JoBar
30.11.2004, 20:27 |
Im Schnellwaschgang:"Wie werde ich Berliner?" Thread gesperrt |
-->Mittwoch, 01. Dezember 2004
Immer schön rummeckern
Claudia Fuchs
Das Internet ist bekannt dafür, jeder Gesinnung eine Plattform zu bieten. Es gibt Seiten für Hundeliebhaber, Nicht-Schwanger-Werden-Könnende, Pflanzenforscher, Singles aller Art und Von-Außerirdischen-Entführte [ sowie das Elliott-Forum ;) ].
Und selbstverständlich gibt es Internet-Seiten für Berlin-Hasser. Zum Beispiel die"Anti-Berlin-Seiten", die mit folgendem Zitat eingeleitet werden: "Berlin ist groß, flach, hässlich und langweilig. Der einzige Berg Berlins ist ein Müllberg. Von den einen wird Berlin unter-, von den anderen überschätzt. Zu denen, die Berlin überschätzen, gehören die Berliner. Und die Berliner überschätzen nicht nur Berlin, sie überschätzen vor allem sich selbst."
Angesichts eines solchen Zitats, das offenbar als Motto der Seiten verstanden werden soll, versteht es sich von selbst, dass die Verfasser dieser Seiten keine Ur-Berliner sind, sondern Neu-Berliner. Und als solche scheinen sie dem Berliner möglichst schnell ähnlich werden zu wollen.
Also meckern sie über alles - über die Natur ("winzige Berliner Parkanlagen"), über lästige Mitbürger ("Man kann froh sein, wenn man mal mehr als einen halben Quadratmeter um sich herum Luft hat"), über Weihnachtsmärkte ("der typische Berliner Weihnachtsmarkt ist klein, laut, überlaufen, liegt zwischen zwei Hauptverkehrsstraßen oder an der Stadtautobahn") und Busfahren im öffentlichen Nahverkehr ("rechnen Sie nicht damit, noch mitgenommen zu werden, auch wenn Sie der Fahrer lächelnd ansieht").
...
< Boardmasters cut >
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin_berlin/400041.html
Hmmmmmmmm [img][/img]
J
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prinz_eisenherz
30.11.2004, 23:27
@ JoBar
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Lass uns mal an die eigene Nase fassen, ein Versuch von mir.... |
-->Hallo JoBär,
ich selbst bin auch Berliner, Urberliner, hier geboren, aufgewachsen, beruftätig und inzwischen etwas älter geworden.
Aus irgendwelchen Gründen, Zufall, Schicksal, Pech oder Glück, wie man es nimmt, habe ich seit meiner Geburt im Westteil der Stadt gelebt.
Ich habe noch die noch geöffneten Grenzen erlebt und mein Heimatbezirk, der Wedding, genauer der Gesundbrunnen, war für uns Jugendliche ein einziger großer Abenteuerspielplatz.
Im nachhinein weiß ich nicht wie ich da jemals überleben konnte.
Da fanden riesige Straßenschlachten statt.
Es ging um zwei silberne Armreifen.
Da wurde jedes Trümmerfeld in der Umgebung untersucht, der Schutt beiseite geräumt, die verschütteten Kellerzugänge frei gemacht und mit Kerzen, Taschenlampen und anderen Funzeln, durchstöbert.
Man hätte ja den großen Schatz finden können.
Das einzige was es zu entdecken gab, waren fast immer die eine oder andere Platzwunde an den Knien, dann schließlich hatte man ab 5 Grad plus seine kurzen, speckigen Lederhosen an.
Der Übergang Bornholmer Str. war ein Abenteuer für sich.
Rein in die S - Bahn, nach den Uniformierten geschaut und weiter in den Ostsektor.
Von den Eltern hatten wir fünfzig Pfennige - West, für den Frisör in die Hand gedrückt bekommen, und die wurden schnell 1: 4 in Ostgeld umgetauscht.
Im „Osten“ sind wir dann für fünfzig Pfennige zum „sozialistischen Haarschneider“ gegangen und für den Rest haben wir uns eine Riesenportion „sozialistisches Eis“ gekauft.
Der Tag war gerettet.
Die lächerlichen sechs Kilometer bis nach Haus sind wir dann fast immer im Dauerlauf, das Fahrgeld hatten wir ja verfressen, zurück nach Hause gelaufen.
Ob diese Zeit für unsere Eltern so schön war weiß ich nicht mehr so genau, aber im Rückblick betrachtet, war es für die eher eine verdammt harte Zeit um uns durchzubekommen.
Ich mache einen Sprung und versuche zu erklären, selbstkritisch zu sein aber auch anzugreifen.
