Popeye
24.07.2004, 16:08 |
Lehrstück Demokratie - CDU Stimmen zum Thema Volksentscheidung Thread gesperrt |
-->In der FAZ von heute (24.07.04) auf Seite 4 hat Karl Feldmeyer die Stimme diverser CDU-Fürsten zum Thema Volksabstimmung gesammelt und aufbereitet. Was da zusammengetragen wurde ist - zwar nicht grundsätzlich neu - aber, wegen der geballten Torheit, die dem Leser dort entgegenprallt, einen Bericht für dieses Forum wert.
Die Stimmen in der Übersicht:
„Die Haltung der CDU-Vorsitzenden Merkel ist eindeutig. Sie lehnt die unmittelbare Beteiligung des Volkes an Sachentscheidungen ebenso grundsätzlich ab, wie ihre Vorgänger Schäuble und Kohl. Das hat sie in dieser Woche noch einmal bekräftigt. Sie verwies in einem Gespräch mit dem"Kölner Stadtanzeiger" auf die Rechtslage und auf"grundsätzliche Erwägungen", die sie freilich nicht im einzelnen offenlegte.“
„Schäuble ging da einen Schritt weiter bei der Begründung seiner Ablehnung eines Referendums. Er sprach von der "Gefahr", daß es bei einer Volksabstimmung "gar nicht um die Verfassung geht", sondern darum, ob man für oder gegen Europa sei.“
„Und der CDU-EuropapolitikerHintze sagte, Volksabstimmungen seien ein "Irrweg" und mündeten in"Stimmungsentscheidungen gegen die jeweilige Regierung".“
„So begründete der niedersächsische Ministerpräsident Wulff seine Ablehnung eines Referendums mit der Komplexität des Verfassungsentwurfs. "Wir Deutschen haben bei komplexen Fragestellungen mit der repräsentativen Demokratie gute Erfahrungen gemacht", lautet sein Urteil. Deshalb, so sagt er, solle die Entscheidung Bundestag und Bundesrat überlassen bleiben.“ Aber
„Dieses kategorische Nein Wulffsbezieht sich aber nur auf einen Volksentscheid der Deutschen. Ein Referendum auf europäischer Ebene, bei dem die Stimmen aus allen 25 EU-Staaten gemeinsam ausgezählt würden, wäre dagegen etwas, worüber er mit sich reden ließe.“
„Auch der thüringische Ministerpräsident Althaus denkt so. Ein Referendum auf nationaler deutscher Ebene: Nein. Dagegen gebe es rechtliche wie politische Gründe, insbesondere aber den, daß dadurch die Gegner einer europäischen Union gestärkt werden könnten. Wenn ein Referendum, dann europaweit und einheitlich.“
„Der baden-württembergische Ministerpräsident „Teufel“ kann dagegen weder einem europaweiten noch einem auf Deutschland beschränkten Referendum positive Seiten abgewinnen. Die Väter des Grundgesetzes hätten sich zu Recht gegen plebiszitäre Elemente in der Verfassung entschieden. An dieser Festlegung solle man nicht"ohne Not" etwas ändern. Wenn man die Deutschen aber über die EU-Verfassung abstimmen lassen wolle, dann dürfe das keine Einzelfallregelung sein. Dann müßten Referenden auch für andere Sachentscheidungen möglich und das Grundgesetz geändert werden. Rechtliche Gründe führt Teufel auch gegen ein europaweites Referendum an, denn es würde gegen die Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Mitgliedsländer verstoßen."Es gibt kein europäisches Staatsvolk, sondern 25 souveräne Mitgliedsstaaten", so lautet sein Argument. Teufel ist der einzige, der deutlich macht, daß die Rechtslage nicht nur ein nationales Referendum in Deutschland, sondern auch ein internationales, EU-weites Referendum ausschließt.“
„Ohne Nach- und Nebensätze lehnen auch der hessische Ministerpräsident Koch und der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Böhr ein Referendum ab.“
„Der brandenburgische CDU-Vorsitzende Schönbohm verweist darauf, daß man dann, wenn man für die Verfassung ein Referendum durchführen würde, nachträglich zugäbe, daß auch über die Einführung des Euro ein Volksentscheid notwendig gewesen wäre. Er vergleicht die Entscheidung für ein Referendum mit dem Ã-ffnen der Büchse der Pandora. Auch daß zehn andere EU-Länder ihre Wahlberechtigten direkt entscheiden lassen, ändert seine Beurteilung nicht.“
