certina
05.08.2004, 12:03 |
Sabine Christiansens"Deutschland Rettungs- AG" - ein ganzes (böses) Buch Thread gesperrt |
-->über die unsägliche Sonntags-Runde der ARD-Tante, deren Spusi, wer's noch nicht weiß, ja der Ex-Vorstandsvorsitzende und jetzige Aufsichtsratsvorsitzender der BAYER AG, Schneider, ist.
Es ist ein Buch von Walter van Rossum, (Jahrgang 54, in Kleve geboren) der u.a. auch für den WDR arbeitet.
Ihm ist eines Tages diese Sendung, wie vielen auch hier vom board, auf den berühmten Senkel gegangen und er hat gleich ein ganzes Buch darüber geschrieben, in dem er die Sendung nebst Moderatorin zerreisst.
Ich habe hier mal eine Kritik (von Peter Korn) aus der Rheinischen Post abgekupfert (und bezahlt): Die zeigt auf, was der Schriftsteller in seinem Buch hauptsächlich angeprangert hat.
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<font size="4">Deutschland Rettungs AG</font>
Walter van Rossum hat ein, zugegebenermassen polemisches Buch über Sabine Christiansens Show geschrieben, das nun sogar schon die Gerichte beschäftigt.
Der (wie auch ich meine, berechtigte) Haupt-Vorwurf des Autors: Die Moderatorin reiche Wünsche der Wirtschafts-Bosse ungefiltert ans Volk weiter, im"Treibhaus politischer Neurosen"
Sonntagabend, 21.45 Uhr: Für Millionen TV-Zuschauer ist der Termin Pflicht. Wenn Sabine Christiansen Gäste aus Wirtschaft und Politik in ihrem Berliner Studio begrüßt, sind sie daheim auf dem Sofa mit dabei. Auch Walter van Rossum hat im vergangenen Jahr kaum eine Sendung der beliebtesten deutschen Polit-Talkerin verpasst - nur dass ihm dabei offenbar regelmäßig schlecht geworden ist.
Soviel angestaute Übelkeit hält keiner lange aus, deshalb hat sich der Kölner Kulturkritiker jetzt gewissermaßen literarisch übergeben: Herausgekommen ist ein extrem polemisches Buch, das bereits die Gerichte beschäftigt.
In seinem 185 Seiten-Werk „Meine Sonntage mit Sabine Christiansen - Wie das Palaver uns regiert“ (Kiepenheuer&Witsch) erhebt der 50-Jährige massive Vorwürfe. Das TV-Studio: für ihn ist es ein „Treibhaus, in dem die aktuellen politischen Neurosen gezüchtet werden“. Die Gäste: eine selbst ernannte „Deutschland Rettungs AG“ bestehend aus „Multimillionären und mit abstrusen Sondervergütungen gemästeten Spitzenbeamten, die jeden Sonntag verkünden, dass Deutschland ein Sanierungsfall ist“. Und dass es nur einen Ausweg gibt: Wachstum, für das wir weniger bekommen, aber mehr tun müssen. Jeder dieser Weltuntergangs-Talks sei komplett austauschbar.
Christiansen, so der Hauptvorwurf, verstehe sich dabei nicht als kritische Journalistin, sondern zelebriere ihre Show als „orgelumtostes Hochamt für den Gott des Wachstums“. Dessen Botschaft „Wirtschaft gut, alles gut“, transportiere sie ungefiltert. In van Rossums krassen Worten: Es gibt in Deutschland „keine politische Talkshow, die auf ähnliche Weise die Wünsche der Chefetage ans Volk durchreicht“.
Das ist starker Tobak, der teilweise deutlich übers Ziel hinausschießt und die Moderatorin offensichtlich massiv verärgert hat. Sie ging gerichtlich gegen das Buch vor, ließ etwa die Behauptung verbieten, Klaus-Peter Schmidt-Deguelle, der Medienberater von Finanzminister Hans Eichel, sei bei ihr für die Auswahl der Gäste zuständig.
Ob sich van Rossum mit seinem allzu polemischen Getöse wirklich einen Gefallen getan hat? Verstellt die Diskussion um die Wort-Attacken doch den Blick auf einige interessante Fakten, an die der Autor erinnert: Etwa dass die Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren um 15 Prozent gewachsen ist, die Netto-Realeinkommen aber um mehr als vier Prozent gesunken sind. Und dass die Arbeitslosigkeit seit 1970 ungeachtet aller Wirtschaftsaufschwünge mit schöner Regelmäßigkeit schubweise angestiegen ist. Da ist die Frage schon erlaubt, ob das Credo vieler Christiansen-Sendungen - „Mehr Wachstum bedeutet mehr Arbeitsplätze“ - nicht zu simpel ausfällt.
Am interessantesten, behauptet van Rossum, sind sowieso die Fragen, die die Moderatorin nie stellt. Kritisches Nachhaken finde bei ihr praktisch nicht statt. Warum dürfe FDP-Schatzmeister Günter Rexrodt etwa über Jürgen Möllemanns Verquickung von Politik und persönlichen Interessen dozieren, ohne dass die Moderatorin wenigstens einmal frage, wie er selbst es denn schaffe, all seine Nebenjobs sauber vom politischen Amt zu trennen?
Nach Abzug aller Polemik: Zumindest einen Zweck erfüllt van Rossums Werk - gleichgültig, ob man seine pointierte Meinung nun teilt oder nicht. Es ist ein Plädoyer dafür, dass der Zuschauer auch bei den „bedeutendsten“ TV-Expertenrunden nie sein eigenes Denken ausschalten darf.
