes.
Der NEMAX-50-Index halbierte sich im gleichen Zeitraum. Wird eine
längere Periode betrachtet, dann sind die Ergebnisse dramatischer. Der
US-Index NASDAQ erlebte seit März 2000 einen Wertverlust von 40
Prozent. Ähnlich die Entwicklung in der BRD: Der NEMAX- 50 hatte am
10. März 2000 sein bisheriges Hoch von 9665,81 Punkten erreicht; am
22. November 2000 notierte er mit 3175,72 Punkten, am 23. streifte er
sogar kurzzeitig die 3000er Marke. Der Anstieg, den dieser Index
seither erlebte, kann vor dem Hintergrund der Entwicklung seit März
2000 als voraussichtlich kurzlebiges Strohfeuer bezeichnet werden.
Würde es sich hier nur um Phänomene der »Neuen Ã-konomie« handeln,
könnten wir zur Tagesordnung übergehen und konstatieren, daß
spekulative Hochs in besonderen Bereichen der Börse immer wieder in
spekulativen Tiefs mündeten. Doch der Abwärtstrend ist seit Monaten
ein allgemeiner; er erfaßt ebenso die »Old Economy«. Der DAX, der
Index der traditionellen BRD-Wirtschaft, der auch die »Schwergewichte«
dieser Ã-konomie zusammenfaßt, ist seit einem Jahr leicht rückläufig
(Höchststand 8 136, aktuell 6 700). Der Dow Jones an der New Yorker
Wall Street hat sich in den letzten anderthalb Jahren - zum ersten Mal
seit langer Zeit - nicht mehr erhöht und liegt ebenfalls deutlich
unter seinem bisherigen Höchstwert (11 750, aktuell 10 500). Noch
krasser im Fall ist der Index der japanischen »Old Economy«, der
Nikkei: Dieser erreichte Ende der achtziger Jahre den Wert von 40 000,
im Frühjahr 2000 lag er bei 20 000 Zählern, inzwischen ist er auf
unter 15 000 abgesunken.
Wer sich in dem angeblich weniger spekulativen Segment der »Old
Economy« bei einzelnen Aktien engagierte, der konnte ebenfalls von
herben Verlusten getroffen werden. Wer z. B. beim angeblich solidesten
deutschen Softwarehersteller SAP zum Zeitpunkt des Höchstkurses der
SAP-Aktie (350 DM) einstieg, dessen Aktien sind heute auf weniger als
die Hälfte des Höchstwertes geschrumpft (22.11.: 130,50 DM). Wer recht
bieder Aktien des größten europäischen Industriekonzerns, solche von
DaimlerChrysler kaufte, erlebte den Sturz von einem Hoch der
DaimlerChrysler-Aktie von 77,20 DM auf 46,50 DM (22.11.).
Kommt ein neues Hoch?
Nun gibt es natürlich Stimmen, die sagen: Das Tief ist erreicht; die
Börsen werden bald zu neuen Höhenflügen starten. Die Rede ist von
einer »Jahresendrallye«. Auch wenn im Börsengeschehen bei den
kurzzeitigen Entwicklungen nichts ausgeschlossen werden kann, so
spricht doch viel gegen einen solchen Optimismus und einiges für die
These, daß sich der Niedergang der Aktienkurse weltweit fortsetzen und
mit einer internationalen Rezession verbinden wird.
Da ist zunächst einmal von Interesse, wer in den letzten Wochen aus
Aktien, insbesondere aus dem »Neuen Markt«, ausstieg. Dies waren nicht
die Millionen Kleinanleger; im Gegenteil, diese blieben überwiegend im
Geschäft und wirkten damit im allgemeinen Niedergang stabilisierend.
Es waren vielmehr die großen »institutionellen Anleger«, die sich seit
März 2000 zunehmend aus dem »Neuen Markt« verabschiedeten. Dieser
Vorgang entspricht allerdings der klassischen Börsianerregel: Wenn die
Dienstmädchen kommen, verläßt der Profi die Party durch den
Hinterausgang. Soll heißen: Wenn das breite Publikum an der Börse
auftaucht, erkennt der professionelle Spekulant darin das »letzte
Aufgebot« an frischem Geld, das nahende Ende des Booms und das Signal,
rechtzeitig auszusteigen.
