-->>Hallo Forumsgemeinde,
>
>bei den Schriftquellen, die im 12./13. Jhh. angefertigt worden sind, stellt sich die Frage nach dem Sinn und Zweck. Sollte dies eine Geschichtsschreibung sein, wie so oft vermutet, oder steckt da mehr dahinter?
>Kevin P. Smith gibt in seinem Aufsatz (Dank an Popeye) von 1995"Landnam: The Settlement of Iceland in Archaeological and Historical Perspective" die Bücher und Sagas der Isländer betreffend folgende Antwort:
>"These documentes are the ideological foundations for a political system, not descriptions of cultural or ecological processes."
>"Consequently, it is legitimate to question whether the mediaval texts help us to understand Iceland's settlement or should be used primarily as sources of information on the ideological foundations of thirteenth-century Icelandic society."
>Somit stellen die Bücher und Sagas der Isländer keine Beschreibung ihrer Geschichte dar, sondern sollten die Machtverhältnisse des 12. bis 14. Jhh. legitimieren! Das 'cui bono' (Wem nutzt es?) wäre damit geklärt.
>
>Grüße in die Runde, <font color=#008000>Zandow</font>
Hallo!
Die isländischen Sagas dokumentieren eine eigenständige litararische Kultur. Gleichzeitig bezieht sich der Inhalt oft auf das politische Verhältnis zu den norwegischen Königen.
Eine zweite mächtige Gruppe waren die Bischöfe. Dennoch hatte nach meinem Empfinden auch der Klerus wenig Einfluss auf die Sagas.
Eine große Rolle spielt aber die Herkunft, der Wohnort und die verwandschaftlichen Verhältnisse. Wenn sich die obige Aussage auf innenpolitische Machtverhätnisse bezieht, ist das sicher richtig.
Gruß aus Baden
|
-->Hallo Zucchero,
hier noch kurz eine Ergänzung samts Korrektur (aus meiner Kritik zu Friedmans"Räderwerk"):
3.4. Die Christianisierung Islands
Der norwegische König Harald Schönhaar hatte an den recht schnell ab ca. 870 in die Zehn-tausende gehenden Flüchtlingen aus seinem Land natürlich keine Freude, weswegen er mit einem Verbot die Aussiedlung der Aristokratie mit ihrem Gefolge nach Island verhindern wollte. Nachdem er die Nichtbefolgung seines Verbots sah, verlangte er von jedem Flüchtling eine Steuer, was aber die Emigration nicht verringerte. Alsbald schickte er Uni, den Sohn des Island-Entdeckers Gardar nach Island, um dort die Ansprüche des Königs und dessen Aner-kennung als Oberherr Islands durchzusetzen. Bei Erfolg versprach der König dem Uni ein Fürstentum (jarldom). Doch Uni erreichte nichts. Somit bleib dem norwegischen König zu-nächst die Möglichkeit, aus Island eine tributpflichtige Kolonie zu machen, verwehrt. Doch die Versuche, genau dies zu erreichen, wurden in den folgenden drei Jahrhunderten von der norwegischen Krone nie aufgegeben und führten letztendlich zum Ziel. Ein wichtiger Schritt beim Prozeß der Unterwerfung Islands war die Erzwingung der Christianisierung der heidnischen Godis, und damit Gesamt-Islands.
Die Legende berichtet von ersten Versuchen zur Christianisierung durch den Godi Thorvald Kodransson, der 981 von einer Reise in Begleitung des sächsischen Bischofs, von dem er ge-tauft wurde, nach Island zurückkehrte und unverzüglich mit der Missionierung und der Durchführung von Taufen begann. Auf dem Althing 984 predigte Thorvald für das Christen-tum und zog sich nicht nur dadurch den Zorn der anderen Godis zu.
„For four years these missionaries laboured, but in the end their good works proved to be their undoing, for so indifferent towards the old gods did some of their hearers become that they no longer paid the accustomed temple dues, and this earned for Thorvald and the bishop the uncompromising enmity of the older and more conservative of the godar and chief men.„ (Kendricks)
Die Glaubenskonkurrenz und die Verweigerung der Huldigung der heidnischen Götter und Nichtzahlung der Tempelsteuern durch die zum Christentum konvertierten Isländer führte schließlich im Jahr 986 zur Verbannung Thorvalds aus Island. Er starb als Mönch in Rußland.