Dann hatten irgendwann die Söhne aber auch die Töchter aus den süd- und westdeutschen Kleinstädten in Berlin - West, die deise Stadt als ihre persönliche Spielweise entdeckten
Die einen, weil man als Bewohner von Berlin - West nicht zur Bundeswehr musste und die anderen, um sich hier mal so richtig, unbeobachtet von der Dorfgemeinschaft, sexuell auszuleben.
Eine Großstadt, jede Großstadt braucht den Zuzug vom draußen.
Natürlicherweise aus dem Umland, besser noch qualifizierte, vor Energie strotzende aus anderen Teilen des Landes.
Die oben genannte Gruppierung waren weder das Eine noch das Andere.
Sie zeichneten sich nach einiger Zeit als militante Häuserbesetzter aus und sammelten in den Universitäten, den leninistischen - marxistische Nachwuchs, aktuell als Kanzler und als Minister zu bewundern,
Hinzu kamen die neuen ethnischen Gruppierungen, die in windesteile sich ganze Straßenviertel eroberten und zur Ersatzheimat umfunktionierten.
Was ich damit sagen will ist, Berlin - West verlor zunehmend das typisch berlinsche.
Was das ist, ist nachzulesen bei Erich Kästner oder Kurt Tucholsky.
Nur ganz wenige der wirklichen Könner, der Guten, der Macher, der Gesunden, der Risikofreudigen und der, die schon mit viel Geld in die Stadt kamen, waren hier sesshaft zu machen.
Wenn die Buben und Madeln aus der Provinz sich dann hier so richtig ausgetobt und auf den Universitäten ihren Abschluss gemacht hatten, dann war es mit der revolutionären Herrlichkeit auch bald vorbei.
Dann traten sie den Rückzug in ihrer Heimatdörfer an
Dann schleimten sie sich wider bei Papi und Mami ei.
Dann kletterten sie, in der geerbten Firma, in den Chefsessel und zu guter letzt setzen sie sich an den PC und meckern über das und jenes hier in Berlin.
Na prima.
Nun, JoBär, wir die Urberliner, ein wenig Schuld haben wir schon.
Unsere große, vorlaute Schnauze ist für Außenstehende oft genug unerträglich.
Wenn wenigsten noch das so gerühmte Herz mit dazukommen würde.
Denkste Puppe.
Auf den Straßen wird Dritter Weltkrieg gespielt.
In den öffentlichen Nahverkehrsmittel sieht es aus wie bei Hempels unter dem Sofa.
Jede, aber wirklich jede freie Stelle im öffentliche Bereich und nicht nur da, ist mir hässlichen Krakeleien vollgepinselt.
Das Benehmen, hier insbesondere eines Teils der jüngeren Generation, ist in so geballter, wütendmachender Form, kaum anderswo zu beobachten.
Gestatte mit ein zwei etwas eklige Beispiele zu nennen, keine Einzelfälle, eher die Regel.
Morgens an der Bahnsteigkante, ich will zur Arbeit und der Zug fährt ein, wird langsamer und was kann man dann sehen, wenn man nicht total abgestumpft ist?
In jedem Wagen sitzt mindesten einer von den durchgeknallten Schwachmaaten und hat seine dreckigen Füße mit den ebenso dreckigen Schuhen auf die Sitzbank vor sich gepackt.
Schmiert dort zwangläufig den Straßendreck, die berühmt berüchtigte Berliner Hundescheiße und den Modder und sonstige Exkremente an den Sitz, auf den sich ein anderer setzen möchte und an dem sich vielleicht ein Kleinkind heraufzerrt, um am Fenster die Fahrt zu genießen.
An den Händen hat es logischerweise den Dreck.
Im nächsten Augenblick fassen sich alle normalen Kleinkinder wohin, natürlich an den Mund und zack ist der kleine Wurm zwei Wochen später krank.
Das alles nur, weil eine zu große Zahl von diesen kranken Kuhaugenmitbürgern ihre dusseligen Hin- und Herfüße nicht auf dem Boden lassen können.
Aufstehen und den Sitz anbieten, wenn eine alte Frau oder ein alter Mann sich kaum noch auf den Beinen halten können, Fehlanzeige.
Ein stumpfsinniges vor sich Hinglotzen ist angesagt.
Steige mal am Nachmittag, an einem Sommertag, an der U - Bahnstation Eberswalderstr. aus und gehe mit offenen Augen zum Ausgang.
An guten, scheußlichen Tagen kann dir das Folgenden unterkommen.
Nicht immer alles zusammen, aber einen Teil des Programms eigentlich immer.
Die Tür der U - Bahn geht auf und du gehst an der ersten Bank vorbei, die als Sitz- und Wartegelegenheit auf dem Bahnsteig dort zur Verfügung stehen.