Das deckt sich auch mit der Konjunktur in den USA und in Westeuropa.
Diese erlebte seit 1993 einen ausgesprochen langen Boom. Seit Ende
1999 gibt es allerdings Anzeichen für ein Ende der Konjunktur. Die
US-Zentralbank »Fed« und die Europäische Zentralbank EZB haben im Jahr
2000 ihre Zinssätze im Wettlauf angehoben, was bereits zu erheblichen
Bremsspuren führte. Einzelne für die Weltwirtschaft wichtige Konzerne
wie DaimlerChrylser und IBM mußten seit Mitte 2000 Einbrüche bei den
Gewinnerwartungen verkünden, was zum Übergreifen der Baisse von den
neuen Märkten auf die »Old Economy« beitrug.
In der jüngsten Ausgabe des US-Wirtschaftsblattes Business Week
(27.11.) wird festgestellt: »Gleichgültig, wer ins Weiße Haus
einzieht, der betreffende wird aller Voraussicht nach das Ende einer
langen expansiven Phase erleben, die unter George Bush, senior,
startete und sich in den beiden Amtszeiten von Bill Clinton noch
beschleunigte. Alle Anzeichen sprechen für ein verlangsamtes Wachstum.
Eine wachsende Anzahl von Ã-konomen sehen eine Rezession im Jahr 2001
als ernsthafte Option. In einem Szenario wird davon ausgegangen, daß
der gegenwärtig zu beobachtende Einbruch bei den Unternehmensgewinnen
die Börsen einstürzen lassen wird, weil sich ängstliche Investoren in
großem Maßstab zurückziehen.«
Das Zusammentreffen eines Abwärtstrends an den Börsen und einer
auslaufenden guten Wirtschaftskonjunktur in den großen
kapitalistischen Zentren USA und Westeuropa ist bereits ein
bedrohliches Szenario. Dieses wird noch verdüstert durch die zwei
Sonderfaktoren Euro und Rohölpreisentwicklung, die sich auf
unterschiedliche Weise negativ auf die kapitalistische Konjunktur
auswirken können: Der Euro, weil diese abenteuerlich installierte
Einheitswährung zunehmend zu einem Objekt der Spekulation geworden
ist. Der Rohölpreisanstieg, weil er ein zusätzliches Element erhöhter
Kosten, wachsender Inflationsgefahr und weltwirtschaftlicher
Ungleichgewichte verkörpert.
All diese Krisenerscheinungen werden aber nochmals zugespitzt durch
drei regionale Krisen, die sich leicht in Epizentren einer
erschütterten Weltwirtschaft verwandeln könnten. Es geht um
Argentinien und Lateinamerika, um Südkorea und den südostasiatischen
Raum und schließlich um die zweitgrößte kapitalistische
Wirtschaftsmacht, um Japan.
Argentinien
In Argentinien erleben wir derzeit ein ökonomisches Drama, dessen
Ausgang erheblichen Einfluß auf Lateinamerika und auch auf die USA
haben kann. Das Land ist typisch für den kapitalistischen Zyklus in
einem Drittweltland. Dort wurde, wie gleichzeitig in Chile, in den
70er Jahren die »Demokratie in Blut gebadet« (Pinochet). Seit dem Ende
der Militärdiktatur herrscht der Neoliberalismus: Ein Sparprogramm
folgte dem anderen; seit mehr als zehn Jahren sinken die - ohnehin
niedrigen - Reallöhne. Da das Land im Westen hoch verschuldet ist,
diktiert der Internationale Währungsfonds (IWF) diese Programme. Der
Glaube, irgendwann sei »genug gespart«, irgendwann »springe die
Wirtschaft an« und schaffe neue Jobs, wird von Regierung zu Regierung
bitter enttäuscht.
