Dieter
31.08.2004, 22:54 |
@marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz Thread gesperrt |
-->Hallo Marsch,
nochmal zu Deiner Fragestellung vor ein paar Tagen eine ausführlichere Meinung:
Ich bin in einer Branche aufgewachsen, die quasi alle wirtschaftlichen Zusammenhänge im Zeitlupentempo abbildet, anhand dessen ich mir einbilde etliche Zusammenhänge von der Praxis zur Theorie ableiten zu können.
Der Betrieb (Kleinbetrieb) beinhaltet Produktion und Handel. Die Preise diktiert der Markt - jetzt etwas detaillierter:
Wir haben Produktionszeiten je Produkt von 1 bis 20 Jahre, wobei das Produkt auch zwischenzeitlich verkauft werden kann im Turnus von ca. 3 Jahren. Die Produktion läuft ohne jegliche Sicherheit und Abnahmegarantie. Findet sich am Ende der Produktionszeit (1-20 Jahre) kein Käufer wird die Ware vernichtet was sogar noch zusätzliche Kosten verursacht und auch regelmäßig passiert.
Gleichzeitig wird Handel betrieben mit Fertigerzeugnissen sowie mit Halbfertigerzeugnissen. Die Umschlagsgeschwindigkeit bei Handelswaren mit Fertigerzeugnissen liegt bei ca. 9 Monaten. Der Handel insgesamt hat geringe Bedeutung.
Ca. 50 % der betrieblichen Kosten sind Personalkosten, der Rest verteilt sich auf Wareneinkäufe von Roh-, Hilfsstoffen, Halbfertigwaren, Handelswaren, sowie auf Maschinen- und Gebäudekosten. Kosten für Fremdkapital fällt nicht an. Die Investitionskosten je Arbeitsplatz dürften bei ca. 150.000 Euro betragen.
Es gibt ca. 500 Mitbewerber in Deutschland und deutlich mehr in Europa. Asien oder Amerika spielen nur in Teilmärkten eine Rolle. Unser Markt ist hauptsächlich ein europäischer Markt mit Schwerpunkt Deutschland.
Mitbewerber (lt. öffentl. Statistiken) sind im Mittel verschuldet mit der Folge, daß bei diesen Betrieben neben anderen Kosten auch entsprechende Zinskosten anfallen. Diese Betriebe erzielen für ihre Produkte aber keinen höheren Preis als wir aufgrund der geänderten Kostenstruktur. Für die Preisbestimmung ist einzig und allein verantwortlich die Menge der Nachfrage in Bezug zur Menge des Angebots.
Wir haben einen reinen Marktpreis, der nichts mit den Gestehungskosten zu tun hat und wenn ich ehrlich sein soll, ich diese auch im Detail noch nie untersucht habe, es auch aufgrund versch. Fakten kaum möglich ist (wir produzieren ca. 10.000 versch. Artikel).
Wenn also jemand sagen würde, Kunden der Branche würden 5% des Umsatzes kalkulatorisch für Kapitalkosten hinblättern oder 50% des Umsatzes für Personalkosten, so ist das grundfalsch.
Kunden zahlen weder für Kapitaldienst noch für Personalkosten, sondern ausschließlich für den Wert der Ware dem sie zum Zeitpunkt des Kaufs der Ware beimessen - auch aufgrund von Angebot und Nachfrage im europ. Maßstab. Sollte ein Produkt während der Produktionszeit (1-20 Jahre) außer Mode geraten, oder nicht mehr Stand der Technik sein, oder aufgrund von geänderten behördl. Bestimmungen abgewertet werden, dann würde es wertlos und zwar unabhängig davon wieviel Kapital oder Personal in das Produkt geflossen ist bzw. bezahlt wurde.
Bei den Schulden-Zahlen, die Du Marsch aufgrund der Statistiken herausgesucht hast, handelt es sich bei den Kapitalkosten/Zinsen nicht zwangsläufig um realisierte Zinsen am Markt/am Verkaufspreis. Die genannten Zahlen stellen quasi das volkswirtschaftlich kalkulatorische Maximum dar, welches demnach bei ca. 0,75% liegen dürfte. In der Realität läßt sich aber aufgrund der Preisfindung am Markt überhaupt kein Wert feststellen.
Von daher halte ich Überlegungen die davon ausgehen, daß der Konsument mit jedem Kauf eines Produktes eine Summe X als Zinslast indirekt zahlt für falsch.
Gruß Dieter
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dottore
01.09.2004, 10:02
@ Dieter
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Re: Perfekt! Realität pur - und vielen Dank (o.Text) |
-->
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Todd
01.09.2004, 11:27
@ Dieter
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
--> Hallo,
hier wird leider ein spezielles Beispiel zur Verallgemeinerung eines Schlusses genommen.
Das kann so nicht gemacht werden. Man kann genügend Beispiele finden, wo Zinskosten im Marktpreis stecken.
Zinskosten werden immer mehr zum katastrophalen Problem.
Gruß
Todd
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Euklid
01.09.2004, 11:56
@ Todd
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo Todd
ich glaube das Zinsproblem des Staates ist es was die Arbeitsplätze kostet.
<font color=#FF0000>Nicht der Zins per se ist Schuld am Elend sondern die dauernden Staatsschuldenorgien und das Nichttilgen der aufgenommenen Schulden. </font>
Es reicht ja inzwischen noch nicht mal um einen ausgeglichenen Haushalt zusammenzubringen.
Ständig gibt es neue und höhere Schulden.
Das davon einige gut leben mit Staatsanleihen und leistungslose Einkommen beziehen ist nur der Schuldenaufnahme des Staates zu verdanken.
Hätte der Staat die Schulden nicht gemacht könnten diejenigen die mit Staatsanleihen gut leben sich ihr Geld an den Po schmieren.
Und da diese jetzt merken daß sich das mit den Staatsanleihen bald gegen sie selbst wendet können sie nur noch die Nummer mit dem Horten bringen,während der Staat das Gegenteil davon versuchen muß.
Er muß das Gehortete mit Inflation versuchen zu entwerten damit das Geld wieder das Tageslicht erblickt.
Das ganze hat für den Staat nur den Haken daß er dann noch höhere Zinsen für den Schuldendienst fressen muß.
Und genau auf diesen Trick des Staates fallen am Ende die GIERigen auch herein und verlieren viel Geld sodaß der Ausgleich irgendwie wieder zustande kommt.
Viel weiter kanns der Staat nicht mehr treiben.
Gelingt es noch einmal die Inflation zu entfachen woran ich persönlich glaube muß jedem klar sein daß es dieses Mal unter Umständen nur ein ganz kurzes wirtschaftliches Strohfeuer gibt das mit DAX 5 000 000 und Dow Jones 50 000 000 endet.
Gelingt es die Zinsen anzuheben ist die Inflation nicht weit.
Fallende Zinsen = Deflation Steigende Zinsen = Inflation
Gruß Euklid
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le chat
01.09.2004, 12:35
@ Todd
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Zinsen sind immer Preisbestandteil |
-->Hallo
es ist nur die Frage wer kriegt sie.
Beispiel:
Eine Immobilie hat eine Bruttorendite vor Zinsen von 5 %
Ist sie fremdfinanziert geht davon z.B.4% an die Bank.
Ist sie eigenfinanziert gehen die gleichen 4 an mich. Aber als Zinsertrag, nicht als Immorendite.
Die eigentliche Rendite ist im beiden Fällen 1 %
Auf die Idee zu kommen die eigenen Zinsen nicht zu beachten... Na ich weiss nicht recht.
Und so wie das Beispiel Immo halt ich das auch im Betrieb. Rendite immer nach Zinsen. Und wenn es darunter geht, wie heute oft, dann Finger weg.
Einen Unterschied in der Höhe des einkalkulierten Zinses mache ich nur nach
Risikobeurteilung. Wenn ich in Gold bin etwas weniger wie wenn ich einen Auftrag mit einem gewissen Risiko abwickle.
beste Grüße
le chat
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dottore
01.09.2004, 13:09
@ Todd
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Re: Welche Zinskosten-Katastrophe? |
-->Hi,
Diesen Satz sollten wir so nicht stehen lassen:
>Zinskosten werden immer mehr zum katastrophalen Problem.
Zunächst sind wir uns doch wohl einig, dass"Zinskosten" jene sind, die von Banken kassiert und von inländischen Nichtbanken bezahlt werden.
Lt. Buba-Bankenstatistik haben wir:
- in toto lagen die Kredite der Banken (MFI'S) im Juni 2004 haargenau so hoch wie Ende 2000, nämlich bei exakt 3,003 Bio Euro. Da sich die Zinssätze in den dreieinhalb Jahren über alle Fälligkeiten gerechnet deutlich ermäßigt haben, kann von einer"Katastrophe" noch dazu mit einem Zusatz von wegen"immer mehr" nun wirklich nicht gesprochen werden.
- die kurzfristigen Kredite der Banken an Unternehmen und Privatpersonen haben im selben Zeitraum von 348 auf 294 Mrd Euro abgenommen, das sind 15,5 Prozent. Selbst wenn die Kurzfristzinssätze gleich geblieben wären (was nicht der Fall war), hätten sich die Zinskosten um eben diese 15,5 Prozent ermäßigt.
- die mittel- und langfristigen Kredite haben sich zwar leicht erhöht (2,038 gg. 2,102 Bio), aber selbst das ist nominal nur eine Steigerung um 3,1 Prozent. Dies ist ebenfalls keine"Katastrophe", da die zwischenzeitliche Zinssatzsenkungen mindestens anderthalb Prozent betragen. Dass noch höher verzinsliche Kredite aus der Vergangenheit"abgearbeitet" werden müssen, ist natürlich zu berücksichtigen, ist aber auch nicht gerade als"Katastrophe" zu bezeichnen.
Also bitte die Kirche im Dorf lassen.
Das Problem, das uns zu schaffen macht und das gesamte Land über kurz oder lang ruinieren wird, ist (EUKLID hatte es schon agesprochen) die öffentliche Verschuldung und die daraus resultierenden Zinslasten der öffentlichen Hände, die alsbald die 1,5-Billionen-Marke reißen wird, was in ca. 8 Jahren eine Steigerung um 50 % darstellt. Zum Vergleich: Die gesamten Kredite an Unternehmen und Privatpersonen sind im gleichen Zeitraum um ca. 30 % gestiegen und dies fast ausschließlich bis zum Jahr 2000.
Seitdem haben sich die kurz-, mittel- und langfristigen Kredite der MFIs an Unternehmen und Privatpersonen um gerade mal 10 (zehn!) Mrd. Euro erhöht, vgl. auch die instruktiven Grafiken von MARSCH. Die Staatsverschuldung dagegen um gut 200 (zweihundert!) Mrd. Euro.
Was der Staat an Zinsen zahlt, sind bekanntlich keine Zinsen, sondern Steuern bzw. vorgetragene/vertagte Steuern.
Beim Staat also liegt der Hund namens"Katastrophe" begraben. Wir zahlen schlicht zu wenig Abgaben - aber das kommt schon noch, egal in welcher Form. Und dass höhere Abgaben das private Wirtschaften nicht beflügeln, sondern ganz im Gegenteil, werden wir dann bestaunen dürfen.
Gruß!
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manolo
01.09.2004, 13:25
@ dottore
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Re: Welche Zinskosten-Katastrophe? |
-->>Beim Staat also liegt der Hund namens"Katastrophe" begraben. Wir zahlen schlicht zu wenig Abgaben - aber das kommt schon noch, egal in welcher Form. Und dass höhere Abgaben das private Wirtschaften nicht beflügeln, sondern ganz im Gegenteil, werden wir dann bestaunen dürfen.
>Gruß!
guten Tag dottore,
aber dass diese höhere Abgaben das private Wirtschaften nicht gerade beflügeln, um es milde auszudrücken - das bestaunen wir doch nun auch schon seit Längerem.
man
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brizanz Todd
01.09.2004, 14:31
@ manolo
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Re: Welche Zinskosten-Katastrophe? |
--> Hallo,
wie dottore schon öfters bemerkt hat; der Falschspieler ist der Staat.
Er schuldet auf, zahlt nie und nimmer zurück.
Die Rechnung wieviel Zinsen nun in den Preisen stecken ist sowieso müßig. Wenn ein Staat schon seine ganze Neuverschuldung praktisch für Zinszahlungen hergeben muß, wird er über kurz oder lang die Wirtschaft strangulieren
Kann es überhaupt ein Staatswesen geben, daß seine Neuverschuldung komplett für Zinsen aufbringen muß und auf der anderen Seite eine Privatwirtschaft, die gut verdient und praktisch seine Zinsen locker bedienen kann? Das geht doch nur, wenn diese Wirtschaft quasi vom Staat abgekoppelt ist; die Firmen ihren Sitz ins Ausland verlagern, wo die Situation noch erträglich ist.
Die Kredite der Firmen können eh nicht mehr weiter steigen, da deren Verschuldung schon am Limit angekommen ist, sie aber im Gegensatz zum Staat ihre Zinsen real erst mal verdienen müssen.
Fakt ist doch, die Arbeitskosten müssen immer mehr gedrückt werden, um die Kapitalkosten immer weiter bedienen zu können. Da ist was oberfaul im System. Nur wagt sich das keiner in der Ã-ffentlichkeit richtig auszusprechen und anzugehen. Man sagt immer die Arbeitskosten sind zu hoch. Warum argumentiert man nicht, die Kapitalkosten seien zu hoch?
Gruß Todd
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Todd
01.09.2004, 14:41
@ brizanz Todd
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@Elli - Passwort ändern |
-->> Hallo,
>wie dottore schon öfters bemerkt hat; der Falschspieler ist der Staat.
>Er schuldet auf, zahlt nie und nimmer zurück.
>Die Rechnung wieviel Zinsen nun in den Preisen stecken ist sowieso müßig. Wenn ein Staat schon seine ganze Neuverschuldung praktisch für Zinszahlungen hergeben muß, wird er über kurz oder lang die Wirtschaft strangulieren
>Kann es überhaupt ein Staatswesen geben, daß seine Neuverschuldung komplett für Zinsen aufbringen muß und auf der anderen Seite eine Privatwirtschaft, die gut verdient und praktisch seine Zinsen locker bedienen kann? Das geht doch nur, wenn diese Wirtschaft quasi vom Staat abgekoppelt ist; die Firmen ihren Sitz ins Ausland verlagern, wo die Situation noch erträglich ist.
>Die Kredite der Firmen können eh nicht mehr weiter steigen, da deren Verschuldung schon am Limit angekommen ist, sie aber im Gegensatz zum Staat ihre Zinsen real erst mal verdienen müssen.
>Fakt ist doch, die Arbeitskosten müssen immer mehr gedrückt werden, um die Kapitalkosten immer weiter bedienen zu können. Da ist was oberfaul im System. Nur wagt sich das keiner in der Ã-ffentlichkeit richtig auszusprechen und anzugehen. Man sagt immer die Arbeitskosten sind zu hoch. Warum argumentiert man nicht, die Kapitalkosten seien zu hoch?
>Gruß Todd >
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Elli (Boardmaster)--
01.09.2004, 14:42
@ Todd
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Re: @Elli - Passwort ändern / kommt per mail (o.Text) |
-->
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Euklid
01.09.2004, 14:51
@ brizanz Todd
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Re: Welche Zinskosten-Katastrophe? |
-->Hallo Todd
der Staat muß aufgrund des unseriösen Finanzgebahrens unser sauer verdientes Geld alias Steuern denen in den Rachen werfen die die Aufschuldung finanziert haben.
Da dran waren aber viele beteiligt.
Ich kann mich noch an Zeiten erinnern an denen man für Bundesschätzchen 8% bekommen hat.In der Hochkonjunktur haben sie das ´Steuergeld regelrecht zum Fenster rausgeworfen zum sagenhaften Zins von 8%.
Niemals können die Pensionen und Renten die jetzt schon aufgelaufen sind bedient werden.
Das wird dann wohl mit Hartz-Brüning XXVI erledigt.