„Der sächsische Ministerpräsident Milbradt hält sich insgesamt bedeckt und läßt mitteilen, er wolle sich derzeit dazu überhaupt nicht äußern - zumal eine Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung ohnehin nicht absehbar sei.“
„Der Vorsitzende des größten CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, Rüttgers, will zum Thema Referendum auf Bundesebene ebenfalls nicht Stellung nehmen. Er verweist aber darauf, daß er im Landtag gerade erst erfolgreich darauf hingewirkt habe, die gesetzlichen Hürden für Volksbegehren und -entscheide in Kommunen und im Land abzubauen."Fünfzig Jahre nach Begründung der Demokratie in Deutschland ist es an der Zeit, den Menschen zu sagen, wir vertrauen euch auch bei schwierigen Entscheidungen", sagt Rüttgers.“
Und schließlich der „Testsieger“:
„Daß diese Haltung [gemeint ist Schönboms] nicht von allen in der CDU-Führung geteilt wird, hat als einziger bisher der saarländische Ministerpräsident Müller öffentlich erkennen lassen. "Wenn große Länder ein Plebiszit abhalten, dann sollte das eine Aufforderung an die politisch Verantwortlichen in Deutschland sein, ebenfalls ein Plebiszit zu prüfen", sagte er.“
Ausgelöst wurde diese Umfrage Feldmeyers natürlich durch Stoibers Schwenk zu der Erkenntnis:
"Die Deutschen sind nicht dümmer als die Franzosen und die Engländer. Die Bundesregierung sollte endlich ihr Mißtrauen gegen das eigene Volk ablegen."
Bleibt nur anzumerken: Wir sind das Volk und alle „Gewalt“ (sic!) geht vom Volke aus - das in der Meinung, der meisten CDU-Fürsten einfach zu dumm ist. Man sollte sich das merken solange wir noch nicht für zu dumm erklärt werden wenigstens einmal alle vier Jahre die richtige Partei zu wählen.
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---Elli---
24.07.2004, 16:15
@ Popeye
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Re: Lehrstück Demokratie / Danke, Popeye! (o.Text) |
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Baldur der Ketzer
24.07.2004, 20:21
@ Popeye
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Re: Lehrstück Demokrattie - CDU Provokationen, die nach dem Verf-Schutz schreien |
-->..aber die sind ja mit neusprießenden Politkonkurrenten beschäftigt......
Hallo, Popeye,
Dank für Deine Sammlung, das mindeste, was man dazu sagen kann, ist, es ist das hinterallerletzte, was da vor aller Ã-ffentlichkeit abgeht, und niemanden scheints zu stören.
Es ist beispiellos dreist, schäbig, und niederträchtig.
Aber das sind die Obrigkeitsfuzzies, die man offenbar verdient hat.
Beste Grüße vom Exilanten
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Clarius
24.07.2004, 20:39
@ Popeye
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Thema Volksentscheidung |
-->Ich möcht ja keine Propaganda machen, aber die Meinung unserer Volksvertreter über uns.... ich denke, die kann man schon zusammenfassen als, und an dieser Stelle soll schon mal gesagt sein: ihr seid Zahler, sonst nix. Zahler und Arschlöcher!
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Hsi-yu chi
24.07.2004, 21:05
@ Popeye
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Re: Lehrstück Demokratie - CDU Stimmen zum Thema Volksentscheidung |
-->>Bleibt nur anzumerken: Wir sind das Volk und alle „Gewalt“ (sic!) geht vom Volke aus - das in der Meinung, der meisten CDU-Fürsten einfach zu dumm ist. Man sollte sich das merken solange wir noch nicht für zu dumm erklärt werden wenigstens einmal alle vier Jahre die richtige Partei zu wählen.