Nun sind im Jahr 2001 Tilgungszahlungen in der unvorstellbaren Höhe
von 20 Milliarden US-Dollar fällig. Argentinien kann diese nie und
nimmer aufbringen. Worauf der IWF und die USA einen neuen Kredit
anbieten - zufällig in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar. Dieser
Kredit, mit dem Argentinien noch abhängiger vom IWF und von den
internationalen Banken wird, soll aber nur fließen, wenn die Regierung
einem extremen neuen Sparprogramm zustimmt. So soll unter anderem das
gesamte Rentensystem privatisiert, die Mindestrente gekürzt und das
Rentenalter für Frauen auf 65 Jahre erhöht werden. Die Regierung de la
Rua hat diesem Programm im Prinzip zugestimmt. Doch der IWF geht noch
einen Schritt weiter. Erst wenn auch die Opposition (überwiegend
gestellt von den »Peronisten«) zustimmt, soll der Kredit genehmigt
werden. Deutlicher kann das Prinzip »strikte Einmischung in die
inneren Angelegenheiten« kaum unter Beweis gestellt werden. Eine
besondere Perfidie besteht darin, daß seit langer Zeit der
argentinische Peso fest an den Dollar geknüpft und dies als Teil der
argentinischen Verfassung festgehalten ist. Unter normalen Bedingungen
müßte jede Regierung in Buenos Aires den Peso massiv abwerten, um die
Exporte des Landes anzukurbeln. Dem steht aber der Umstand entgegen,
daß dann die enorme Auslandsschuld des Landes sich, gemessen in Peso,
nochmals massiv erhöhen und den Würgegriff um Land und Bevölkerung
verstärken würde. Ende der vergangenen Woche gab es einen 36stündigen
Generalstreik gegen das IWF-Programm - bereits den dritten in diesem
Jahr. Wie die Kraftprobe ausgehen wird, ist offen. Wenn sich de la Rua
und der IWF nicht durchsetzen können, wird dies massive negative
Konsequenzen auf die Wall Street (wegen der Peso-Dollar-Bindung) und
die US-Banken (aufgrund deren besonderem Engagement am la Plata)
haben.
Südkorea
Südkorea ist typisch für die Bestätigung der kapitalistischen Regel:
Die Starken werden immer stärker und die Schwachen immer schwächer -
scheinbare Ausnahmen wie Südkorea (und zuvor Indien, Brasilien und
Mexiko) werden gegebenenfalls auf diese Regel des Faustrechts mit
Gewalt verwiesen. Noch vor vier Jahren galt Südkorea als neue
asiatische Wirtschaftsmacht. Damals befanden sich unter den 200
größten Konzernen der Welt acht aus Südkorea. Im Jahr 2000 ist nur
noch ein Konzern in dieser Gruppe verblieben - Hyundai, und auch
dieser ist - wie zuvor Kia, Ssayjong oder Daewoo - vom Bankrott
bedroht. Die Asienkrise 1997/98 hat diese Veränderungen bewirkt. In
dieser Krise wurden die südkoreanische Währung im Verhältnis zum
Dollar halbiert und die Kurse an der Börse von Seoul zusätzlich
halbiert.
Entsprechend konnte sich die ausländische Konkurrenz im Land oft zu
Preisen, die bei einem Viertel des Werts von 1996 lagen, »einkaufen«,
das heißt, sie haben dort große Teile des gesellschaftlichen
Produktivkapitals aufgekauft. Dieser radikale Einbruch brachte das
gesamte ökonomische System ins Wanken. Die Pleitewelle hält
unverändert an und bedroht bereits den größten Konzern des Landes,
Hyundai, der im Autosektor, in der Baubranche und in der
Elektronikindustrie des Landes führend ist. Inzwischen ist - wegen
dieser Pleitewelle - der gesamte Finanzsektor des Landes bedroht.
Gleichzeitig bedroht die neue Krise in Südkorea alle Volkswirtschaften
in Südostasien. Ganz offen schrieb die Financial Times im November in
dem Beitrag »Die Furcht vor dem nächsten Absturz«, darüber, daß »ein
neuer Zusammenbruch in Südostasien denkbar« ist. Das aber würde die
aktuell dritte Regionalkrise zum Epizentrum einer erschütterten
Weltwirtschaft machen.
Japan
In Japan erleben wir eine einmalige Kombination von langer
Wirtschaftskrise plus lang anhaltender Erschütterung des gesamten
Finanzsektors plus einer Wirtschaftspolitik des Schuldenmachens, die
in Westeuropa und Nordamerika strikt und »prinzipiell« abgelehnt wird,
für Japan aber von den Regierungen in Nordamerika und Westeuropa
unterstützt wird.