Gruß Euklid
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Campo
01.09.2004, 15:21
@ Dieter
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi,
ich stelle diesen Text aus dem Systemfehler-Forum hier mal rein, weil es vom Autor durchaus gewünscht war und ich diesen Text auch gut fand.
viele Grüße
Campo
Hier der Text aus"Systemfehler.de":
Geschrieben von RetRo am 01. September 2004 14:08:45:
Hab im Elliot-Forum leider keine Schreibrechte, also antworte ich hier, vielleicht kann ja jemand den Link dieses Textes dort als Antwort posten?
Ich antworte auf Dieters Aussage, daß in seiner Firma keine nennenswerten Zinskosten in den Preisen stecken. Diese Aussage geht von einer eindimensionalen Denkweise aus und ist deshalb unrealistisch.
Wie Dieter feststellt, betragen beispielsweise die Investitionskosten pro Arbeitsplatz 150.000 Euro. Es gibt ein Phänomen namens Opportunitätskostenprinzip, welches besagt, daß jedermensch dusslig ist, wenn er sich aus ökonomischen Gesichtspunkten mögliche Gewinne entgehen läßt. Für Investitionen heißt dies, daß diese nur sinnvoll sind, wenn sie sich mit den Alternativen vergleichen lassen. Wenn ich also 150.000 Euro übrig hätte, so könnte ich sie alternativ auch zur Bank bringen unddort verzinsen lassen. Entsprechend wird ein rational handelnder Investor die Verzinsung, die er bei der Bank kriegen würde, auch bei jeder anderen Investition haben wollen. Zinskosten, oder nennen wir sie besser Kapitalkosten werden also nicth nur durch Fremd- sondern immer auch durch Eigenkapital gefordert.
Natürlich müssen diese Kosten durch die Umsätze hereinkommen, ergo werden die Kapitalkosten auf die Preise umgelegt. Kurz- bis mittelfristig gibt sich ein Investor zwar mit weniger als dem Bankzinssatz zufrieden, wirft eine Investition aber langfristig weniger ab, so ist es sinnvoller, das Unternehmen zu liquidieren und die Einnahmen gegen Zinsen zur Bank zu bringen.
Ähnliches gilt für die anderen aufgeführten Kosten, einschließlich der Personalkosten. Denn: In Personalkosten sind heute Steuern enthalten, die ihrerseits bereits zu 20% aus Zinslasten des Staates bestehen. Diese zahlt das Unternehmen und damit indirekt der Kunde über die Preise. Diese Indirektheit der Kapitalkosten/Zinsen wird nur sichtbar, wenn man sich aus der betriebswirtschaftlichen Ebene löst und sein Unternehmen in der Vernetzung im Gesamtsystem betrachtet. Entsprechend sind auch in den Zulieferleistungen (z.B. Material) Zinskosten enthaalten. Diese sind nicht separat ausgewiesen, aber trotzdem müssen sie bezahlt werden und werden im Endeffekt immer auf den Endkunden umgelegt.
Ein klassisches Beispiel für hohe Kapitalkosten (welche, um es erneut zu betonen durch das Opportunitätskostenprinzip sich langfristig immer am Marktzinssatz orientieren - wobei sich die Marktzinssätze ihrerseits wiederum an der Renditeerwartung der Volkswirtschaft orientieren) sind die von Dieter genannten Gebäudekosten. Gerade der Mietzins besteht zu über 80% aus Kapitalkosten und nur zu einem geringen Teil aus Abschreibungen und real anfallenden Modernisierungs- und Erhaltungskosten. Nachrechenbar ist das ganz einfach, immer dran denken, der Investor hätte die Kohle anstatt in das Gebäude auch zur Bank bringen können, enstprechend erwartet er diese Verzinsung...
Ein weiteres Beispiel soll zeigen, wie hoch die Gesamtbelastung des volkswirtschaftlichen Systems ist. Für Deutschland wird ein reproduzierbares Sachvermögen von 8 Billionen Euro geschätzt, Grund und Boden nochmal soviel, macht zusammen knapp 16 Billionen Euro, die jährlich verzinst werden wollen. (Dank Oppotunitätskostenprinzip mindestens mit dem Markzins!) Woraus werden die Zinskosten erlöst? Natürlich aus den volkswirtschaftlichen Umsätzen, vereinfach gleichsetzbar mit dem Bruttoinlandsprodukt, derzeit etwa 2 Billionen Euro jährlich. Die zu verzinsende Summe beträgt demnach das 8fache der Menge, aus der die Kapitalkosten erzielt werden müssen, entsprechend beträgt die Kapitalkostenbelastung des Gesamtsystems ebenfalls das 8fache des aktuell geltenden Marktzinssatzes.
Ob dies in einzelnen Unternehmen nun drunter liegt ist dem Endkunden letztlich egal, er gehört mit 90%iger Wahrscheinlichkeit zu den Netto-Kapitalkosten-Zahlern, ist damit der Arsch (oder für Marxisten: der Ausgebeutete) und zahlt denen das lockere Leben, die schon genug Kohle und Sachkapital besitzen. Sklaverei isses, nix sonst.
RetRo
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Campo
01.09.2004, 15:32
@ Campo
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->der Vollständikeit halber hier der Link + die Adresse zum Orginaltext:
Text von Retro
http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/50657.htm
Campo
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- Elli -
01.09.2004, 15:33
@ Campo
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->>Hi,
>ich stelle diesen Text aus dem Systemfehler-Forum hier mal rein, weil es vom Autor durchaus gewünscht war und ich diesen Text auch gut fand.
>viele Grüße
>Campo
Was findest du an diesem Text gut? Etwa das?
>... ist dem Endkunden letztlich egal, er gehört mit 90%iger Wahrscheinlichkeit zu den Netto-Kapitalkosten-Zahlern, ist damit der Arsch (oder für Marxisten: der Ausgebeutete) und zahlt denen das lockere Leben, die schon genug Kohle und Sachkapital besitzen. Sklaverei isses, nix sonst.
Warum ist es so schwer zu verstehen, dass nicht Zinsen das Problem sind, sondern hochgebuchte und nie bezahlte Schulden?
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Dieter
01.09.2004, 16:19
@ Todd
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die Katastrophe liegt woanders |
-->Hallo Todd,
Zur Definition vorab was ein Marktpreis ist. Um uns dem zu nähern stelle ich erst mal fest was ein Marktpreis nicht ist:
Ein Marktpreis ist kein kalkulierter Preis, er kann zufällig mit ihm zusammentreffen tut es in aller Regel aber nicht.
Wenn der Marktpreis kein kalkulierter Preis ist, dann hat er auch keine Kalkulationsbestandteile also weder eine fixe Summe Lohn, noch eine fixe Summe Zinsen, noch eine fixe Summe Unternehmerlohn, noch eine fixe Summe für Wagnis, etc.
Der Marktpreis ist ein Übereinkommen zwischen Käufer und Verkäufer zu dem beide bereit sind zum Tausch aus welchen Gründen auch immer, sei es daß das Wegschmeißen der Ware noch teurer wäre, sei es daß man aus einer Monopolstellung heraus eine Doofen gefunden hat, der extreme Begehrlichkeit kund tut, sei es...
Am Markt überlebt auf Dauer das Unternehmen, welches es geschafft hat im Mittel über den Selbstkosten zu verkaufen und zweitens weniger an Liquidität für pers. Zwecke abgezweigt hat als dem Unternehmen zugeführt wurde.
Für die Preisfindung am Markt spielt es überhaupt keine Rolle in welchem Maße dabei Zinskosten angefallen sind. Hohe Zinsen können innerhalb eines Unternehmens beispielsweise durch geringe Personalkosten ausgeglichen werden oder durch gute Organisation oder durch eine exellente Werbestrategie.
Zur"Zinskatastrophe" noch ein zusätzlicher Aspekt, der gerade zur Zeit extrem wichtig ist:
Hohe Lohnkosten/Lohnkostensteigerungen können bekanntermaßen durch Rationalisierungseffekte/Produktivitätssteigerungen aufgefangen werden, sodaß die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer stabil bleibt oder sogar verbessert wird.
Steigerungen in der Produktivität sind verbunden mit höherem Kapitaleinsatz pro Arbeitsplatz. Das Kapital ist sozusagen der"Turbo" für mehr Produktivität. Je höher das Lohnniveau in einem Land/einem Wirtschaftsraum ist, um so höher muß das eingesetzte Kapital sein. Wird das Kapital trotz Lohnsteigerungen geringer ist davon auszugehen, daß es weniger Produktivität gibt und sich somit die Wettbewerbsfähigkeit schnell verschlechtert und somit schnell Arbeitsplätze kostet.
Wäre Kapital nicht mit einem Zins belastet und würde somit zum Kostenfaktor, würden Unternehmen deutlich mehr entlassen und noch mehr Kapital statt Mensch zur Produktivitätssteigerung einsetzen. Je höher der Zins, um so besser schneidet der Kostenfaktor Arbeitnehmer in der Rechnung ab. - das auch noch zur"Zinskatastrophe"
Gruß Dieter
PS:
Ganz anders in Märkten, die keine sind wie kommunale Einrichtungen, Monopolisten, regulierte Märkte (Anwälte, Architekten, Ärzte, Energieversorger, Teile der Landwirtschaft, Gesundheitswesen) und natürlich die öffentliche Hand insgesamt.
Hier greift die Zinsproblematik
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dottore
01.09.2004, 18:00
@ Campo
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi,
>Ich antworte auf Dieters Aussage, daß in seiner Firma keine nennenswerten Zinskosten in den Preisen stecken. Diese Aussage geht von einer eindimensionalen Denkweise aus und ist deshalb unrealistisch.
Zunächst mal ist richtig, dass Dieter, da nicht fremdfinanzierend, keine Zinaufwendungen hat.
>Wie Dieter feststellt, betragen beispielsweise die Investitionskosten pro Arbeitsplatz 150.000 Euro. Es gibt ein Phänomen namens Opportunitätskostenprinzip, welches besagt, daß jedermensch dusslig ist, wenn er sich aus ökonomischen Gesichtspunkten mögliche Gewinne entgehen läßt.
Der Gewinn ist eine Erwartungsgröße, die sich - sofern realisiert und nicht nur kalkuliert - aus der Differenz zwischen Erlösen und Aufwendungen ergibt. Gewinn als Aufwand (Kosten) gibt es nicht.
>Für Investitionen heißt dies, daß diese nur sinnvoll sind, wenn sie sich mit den Alternativen vergleichen lassen. Wenn ich also 150.000 Euro übrig hätte, so könnte ich sie alternativ auch zur Bank bringen und dort verzinsen lassen.
Die 150' verzinst doch nicht die Bank, sondern jener, der sich die 150' ausgeliehen hat. Dabei haben wir zwei grundverschiedene Arten von Kreditnehmern:
1. Private, die ihrerseits die Zinsen auch nicht selbst verdienen, sondern in den Angebotspreisen kalkulieren. Die Angebotspreise aller Privaten können nur realisiert werden, wenn sich in Höhe der nachschüssig zu zahlenden Zinsen keine dann auftretenden Nachschuldner finden, die sich in Höhe der geschuldeten Zinsen zusätzlich verschulden. Anders sind die Zinsen nicht darstellbar. (Grundsatz des privatwirtschaftlichen Debitismus, alias Kapitalismus, alias Kettenbriefsystem).
2. Staat, der seine Zinsen auch nicht selbst verdient, sondern in der Höhe dieser entweder Steuern eintreiben oder in Höhe der Zinsen später von ihm erwartete (oder eintreibbare) Steuern abtreten muss. (Grundsatz der coercive power, also des Abgaben- und Zwangssystems des öffentlich-rechtlichen Sektors).
Als benchmark für 1) gilt 2): Das sog."Opportunitätskostenprinzip" läuft also immer auf einen Vergleich mit den Zinssätzen hinaus, welche die öffentliche Hand bietet. Dabei sind deren"Zinsen" zedierte Zwangsabgaben.
Es gibt keinen Kapitalmarkt der Welt, der nicht auf den staatlichen Zins- (recte: Steuerzessionssätzen) aufbauen würde. Einen a priori"privaten" Zinssatz gibt es nicht. Er ist auch nirgendwo historisch als der Zwangsabgabezeitlich vorangehend nachweisbar. Auch der gern genannte"Urzins" ist nichts anderes als die Ur- bzw. Erst-Abgabe [!], man erinnere sich an das census (= Steuer = "Zinnß")-Phänomen.
Es gibt keinen Geldmarkt der Welt, der nicht auf den"Sätzen" der jeweiligen ZBs aufbauen oder sich an ihnen orientieren würde. Der ZB-"Satz" wiederum ist kein"Zins", sondern ebenfalls eine Steuer. Im Fall von"Privatnotenbanken" eine z.T. an Private zedierte Steuer, vgl. die amerikanische franchise tax, wie sie im Federal Reserve Act beschrieben ist.
Das, worauf sämtliche"Preise" also beruhen, ist die öffentlich-rechtliche Zwangsabgabe. Der sog."Zinsanteil" in den Preisen ist - die Erwartungsposition 1) mal außen vor - in Wahrheit stets der Steueranteil.
Es bleibt unerfindlich, wie tägliche zu machende Erfahrungen (Kauf von Benzin - hinaufgerechnet bis zur OPEC-Besteuerung haben wir einen ca. 90-prozentigen Steueranteil!) nicht zur Kenntnis genommen werden.
Auch die sog. Bodenrenten (Mietzins) ergeben sich letztlich nicht aus"Erträgen", sondern:
a) aus dem vom Obereigentümer Staat zedierten"privaten" Eigentümern an Grund und Boden, die selbstverständlich nicht im"rechts- und abgabenfreien" Raum stehen, sondern im Zwangsabgabenverhältnis gegenüber dem Staat (hier ist auch an die Zession des Fernmeldemonopols an die UMTS-Ersteigerer zu erinnern, wobei sich die UMTS-Steuer, die einmal erhoben wurde, direkt in den Telekommunikationspreisen niederschlägt),
b) aus der unstreitigen Tatsache, dass"privates" Wirtschaften, einschließlich"privater" Zinsnahme nur möglich ist, nachdem sich ein öffentlich-rechtlicher Sektor gebildet hat, der überhaupt erst"privates" Wirtschaften ermöglicht (Sicherheit, Vollstreckung von Kontrakten, inkl."Zinskontrakten", usw., usw.).
>Entsprechend wird ein rational handelnder Investor die Verzinsung, die er bei der Bank kriegen würde, auch bei jeder anderen Investition haben wollen. Zinskosten, oder nennen wir sie besser Kapitalkosten werden also nicth nur durch Fremd- sondern immer auch durch Eigenkapital gefordert.
>Natürlich müssen diese Kosten durch die Umsätze hereinkommen, ergo werden die Kapitalkosten auf die Preise umgelegt. Kurz- bis mittelfristig gibt sich ein Investor zwar mit weniger als dem Bankzinssatz zufrieden, wirft eine Investition aber langfristig weniger ab, so ist es sinnvoller, das Unternehmen zu liquidieren und die Einnahmen gegen Zinsen zur Bank zu bringen.
Ganz richtig. Ideal, da am sichersten, die"Anlage" beim Staat, also das Inkasso von künftigen Steuern, die der Staat zediert hat und bei deren Inkasso er - qua Machtmonopol - noch solange behilflich ist, bis er dieses wg. abgetretene Steuern > einlaufende Steuern nicht mehr aufrecht erhalten kann.
Die"Sklaverei", von der die Rede ist (das"isses"), ist die im demokratischen Procedere sich ergebende Selbstversklavung der geamten Bevölkerung. Dass dabei - vorübergehend - Einzelne profitieren, ergibt sich aus der Natur der Sache: Wer das Abgabenmittel"Geld" (GZ/STZM) als sofort fällig hält, kann es dem, der es zum selben Termin schuldig ist, zu einem von diesem später zu zahlenden Aufgeld ("Zins") zur Verfügung stellen.
