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keine (Leo)Panzer, keine Flugzeuge, keine Waffenplätze, keine Pferde, keine
Fahrräder und keine Generäle mehr, also müssen jetzt die"Goldenen Adler" her:
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Nur der Chef kennt die Namen der «Goldenen Adler»
AROSIO TI - Militärs bilden Freiwillige als «Commando»-Truppe aus. Im Tessin trainieren sie den Ernstfall. Mit von der Partie ist auch der militärische Geheimdienst. Politiker fordern: Stoppt den Humbug! Wie lange deckt Bundesrat Schmid die «Commandos»?
VON HENRY HABEGGER UND BEAT KRAUSHAAR
Die zwei Schüler im Bergdorf Arosio TI oberhalb Lugano wissen Bescheid. «Die Soldaten waren gestern hier. Jetzt sind sie dort oben.» Sie deuten auf einen nahen Hügel, auf dem ein Holzkreuz steht. Und eine militärische Funkantenne.
Eine halbe Stunde später hat SonntagsBlick die Geheimtruppe aufgespürt. Ein paar Schritte auf gut Glück in eines der Wäldchen, und schon sind die «unsichtbaren» Kämpfer entdeckt. Die Hand voll «Commandos», so nennen sie sich selbst, kauert im Wald. Ein klägliches Bild geben sie ab, die schwerbewaffeneten Elitesoldaten in Tarnmontur, mit Tarnfarbe im Gesicht. Auf Zurufe schleichen sie stumm von dannen wie begossene Pudel.
Eine militärische Pleite. Lautet doch das oberste Ziel der Truppe: «Sich unbemerkt, mit Ausdauer, List und Fantasie im gegnerischen Raum bewegen.»
Was sich da so leicht überraschen liess, war der «Commando»-Kurs, befehligt von Divisionär Bertrand Jaccard. Ziel des dreiwöchigen Kurses: Soldaten zu einem Elitetrupp zu drillen. Sie sollen im «Feindesgebiet» Informationen beschaffen. Tagelang leben sie im Wald, buddeln sich ein, seilen sich ab, durchkriechen Kanalisationen, üben das Gefecht. Alles freiwillig.
Wird da eine Geheimarmee aufgebaut, die Grundstruktur für eine politisch nicht legitimierte Widerstandsarmee? Auch SP-Sicherheitspolitiker Boris Banga macht das Ganze stutzig: «Das erinnert mich an die Geheimarmee P26.»
Doch das Verteidigungsdepartement (VBS) wehrt ab: «Bundesrat Schmid kennt den Dienstleistungsplan. Er findet es anerkennenswert, wenn sich Armeeangehörige freiwillig und ausserhalb ihrer ordentlichen Dienstpflicht weiterbilden und weitertrainieren.» Und: «Die Teilnehmer geben ihr Wissen und Können später im WK weiter.» Die Männer, die sich selbst als «Sonderkommando» sehen, seien «keine Spezialtruppe».
Aber sind sie das wirklich nicht? Der Kurs, den auch der militärische Nachrichtendienst in Augenschein genommen hat, steht zwar offiziell auf dem Dienstleistungsplan. Sold und Lohnausfall werden bezahlt. Doch die Teilnahme ist freiwillig, Diensttage werden nicht angerechnet. Die Kommandotruppe aus dem Wald gehört auch nicht zum Aufklärungsdetachement für heikle Einsätze, das das VBS gerade offiziell ausbildet. Sie führt ein Eigenleben. Das Verteidigungs-Departement könnte die Einheit auch gar nicht zusammenziehen: Dem VBS steht keine Namensliste zur Verfügung. Kurskommandant Urs Seleger: «Die haben nur wir.»
Der Kurs begann am 4. Oktober im Artillerie-Fort Magletsch SG, zu Ende ging er jetzt im Tessin. 46 von 70 angetretenen Mann haben es bis zum Abzeichen geschafft - nun dürfen sie einen stilisierter Adler tragen, dessen Klauen ein Schweizerkreuz umklammern.
Für SVP-Sicherheitspolitiker Ulrich Schlüer ist klar: «Freiwilliges Rambotraining als Sonderausbildung brauchen wir nicht. Da können ja private Bewachungsfirmen ihre Mitarbeiter gratis über die Armee ausbilden lassen.»
Und wer ist der Feind, den es zu bekämpfen gilt? Divisionär Jaccard lässt ausrichten: «Der Kurs ist nicht auf ein Feindbild oder einen potenziellen Ernstfall ausgerichtet.»
Aber auf was dann? Die Aussage des Kursverantwortlichen ist eindeutig falsch. Täglich liess die Übungsleitung die fiktive Zeitung «Swiss News» verfassen. Die schildert das Szenario der Schlussübung «Mammut»: Terroristen, aus Nachbarstaaten eingeschleust, haben in Lugano ein Sprengstoffattentat verübt, das Tote forderte, Sabotageakte verübt, Waffen gestohlen. Die Bösewichte, «Trivianer» genannt, kommen aus Osteuropa, für die Kursteilnehmer sind es «Balkanesen». Waffendiebe wurden verhaftet, Sprengstoff gefunden, «dubiose Gestalten» ausgeschafft. Es kam zu massiven Protesten von Landsleuten der «Trivianer», in Zürich wurde der Ausnahmezustand verhängt.
Von wegen kein Feind. Dabei wird für die Kommandotruppe kein Aufwand gescheut. Ein Insider spricht von 2,5 Millionen Franken, die der 3-wöchige Kurs verschlingt. Auf dem Luganersee stand nachts ein mit Radar ausgerüstetes Patrouillenboot zur Beförderung der «Commandos» bereit. In der Luft kamen Aufklärungsdrohnen zum Einsatz, ebenso ein Pilatus-Flugzeug PC-9, Helikopter vom Typ Super Puma und Cougar zur Truppenverschiebung sowie ein weiterer Puma mit Infrarotkamera (FLIR). «Alles im Rahmen der ordentlichen Flugbudgets», sagt das VBS. Dagegen hält die Grünen-Nationalrätin Pia Hollenstein (SG) das Kriegsspiel für «materialisierte Geldverschleuderung». Hollenstein: «Ich dachte, wir hätten solchen Schwachsinn hinter uns.» Und sogar der militärfreundliche SVP-Mann Schlüer meint: «Schluss mit solchem Humbug.» Support erhält er vom SP-Politiker Banga. Der fordert: «Der Kurs muss sofort gestoppt werden».
Auch Romano Piazzini, Chef der Tessiner Kantonspolizei, der von den Kriegsspielen nichts wusste, ist sauer: «Sie haben sich bei uns nicht angekündigt. Es wäre besser gewesen, sie hätten das getan.»
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