Wahrscheinlich schon ab 983 wurden durch den norwegischen König Olaf I. Tryggvasson teils sehr gewalttätige Missionare nach Island gesandt. Der König wollte den heidnischen Priestern durch deren Christianisierung habhaft werden. Dies sollte durch die Einreihung der Godis in die multinationale Kirchenstruktur und deren Abgaben- und Steuersystem bewirkt werden, was gut 100 Jahre später mit der Einrichtung des ersten von zwei Bistümern auch gelang. (Anmer-kung: Bei der Beschreibung der Christianisierungsversuche Islands durch die vom König ge-schickten Missionare unterscheiden und widersprechen sich die Quellen, sowohl im Ablauf und den Namen der Missionare, als auch in der Chronologie. Im weiteren, also bis in die Zeit so ca. 1060 stütze ich mich daher hauptsächlich auf die Darstellungen von Kendricks, 1930) In den 90er Jahren des 10. Jhh. ging es dann Schlag auf Schlag. Der von König Olaf I. 996 nach Island geschickte Missionar Stefni Thorgilsson führte dort einen regelrechten Kreuzzug gegen das Heidentum. Er zerstörte heidnische Heiligenbilder und Tempel und schreckte auch vor Schikane, Einschüchterung, Gewalttätigkeiten, sogar Mord bei Verweigerung der An-nahme von Gottes Wort nicht zurück, weswegen er auf dem Althing zum outlaw erklärt und aus dem Land vertrieben wurde.
Nun drohte Olaf I. den heidnischen Godis mit Krieg und Handelsblockade, wohl wissend, daß das resourcenarme Island zwingend auf Handelsbeziehungen zu Norwegen angewiesen war. Die Mission in Island wurde vom deutschen Thangbrand, dem Priester der norwegischen Insel Mastr, fortgesetzt. Dieser Günstling des Königs war früher ein grausamer Räuber. Thang-brand erreichte schnell die Konvertierung einiger wichtiger Godis und thingmen, wobei er in der gewalttätigen Missionierung und Ermordung der Heiden seinem Vorgängern in nichts nachstand, sodaß es bald zu blutigen Kämpfen zwischen den Anhänger der beiden Religionen kam. Schon bald, z.Z. des Althing im Jahr 998, trachteten die Angehörigen der von Thang-brand erschlagenen Heiden dem Missionar nach dem Leben. Doch Thangbrand wurde vom Godi Njal gerettet und konnte so unversehrt 999 nach Norwegen zurückkehren (Njals Saga). Damit war auch der zweite Versuch des Königs, Island zu christianisieren, gescheitert. Wütend über seine Erfolglosigkeit ordnete der König die Ergreifung und Ermordung islän-discher Heiden an, die sich zu Handelsgeschäften in Nidaros/Norwegen aufhielten. Der Lex-daela Saga nach handelte es sich dabei um den heidnischen Godi Kjartan und sein Gefolge. Die Ermordung jener heidnischen Händler konnte durch den einflußreichen christlichen Godi Gizur der Weiße und seinem Pflegesohn Hjalti Skeggjason, die sich zu dieser Zeit ebenfalls in Norwegen aufhielten, durch die Taufe der gefangenen Händler und das Versprechen an den König, in Island das Christentum einzuführen, verhindert werden. Währen Gizur und Hjalti nach Island segelten, behielt der König die Gefangenen als Geißeln in Norwegen und drohte mit deren Verstümmelung und Tötung, falls das Christentum auf dem Althing nicht zur offi-ziellen Religion in Island erklärt würde. Mit der Drohung eines blutigen Religionskrieges und einer Handelsblockade Islands durch den norwegischen König Olaf I. Tryggvason erschienen Gizur und Hjalti auf der lögretta des Althing im Jahr 1000.