Auch das beschworene"Sachvermögen", das mit 8 Bio Euro - also monetär [!]"bewertet" wird, könnte überhaupt nicht"bewertet" werden (ein unbewertbares Vermögen ist ein Widerspruch in sich), wenn es nicht das staatliche Monopol-Abgabenmittel GZ/STZM gäbe. Ohne das von der staatsmonopolistischen ZB ausgegebene GZ/STZM, das bei seiner Ausgabe obendrein besteuert wird ("ZB-Satz"), ließe sich nicht mal eine Hundehütte in einem monetären"Wert" ausdrücken.
Gruß!
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Euklid
01.09.2004, 18:18
@ dottore
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Die Leute realisieren das alles leider nicht. |
-->Hallo dottore
die Leute realisieren das leider nicht daß bei einem 60 Liter Tank mal ganz schnell 50 Euro an Steuern gezahlt werden.
Sie realisieren auch nicht daß in ihrem 5000 Liter Ã-ltank Jahr für Jahr bei der Befüllung minÃmal 1000 Eurotzer plus MWST vergraben sind.
Sie realisieren kaum daß sie grundsätzlich für jede Ausgabe (MWST) schon jeden Sechsten (für den Magen jeden 14.Tag einmal fasten)blechen müssen ohne daß irgendeine andere Steuer drauf wäre.
Der Zorn richtet sich oft gegen die Vermieter die ihre Nebenkosten im Nachhinein erhalten weil die ständige administrierte Verteuerung in diesen Bereichen nicht richtig wahrgenommen wird.
Die Variante des Staates daß andere an deren Stelle kassieren müssen hat schon was für sich.
Zuerst wird wohl der Tankstellenwart und anschließend der Vermieter erschlagen bevor es der Sippschaft der Auspresser ans Fell geht.
Gruß Euklid
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marsch
01.09.2004, 18:49
@ Dieter
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Dieter!!
In der Realität läßt sich aber aufgrund der Preisfindung am Markt überhaupt kein Wert feststellen.
Just dieser Satz ist genau das, was ich versucht habe zu erfragen. Mehr nicht! Das war schon alles! Ohne jeden weiteren Hintergedanken!!
Nur das mich dottores konkrete Aussage, der konkrete Wert,"verwirrt" hat.
Würden die Zinsen komplett aus der Kalkulation aller Unternehmen verschwinden, würde eine Ware statt zu 100 zu ca. 99,3 € im Regal stehen.
Meiner Meinung nach, kann die Aussage dann so konkret nicht gehalten werden. Wir können letztlich keine Aussage darüber machen. Jedenfalls nicht mit solch definitiven Angaben von Werten. Weder in die eine, noch in die andere Richtung. Oder ich habe es immer noch nicht kapiert [img][/img].
Das war im Grunde schon alles.
Schöne Grüße
MARSCH
P.S.: Bedanke mich herzlich bei allen Antwortern!!!
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Campo
01.09.2004, 19:12
@ - Elli -
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->>>Hi,
>>ich stelle diesen Text aus dem Systemfehler-Forum hier mal rein, weil es vom Autor durchaus gewünscht war und ich diesen Text auch gut fand.
>>viele Grüße
>>Campo
>Was findest du an diesem Text gut? Etwa das?
>>... ist dem Endkunden letztlich egal, er gehört mit 90%iger Wahrscheinlichkeit zu den Netto-Kapitalkosten-Zahlern, ist damit der Arsch (oder für Marxisten: der Ausgebeutete) und zahlt denen das lockere Leben, die schon genug Kohle und Sachkapital besitzen. Sklaverei isses, nix sonst.
Nein, nicht diese Passage fand ich gut; so ein großer Freund"flapsiger" Formulierungen bin ich gar nicht.
Mir ging es um die Argumentationsform, die den Zinsanteil in den Preisen begründet und die ich auch so sehe: Wenn das Rendite tragende Investions(Sach-)kapital den ca 8-fachen Wert hat wie das jährliche BIP, so finde ich es nur folgerichtig, dass in den Preisen der 8-fache Wert der (Eigen-)Kapitalverzinsung einkalkuliert sein muss. Sind angenommene 4 % kalkulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu hoch angesetzt? 4 % Verzinsung entsprächen dann 32 % Zinsanteil im Preis!
Gerade im Wohnungsbau kann man das doch rechnerisch leicht nachvollziehen: Ein Mensch, der sein Arbeitsleben lang zur Miete wohnt, bezahlt über die Miete insgesamt im Laufe seines Lebens einen Wert, der dem von ca 4 Wohnungen entspricht. Und zum Schluß seines Lebens gehört ihm noch ncht einmal eine.
Mit Abschreibung und Verwaltungskosten allein lässt sich die Höhe der Mieten dabei nicht erklären. Der Zinsanteil liegt hier bei den Mieten schon immens hoch (> 70 %).
Der geschätzte Zinsanteil im Preis von ca 30 % ist auch eine Durchschnittssumme aller Preise. Die Rechnung vom Klempner wird diesen Zinsanteil natürlich nicht haben. Hier wäre dieser Anteil vermutlich vernachlässigbar.
>Warum ist es so schwer zu verstehen, dass nicht Zinsen das Problem sind, sondern hochgebuchte und nie bezahlte Schulden?
Nicht Zinsen sind das Problem, sondern deren Höhe, die durch unser Geldsystem dauerhaft manifestiert sind. Hochbebuchte und nie bezahlte Schulden (insbesondere die vom Staat) sind natürlich auch ein Problem.
viele Grüße
Campo
PS: Hier die Antwort von Retro, die ich für ihn hier reinstelle:
elli: Warum ist es so schwer zu verstehen, dass nicht Zinsen das Problem sind, sondern hochgebuchte und nie bezahlte Schulden?
1. Wie werden denn die Schulden"hochgebucht", wenn nicht via Zins und Zinseszins - und damit exponentiell? Daß das ganze System zum Schluß immer wieder überschuldet wird ist mir schon klar, aber man muß doch die Prozesse sehen, die erst dazu führen. Und die Akkumulation von Schulden/Geldvermögen passiert nunmal via Zins und Zinseszins.
2. Wie ich versucht habe zu zeigen erfolgt die Umverteilung innerhalb des Systems eben nicht nur über Schulden, sondern eben auch über Eigenkapital (bitte meinen Text nochmal lesen, lieber Elli). Der Geldmarktzinssatz hält hier die Verzinsung des Sachkapitals künstlich oben. NUR die Schuldenseite zu sehen ist also verkürzte Systemkritik.
3. Aus Sicht des Individuums sind sehr wohl die Zinsen das Problem, selbst wenn"hochgebuchte und nie bezahlte Schulden" die Grundursache darstellen sollten (wovon ich wie gesagt nicht überzeugt bin). Denn: Die Zinsen müssen eben aus dem System bezahlt werden und diese Bezahlung erfolgt über die Preise (woher auch sonst, letztendlich landen ALLE Kosten im System immer beim Endkunden!). Und damit mag das System vielleicht - wie Elli es andeutet - an den Schulden zugrunde gehen, aber bis es soweit ist erfolgt eben die Sklaverei durch ein indirekt wirkendes Geld- und Eigentumssystem. Die Schulden sind dabei letztlich nur ein Indikator, an dem ablesbar ist, daß es nicht mehr lange weitergeht. Aber die Ursache, die sind sie nicht.
retro
Quelle:
http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/50667.htm
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Dieter
01.09.2004, 22:08
@ marsch
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ist schon richtig |
-->>In der Realität läßt sich aber aufgrund der Preisfindung am Markt überhaupt kein Wert feststellen.
>
>Just dieser Satz ist genau das, was ich versucht habe zu erfragen. Mehr nicht! Das war schon alles! Ohne jeden weiteren Hintergedanken!!
Dann sind wir gleicher Meinung, konkreter noch. Der Höchstbetrag ist der, der effektiv gezahlt wurde (ggf. lt. BuBa-Statistik), es ist aber auch jeder beliebige niedrigere Wert denkbar. Zu beweisen ist weder das eine noch das andere.
Gruß Dieter
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Dieter
01.09.2004, 22:46
@ Campo
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Zinsanteil am Umsatz |
-->
>Mir ging es um die Argumentationsform, die den Zinsanteil in den Preisen begründet und die ich auch so sehe: Wenn das Rendite tragende Investions(Sach-)kapital den ca 8-fachen Wert hat wie das jährliche BIP, so finde ich es nur folgerichtig, dass in den Preisen der 8-fache Wert der (Eigen-)Kapitalverzinsung einkalkuliert sein muss.
Wie kommst Du auf den Gedanken. Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür daß sich Kapital durchgängig positiv verzinst, weder als Eigenkapital noch als Fremdkapital. Die Effektivverzinsung kann sogar über Jahrzehnte negativ sein. Wenn Du die börsennotierten Unternehmen z.B. nimmst, wo liegt dort die Dividendenrendite?
>Sind angenommene 4 % kalkulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu hoch angesetzt? 4 % Verzinsung entsprächen dann 32 % Zinsanteil im Preis!
Die lassen sich als Mittelwert nie und nimmer erreichen. (Der Mittelwert muß auch Kapitalverlust/Negativverzinsung berücksichtigen)
>Gerade im Wohnungsbau kann man das doch rechnerisch leicht nachvollziehen: Ein Mensch, der sein Arbeitsleben lang zur Miete wohnt, bezahlt über die Miete insgesamt im Laufe seines Lebens einen Wert, der dem von ca 4 Wohnungen entspricht. Und zum Schluß seines Lebens gehört ihm noch ncht einmal eine.
>Mit Abschreibung und Verwaltungskosten allein lässt sich die Höhe der Mieten dabei nicht erklären. Der Zinsanteil liegt hier bei den Mieten schon immens hoch (> 70 %).
Rein zufällig habe ich so Mietwohnungen - übrigens ohne Fremdkapital. Und wenn ich die letzten 20 Jahre zurückrechne dann ergab sich daraus keinerlei Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Mieteinnahmen reichten gerade um die laufenden Ausgaben sowie außerordentlichen Ausgaben wie aufw. Reparaturen aufgrund Sachbeschädigung zahlungsunfähiger Mieter, Entrümpelungen, etc. sowie Personalaufwand für Abrechnungen, Organisation, etc. zu decken. Kapitalverzinsung = Null!!!!
Als Homo economicus müßte ich folglich die Wohnungen verkaufen und das Kapital anders anlegen.
Aber man muß bedenken, daß ich mich nicht so verhalten muß. Schließlich habe ich noch zu essen und brauche nicht mehr zu verdienen als ich anderweitig durch meine Arbeit erhalte. Ich verzichte also freiwillig auf eine Möglichkeit mehr zu verdienen. - und ich bin kein Einzelfall.
Die meisten Unternehmer haben überhaupt keine Eigenkapitalverzinsung, die dürfte sogar in den meisten Fällen negativ sein, was nichts anderes heißt, als daß der Gewinn niedriger ausfällt als der Unternehmer an persönlicher Arbeitsleistung einfließen läßt. Viele Unternehmer subventionieren ihr Eigenkapital mit ihrem Fleiß, wenn nicht würde ihr negativer Eigenkapitalzins sie pleite machen.
Viele Grüße, Dieter
>viele Grüße
>Campo
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Popeye
02.09.2004, 08:07
@ Campo
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Die ‚Verzinsung’ von Sachkapital |
-->Hallo, @Campo,
Mir ging es um die Argumentationsform, die den Zinsanteil in den Preisen begründet und die ich auch so sehe: Wenn das Rendite tragende Investions(Sach-)kapital den ca 8-fachen Wert hat wie das jährliche BIP, so finde ich es nur folgerichtig, dass in den Preisen der 8-fache Wert der (Eigen-)Kapitalverzinsung einkalkuliert sein muss. Sind angenommene 4 % kalkulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu hoch angesetzt? 4 % Verzinsung entsprächen dann 32 % Zinsanteil im Preis!
Dieser Gedankengang ist fehlerhaft.
Grundsatz: Wie von @Dieter schon ausgeführt unterliegt jede ‚Verzinsung’ von Sachkapital dem Marktrisiko.
Ferner: Die Höhe des BIP hat nur sehr indirekt etwas mit der zu Verkehrswerten bewerteten Höhe des „Rendite tragenden Investitions(Sachkapitals)“ zu tun.
Warum? Verkehrswerte gehen nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung ein und schon gar nicht in die steuerliche Abrechnung, sondern (wenn überhaupt) nur in die Kalkulation evtl. als Wiederbeschaffungswert.
Als Vermieter mag ich folgende Überlegung anstellen. Das Haus ist das 8-fache „wert“ was ich ursprünglich dafür bezahlt habe. Also muss ich gegenüber dem Kaufzeitpunkt die 8-fache Miete fordern (z.B. kalkulatorische Miete = Verzinsung von 4 Prozent). Wenn ich diese 8-fache Miete nicht erhalte ist es besser das Haus zu verkaufen und das Geld auf die Bank zu legen wo ich 4 Prozent Verzinsung erhalte (Opportunitätskosten).
Geht unser Vermieter nun mit der 8-fachen Miete an den Markt kommt es nun darauf an, ob er bei dieser Mietehöhe Mieter findet, wahrscheinlich eher nicht.
Unterstellen wir aber mal er würde sie finden. Wie sähe dann seine Abrechnung aus?
Von den Mieteinnahmen kann er Abschreibungen auf den historischen Anschaffungswert abziehen, evtl. Fremdzinsen an die Bank und allgemeine Unterhaltskosten. Den Überschuss muss er als Gewinn versteuern. (Opportunitätskosten erkennt das Finanzamt leider, leider noch nicht als abzugsfähig an!)
In seiner internen Betrachtung mag der Vermieter nun vergleichen: Was hätte ich denn bei der Anlage des Verkaufserlöses für das Haus bei der Bank erhalten?
In unserem Beispiel wären die Mieteinnahmen genau so hoch wie die Zinseinnahmen. Allerdings müsste unser Vermieter die Zinseinnahmen ohne Abzüge versteuern. Seine Netto-Cash-Position nach Steuern wäre also schlechter als im Fall der Vermietung.
Unterstellen wir jedoch, dass der Mieter nicht die 8-fache Miete am Markt erzielen kann, er bei der Bank andererseits aber weiterhin 4 Prozent Verzinsung auf den Verkaufserlös erhält, so mag ihn das bewegen das Mietshaus zu verkaufen.
Was zeigen diese Beispiele?
Zinsen als Opportunitätskosten (=“als ob Erträge“) steuern Anlageentscheidungen (Mieteinnahmen vs. Zinserträge).
Zinsen als Opportunitätskosten haben jedoch keinen Termin und keine Fälligkeit - sie sind ein Signalgeber aber keine Zahlungsgröße und fließen nicht in die alles entscheidende steuerliche Abrechnung ein. Sie mögen als hypothetische Vergleichsgröße in die Kalkulation einfließen, werden dadurch aber nicht zu pagatorischen (=gezahlten Zinsen) sondern (wenn überhaupt erzielt) zu Gewinn.
Anders ausgedrückt: Eigenkapital und Fremdkapital dienen dem gleichen Ziel - der Erzielung von Gewinn. Die ‚Verzinsung’ des Eigenkapitals erfolgt durch das was am Ende übrig bleibt und bleibt bis zu diesem Ende in Höhe und Termin unbestimmt (unabhängig davon was „kalkuliert“ wurde. Die Verzinsung des Fremdkapital erfolgt in Höhe und Zeitpunkt kontraktgebunden - mit regelmäßig fatalen Folgen bei Nichteinhaltung des Kontraktes.
Der Umstand, dass man umgangssprachlich sowohl von Verzinsung des Eigenkapitals (besser: Rendite des Eigenkapitals) als auch von Verzinsung des Fremdkapitals spricht, hat somit im ersten Fall nichts mit „Zinsen“ zu tun wie sie hier - insbesonder hinsichtlich des Themas Zinsanteil im BIP - diskutiert werden.
Grüße
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dottore
02.09.2004, 14:44
@ Campo
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Campo,
>Nicht Zinsen sind das Problem, sondern deren Höhe, die durch unser Geldsystem dauerhaft manifestiert sind.