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Zardoz
05.08.2004, 12:17
@ certina
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Re: Weil es mir kürzlich schon einmal auffiel... |
-->>Etwa dass die Wirtschaft in den vergangenen zehn Jahren um 15 Prozent gewachsen ist, die Netto-Realeinkommen aber um mehr als vier Prozent gesunken sind. Und dass die Arbeitslosigkeit seit 1970 ungeachtet aller Wirtschaftsaufschwünge mit schöner Regelmäßigkeit schubweise angestiegen ist.
Ist es nicht völlig selbstverständlich, daß eine Gesellschaft mit wachsendem Wohlstand es sich auch leisten kann, mehr Menschen längere Zeit ihr"Nichtstun" zu finanzieren?
Daß zunehmend Menschen auf diesem Weg komplett aus dem Arbeitsleben entfernt werden hat doch mehr mit den Rahmenbedingungen zu tun, die von der Mehrheit der Zahlenden bestimmt werden, als mit dem ständig beklagten Fehlverhalten der Ausgeschlossenen.
Nice week,
Zardoz
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off-shore-trader
05.08.2004, 12:53
@ certina
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Deutschland AG |
-->Ein highlight in einer der Sendungen Anfang letzten Jahres war für mich der Unternehmensberater Spemann. In der Runde saßen dann noch Clement, Beer, Bsirske, Merz und Westerwelle. Er wurde gefragt, wie er als Aufsichtsrat unserer Deutschland-AG reagieren würde. Dann sagte er in Richtung der betroffenen: FEUERN! (Beer), FEUERN! (Clement), ABMAHNEN! (Merz), FEUERN! (Bsirske), ABMAHNEN! (Westerwelle). Klasse Courage, jedoch wurde er im weiteren Verlauf der Sendung von Christiansen deutlich geschnitten.
Hier einige Auszüge aus dem anschließenden Chat:
ralfhoecker1: Alle Welt spricht davon, dass wir kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem haben. Welches sind die drei wichtigsten Reformen, die Deutschland braucht und welche Interessen/Interessengruppen behindern nach Ihrer Meinung jeweils ihre Umsetzung?
Thomas Spemann: Ich antworte Ihnen mit meiner Privatmeinung, die unter anderem auf langjährigen Prüfungen hessischer Kommunen aufbaut: Wir brauchen eine Reform unseres Bundesstaates, 2. eine Abschaffung des herkömmlichen öffentlichen Dienstrechts und drittens eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkes insgesamt. Außerdem brauchen wir eine positive Zukunftsvision für Deutschland, um uns zu ermöglichen aller in einer einheitlichen Reformrichtung zu gehen.
Florian2: Wie wurde die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland in ihrem in der Sendung angesprochenen Szenario bewertet? Was wird uns der Krieg wohl kosten?
Thomas Spemann: Wir gehen in dem wohl leider anzunehmenden Fall davon aus, im Jahr 2004 eine negative wirtschaftliche Entwicklung bis zu -5% und einer Arbeitslosenzahl von bis zu sieben Millionen zu erleben.
HWHWHW1: Auf die Frage, was geschehen müsse, haben Sie recht unverblümt Ihre Meinung gesagt worauf eine Abqualifizierung Ihrer unbequemen Aussage die Reaktion war. Können diese Politiker zur Problemlösung beitragen oder sind sie Teil des Problems?
Thomas Spemann: Ihre Einbindung in das herkömmliche System in dem sich unsere Verwaltung über den aus dem öffentlichen Dienst stammenden Abgeordneten selbst administriert zeigt, alle sind ein Teil des Problems.
Eraser2: Ich stimme mit Ihnen überein wenn Sie sagen, die deutsche Wirtschaft nimmt Schaden durch ihr verhalten. Wie sollte sich Schröder jetzt verhalten um schaden abzuwenden? Sollte er das Handtuch werfen?
Thomas Spemann: Ja.
andi1: Großes Lob! Ich hatte den Eindruck, manche Anwesende konnten Ihnen mangels Sachverstand nicht folgen. Wie beurteilen Sie das"Realitätsverständnis" angeblicher Experten"unserer" Regierung?
Thomas Spemann: Es herrscht allgemein im Land eine Haltung zwischen den drei"Affen" (nichts sehen, hören, sagen) und einer äußerst selektiven Wahrnehmung. Ich war der einzig Unabhängige in der Runde.
watcher1: was haben sie an konkreten reformvorschlägen für den arbeitsmarkt, renten- und sozialbereich?
Thomas Spemann: Im Moment als Unternehmensberater nicht mein Thema. Ein Hinweis sei allerdings erlaubt: Die aktuellen Renten sind zu hoch, die Alterspyramide gerade in der Zukunft ist überhaupt nicht abgebildet; die Arbeitsverwaltung ist unflexibel und zu großen Teilen nicht notwendig. Im Sozialbereich müssen wir uns auf die notwendigste Hilfe zur Selbsthilfe beschränken und im übrigen aus Finanzgründen alle anderen sozialen Hängematten einrollen. Insgesamt helfen nur über eine Million neuer Arbeitsplätze, die allerdings in unserem Land wegen fehlenden Anreizen und leerer öffentlicher Kassen nicht entstehen können.
Pleity1: Ihre Prognose - wo steht die deutsche Wirtschaft im Jahre 2005/2006 im europäischem Vergleich?
Thomas Spemann: Am Ende, außer es kommen sehr starke Reformen, die im Moment leider noch nicht zu erwarten sind.
http://www.sabine-christiansen.de/archiv_html/2003/02/02/c_gast06_chat.html
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