„The meeting (Althing 1000 AD, Z.) was about to assemble when they arrived and there was no time for diplomacy; the heathens in the state threatened resistance and it seemed as though there would be an ugly conflict between the two parties; but the Christians showed themselves plainly as ready to take up arms and at length it was agreed that a fair hearing should be given to the newly arrived spokesmen. On Sunday the 23rd of June a priest was allowed to celebrate mass and afterwards the Christians, with their clergy vested and with two crosses held aloft, moved in procession to lögberg, the law-mount, whence the sweet odour of their incense stole down upon the assembled folk of Iceland as Gizur and Hjalti began to explain their mission.“ (Kendricks)
Nicht weniger als neun Godis traten daraufhin zum christlichen Glauben über. Nun standen sich die zwei Religionen gegenüber, jede mit ihrem eigenen law speaker und keine Gruppe war bereit, das Recht der anderen anzuerkennen. Doch dann wurde die Entscheidung über die zukünftige Religion Islands dem heidnischen law speaker Thorgeirr Ljosventningagodi über-tragen. Im Angesicht einer religiösen Isolierung Islands und in Erwartung oekonomischer Nachteile durch immer weitere gewaltsame Versuche zur Christianisierung der Heiden, viel-leicht sogar eines Religionskrieges, entschied er die Konvertierung aller Isländer heidnischen Glaubens zum Christentum, erlaubte aber die Praktizierung heidnischer Bräuche im privaten Bereich.
Da der König Olaf I. Tryggvasson noch im selben Jahr in der Schlacht bei Svold starb und so zunächst der Druck zur Durchsetzung des christlichen Glaubens in Island fehlte, wurden die heidnischen Riten und Bräuche im größten Teil der isländischen Bevölkerung weiterhin un-verändert praktiziert. Da das entstehende politische System des Christentums als offizielle Religion mit dem gemeinschaftlichen Leben nun immer weniger vereinbar war, kam es im-mer häufiger zu Streit zwischen den Godis und zu blutigen Fehden, ja fast zum Bürgerkrieg. Diese brenzlige Situation beruhigte sich erst, als König Olaf der Heilige im Jahr 1016 den norwegischen Thron bestieg.
„King Olaf the Saint intervened, calling upon the lawspeaker of the Althing to introduce legislation against the offending heathen customs, and when the necessary laws had been passed Saint Olaf was so pleased that he sent to Iceland timber for the building of a church upon Thingvellir and a bell for this church; also he sent an English priest, Bishop Bernard Vilradsson, to tend this neglected community.“ (Kendricks)
Mit der Entsendung des ersten Bischofs im Jahr 1016 war nach der Zwangschristianisierung der Godis auf der lögretta im Jahr 1000 ein weiterer wichtiger Schritt zur Unterwerfung Is-lands unter die norwegische Krone getan. Nun begann die Errichtung der Kirchenstruktur und die Einbindung Islands in das christliche Abgabensystem.
1056 wurde der Godi Isleif Gizurarson, der Sohn von Gizur der Weiße, zum Bischof geweiht. Ein Jahr später errichtete er an seinem Bischofssitz in Skalholt die erste Schule für isländische Kleriker. Sein Sohn, Gizur Isleifsson, führte dann im Jahr 1097 unter dem Vorwand der öffentlichen Unterstützung der Kirche das Abgabensystem des Zehnten ein und teilte Island 1106 in zwei Bistümer.
„The parliament that enacted the tithe law was of course composed entirely of chieftains.“ (Long, lewrockwell.com)
Zweiter Bischof wurde Jon Ã-gnundsson mit Sitz in Holar. Das Althing, an dem nun auch die zwei Bischöfe teilnahmen, bestätigte im Jahr 1125 durch die Annahme der entsprechenden Gesetze die Kirche als nationale Institution. Die Finanzierung der Kirche erfolgte natürlich aus dem Zehnten (tithe), der nach Größe und Leistungsfähigkeit der Farmen erhoben und zwischen den Bischöfen, dem lokalen Godi, den stadhir (churchsteads) und den hreppar (Wohltätigkeitsorganisationen) aufgeteilt wurde, wobei die churchstead- und die Godi-fee keinerlei Pflichten beim Empfänger nach sich zog, sondern deren Verwendung einzig im Ermessen des Priesters lag.
„The money raised by the tithe to maintain property located on a Churchstead went to the private owner of that Churchstead. Thus, owning a Churchstead was a source of guaranteed income.“ (Long)
Dieses garantierte und arbeitslose Einkommen weckte natürlich Begehrlichkeiten der Godis untereinander. Der Kampf um die zentrale Macht begann.
---------
Soviel erstmal dazu (die Sache muß noch ausgebaut werden). Geschichts- und Chronologiekritik an dieser Stelle noch nicht. Das kommt erst am Ende der Arbeit.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
|