Unser"Geldsystem" ist eine staatsmonopolistische Veranstaltung. Mir ist kein Staat im Sinne der von den bis heute maßgeblichen Staatsrechtlern gebrauchten Staatsdefinition bekannt, weder in Geschichte noch Gegenwart, der"Geld" als etwas anderes definiert hätte als das, worin Abgaben, also Zwangszahlungen zu leisten sind.
Der"Zins" basiert nicht auf einem per se oder apriori"vorhandenem" Geld oder Geld"system", sondern auf der Abgabe, bzw. dann - zeitlich folgend - ist er das, was wiederum aufgewendet werden muss, um an das Abgabengut zu kommen. Diese Nachfrage nach dem Abgabengut erfolgt, um die Sanktionen zu vermeiden, die sich bei dessen zum ex ante festgelegten Termin erfolgenden Nicht-Leistung zu vermeiden.
Dabei haben wir diese Stufen:
1. Der Zins ist die Abgabe selbst. Diesen"Urzins" hat u.a. Silvio Gesell durchaus gesehen. Er hat ihn aber mit so etwas wie einem"Urertrag" oder"natürlichen Ertrag" verwechselt, weshalb bis heute seine Auffindung anhand eines konkreten historischen Beispiels misslungen ist, bzw. sich seine"eigentliche (natürliche) Höhe" nicht bestimmen lässt. Die Vorstellung, der"Zins" würde in einer"natürlichen" (privaten) Wirtschaft"niedriger" sein bzw. gar gegen Null gehen, würde bedeuten, dass sich der Urertrag auch gar nie hätte steigern lassen, was vice versa auch den Urzins erhöht hätte.
2. Von dem Abgabenzins (census) leitet sich der erste"Marktzins" ab: Der Abgabenschuldner beschafft sich bei jenen, die ihrerseits das Abgabengut halten, aber es selbst nicht zu Abgabenzahlungszwecken benötigen, das sich"jetzt" (da Termin ist) beim Schuldner nicht eingestellt hat. Diese Beschaffung geschieht durchaus auch zinsfrei, etwa innerhalb einer engeren Gemeinschaft oder sozialen Schicht. Moses hat solches"Zinsnehmen" innerhalb des eigenen Volkes bekanntlich verboten (gegenüber"Fremden" war es erlaubt). In Athen verlangte das Patriziat, das selbst auch abgabenverpflichtet war (z.B. die"Leiturgien"), untereinander ebenfalls keine Zinsen. Auch im Nahen Osten finden wir zinsloses Leihen des Abgabengutes Silber.
Andererseits entwickelt sich aus der Abgabengut-Leihe mehr und mehr das Phänomen des Wucherers (usura). Dieser macht aus der"Not" (Sanktionsdrohung!) anderer sein Geschäft. Die Geschichte des Wucherers ist schon anhand von bekannten Beispielen aus der Zeit des Hammurapi (also 2. Jt. BC) bestens belegt. Sie zieht sich durch die Geschichte bis in die Gegenwart, wobei ich mir die fast zahllosen Anti-Wucher-Gesetze und -Exzesse ersparen darf.
Sehr wichtig: Es hat zunächst keinerlei"Investivkredite" gegeben, was die Vorstellung von einer"Kapitalrendite", noch dazu einer die mit irgendeinem"Urzins" oder"Urertrag" zusammenhinge, aus der dann etwa vereinbarte"Zinsen" zu zahlen wäre, als Fehlinterpretation der tatsächlichen Abläufe enttarnt.
3. Es wurde durchaus"investiert", allerdings - was auch ganz logisch ist - mit eigenen und nicht mit"fremden" Mitteln, in dem Sinne, dass dies verzinsliche"Kredite" gewesen wären. Die Investoren waren oft auch in Gesellschaften zusammengeschlossen, wobei sich ihre Geschäftsfelder auf jene Bereiche erstreckten, die möglichst raschen oder gar direkten Zugang zum Erwerb des Abgabengutes versprachen: außer Grundbesitz (der Bodenzins verhieß) Fernhandel, Steuerpacht, Bergwerksgesellschaften, Ausmünzungsstätten. Die Gesellschaftsanteile waren vererb- und auch handelbar, so dass sich auch jene beteiligen konnten, die selbst nichts mit der Durchführung und Abwicklung der Geschäfte selbst zu tun hatten. Die Anteile (partes) entsprachen - in heutige Begriffe übertragen - nicht oder nur teileingezahlten Aktien mit Nachschusspflicht. Der"Anleger" hatte dabei eine (Eventual)-Forderung gegenüber der Gesellschaft, diese aber ihrerseits ein entsprechende (Eventual)-Forderung dem Anleger gegenüber. Es wurde also mit beidseitigen Schuldverhältnissen und nicht etwa mit haftungsbeschränkten"Kapitalanteilen" operiert. Die Erträge dieser Unternehmen (foenus, fenus), deren Frühformen als assyrische EN.KAGAL (frühes 2., wenn nicht schon spätes 3. Jt. BC) sich kaum von den römischen societates oder den"Familiengesellschaften" des europäischen Frühkapitalismus (Fugger usw.) unterscheiden, wurden unter demselben Begriff"Zins" subsumiert, wobei sich dann alle diese Formen zu Einer mixten (interesse wie census, usura, foenus).
Es darf aber nicht übersehen werden, dass alle diese"Zinssysteme" Bastarde des"Urzins"-Systems, eben des Abgabensystems, waren und bis heute geblieben sind und sich alle staatlichen"Geldsysteme" auf staatliche Abgabensysteme reduzieren lassen.
>Hochbebuchte und nie bezahlte Schulden (insbesondere die vom Staat) sind natürlich auch ein Problem.
Sie sind das einzige Problem. Denn die Schulden"hat" ja nicht der Staat, sondern sie sind von allen Steuerbürgern zu bezahlen (tilgen), da Staatsschulden fraglos Steuerschulden sind.
Auf den Nachweis, dass Private immer weiter hochbuchen, also ihre Schulden (wie der Staat) niemals bezahlen müssten, werden wir vergebens warten. Ich hatte mir bereits erlaubt, darauf hinzuweisen, dass sich sämtliche Kredite der MFI's (Banken) an inländische Nichtbanken zwischen 2000 und Juni 2004 nicht verändert haben (um ganz korrekt zu sein: sie haben um genau 2 Mio. [Millionen!] Euro abgenommen), was die These vom permanenten"Hochbuchen" schlicht erledigt.
Bei dem immer wieder gern vorgetragenen Zinseszins hätten sich die 3,003 Billionen Euro Bankkredite, ergo Nichtbankenschulden in den dreieinhalb Jahren in einer Größenordnung von mindestens 600 Milliarden Euro erhöhen müssen, wovon aber keinerlei Rede sein kann.
Und wie könnte sich ein unauffindbarer - weder geforderter noch gebuchter oder gar gezahlter - Zinseszins in einem oder gar in allen Preisen verstecken?
Gruß!
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Popeye
02.09.2004, 15:22
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Der"Zins" basiert nicht auf einem per se oder apriori"vorhandenem" Geld oder Geld"system", sondern auf der Abgabe, bzw. dann - zeitlich folgend - ist er das, was wiederum aufgewendet werden muss, um an das Abgabengut zu kommen. Diese Nachfrage nach dem Abgabengut erfolgt, um die Sanktionen zu vermeiden, die sich bei dessen zum ex ante festgelegten Termin erfolgenden Nicht-Leistung zu vermeiden.
1. Der Zins ist die Abgabe selbst. Diesen"Urzins" hat u.a. Silvio Gesell durchaus gesehen. Er hat ihn aber mit so etwas wie einem"Urertrag" oder"natürlichen Ertrag" verwechselt, weshalb bis heute seine Auffindung anhand eines konkreten historischen Beispiels misslungen ist, bzw. sich seine"eigentliche (natürliche) Höhe" nicht bestimmen lässt. Die Vorstellung, der"Zins" würde in einer"natürlichen" (privaten) Wirtschaft"niedriger" sein bzw. gar gegen Null gehen, würde bedeuten, dass sich der Urertrag auch gar nie hätte steigern lassen, was vice versa auch den Urzins erhöht hätte.
2. Von dem Abgabenzins (census) leitet sich der erste"Marktzins" ab: Der Abgabenschuldner beschafft sich bei jenen, die ihrerseits das Abgabengut halten, aber es selbst nicht zu Abgabenzahlungszwecken benötigen, das sich"jetzt" (da Termin ist) beim Schuldner nicht eingestellt hat. Diese Beschaffung geschieht durchaus auch zinsfrei, etwa innerhalb einer engeren Gemeinschaft oder sozialen Schicht. Moses hat solches"Zinsnehmen" innerhalb des eigenen Volkes bekanntlich verboten (gegenüber"Fremden" war es erlaubt). In Athen verlangte das Patriziat, das selbst auch abgabenverpflichtet war (z.B. die"Leiturgien"), untereinander ebenfalls keine Zinsen. Auch im Nahen Osten finden wir zinsloses Leihen des Abgabengutes Silber.
Lieber @dottore,
ich habe das Gefühl es holpert hier:
Wenn wir mal unterstellen Von dem Abgabenzins (census) leitet sich der erste"Marktzins" ab und gleichzeitig richtig ist, dass Der"Zins" basiert nicht auf einem per se oder apriori"vorhandenem" Geld dann stolpere ich über die Behauptung Der Abgabenschuldner beschafft sich bei jenen, die ihrerseits das Abgabengut halten, aber es selbst nicht zu Abgabenzahlungszwecken benötigen, das sich"jetzt" (da Termin ist) beim Schuldner nicht eingestellt hat.
Mit anderen Worten - „etwas“ was erst mit der ersten Abgabe zu „Geld“ wird kann nicht im Überfluss vorhanden sein, so dass sich jene, die das Abgabengut nicht haben das Abgabengut von jenen beschaffen können, die es logisch auch nicht haben können.
Bitte geduldig erläutern wie Du Dir das vorstellst.
Grüße
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dottore
02.09.2004, 15:55
@ Popeye
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Popeye,
>Wenn wir mal unterstellen Von dem Abgabenzins (census) leitet sich der erste"Marktzins" ab und gleichzeitig richtig ist, dass Der"Zins" basiert nicht auf einem per se oder apriori"vorhandenem" Geld dann stolpere ich über die Behauptung Der Abgabenschuldner beschafft sich bei jenen, die ihrerseits das Abgabengut halten, aber es selbst nicht zu Abgabenzahlungszwecken benötigen, das sich"jetzt" (da Termin ist) beim Schuldner nicht eingestellt hat.
>Mit anderen Worten - „etwas“ was erst mit der ersten Abgabe zu „Geld“ wird kann nicht im Überfluss vorhanden sein, so dass sich jene, die das Abgabengut nicht haben das Abgabengut von jenen beschaffen können, die es logisch auch nicht haben können.
>Bitte geduldig erläutern wie Du Dir das vorstellst.
Gern:
1. Unterschiedliche Abgabentermine. Dies schließe ich aus den Urkunden bei Ungnad/San Niccoló, in denen bis zum Monat X zinsfrei kreditiert wird. Bis dahin braucht der Gut-Halter das Gut also nicht, dann schon (oder um eine entsprechende Zeitspanne versetzt später).
2. Überschüsse, z.B. im Abgabengut Gerste, worauf Nissen/Dammerow hingewiesen hatten. Wer unter SOLL war, konnte sich bei jenem der ein IST über SOLL hatte (Gründe mannigfach, vom höheren Fleiß bis zum ertragreicheren Boden),"leihen".
3. Abgabengut auch Silber, überdies in fester Relation zur Gerste (ergibt sich u.a. aus den"Zinssätzen" 33 / 20 %). Man kann arbitrieren, also als Silberschuldner zum Termin X vor dem Termin in Gerste tauschen, diese dann dem Gerste-Schuldner leihen.
4. Mit Silber vor allem Handel, also Beschaffung des Abgabengutes per Import. Die Silbergruben lagen außerhalb des Alluviallandes, auf dem nur das Abgabengut Gerste gedieh. Gerste zu exportieren, machte kaum Sinn. Die Händler zogen mit dem los, was die um den Tempel ansässigen"Handwerker" (Schmuck, Grabbeilagen) zusätzlich fertigten. Es gibt Stellen (müsste suchen), wo es um solche"Privatbeschäftigungen" ging.
5. Jedenfalls finden sich Meso-Artefakte westlich (im Industal z.B. nichts). Der Händler (DAM.GAR, tamkarum) lieferte nur ab, was der Tempel an Silber aus diesen Transaktionen ziehen wollte (Verträge vorab). Den Rest konnte er dann an jene verleihen, die Silber innerhalb des Abgabenberitts schuldig waren.
Jedenfalls war"außerhalb" mehr Silber vorhanden, das System also"offen" wie im GS mit privaten Bergwerken, die auch außerhalb lagen. Wer es beschaffen konnte, hatte also"Material", um das dann denen andienen zu können, die es abliefern mussten. Da der DAM.GAR"royal agent" war (Radner), war er möglicherweise - eben als dem Inkasso-Zirkel zuzuordnen - vermutlich steuerfrei. Sein"Dienst" war nicht Säen, Ernten, Hand- und Spanndienste, Militär usw., sondern die Beschaffung (u.a. Holz für die Paläste ex Libanon) jener"schönen" Dinge, welche die Herrschaft interessierten.
Gruß!
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Popeye
02.09.2004, 16:03
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo, @dottore,
alle aufgeführten Punkte kann man nachvollziehen. Aber nicht zum Zeitpunkt Null = erste Steuer. Da ist ein logischer Knoten, den die sicher auch siehst.
Grüße
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dottore
02.09.2004, 18:10
@ Popeye
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->>Hallo, @dottore,
>alle aufgeführten Punkte kann man nachvollziehen. Aber nicht zum Zeitpunkt Null = erste Steuer. Da ist ein logischer Knoten, den die sicher auch siehst.
Hi Popeye,
nicht so richtig. Wir können mit der Folge doch zurechtkommen:
1. Raub. Die Eroberer aus dem Osten ("Bronzeland" Luristan usw.) stoßen in die Ebene vor. Dort existierten kleine Dörfer (siehe Bernbeck), die ihrerseits auch nicht gerade friedvoll miteinander umgegangen waren (siehe die Dorf-Mauern etwa in el-Sawwan).
2. Aus dem einmaligen oder wiederholten Raub wird der Tribut. Damit er auch - wieder zeitlich versetzt - denn je weiter südlich, desto früher die Ernte(n) - gesichert ist, setzt sich die Erobererschicht in ersten strongholds fest.
3. Die Tribute wandeln sich so in Steuern (internalisierte Machterhaltungskosten). Es werden die bekannten SOLL-Vorgaben gesetzt.
4. Da nicht alle zum selben Zeitpunkt anliefern (können), es muss ja transportiert (verschiedene Strecken), geprüft, gewogen, gegengewogen werden, haben wir eine weitere Zeitspanne.
5. Wer sieht, dass er das SOLL nicht erfüllt, muss sich nun an andere halten.
6. Normalerweise waren nicht einzelne, sondern"untere" soziale Einheiten (Dörfer, Dorfgruppen) zur Abgabe verpflichtet bzw. hafteten im Kollektiv (noch lange danach - bis Rom - allgemeine Übung).
7. Der Abgabe-Termin wurde jeweils im Voraus festgesetzt. Da sich (Großkeramik!) Ernten gut über eine Saison lagern ließen (umfangreiche Untersuchungen haben 10 und mehr Jahre Haltbarkeit nachgewiesen - die Gefäße waren in die Erde eingelassen und luftdicht versiegelt), konnte bei SOLL-Unterscheitungen auch intertemporär und nicht nur interlokativ ausgeglichen werden.
8. Da im ganzen Abgabenareal, das ja kein Stammesgebiet (mehr) war, sondern aus einander"fremden", wenn nicht einander feindlichen (also"unsolidarischen") Einheiten bestand, ergab sich von selbst ein"Aufschlag" auf das sofort fällige (woanders verfügbare) Abgabengut. Eben usura (utere = brauchen, gebrauchen) auf census (ausgemessene Abgabe).