Seit 1993 befindet sich die japanische Ã-konomie in einer
Stagnationsphase. Das ist für kapitalistische Verhältnisse - zumal im
Fall der zweitgrößten kapitalistischen Wirtschaftsmacht der Welt -
ungewöhnlich. Die Aktienkurse des Landes wurden nach dem Boom Ende der
achtziger Jahre halbiert. Sie verharren nun seit einem Jahrzehnt auf
einem Niveau, das maximal die Hälfte des vorausgegangenen
Höchstniveaus erreicht (20 000 Nikkei-Index-Einheiten). Der Sektor der
Banken und Versicherungen ist angeschlagen und marode; kaum ein Monat
vergeht ohne Pleite eines großen Instituts (im Oktober kollabierte der
Lebensversicherer Chiyoda mit Schulden in Höhe von umgerechnet 60
Milliarden DM).
Zentralbank und Regierung in Tokio haben zu krassen Mitteln gegriffen:
Seit eineinhalb Jahren liegt der Leitzins bei Null oder fast Null
(0,25 Prozent). Das heißt, Kredite kosten fast nichts. Dennoch springt
die Ã-konomie nicht mehr an; vielfach werden billige Yen-Kredite in die
USA transferiert, um dort vier und mehr Prozent Differenzzinsen zu
»erarbeiten«.
Die Regierung hat seit 1995 die unvorstellbare Summe von 2150
Milliarden Mark in die Ã-konomie gepumpt - den größten Teil auf
Kreditbasis. Doch dies hat Nippons Wirtschaft bestenfalls davor
bewahrt, daß aus Stagnation tiefe Krise wurde. Vor ein paar Tagen
hatte das Kabinett unter Yoshiro Mori eine völlig neue Idee - ein
Konjunkturprogramm in Höhe von umgerechnet 100 Milliarden Mark. Also:
neue Verschuldung, neuer Versuch des »Ankurbelns«.
Das einzige, was man davon weiß, ist: Damit erreichen die öffentlichen
Schulden gemessen am Bruttoinlandprodukt die Höhe von 135 Prozent.
Eines der entscheidenden Kriterien des Maastrichter Vertrags und für
die Aufnahme in die »Euro- Zone« lautete: Die öffentlichen Schulden
dürfen 60 Prozent Anteil am Bruttoinlandprodukt nicht übersteigen.
Alle Ã-konomen wissen, daß damit Japan einem Staatsbankrott nahe ist.
Doch dieselben Ã-konomen fordern, im Zweifelsfall eine Politik
fortzusetzen, die Japan dem Staatsbankrott näher bringt.
Viele mögen vor diesem Szenario noch die Augen verschließen, doch es
sei ausgesprochen: Die kapitalistische Weltwirtschaft nähert sich, wie
Ende des ersten Viertels des 20. Jahrhunderts, einer historischen
Zäsur. Diese mag durch Flickschusterei, wie eben für Japan
beschrieben, hinausgezögert werden. Letzten Endes geht es um die
Alternative: neue schwere Weltwirtschaftskrise mit politischen
Erschütterungen, die erneut weit um sich greifende Kriege, wenn nicht
einen Weltkrieg, wahrscheinlich machen. Oder tiefgreifende
gesellschaftliche Veränderungen, in deren Zentrum eine Ã-konomie und
eine Politik stehen müssen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen
und nicht mehr an denen des Kapitals und des Profits orientieren.
Diese Alternative resultiert bereits aus der inneren Logik des
Kapitalismus. Sie ist erst recht Realität vor dem Hintergrund der
umweltpolitischen Debatte, dem Scheitern der Umweltkonferenz in Den
Haag - was wiederum selbst Ergebnis dieser zugespitzten Alternative
ist.
(*) Winfried Wolf veröffentlichte soeben sein neues Buch zum Stand der
Weltwirtschaft: »Fusionsfieber. Oder: Das große Fressen.« PapyRossa,
Köln 2000, 288 Seiten, DM 28
Artikel per Mail versenden
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p.s. Etwas kommunistisch eingefärbt, trotzdem sehr gut. J.
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