Das Volk ist ja nachweislich zu blöd. Wären wir nicht so blöd, würden wir uns so manche Unverschämtheit dieses"Polit-Ungeziefers" nicht bieten lassen.
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Ricardo
25.07.2004, 00:47
@ Popeye
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oder auch so:Thema Volksentscheidung, Lehrstück zur (Über-)Demokratie |
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>Bleibt nur anzumerken: Wir sind das Volk und alle?Gewalt? (sic!) geht vom Volke aus? das in der Meinung, der meisten CDU-Fürsten einfach zu dumm ist. Man sollte sich das merken solange wir noch nicht für zu dumm erklärt werden wenigstens einmal alle vier Jahre die richtige Partei zu wählen.
Nee Popeye,
so einfach ist das nicht.
1. Wenn bei Volksentscheiden über Fragen abgestimmt wird, zu denen der einzelne überhaupt nichts sagen kann, weil ihm die Information oder der Sachverstand fehlt, geht`s nur über Stellvertreter. Das ist auch gut so.
2. Für einen Volksentscheid ist mindestens ein Quorum von 0,5 angesagt. Also eine absolute Mehrheitsentscheidung. Bei reversiblen zur Entscheidung anstehender Fragen ist das deshalb nicht vertretbar, weil man dann solange abstimmen lässt bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist. Die Folge: Abstimmungsorgien (übrtrieben, aber in der Tendenz).
Bei irreversiblen Entscheidungen ist ein Volkentscheid nur dann wirklich vernünftig, wenn 100% der zur Abstimmung gestellten Frage, zustimmen. Denn das Leid derer die dagegen sind, und nicht kompensiert werden können (weil irreversibl), fällt ungleich höher aus als der Gewinn derer die dafür sind.
Grüsse
Ricardo
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Baldur der Ketzer
25.07.2004, 01:29
@ Ricardo
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Re: haben Abgeordnete für ein Fünferl Sachverstand? Wie riecht die Güllegrube? |
-->,
>so einfach ist das nicht. >
>1. Wenn bei Volksentscheiden über Fragen abgestimmt wird, zu denen der einzelne überhaupt nichts sagen kann, weil ihm die Information oder der Sachverstand fehlt, geht`s nur über Stellvertreter. Das ist auch gut so.
Hallo, Ricardo,
Dein Text könnte aus einem Propaganda-Pamphlet stammen (Sozialkundeunterricht, Ministeriumsbroschüre etc.).
Die Wirklichkeit ist demaskierend und erschütternd.
Ich halte den spezifischen Sachverstand eines Durchschnittsabgeordneten betreffend die von ihm abzustimmenden Gesetze samt Hintergründen und Folgen für derart unzureichend, daß die Fernseh-versuche dagegen ein harmloser Abklatsch sind, Politiker zu fragen, wie viele Nullen eine Million oder eine Milliarde hat, oder wie viel Staatsschulden pro Tag zusätzlich auf den Kahn gepackt werden.
Ich schätze den Sachverstand der bananenrepublikanische Griffelhochhalter für genauso schätzenswert ein, wie die Charakterstärke der SED-Blockparteiensingvögel oder der 99,x% Ergebnisbringer irgendwelcher parlamentarischer Affenveranstaltungen der dritten Welt.
Um es noch drastischer zu sagen, der spezifische Wissensquotient von MdB-lern dürfte den Krümmungskoeffizienten von Schweineharn während der Abgabe ins Freie nur marginal übertreffen.
Ist das jetzt endlich soft genug ausgedrückt?