Also da sehe ich noch den kleinsten"Knoten", wenn überhaupt einen.
Gruß!
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Popeye
02.09.2004, 19:02
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo, @dottore,
einverstanden bis incl. 3.)
Nun beginnen die Detailprobleme. Abgaben müssen einen Termin haben. Wahrscheinlich Erntetermin ein oder zwei - je nach Klima.
Aber: Vor dem ersten Abgabetermin werden keine Felder brach liegen (Subsistenz-Niveau) und die Vorräte (Nahrung und Aussaat) werden bestenfalls bis zum nächsten Erntetermin reichen.
Mit anderen Worten weder ist jemand da, der einen Überschuss verleihen könnte noch lässt sich Überschuss kurzfristig erwirtschaften (Urbarmachung zusätzlicher Felder, eventuell zusätzliche Bewässerung bauen, Aussaat, Ernte) und dann reicht das zusätzlich Erwirtschafte nur aus um die Abgaben zu liefern (30 Prozent sind ja kein Pappenstiel), nicht aber um Überschüsse zu verleihen - gleichgültig ob kollektiv oder individuell Abgaben bezahlt wurden.
Auch wenn wir unterstellen, dass die Vorräte wegen möglicher Missernten so hoch waren, dass die Abgaben zunächst aus den Vorräten geleistet werden konnten, löst dies nicht das grundsätzliche Problem, weil nun die Vorräte wieder durch zusätzliche Anstrengungen aufgefüllt werden mussten. Wieder ist nichts da, was verliehen werden könnte.
Das internalisierte Verleihen kann erst beginnen, wenn über die Abgabe hinaus Überschüsse erwirtschaftet werden, die weder als Sicherheitsvorsorge noch als Saatgut benötigt werden.
Da jedenfalls liegt mein Problem mit Deiner Erklärung der Entstehung des Zinses.
Hast Du Dir mal das Thema „social storage“ angesehen?
Grüße
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Campo
02.09.2004, 20:36
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->hi,
ich stell diese Antwort von retro mal für ihn hier rein:
Orginalquelle:
http://f23.parsimony.net/forum52169/messages/50683.htm
viele Grüße
Campo
ick mach hier ma einfach so weiter und antworte mal auf dottore.
Er schreibt:
"Der Gewinn ist eine Erwartungsgröße, die sich - sofern realisiert und nicht nur kalkuliert - aus der Differenz zwischen Erlösen und Aufwendungen ergibt. Gewinn als Aufwand (Kosten) gibt es nicht."
Nun, mir und meinen bemitleidenswerten Mitstudenten wurde im Fach Kostenrechnung beigebracht, Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital in die Kosten eingerechnet werden. Und wenn sie in den KOSTEN schon drin sind, so sind sie folgerichtig auch in den PREISEN drin.
Somit mag die Verzinsung also UNGEFÄHR der erwarteten Höhe entspricht, aber trotz allem völlig normal veranschlagt wird.
dottore mißt dem staat also eine sonderrolle im wirtschaftssystem zu, dem würde ich zustimmen. das gesamtsystem ist zur verschuldung gezwungen, wie die freiwirtschaftliche sicht wohl ebenso zeigt wie dottores debitismus. der staat tritt aus meiner sicht hier aber als eine art"schwarzes loch" auf, welches man derzeit beliebig"mißbraucht", um dort schulden anzuhäufen. spätestens seit der interpretation von keynes aussagen des"deficit spending" wird der staat entsprechend"genutzt". seine nachfrage nach kredit hält aber"künstlich" den zins oben, womit die parallele zu dottores aussage hergestellt wäre, der staat garantiere einen gewissen zins.
aus meiner sicht resultiert das aus der dynamik des systems: würde der staat sich nicht weiter verschulden, sänken die zinssätze. sinken die zinssätze aber zu weit, nämlich gegen null, so wird niemand das auf dem heutigen geldsystem basierende geld mehr verleihen, da es sinnvoller ist, bei 0% sein geld lieber zuhause als in einem möglicherwiese instabilen wirtschaftsystem zu haben. entsprechend fehlt das geld aber als tauschmittel im markt, wodurch es zu krisen kommt.
dadurch, daß der staat jetzt aber einspringt, die überschüssigen gelder dank der aktuellen politik als kredit aufnimmt, bleibt der marktzins künstlich erhöht, die hortung findet nicht in dem maße statt, die krise wird verringert (aber natürlich nicht verhindert). aus meiner sicht gilt der debitismus also nur unter der maßgabe, daß keynes"deficit spending" angewendet wird. würde das wegfallen, würde das system in härtere krisen geraten, weil jedesmal wenn die marktsättigung erreicht ist, die gewinne und mit ihnen die zinsen gegen null rutschen, die ganze kohle vom markt verschwindet und das system aus geldmangel in die knie geht. der staat tritt heute also als krisendämpfer auf.
bleibt weiterhin die frage, wozu wir überhaupt ein wirtschaftssystem akzeptieren, was krisen hervorbringt. wer braucht die dinger?
nun frag ich mich natürlich, ob dottore nach seinen aussagen nicht ein glühender verfechter alternativer währungen sein müßte, also währungen, die nicht aus nationalstaatlicher sicht herausgegeben werden, sondern beispielsweise in eher genossenschaftlicher/kooperativer form durch die unternehmer (und ihre Kunden samt Lieferanten) selbst. also nieder mit dem geldmonopol? oder wie will dottore das problem lösen?
retro
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Campo
02.09.2004, 21:30
@ Dieter
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Re: Zinsanteil am Umsatz |
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>>Mir ging es um die Argumentationsform, die den Zinsanteil in den Preisen begründet und die ich auch so sehe: Wenn das Rendite tragende Investions(Sach-)kapital den ca 8-fachen Wert hat wie das jährliche BIP, so finde ich es nur folgerichtig, dass in den Preisen der 8-fache Wert der (Eigen-)Kapitalverzinsung einkalkuliert sein muss.
>Wie kommst Du auf den Gedanken. Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür daß sich Kapital durchgängig positiv verzinst, weder als Eigenkapital noch als Fremdkapital. Die Effektivverzinsung kann sogar über Jahrzehnte negativ sein. Wenn Du die börsennotierten Unternehmen z.B. nimmst, wo liegt dort die Dividendenrendite?
>>Sind angenommene 4 % kalkulatorische Verzinsung des eingesetzten Kapitals zu hoch angesetzt? 4 % Verzinsung entsprächen dann 32 % Zinsanteil im Preis!
>Die lassen sich als Mittelwert nie und nimmer erreichen. (Der Mittelwert muß auch Kapitalverlust/Negativverzinsung berücksichtigen)
>>Gerade im Wohnungsbau kann man das doch rechnerisch leicht nachvollziehen: Ein Mensch, der sein Arbeitsleben lang zur Miete wohnt, bezahlt über die Miete insgesamt im Laufe seines Lebens einen Wert, der dem von ca 4 Wohnungen entspricht. Und zum Schluß seines Lebens gehört ihm noch ncht einmal eine.
>>Mit Abschreibung und Verwaltungskosten allein lässt sich die Höhe der Mieten dabei nicht erklären. Der Zinsanteil liegt hier bei den Mieten schon immens hoch (> 70 %).
>Rein zufällig habe ich so Mietwohnungen - übrigens ohne Fremdkapital. Und wenn ich die letzten 20 Jahre zurückrechne dann ergab sich daraus keinerlei Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Mieteinnahmen reichten gerade um die laufenden Ausgaben sowie außerordentlichen Ausgaben wie aufw. Reparaturen aufgrund Sachbeschädigung zahlungsunfähiger Mieter, Entrümpelungen, etc. sowie Personalaufwand für Abrechnungen, Organisation, etc. zu decken. Kapitalverzinsung = Null!!!!
>Als Homo economicus müßte ich folglich die Wohnungen verkaufen und das Kapital anders anlegen.
>Aber man muß bedenken, daß ich mich nicht so verhalten muß. Schließlich habe ich noch zu essen und brauche nicht mehr zu verdienen als ich anderweitig durch meine Arbeit erhalte. Ich verzichte also freiwillig auf eine Möglichkeit mehr zu verdienen. - und ich bin kein Einzelfall.
Ich will gerne glauben, dass zahlungsunfähige und andere problematische Mieter Kosten verursachen, die dazu führen, dass die einkalkulierte Verzinsung dafür herhalten muss. Dieses Problem wird nach Hartz IV sicher nicht besser. Gehe ich aber von dem Menschen aus, der seine Mietverträge erfüllt, so lässt sich feststellen, dass dieser Mietkosten hat, von denen ca 30 % ausreichend wären, Abschreibungen, Verwaltungskosten und sonstige Rücklagen zu decken und ca 70 % aus Zinskosten bestehen. Wenn es nicht so wäre, warum sind dann Menschen bereit Hypothekenkredite mit 5 % für den Eigenheimbau oder dem Wohnungskauf aufzunehmen? Doch nur, weil sie die Miete sparen, und zwar genau den Verzinsungsanteil in den Mieten. Die Kosten für Rücklagen für Reparaturen haben die Wohnungskäufer auf Kredit trotzdem noch. Daher halte ich es für realistisch, dass die alte Daumenregel"5 % Verzinsung bei Wohnungsmieten" weiterhin Gültigkeit hat. Ob sie auf dem Markt wegen der zunehmenden problematischen Mieter wirklich erzielt werden, ist eine andere Frage. Wir sprachen davon, wieviel Zins in den Mieten einkalkuliert sind. Und das sind nun mal ca 70 %. Und dieser Preis wird auch bezahlt von den meisten Mietern.
>Die meisten Unternehmer haben überhaupt keine Eigenkapitalverzinsung, die dürfte sogar in den meisten Fällen negativ sein, was nichts anderes heißt, als daß der Gewinn niedriger ausfällt als der Unternehmer an persönlicher Arbeitsleistung einfließen läßt. Viele Unternehmer subventionieren ihr Eigenkapital mit ihrem Fleiß, wenn nicht würde ihr negativer Eigenkapitalzins sie pleite machen.
Da gebe ich Dir recht! Ich kenne selber Unternehmer, die können ihre Eigenkapitalverzinsung vergessen. Aber das sind die kleinen Selbständigen, eventl. auch die Mittelunternehmen. Wenn auf 9 Unternehmer, die auf ihre investierten 100 000 Euro keine Verzinsung rausholen nur ein Unternehmer kommt, der auf seine investierten 1 000 000 8 % rausholt, so ist der Mittelwert von 4 % auch wieder hergestellt!
Oder anderes Beispiel: Ein Unternehmer hat 100 000 Eigenkapital investiert und gleichzeitig einen Kredit von 100 000 Euro laufen, der mit 8 % verzinst werden muss. Auch dann bleibt eventl. nichts über für die Eigenkapitalverzinsung. Die Rechnung mit den Zinskosten in den Preisen bleibt aber erhalten gesamtwirtschaftlich gesehen.
Noch ein anderes Beispiel: Ein Unternehmer beschäftigt seinen Bruder als Co-Geschäftsführer mit dickem Gehalt, obwohl der nicht viel zu tun hat; den Onkel als Berater, auch gut dotiert, auch wenn es nichts zu beraten gibt. Und ähnliche Anstellungen, die in der Familie bleiben. So kann es unter Umständen auch keine Eigenkapitalverzinsung geben, weil alles hübsch versteckt in den Gehaltskosten ist.
Und noch ein Beispiel: Wenn der Großteil der Betriebsgewinne immer wieder in die Firma investiert wird, kann es aufgrund der hohen Abschreibungen dazu kommen, dass in der Bilanz absolut keine Eigenkapitalverzinsung zu entdecken ist. Nur nimmt die Firma immer mehr an Wert zu, hat u.U. einen höheren Marktwert, als es die Bücher ausweisen. Und die Eigenkapitalverzinsung wird erst dann realisiert, wenn die Firma eines Tages verkauft wird.
Gesamtwirtschaftlich glaube ich daher schon an eine min. 4 %ige Verzinsung als Mittelwert, auch wenn in den Unternehmen die Eigenkapitalverzinsung sich als solche in den Bilanzen sich nicht so zeigen.
viele Grüße
Campo
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dottore
05.09.2004, 13:18
@ Popeye
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Popeye,
>einverstanden bis incl. 3.)
>Nun beginnen die Detailprobleme. Abgaben müssen einen Termin haben. Wahrscheinlich Erntetermin ein oder zwei - je nach Klima.
Vermutlich.
>Aber: Vor dem ersten Abgabetermin werden keine Felder brach liegen (Subsistenz-Niveau) und die Vorräte (Nahrung und Aussaat) werden bestenfalls bis zum nächsten Erntetermin reichen.
Wer sagt das? Sie reichen erheblich länger. Die Silos, die wir (Übergang zur Großkeramik im Zusammenhang mit dörflicher Wirtschaft unter Tributbedingungen, wobei andere Dörfer Tribute fordern) bereits in el-Sawwan (Yasin, Excavation at Telles-Sawwan 1970) sehen oder dann auch bei Übergang von den Rundbauten zu den T-förmigen Gebäude (Forst, Kheit Quasim III, an Obeid Settlement 1984, wobei wir von 5500 BC sprechen!) und es mit Gebäuden bis zu 12 Räumen zu tun haben mit entsprechenden storage facilities, die zu storage-Zwecken so gebaut wurden, weisen nach, dass die Silos nicht etwa am Ende einer Saison, vor der nächsten Ernte, komplett geleert waren. Dass man sogar Vorräte über Jahre hin anlegte, zeigt auch das Beispiel Ägyptens (sieben fette Jahre...), das ja unschwer von der Hand in den Mund hätte leben können.
Diese großen Haushalte (Vorläufer der oikos-Strukturen) luden geradezu ein, sie zu plündern bzw. die Güter dort zu beheben und sie anschließend zu weiteren Abgaben im selben Stil zu zwingen.
>Mit anderen Worten weder ist jemand da, der einen Überschuss verleihen könnte
Abgesehen davon, dass dies von Nissen/Dammerow/Englund anhand konkreter Texte nachgewiesen wird, geht es um diesen Ablauf:
1. Ein SOLL wird gesetzt. Dieses kann erreicht, unter- oder überschritten werden. Das SOLL ist die gebuchte Schuld. Diese Schuld ist Tribut/Steuer, die erbracht werden muss. Census
2. Da die"Aufseher" (Inkasso-Schicht) unterschiedlich wirtschaften, kommt es niemals zum SOLL=IST bei <a>allen</a> Beteiligten. Sonst hätten sich die SOLL-Unterschreitungs-Dokumente nicht erhalten, die ab Periode II eine zusätzliche Schuld darstellen.
3. Diese Schuld wurde entweder per bondage (Schuldknechtschaft jetzt auch dieser"Aufseher" bzw. ihrer Familien) abgetragen (jedenfalls versucht) oder das Material (Gerste) wurde bei jenen anderen beschafft, die IST > SOLL erwirtschaftet hatten, dieses aber weder selbst verbrauchten, noch abliefern musste, sondern unschwer in Silos packen konnten, so dass es zu Verleihzwecken zur Verfügung stand. Diese Leihe ist mit Zins, jetzt usura versehen.
4. Hätten alle mit IST < SOLL gewirtschaftet, wären sie ja sämtlich in Periode II in bondage gefallen und es hätte (33 % Zinsen zugebucht) praktisch alle vier oder fünf Jahre clean slates geben müssen.
5. Da wir keinerlei monetäre Leihe hatten (Gerste vor Silber), schon allein weil Märkte und Preise fehlten, hätte sich sonst sowieso niemals ein anderer Zins als census erklären lassen.
6. Da die Silos Tempeln und Palästen angegliedert waren (Ausgrabungsbefunde völlig eindeutig), war es auch möglich, dass Tempel/Paläste ihrerseits das bei ihnen eingelagerte, da schon per IST abgeführte, Gut ihrerseits ausliehen wie es dann auch bei Silber im großen Stil geschehen ist. Die Tempel konnten dann auch mit entsprechenden Pfründen arbeiten.