Beste Grüße vom Baldur
(P.S.: an Elli: Du kannst das rausschmeißen, ohne, daß ich sauer bin - bloß kann ich kaum glauben, daß es noch Leute gibt, die für dieses absolut idiotische, desaströse Dreckssystem sind, und dafür argumentativ Partei ergreifen - entweder leben die in einer Scheinwelt, oder ich)
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stocksorcerer
25.07.2004, 10:39
@ Ricardo
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Re: oder auch so:Thema Volksentscheidung, Lehrstück zur (Über-)Demokratie |
-->Hallo Ricardo,
1. Wenn bei Volksentscheiden über Fragen abgestimmt wird, zu denen der einzelne überhaupt nichts sagen kann, weil ihm die Information oder der Sachverstand fehlt, geht`s nur über Stellvertreter. Das ist auch gut so.
Das sehe ich aber völlig anders. Wenn es um eine Volksabstimmung zu einem wichtigen Thema ginge, dann würde sich das auch anders in den Medien niederschlagen und die Menschen würden sich im besten Fall wieder etwas mehr um die wirkliche Real-Politik kümmern, statt nur auf Partei-Politiker zu schimpfen. Es würde eine breite Meinungsbildung stattfinden auf unterschiedlichsten Kanälen. Selbst Deppen können sich bei einer Abstimmung richtig verhalten, solange sie ansatzweise nachvollziehen können, was andere Leute ihnen zu diversen Paragraphen erzählen. Dtld. wäre wirklich besser dran, wenn man ihnen ein wenig"preußisches Abnicken hoheitlicher Entscheidungen" austreiben würde.
Wenn das Volk nämlich im Vorfeld einer Abstimmung wirklich umfassend informiert werden müßte, was ja angeblich iergendwo ein Auftrag der Medien sein soll: dann müßte ein Thema nämlich wirklich breit angegangen werden von allen Beteiligten und nicht einfach bloß, weil´s unbequem und arbeitsreich ist, grob fahrlässig gestreift von Nachrichtensprechern, die den Verfassungsentwurf vermutlich nicht einmal in Auszügen kennen. Dann müßte der Verfassungsentwurf in Print, Hörfunk und Fernsehen einmal thematisch angegangen werden und Berichterstattung zum Thema sich nicht einfach bloß noch einfallslos in Fragespiele bei unterschiedlichen politischen Lagern niederschlagen. Ohnehin nervig, dass Hörfunk- und Fernsehen mittlerweile inflationär immer bloß irgendwelchen Hampels bei Umfragen die Mikros in die Fresse drücken für ein paar Reaktionen von xyz, statt wirklich über den Kern des jeweiligen Themas zu berichten.
Dann müßte man sich schlau machen, wofür man seine Stimme abgibt. Das wäre dann aktive Politikgestaltung, statt nachher wieder passiv über die Entscheidungen von Politikern zu schimpfen.
In dem Punkt hat Stoiber mich übrigens mal positiv überrascht. Kaum zu glauben eigentlich.
Und um nochmal auf das Zitat (oben) zurückzukommen:
Abgesehen davon, dass vermeintlicher Sachverstand nicht Hand in Hand mit mit uneigennützigem Beschließen einer Thematik für das deutsche Volk einhergehen muß, nicht wahr?
winkäääää
stocksorcerer
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Tempranillo
25.07.2004, 13:13
@ stocksorcerer
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Re: Wer es ausbaden muß, soll auch entscheiden |
-->Hallo Stocki,
zu fragen, ob das Volk auch genügend Sachverstand hat, um die ach so komplexen Fragen zu entscheiden, oder ob das nicht bei einem Gremium der Wissenden und Weisen (=Parlament) viel besser aufgehoben ist, geht an der Sache vorbei.
Und wenn schon, wo ist das Problem, wenn das Volk kapitalen Blödsinn fabriziert, und beispielsweise für die Annahme der EU-Verfassung stimmt? Es muß den Fehler, den es sich eingebrockt hat, dann auch ausbaden.
Im Moment löffelt es die Maikäfer-Dreckbrühe aus (vielen Dank Gundel!), die von anderen, die noch nicht einmal ausreichend legitimiert sind, angerichtet wurde.
Tempranillo,
der Populismus für weitaus anständiger hält als Elitismus
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