>noch lässt sich Überschuss kurzfristig erwirtschaften (Urbarmachung zusätzlicher Felder, eventuell zusätzliche Bewässerung bauen, Aussaat, Ernte)
Der Ablauf post Eroberung war wohl der: a) man bediente sich aus den Großvorräten, wobei - leider nicht hier darstellbar, aber in Jasim The Ubaid Period in Iraq... 1985, wobei Ubaid (5500-4000 BC) die Übergangsperiode markiert, ist ein solcher Bau zu sehen: Building A in Tell Abada mit deutlich sichtbaren storage facilities.
>und dann reicht das zusätzlich Erwirtschafte nur aus um die Abgaben zu liefern
Die Abgaben kommen zunächst aus der Behebung der vorhandenen privaten (auch kommunalen?) Vorräte und werden dann forgesetzt. Dabei muss dann nicht nur der Vorrat ergänzt werden muss, sondern eben auch permanent surplus erwirtschaftet werden muss. Der surplus geht sofort als SOLL (Schuld) in die Rechnung ein.
>(30 Prozent sind ja kein Pappenstiel), nicht aber um Überschüsse zu verleihen - gleichgültig ob kollektiv oder individuell Abgaben bezahlt wurden.
Wir haben eben nicht Einzelhof-Siedlungen, weit verstreut, sondern die bekannten, bei Bernbeck auch für andere Kulturen nachgewiesenen"dörflichen" Siedlungen mit entsprechender Vorratswirtschaft. Die 33 % beziehen sich auf den IST- minus SOLL-Betrag. Eroberer, wie eben jene, die sich über die Ubaid-Kulturen stülpten und sie"ausbeuteten", sind bekanntlich nicht zimperlich.
>Auch wenn wir unterstellen, dass die Vorräte wegen möglicher Missernten so hoch waren, dass die Abgaben zunächst aus den Vorräten geleistet werden konnten, löst dies nicht das grundsätzliche Problem, weil nun die Vorräte wieder durch zusätzliche Anstrengungen aufgefüllt werden mussten. Wieder ist nichts da, was verliehen werden könnte.
Die Vorräte wurden zunächst in einer bestimmten Höhe (abhängig von den von den Eroberern selbst errichteten storage capacities abgeholt. Die neuen Herren werden dabei selbst als"Bau-Herren" dargestellt, wie dieses aus dem Louvre zeigt (der Herrscher nicht nur als Säher und Pflüger, siehe früheren Literaturhinweis), sondern auch als Bauherrn:
Es waren Abgabengüter über das hinaus vorhanden (wo auch immer und in welchen Silos auch immer), was direkt zur Subsistenz von allen Beteiligten (Herrscher & Beherrschte) gedient haben musste. Wie anders hätten sich sonst entsprechende Leih-Vorgänge erklären lassen?
Selbst wenn man das"private" Modell nähme (jemand leiht sich"Saatgut", um damit"investiv" zu wirtschaften und deckt den Zins locker mit den yield-to-rent-Erträgen) muss es Überschuss gegeben haben, weil ja sonst noch nicht mal das hätte"geliehen" werden können (vgl. die schon angesprochene 4: 1-Relation). Dieses Modell aber entfällt per se, da der Aussähende über kein eigenes Land zum (lastenfreien) Eigentum besaß, das er hätte bestellen können. Das Land lag bei den Erobereren als deren Eigentum. Es hatte nur den Nachteil, Arbeiter anziehen zu müssen. Dies wiederum geschah, wie inzwischen unstreitig (siehe frühere Postings), dadurch, dass die eroberte Bevölkerung mit seinen minimalen Subsistenz-Ländern nicht mehr die Subsistenz bestreiten konnte. Und deshalb - gleich in Höhe des herrschaftlich festgesetzten SOLLs als Schuld belastet - auf die Felder marschierte.
>Das internalisierte Verleihen kann erst beginnen, wenn über die Abgabe hinaus Überschüsse erwirtschaftet werden, die weder als Sicherheitsvorsorge noch als Saatgut benötigt werden.
Das ist doch genau die surplus-Erzwingung, die den Prozess gestartet hat.
>Da jedenfalls liegt mein Problem mit Deiner Erklärung der Entstehung des Zinses.
Der hier gemeinte Zins (usura) startet mit IST < SOLL. Und dafür waren Güter vorhanden, entweder ex Vorrat oder ex zusätzlicher Produktion, z.B. auch mit Hilfe von Irrigationen. Die wären sonst überflüssig gewesen.
>Hast Du Dir mal das Thema „social storage“ angesehen?
Ja, siehe oben. Dem Aufsatz von Hole Economic Implications of Possible Storage Structures at Tell Ziyadeh, NE Syria 1999, behandelnd das 3 Jt. BC entnehme ich nichts, was dem obigen widersprechen könnte. Wenn Hole schreibt:"We should not assume that all that buildings (storage rooms in großem Stil) were filled and in use in any given year", zeigt dies doch eher, dass bei abnehmender storage entsprechend größerer Druck, ihn zu füllen existiert haben.
Der gesamte Komplex ist ein klassischer Herrschaftskomplex, was nicht nur die diversen walls nahelegen, sondern auch die storage rooms selbst. Dort hat ja nicht jeder Einwohner sozusagen seine eigene"Vorratskammer" gehabt, in die er nach Lust und Laune einlegen und rausnehmen konnte. Dort wurde wurde vielmehr zentral verteilt, womit der klassische Redistributionsprozess unterwegs war.
Jedenfalls war er zeitlich vorausgehend, was auch Hole selbst einräumt:"Later (!), the storage rooms are in the range of family size, perhaps indicating a shift toward individual rather than collective management and operation of agricultural reserves."
Diese"Privatisierung" (offenbar nach vorangegangenem Machtverfall) entspricht haargenau dem, was wir in Ägypten zwischen der IV. und der VI. Dynastie sehen (vgl. früheres Posting, erwähnter Autor Kemp, Ancient Egypt... 1989): Ein Tempel der Mycerinus-Periode (Menakure) bei Gizeh wird"zersiedelt": in der Tempelstruktur erscheinen lauter kleine Behausungen ("villagization"). Der Niedergang nach der IV. Dynastie (die Pharaonen der VI. werden ausdrücklich als"Weichlinge" bezeichnet) its offenkundig. Warum sollte es keine Parallele zu Syrien gegeben haben?
Danke für den Aufsatz + besten Gruß!
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dottore
05.09.2004, 14:39
@ Campo
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Campo,
zum Unteren darf ich anmerken:
>Er schreibt:
>"Der Gewinn ist eine Erwartungsgröße, die sich - sofern realisiert und nicht nur kalkuliert - aus der Differenz zwischen Erlösen und Aufwendungen ergibt. Gewinn als Aufwand (Kosten) gibt es nicht."
>Nun, mir und meinen bemitleidenswerten Mitstudenten wurde im Fach Kostenrechnung beigebracht, Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital in die Kosten eingerechnet werden.
Sie werden kalkuliert. Daraus folgt nicht, dass sie sich auch realisieren lassen. Wäre es so, könnte es niemals Pleiten geben.
>Und wenn sie in den KOSTEN schon drin sind, so sind sie folgerichtig auch in den PREISEN drin.
Ausgangspunkt waren die Aufwendungen (Kosten) für einen Arbeitsplatz, also Investitionen. Pro Arbeitsplatz 150' Euro. Die Investitionen sind in der Aufwandsrechnung, sie die Aufstellung von MARSCH ex Bundesbank nur ein kleiner Teil, sofern wir davon ausgehen, dass siie Abschreibungen aud Sachaufwendungen (= Investitionen) anteilig mit einer EK-Verzinsung berechnet werden, nämlich 132,5 von insgesamt 3 620,5 Mrd Aufwendungen insgesamt.
Unternehmer, die Materialaufwand (größter Kostenblock) mit 2223,5 oder Personalaufwand mit 600 ebenfalls mit einem"Zinsaufschlag" kalkulieren, was dann in die Kostenrechnung eingeht, weil es tatsächlich dort als Aufwendung entsteht, gibt es nicht. Es sagt ja kein Unternehmer, ich habe Material und Arbeitsleistung für 1000 gekauft und setze in die Kostenrechnung (obendrein pagatorisch!) jetzt 1050 ein, da ich 5 % Zinsen drauf kalkulieren muss, weil ich ja überall mit 5 % kalkulieren muss (Opportunitätskosten).
>Somit mag die Verzinsung also UNGEFÄHR der erwarteten Höhe entspricht, aber trotz allem völlig normal veranschlagt wird.
>dottore mißt dem staat also eine sonderrolle im wirtschaftssystem zu, dem würde ich zustimmen. das gesamtsystem ist zur verschuldung gezwungen, wie die freiwirtschaftliche sicht wohl ebenso zeigt wie dottores debitismus.
Das System ist zur Verschuldung gezwungen, da der Staat aus oft genug dargelegten Gründen zur Vorfinanzierung gezwungen ist (ohne öffentlich-rechtlichen Sektor kein privatrechtliches Wirtschaften definierbar). Da der Staat nicht mit doppelter Buchführung arbeitet, sondern kameralistisch, wird die Gegenbuchung zur Staatsverschuldung, die logischerweise ein gleich hohes Guthaben des Staates gegenüber dem Nichtstaatssektor zur Folge hat (Steuerforderungen!), unterlassen.
Das ist der"Systemfehler" auf den Punkt gebracht und sonst gar nichts.
>der staat tritt aus meiner sicht hier aber als eine art"schwarzes loch" auf, welches man derzeit beliebig"mißbraucht", um dort schulden anzuhäufen.
Der Staat wird nicht missbraucht, er missbraucht vielmehr den Steuerbürger und betrügt ihn obendrein, da er ihm verschweigt, dass niemand anderes als der Steuerbürger für die"Staatsschulden" aufkommen muss - egal in welcher Form die"Abwicklung" dann abläuft.
>spätestens seit der interpretation von keynes aussagen des"deficit spending" wird der staat entsprechend"genutzt".
Der Staat wird nicht genutzt. Die Macht-Cliquen, die den Staat - egal in welcher Staats"form" bedienen und für sich und ihre Machtzwecke nutzen - nehmen seit jeher das decitit spending (früher schlichte Herrscherschulden, man denke nur an Karl V. und die Fugger, Welser usw.), um sich möglichst lange an der Macht zu halten.
>seine nachfrage nach kredit hält aber"künstlich" den zins oben, womit die parallele zu dottores aussage hergestellt wäre, der staat garantiere einen gewissen zins.
Der"Zins", mit dem es immer beginnt und historisch immer begonnen hat, und von dem sich sämtliche sonstigen"Zinssätze" ableiten, ist die Zwangsabgabe.
Wer in der komfortablen Lage ist, über das staatsmonopolistische Abgabengut zu verfügen ohen dass es bei ihm bereits Termin hätte, kann dieses gegen ein Abgabenderivat ("privater Zinssatz") zur Verfügung stellen.
Um es noch ein Mal klar zu sagen: Ohne Steuern, zu leisten im staatsmonopolistischen Abgabengut (GZ/STZM), das überdies per ZB-"Satz" gleich noch ein Mal besteuert wird ist ein, sich auf GZ/STZM beziehender Zinssatz weder definier- noch vorstellbar.
>aus meiner sicht resultiert das aus der dynamik des systems: würde der staat sich nicht weiter verschulden, sänken die zinssätze.
Sicher richtig. Nur verschwindet der Zinssatz erst, wenn der Abgabensatz verschwindet.
>sinken die zinssätze aber zu weit, nämlich gegen null, so wird niemand das auf dem heutigen geldsystem basierende geld mehr verleihen, da es sinnvoller ist, bei 0% sein geld lieber zuhause als in einem möglicherwiese instabilen wirtschaftsystem zu haben.
Es gibt dieses"Geld" nicht netto. Es kommt gegen eine Steuer (ZB-Satz) auf die Welt und hat nur einen Zweck: Das jeweilige staatsmonopolistische Zwangssystem zu ermöglichen und möglichst lange zu halten. Gäbe es Morgen kein GZ mehr, gäbe es keine Steuern mehr (außer Naturalabgaben) und ergo auch keinen monetären, sich also auf das GZ/STZM beziehenden Zinssatz.
>entsprechend fehlt das geld aber als tauschmittel im markt, wodurch es zu krisen kommt.
Der Markt braucht kein Tausch"mittel" in Form eines GZ/STZM. Der Markt ist auch kein allgemeiner Tauschplatz. Er ist ebenso ein Derivat der Zwangsabgabe wie die GZ/STZM. Jedem steht es frei, mit einem beliebigen anderen zu tauschen, wie und was er möchte."Marktpreise" für"Tauschgüter" sind nicht definierbar. Das beweist ebenfalls die Geschichte: Es wurden zuerst Stückgüter getauscht, bei denen jedes andere Eigenschaften hatte (und nicht etwa Standard- oder Gattungsgüter), und Marktpreise für Stückgüter sind ebenfalls nicht definierbar.
>dadurch, daß der staat jetzt aber einspringt, die überschüssigen gelder dank der aktuellen politik als kredit aufnimmt, bleibt der marktzins künstlich erhöht, die hortung findet nicht in dem maße statt, die krise wird verringert (aber natürlich nicht verhindert).
Die Logik des heutigen Systems (Kapitalismus, Debitismus) bedeutet nicht, dass"Geld" (noch dazu"überschüssiges" - was sich ebenfalls nicht definieren lässt) nicht"ausgegeben" wird (denn es wurde bereits zeitlich vorangehend ausgegeben, da es sonst überhaupt nicht gegen den entsprechenden Titel erschienen wäre), sondern einzig und alein, dass keine zusätzliche Nettoneuverschuldung stattfindet. Gekauft wird immer auf Kredit, die Erfüllung des Kaufvertrages erfolgt durch GZ/STZM.
>aus meiner sicht gilt der debitismus also nur unter der maßgabe, daß keynes"deficit spending" angewendet wird.
Das hat mit Keynes überhaupt nichts zu tun. Staatsverschuldung - egal, ob ob individuell dem einzelnen Schuldner zugebucht (siehe Ancient Orient usw.) oder ob kollektiv im CpD-Konto"Staat" versteckt (und nicht bereits auf den einzelnen Steuerbürger als dessen Schuld umgelegt) gibt es seit ca. 6000/8000 Jahren. Die erste Schuld, und daran lassen die Quellen keinen Zweifel (Schuld muss dokumentiert werden [Beginn der Schrift!], also nur die ältesten Dokumente dazu befragen, hier lang und breit vorgestellt), sind Abgabenschulden. Es existiert kein einziges"privates" Schuldendokument, das zeitlich früher wäre.
>würde das wegfallen, würde das system in härtere krisen geraten, weil jedesmal wenn die marktsättigung erreicht ist, die gewinne und mit ihnen die zinsen gegen null rutschen, die ganze kohle vom markt verschwindet und das system aus geldmangel in die knie geht. der staat tritt heute also als krisendämpfer auf.
Die Krise schafft der Staat mit seinen Zwangsabgaben. Sie ist systeminhärent und das Krisenphänomen so lange nicht aus der Welt zu schaffen, solange es Staaten gibt.
>bleibt weiterhin die frage, wozu wir überhaupt ein wirtschaftssystem akzeptieren, was krisen hervorbringt. wer braucht die dinger?
Die Frage muss lauten: Warum"Staat" als Zwangssystem?
>nun frag ich mich natürlich, ob dottore nach seinen aussagen nicht ein glühender verfechter alternativer währungen sein müßte, also währungen, die nicht aus nationalstaatlicher sicht herausgegeben werden, sondern beispielsweise in eher genossenschaftlicher/kooperativer form durch die unternehmer (und ihre Kunden samt Lieferanten) selbst.
"Währungen" sind immer staats- und machtpolitische Veranstaltungen. Wirtschaften Genossenschaften oder Kooperationen untereinander, benötigen sie keine"Währungen". Ich habe noch in keinem Kloster oder Kibbuz der Welt eine"Währung" gefunden.
>also nieder mit dem geldmonopol? oder wie will dottore das problem lösen?
Solange"Staat" ist - wie oft genug ausgeführt - das Problem unlösbar.
Alle"Geldreformer" versuchen, am Symptom herumzudoktern und weigern sich - aus mir unverständlichen Gründen - ins Auge des Taifuns zu schauen.
Gruß!
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Popeye
05.09.2004, 16:02
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo, @dottore
Danke für die Ausführungen!
Es geht mir nicht um ein historisches sondern ein logisches Problem. Deswegen nützt es hier nichts auf historische Gegebenheit zu verweisen - nachdem sich Macht bereits etabliert hat.
(Deshalb ist für mich auch der Beitrag von Hole ein Rätsel - mitten in der syrischen Wüste eine kleine Siedlung mit großem Vorratslager. - Wozu? Machtstrukturen in plausibler Transportentfernung - nicht erkennbar!?)
Zurück zum eigentlichen Problem - gerne mit Bernbecks Modell:
Warum sollte eine bernbecksche Siedlung - vor Abgabenforderung und Handel sogar Vorräte über Jahre hin anlegen? Vorräte haben vornehmlich die Funktion den Zeitraum bis zur nächsten Ernte zu überbrücken und - je nach erfahrener Häufigkeit - die zusätzliche Funktion gegen Missernten zu schützen. Plausibel wäre also zum Erntzeitpunkt ein Vorratslager für zwei Ernteperioden anzulegen.
Unterstellt man nun
Die Abgaben kommen zunächst aus der Behebung der vorhandenen privaten (auch kommunalen?) Vorräte und werden dann forgesetzt. Dabei muss dann nicht nur der Vorrat ergänzt werden muss, sondern eben auch permanent surplus erwirtschaftet werden muss. Der surplus geht sofort als SOLL (Schuld) in die Rechnung ein.
dann wird es aus meiner Sicht völlig unglaubwürdig: Warum sollte eine bernbecksche Siedlung sich bemühen einen surplus zu erwirtschaften, der dann gleich wieder das Abgaben-Soll erhöht?
Deine Thesen zur Zinsentstehung aus Abgaben müssen aus meiner Sicht zwei Dinge logisch erklären:
1. Wie wird die erste Abgabe (ex nihilo) bei Subsistenz-Landwirtschaft bezahlt? (Gerne mit oder ohne Vorräte)
2. Wie kommt es zur Erwirtschaftung von freien verleihbaren Überschüssen bei einer permanenten Abgabenwirtschaft und vorheriger Subsistenzwirtschaft?
Diese beiden Punkte müssten, aus meiner Sicht, sowohl für Tributzahlungen (=fremde Dritte zahlen) wie für interne Abgaben (=eigene Bevölkerung zahlt) eine der vorherrschenden Wirtschaftweise entsprechende logische Ableitung erfahren. Viel schwieriger wird dann noch die Ableitung der Zinshöhe.
Grüße
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dottore
05.09.2004, 18:05
@ Popeye
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hi Popeye,
>(Deshalb ist für mich auch der Beitrag von Hole ein Rätsel - mitten in der syrischen Wüste eine kleine Siedlung mit großem Vorratslager. - Wozu?
Wir haben Tell Beydar, eine unstreitige Machtstruktur in ziemlich genau einem Tagesmarsch Entfernung (gleiche Zeit) und Tell Brak mit gewaltigen Befestigungen, noch näher:
Ich sehe da keinen Unterschied zum römischen Militärstraßensystem: Die Via Appia usw. waren fraglos Straßen, die nicht zu"Handelszwecken" gedacht waren, sondern Militärstraßen.
>Machtstrukturen in plausibler Transportentfernung - nicht erkennbar!?)
Die Transportentfernung erscheint mir gerade plausibel (ca. 30 bis 50 km). Wozu sollten Händler, die per Karawanen ziehen, sich solche Mega-Investitionen geleistet haben? Die europäischen Straßen waren doch bis ins 19. Jh. Schlammlöcher - in Bayern wurden sie nach der Säkularisation sogar mit Büchern aufgefüllt, um"handel-bar" zu sein.
>Zurück zum eigentlichen Problem - gerne mit Bernbecks Modell:
>Warum sollte eine bernbecksche Siedlung - vor Abgabenforderung und Handel sogar Vorräte über Jahre hin anlegen?
Das Bernbeck'sche as-Sawwan hatte eindeutig Ummauerung - wozu? Es war ein Raub-Dorf (Parallele Oaxaca-Besiedlungen mit dem Palisaden ums stärkste Dorf) und kam zunächst ohne große Vorräte aus, musste aber nicht nur wachsam, sondern auch überlegen bewaffnet sein.
>Vorräte haben vornehmlich die Funktion den Zeitraum bis zur nächsten Ernte zu überbrücken und - je nach erfahrener Häufigkeit - die zusätzliche Funktion gegen Missernten zu schützen. Plausibel wäre also zum Erntzeitpunkt ein Vorratslager für zwei Ernteperioden anzulegen.
Nicht in den Großanlagen mit den bekannten Mega-Silos. Die brauchte man schon, um die stets einsatzbereite Armee durchzufuttern. Die Versiegelungen garantierten Haltbarkeiten von mehr als 10 Jahren, also warum nicht entsprechend plausible Langzeitvorräte anlegen?
>Unterstellt man nun
>Die Abgaben kommen zunächst aus der Behebung der vorhandenen privaten (auch kommunalen?) Vorräte und werden dann forgesetzt. Dabei muss dann nicht nur der Vorrat ergänzt werden muss, sondern eben auch permanent surplus erwirtschaftet werden muss. Der surplus geht sofort als SOLL (Schuld) in die Rechnung ein.
>dann wird es aus meiner Sicht völlig unglaubwürdig: Warum sollte eine bernbecksche Siedlung sich bemühen einen surplus zu erwirtschaften, der dann gleich wieder das Abgaben-Soll erhöht?
Die Bernbeck'sche Siedlung ist as-Sawwan. Die hat doch nicht selbst den Surplus erwirtschaftet, sondern erwirtschaften lassen - und dann abgeholt oder heranschaffen lassen. Das SOLL lag nicht auf den eigenen Einwohnern, sondern auf denen, die abliefern mussten - daher dann auch der Übergang zu den T-förmigen Strukturen.
>Deine Thesen zur Zinsentstehung aus Abgaben müssen aus meiner Sicht zwei Dinge logisch erklären:
>1. Wie wird die erste Abgabe (ex nihilo) bei Subsistenz-Landwirtschaft bezahlt? (Gerne mit oder ohne Vorräte)
Die erste Abgabe ist der Tribut - standardisierter Raub. Dies zwingt die laufende surplus-Erstellung herbei, siehe die hut tax im britischen Beritt in Afrika. Bisher konnte der Mann in der Hütte liegen, jetzt musste er die Steuer erwirtschaften. Bezahlt wird ja nicht im Voraus oder bei Feststezung, sondern bei Fälligkeit der Steuer, die zeitlich später liegt.
>2. Wie kommt es zur Erwirtschaftung von freien verleihbaren Überschüssen bei einer permanenten Abgabenwirtschaft und vorheriger Subsistenzwirtschaft?
Die permanente Abgabenwirtschaft erzwingt den Surplus. Da dieser über dem SOLL liegen kann, können die mit IST > SOLL ihr überschüssiges IST unschwer verleihen. Falls alle unter SOLL liegen, beginnt die bondage, d.h. man muss in der bekannten Reihenfolge (Kinder, Frau, selbst, Subsistenzland) dienen oder abgeben.
>Diese beiden Punkte müssten, aus meiner Sicht, sowohl für Tributzahlungen (=fremde Dritte zahlen) wie für interne Abgaben (=eigene Bevölkerung zahlt) eine der vorherrschenden Wirtschaftweise entsprechende logische Ableitung erfahren.
Also ich verlange (Beispiel) von allen EW-Teilnehmern je 1000 Euro. Wer die nicht zusätzlich erwirtschaften kann (denn die Euro verschwinden ja und stehen nicht mehr - außer mir - zur Verfügung), kann sie sich doch von denen leihen, die mehr als 1000 haben oder zusätzlich erwirtschaftet haben, z.B. um sie jenen gegen usura auszuleihen, welche erkennbar nicht so gut drauf sind. Außerdem kann ich sie ja selbst ausleihen, um endlich meine Zinsknechte hier zu haben.
>Viel schwieriger wird dann noch die Ableitung der Zinshöhe.
Ergab sich im 60er-System als kleinste, dieses System definierende Einheit (= 1). Und die pro Monat = 1/60 p.m. = 20 Prozent = 12/60 p.a. für Silber.
Bei Gerste muss es etwas mit dem Dritteil zu tun haben, welches als"Anteil" gefordert wurde. Die"Hälfte" war unbekannt, und zwei Drittel wären wohl zu viel gewesen. Aber da wird noch herumgekramt. Als unstreitig wird derzeit gesehen, dass die großen Ländereien keine Arbeiter hatten und sie mit"Lohn" usw. nicht aufs Feld zu bringen waren (keine Märkte usw. obendrein), da sie selbst zunächst ihr Subsistenz-Gärtchen hatten.
Wie schaffe ich mir als absentee landowner (Macht-Clique im Palast/Tempel usw.) dauerhaft Arbeiter, die mir das Abgaben- und Machterhaltungsmittel produzieren? Ich muss etwas anbieten, das erreichbar erscheint, aber auf Dauer eben dann doch nicht zu stemmen ist. Warum sonst hätten wir die massenhaft überschuldete Bevölkerung und so gut wie nirgends einen überschuldeten Händler? Vom"Investor" ganz zu schweigen, den es schon gar nicht gab.
Der Arbeiter war auf jeden Fall bereits verschuldet, ohne dass er sich etwas"geliehen" hätte.
Gruß!
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Popeye
05.09.2004, 18:58
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo, @dottore,
Danke nochmals!
Du bringst immer wieder historische Beispiele nachdem Machtstrukturen etabliert sind, aber erklärst nicht, wie die erste Abgabe - innerhalb der Gruppe der Besteuerten - zu einem verleihbaren Überschuss führen kann.
Lassen wir’s einstweilen auf sich beruhen.
Grüße
P.S.
Die Transportentfernung erscheint mir gerade plausibel (ca. 30 bis 50 km)…
Mag sein, dass das plausibel ist - dann ergibt sich aber die Frage: Warum so große Vorräte in einer kleinen unbewehrten Siedlung? Warum schaft man sie nicht nach Tell Brak, wo sie gebraucht werden und verteidigt werden können.
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Kris
05.09.2004, 22:22
@ dottore
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Staat und Zwangsabgaben auf Einkommen oder Vermögen |
-->>Die Krise schafft der Staat mit seinen Zwangsabgaben. Sie ist systeminhärent und das Krisenphänomen so lange nicht aus der Welt zu schaffen, solange es Staaten gibt.
Zwangsabgaben auf Einkommen und zunehmende Verschuldung führen in den Kollaps.
Nach dem Kollaps werden die Schulden gestrichen (auf die eine oder andere Weise) und das gesamte Realvermögen, soweit nicht zerstört, neu verteilt (auf die eine oder andere Weise).
Würden jedoch regelmäßig Zwangsabgaben auf das Vermögen erhoben, käme es weder zur Überschuldung noch zum Kollaps. Insofern verstehe ich nicht, warum jedes Staatswesen an sich zum Scheitern verurteilt sein soll.
Dabei fällt mir übrigens ein, dass der erste Weltkrieg in England und Frankreich vorwiegend durch Vermögenssteuern finanziert wurde während sich Deutschland durch Kriegsanleihen verschuldete. Und? Wer hat gewonnen? ;-)
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bernor
06.09.2004, 01:42
@ Popeye
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Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->Hi Popeye,
Hallo, @dottore,
Danke nochmals!
Du bringst immer wieder historische Beispiele nachdem Machtstrukturen etabliert sind, aber erklärst nicht, wie die erste Abgabe - innerhalb der Gruppe der Besteuerten - zu einem verleihbaren Überschuss führen kann.
es gab ja - mit Sicherheit von Anfang an - zwischen den Machthabern und den Besteuerten (Feldbesitzer/-arbeiter) noch die Schicht der"middlemen" = Beamte, Soldaten und Kaufleute, also Leute, die im Dienst des Palastes standen bzw. für diesen Aufträge ausführten.
Unter anderem solche, die fälligen Abgaben zu erheben und in der gewünschten Form (im Regelfall in Silber, ggf. durch Verkauf der ursprünglichen Abgabengüter Gerste, Wolle usw. im Nah- und Fernhandel) an den Palast abzuführen.
Nur diese Leute waren in der Lage, in nennenswertem Umfang Überschüsse aus Entgelten (Silber, Getreide oder andere Güter, aber auch Land) anzusammeln und für Kredite zu verwenden - untereinander wohlgemerkt, denn Schuldverhältnisse mit Abgabepflichtigen waren ja (im Regelfall) solche über noch ausstehende Sollbeträge an Abgaben, mithin also Prolongationen, für die kein eben verleihbarer Überschuß gebraucht wurde (es sei denn, daß bei totaler Mißernte auch kein Saatgut mehr vorhanden gewesen wäre).
Ansonsten kam es nur auf der Ebene der"middleman" zu einer echten Ausleihe (untereinander), wenn diese in den Fällen der Prolongation die trotzdem fällige Abgabe an den Palast nicht aus Eigenmitteln (aus bisherigen Überschüssen) leisten konnten.
Gruß bernor
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Popeye
06.09.2004, 07:12
@ bernor
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->Hallo, @bernor,
besten Dank für den input.
Wenn wir @dottores Thesen rein ökonomisch betrachten und uns fragen, wie hat das funktioniert, dann setzt Dein Argument bezüglich der „middlemen“ zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Machstrukturen voll etabliert sind, denn diese middlemen (Soldaten, taxfarmer, königliche Agenten) gäbe es nicht ohne Abgabe. Vor allem aber unterstellst Du bereits „frei verleihbare Überschüsse“. Mich interessiert wie diese in @dottores Modell entstehen können.
Zur Ableitung des Zinses aus den Abgaben muss bei dem theoretischen Ablauf zum Zeitpunkt „Null“ begonnen werden.
Z.B. Macht hat sich intern oder extern durch Raub vorfinanziert. Das reicht gerade bis zum nächsten Abgabentermin - „ex nihilo“.
Nun fließen die Abgaben (oder auch nicht). Bei den Besteuerten sind (jedenfalls zunächst) keine Überschüsse, die sich die Besteuerten untereinander zur Abgabenfinanzierung ausleihen könnten. Bei den Abgabenempfängern ebenfalls nicht; die haben zum ersten Abgabentermin ihre geraubte Vorfinanzierung aufgezehrt.
Insgesamt sind somit keine Leihvorgänge plausibel, denn die setzen voraus, dass ein echter wirtschaftlicher Überschuss irgendwo vorhanden ist, auf den eine Partei zumindest bis zum nächsten Erntetermin verzichten kann.
In meinem Kopf resultiert daraus die Frage: Welche allgemeingültigen Annahmen in @dottores Modell sind notwendig, damit dauerhafte frei verleihbare Überschüsse entstehen?
Grüße & Dank
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Burning_Heart
06.09.2004, 14:44
@ Popeye
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->>Hallo, @bernor,
>besten Dank für den input.
>Wenn wir @dottores Thesen rein ökonomisch betrachten und uns fragen, wie hat das funktioniert, dann setzt Dein Argument bezüglich der „middlemen“ zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Machstrukturen voll etabliert sind, denn diese middlemen (Soldaten, taxfarmer, königliche Agenten) gäbe es nicht ohne Abgabe. Vor allem aber unterstellst Du bereits „frei verleihbare Überschüsse“. Mich interessiert wie diese in @dottores Modell entstehen können.
>Zur Ableitung des Zinses aus den Abgaben muss bei dem theoretischen Ablauf zum Zeitpunkt „Null“ begonnen werden.
>Z.B. Macht hat sich intern oder extern durch Raub vorfinanziert. Das reicht gerade bis zum nächsten Abgabentermin - „ex nihilo“.
>Nun fließen die Abgaben (oder auch nicht). Bei den Besteuerten sind (jedenfalls zunächst) keine Überschüsse, die sich die Besteuerten untereinander zur Abgabenfinanzierung ausleihen könnten. Bei den Abgabenempfängern ebenfalls nicht; die haben zum ersten Abgabentermin ihre geraubte Vorfinanzierung aufgezehrt.
>Insgesamt sind somit keine Leihvorgänge plausibel, denn die setzen voraus, dass ein echter wirtschaftlicher Überschuss irgendwo vorhanden ist, auf den eine Partei zumindest bis zum nächsten Erntetermin verzichten kann.
>In meinem Kopf resultiert daraus die Frage: Welche allgemeingültigen Annahmen in @dottores Modell sind notwendig, damit dauerhafte frei verleihbare Überschüsse entstehen?
Hallo zusammen.
Es winkt ein Profit, wenn ich über den Surplus hinaus gehend produziere, und diesen Überschuß dann für Zinsen an Bedürftige verleihe.
Da kann man sich zur Ruhe setzen und andere arbeiten lassen.
>Grüße & Dank
Gruß
|
Popeye
06.09.2004, 16:50
@ Burning_Heart
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->>Hallo zusammen.
>Es winkt ein Profit, wenn ich über den Surplus hinaus gehend produziere, und diesen Überschuß dann für Zinsen an Bedürftige verleihe.
>Da kann man sich zur Ruhe setzen und andere arbeiten lassen.
>>Grüße & Dank
>Gruß
Hallo, @Burning_Heart,
dazu sagt @dottore:
Die Abgaben kommen zunächst aus der Behebung der vorhandenen privaten (auch kommunalen?) Vorräte und werden dann forgesetzt. Dabei muss dann nicht nur der Vorrat ergänzt werden muss, sondern eben auch permanent surplus erwirtschaftet werden muss. Der surplus geht sofort als SOLL (Schuld) in die Rechnung ein.
M.a.W. jeder vermeintlich freie Überschuss wird sofort wieder als Abgabe abgeschöpft.
Wenn die Willkür herrscht - herrscht die Willkür....
Grüße
|
Burning_Heart
06.09.2004, 17:41
@ Popeye
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->>>Hallo zusammen.
>>Es winkt ein Profit, wenn ich über den Surplus hinaus gehend produziere, und diesen Überschuß dann für Zinsen an Bedürftige verleihe.
>>Da kann man sich zur Ruhe setzen und andere arbeiten lassen.
>>>Grüße & Dank
>>Gruß
>Hallo, @Burning_Heart,
>dazu sagt @dottore:
>Die Abgaben kommen zunächst aus der Behebung der vorhandenen privaten (auch kommunalen?) Vorräte und werden dann forgesetzt. Dabei muss dann nicht nur der Vorrat ergänzt werden muss, sondern eben auch permanent surplus erwirtschaftet werden muss. Der surplus geht sofort als SOLL (Schuld) in die Rechnung ein.
Nur der Surplus an die Räuber.
Es gibt aber noch den Surplus vom Surplus.
Man nehme an, es gibt ein paar freie Bauern die keine Macht kennen.
Eines Tages kommt eine bewaffnete Horde angeritten und haut alles kurz und klein.
Anschließend sagen sie, daß sie im Herbst wiederkommen und dann soundsoviel Abgaben haben wollen, oder das Kleinhauen wiederholt sich.
Jetzt sind die wehrlosen Bauern gezwungen, Surplus zu produzieren.
Der eine Bauer hat im Herbst mehr als der andere, und so leiht man sich gegenseitig was, um schlimmeres zu vermeiden.
Später wird mit Zinsen zurück gezahlt.
Falls der Schuldner nicht zurück zahlt, leiht man ihm nicht noch einmal etwas.
Dieser Ablauf ist aber auch ohne Macht und Surplusproduktion schon lange vorher vorhanden.
Er kann auch bei der Urschuldtilgung angewendet werden.
Das Leihen ist eine Idee, entstanden aus der Urschuld den wahrscheinlich schon die höherentwickelten Affen anwendeten.
Leihen und der daraus abgeleitete Zins sind wieder mal Derivate der Urschuld.
>M.a.W. jeder vermeintlich freie Überschuss wird sofort wieder als Abgabe abgeschöpft.
Nicht der gesamte Surplus.
Nur soviel wie die Macht haben will.
Den Rest könnten die Bauern z.b. verstecken und behaupten, daß sei die gesamte Ernte usw.
>Wenn die Willkür herrscht - herrscht die Willkür....
>Grüße
Gruß
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dottore
06.09.2004, 18:06
@ Popeye
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->>Hallo, @dottore,
>Danke nochmals!
>Du bringst immer wieder historische Beispiele nachdem Machtstrukturen etabliert sind, aber erklärst nicht, wie die erste Abgabe - innerhalb der Gruppe der Besteuerten - zu einem verleihbaren Überschuss führen kann.
Hi Popeye,
warum innerhalb der Gruppe der Besteuerten? Es kann innerhalb als auch außerhalb sein.
Nehmen wir das Moses-Beispiel: Innerhalb wurden Abgaben erhoben. Aber es wurde auch der Zins innerhalb verboten, also machte es keinen Sinn, jemand innerhalb das Abgabengut gegen Zins zu leihen. Es gab aber auch außerhalb Leute, die Geld, da seinerseits Abgaben-Termin habend, benötigten. Denen konnte es verliehen werden. Gegen Zins (usura). Daraus haben die Juden ein längerfristiges Geschäftsmodell gemacht.
"Semiten" traten übrigens auch schon in Alt-Sumer als Grundstücks-Käufer aus (dazu mehr bei Gelegenheit). Hatten sie die Grundstücke, konnten sie Überschüsse erwirtschaften, welche sie dann an Abgabenverpflichtete verleihen konnten.
>Lassen wir’s einstweilen auf sich beruhen.
Ich werd's noch mal in Ruhe formulieren, quasi als Modell. Bin aber jetzt auf Reisen und komme erst nächste Woche dazu.
>P.S.
>Die Transportentfernung erscheint mir gerade plausibel (ca. 30 bis 50 km)…
>Mag sein, dass das plausibel ist - dann ergibt sich aber die Frage: Warum so große Vorräte in einer kleinen unbewehrten Siedlung? Warum schaft man sie nicht nach Tell Brak, wo sie gebraucht werden und verteidigt werden können.
Die Siedlung ist ja noch nicht völlig ausgegraben. Vielleicht finden sich noch Mauern? Außerdem mussten die Leute in Tell Brak immer wieder losziehen (siehe Militärstraßennetz). Da ist ein gefüllter outpost von Vorteil, weil man sich Transportkapazitäten sparen kann.
Aber - wie gesagt - es wird daran gearbeitet. Nur was beim social storage nicht einleuchtet, ist die Tatsache, dass man erst große Silos hatte und dann wurden sie auf"Familiengrößen" verkleinert. Die Inhalte der Groß-Silos müssen irgendwie verteilt worden sein (oder hatten den erwähnten militärischen Zweck). So was wie ein"Stammes-Vorratshaus" (Stämme sind wirklich very social) à la Papua oder so halte ich für das in ununterbrochenem Kriegszustand lebende Mesopotamien für ausgeschlossen. Die Bauten werden Ende 3. Jt. BC datiert und da wird sich kaum eine soziale und friedvolle Enklave ca. 2000 Jahre lang gehalten haben.
But we live to learn...
Gruß!
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Popeye
06.09.2004, 18:35
@ Burning_Heart
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->Hallo, @Burning_Heart,
Gut, also das ist Dein Modell:
Man nehme an, es gibt ein paar freie Bauern die keine Macht kennen.
Eines Tages kommt eine bewaffnete Horde angeritten und haut alles kurz und klein.
Anschließend sagen sie, daß sie im Herbst wiederkommen und dann soundsoviel Abgaben haben wollen, oder das Kleinhauen wiederholt sich.
Jetzt sind die wehrlosen Bauern gezwungen, Surplus zu produzieren.
Der eine Bauer hat im Herbst mehr als der andere, und so leiht man sich gegenseitig was, um schlimmeres zu vermeiden.
Später wird mit Zinsen zurück gezahlt.
Falls der Schuldner nicht zurück zahlt, leiht man ihm nicht noch einmal etwas.
Jetzt sind die wehrlosen Bauern gezwungen, Surplus zu produzieren.
Damit wir das sprachlich trennen können sollten wir diesen „Surplus“ Abgaben nennen. Es ist ja kein frei verfügbarer Überschuss, sondern er wird kollektiv oder individuell für die Abgabenzahlung benötigt.
Der eine Bauer hat im Herbst mehr als der andere, und so leiht man sich gegenseitig was, um schlimmeres zu vermeiden.
Selbst wenn wir von den Schwierigkeiten absehen zusätzliches „mehr“ kurzfristig zu erwirtschaften (Urbarmachung zusätzlicher Felder, evtl. Bewässerung etc.) kann dieses Prinzip nur funktionieren, wenn das zusätzlich Erwirtschaftete aller Beteiligten mindestens so hoch ist wie die geforderte Abgabe insgesamt. Wäre das zusätzlich Erwirtschaftete kleiner als die Summe aller Abgaben könnte irgendjemand seine Abgaben nicht bezahlen.
Dies kann man als Annahme in @dottores Modell einführen, dass sich eine solche Art von Kooperation ergibt. Ob diese Annahme glaubwürdig ist sei mal dahingestellt, auf gar keinen Fall führt sie zum zwangsläufigen Funktionieren des Systems - z.B. bei Missernten, also wenn insgesamt weniger zusätzlich erwirtschaftet wird als die geforderte Abgabe.
Die Zinsen können wir erst mal außen vor lassen - bis Einigkeit besteht wie’s funktioniert. Ebenso das Verstecken. Das sind Annahmen, die dann dazu führen, dass gesagt werden müsste: Nur wenn die Leute Steuerhinterziehung betreiben funktioniert das System… zu mindest nicht sehr elegant. Denn die Zinsen wären ja dann freie Überschüsse die erneut versteckt werden müssten, um sie der drohenden Abgabe zu entziehen.
Natürlich steht es Dir und jedem anderen frei das System so für glaubwürdig und zwangsläufig zu halten. Ich bin noch nicht so weit. @dottore würde sehr gern sein Debitismus-Modell mit dieser Art der Zinsentstehung logisch verknüpfen - versteh ich ja! Aber dann müssen zusätzliche Annahmen her - die Macht und Willkür relativieren.
Grüße
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dottore
06.09.2004, 18:38
@ Popeye
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Re: Zum"verleihbaren Überschuß" |
-->>Hallo, @bernor,
>besten Dank für den input.
Hi,
ich teile bernors Ansicht, aber es wird noch daran gearbeitet werden (müssen).
>Wenn wir @dottores Thesen rein ökonomisch betrachten und uns fragen, wie hat das funktioniert, dann setzt Dein Argument bezüglich der „middlemen“ zu einem Zeitpunkt ein, zu dem Machstrukturen voll etabliert sind, denn diese middlemen (Soldaten, taxfarmer, königliche Agenten) gäbe es nicht ohne Abgabe.
Der Eroberer finanziert sich ja nicht ex ante aus dem (noch gar nicht eroberten) Gebiet. Die middelmen ziehen, nachdem sie sich (Waffen) aus ihrem Herkunftsgebiet"finanziert" hatten (Dschinghis Khan hatte den Titel"Schmied") mit dem Chef los, erobern und dann werden die Abgaben festgesetzt und sie selbst als Abgabeneintreiber, die sich zunächst aus dem bedienten, was in der unterlegenen Bevölkerung als Vorrat vorhanden war. Danach geht's los mit SOLL-Setzung usw.
>Vor allem aber unterstellst Du bereits „frei verleihbare Überschüsse“. Mich interessiert wie diese in @dottores Modell entstehen können.
Es müssen doch nicht etwa nur"laufende" (in Periode I) Überschüsse sein, sondern Vorräte, die noch aus der Periode I minus 1 stammen.
>Zur Ableitung des Zinses aus den Abgaben muss bei dem theoretischen Ablauf zum Zeitpunkt „Null“ begonnen werden.
Der Zins (usura) kommt fraglos erst, nachdem die Abgabe festgesetzt wurde. Wer würde sich denn das Abgabengut"leihen", wenn er es nicht benötigt, da der Abgabentermin noch nicht herangekommen ist?
Dem Konstrukt mit der"wirtschaftlichen Notlage", als"privater" (ex Missernten usw.) und dann folgender Leihe gegen Zins kann ich nichts abgewinnen, da jemand, der ohnehin schon am Rande des Abgrunds steht, kaum"kreditwürdig" gewesen wäre.
>Z.B. Macht hat sich intern oder extern durch Raub vorfinanziert. Das reicht gerade bis zum nächsten Abgabentermin - „ex nihilo“.
Warum nur bis zum nächsten Abgabentermin? Bevor man die Machtkosten gänzlich internalisiert (internalisieren muss), kann man doch weiter auf Raub gehen - die Beispiele sind zahlreich, ausführlich z.B. noch am Beispiel Athens, sogar Maltas (Großmeister-Zeit) zu sehen.
>Nun fließen die Abgaben (oder auch nicht). Bei den Besteuerten sind (jedenfalls zunächst) keine Überschüsse, die sich die Besteuerten untereinander zur Abgabenfinanzierung ausleihen könnten.
Das"untereinander" kann, aber muss nicht sein.
>Bei den Abgabenempfängern ebenfalls nicht; die haben zum ersten Abgabentermin ihre geraubte Vorfinanzierung aufgezehrt.
Dem widerspricht die überraschend lange Haltbarkeit von Vorräten. Carl Hugo vom Hagen Die Silo-Banken 1854 hat dies umfangreich untersucht:
"In den Silos bei der Friedeberger Hütte ist das Getraide 5 - 13 Jahre aufbewahrt worden. Die Ergebnisse beim Entleeren waren immer dieselben... (Der) Abgang schwankte zwischen 3/4 und 1 1/2 Prozent." (Viele ähnliche Beispiele - notabene im Lehm!). Für die"graue Vorzeit" gilt wohl nichts anderes: Die Kammern, Gefäße (Großkeramik), in den Boden selbst (ohne Ummantelung!) eingelassenen Silos haben sich so gut erhalten, dass man noch heute das Getreide zu Labor-Nachzüchtungen verwenden kann. 4000 Jahre alt!
>Insgesamt sind somit keine Leihvorgänge plausibel, denn die setzen voraus, dass ein echter wirtschaftlicher Überschuss irgendwo vorhanden ist, auf den eine Partei zumindest bis zum nächsten Erntetermin verzichten kann.
War mit Sicherheit der Fall.
>In meinem Kopf resultiert daraus die Frage: Welche allgemeingültigen Annahmen in @dottores Modell sind notwendig, damit dauerhafte frei verleihbare Überschüsse entstehen?
Wir müssen halt mit dem Vorhandenen (Vorrat) starten: der erste frei verfügbare Überschuss. Danach beginnt das Verleih-Geschäft mit den (zusätzlich zu produzierenden) Überschüssen von ganz allein.
Ich darf nochmals auf Nissen et al. verweisen:"Aufseher" (middleman) muss SOLL ausgleichen, sonst kommt er in Schuldknechtschaft.
In Eile - demnächst geht's weiter.
Gruß!
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Popeye
06.09.2004, 18:42
@ dottore
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Re: @marsch, u.a.: nochmal Zinsanteil am Umsatz |
-->Hallo, @dottore,
Danke einstweilen!
Kritik um der Kritik willen ist nicht mein Thema, es muss auch sauber abgeleitet werden. Und da folge ich Dir noch nicht.
An dem 'social storage' Thema arbeite ich gerade. Wenn ich fertig bin (werde) präsentiere ich es mal.
Grüße und gute Reise!
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