An einer mindestens musst du einem großen Bogen machen, weil wieder mehrere unsere Jungmänner, meistens südländischer Herkunft, auf der Bank gelümmelt haben und dabei alle dreißig Sekunden eine Riesenfladen Spucke oder Rotze, wie wir Berliner sagen, zwischen seinen Beine zu Boden hat tropfen lassen.
Nach ca. zehn Minuten, weil er ja jedes Mal eine andere Stelle zwischen seine Beinen wählt, hat er kunstvoll, im Radius von fünfzig Zentimetern, eine schmierige, glibberige, schleimige Rotzpfütze erzeugt.
Guten Appetit.
Wenn du dann die Treppe in Richtung Kastanienallee benutzt, liegen solche prachtvollen Aulen, in allen Regenbogenfarben schillernd, auf fast jeder Stufe.
Wir gehen bitte weiter zusammen über die Schönhauser Allee, die Kastanienallee entlang.
Der Gehweg ist grundsätzlich breit aber in Teilbereichen trotzdem verdammt schmal wegen der Auslagen der Geschäfte und den Tischen und Stühlen der Gaststätten, die im Gehwegbebreich aufgestellt sind.
Damit habe ich persönlich kein Problem, ganz im Gegenteil, ich genieße dieses Leben und Treiben.
Wenn du dann an einer der besagten engen Stellen bist und gerade das Obstangebot bestaunst, zwischen dir und der Bordsteinkante sind noch etwa vierzig Zentimeter frei, fahren fröhlich und munter, mit zwanzig - bis fünfundzwanzig km/ h, die Radfahrer hinter dir vorbei, und dabei fahren sie dir beinahe den Arsch ab.
Das Alter der Frauen und Männer, die in dieser Art den Gehweg als Fahradweg, ohne Rücksicht auf Verluste, für sich beanspruchen, beginnt bei etwa bei zwanzig Jahren.
Kommen sie dir auf dem Gehweg entgegen, starren die Frauen dich an, als hättest du ihnen gerade eine Heiratsantrag gemacht, ohne auszuweichen oder die Geschwindigkeit wegzunehmen.
Die Männer krempeln das Oberhemd hoch, spannen den Bizeps an, kriegen eine leichte Augenlähmung und beschleunigen in voller Absicht auf dich zu.
Sie sind der Meinung du hast ihnen Platz zu machen, auch wenn du dabei zum Invaliden gefahren wirst.
Ich biege zu Fuß mit dir in die Oderbergerstrasse ein.
Ein typisches Altbauviertel, sehr geschlossenen Bauweise.
Manchmal zwei oder drei Hinterhöfe, Mietskasernen eben, Zillestil, aber zum großen Teil in einem erbärmlichen baulichen Zustand.
Nun ist es glücklicher weise so gekommen, dass sich für einen großen Teil der Häuser Investoren gefunden haben.
Die lassen, in verschiedenen Varianten, die Häuser sanieren oder für die Leser aus dem Ostsektor, rekonstruieren.
Sehr verschiedene Fassaden, meistens farbig gestaltet, die kleinen Gipsfiguren werden wieder kunstvoll herausgearbeitet, kurz gesagt sauber und hübsch, bis gelungen.
Kaum ist ein Haus so wieder hergestellt, haben doch innerhalb einer Woche die gehirnlosen Wesen, die früher einmal Menschen gewesen könnten, sich mit ihren Farbdosen über diese Fassaden hergemacht.
In einer sonst eher grauen Stimmung, zerstören sie die einzigen bunten Flecken, das einzig neu entstandene Schöne.
Wir beide haben die Mitte der Straße, in Richtung Oderbergerstr. erreicht.
Ich flehe dich an, folge mir nur noch diese kleine Stück, nein wir bleiben beide besser stehen.
Wir müssen beide stehen bleiben, weil genau an den schmalsten Gehwegteilen, zwischen den Tischen und Stühlen der Straßenkaffees und dem Bordstein, haben wieder mal, wie jeden Morgen, einige Hundebesitzer, mitten auf die schmale Lauffläche, ihre ein Meter großen Köter, einen riesigen Scheißhaufen absetzen lassen.
Guten Appetit für die Touristen, die Urberliner und die Neuberliner in den Kaffees.
Wenn wir jetzt beide zusammen den Blick etwas in Richtung Mauerpark schweifen lassen dann höre ich hier lieber auf.
Das ist dann das zweite Kapitel.
Beruflich hatte ich kurz nach der Wende mit etlichen Investoren im Baubereich zu tun, hier insbesondere die Botschaften, der Potsdamer Platz, Hotels oder ganz gewöhnliche Büroinvestitionen, in erheblicher Größenordnung.
Bei den vielen Vorbesprechungen und Abstimmungen innerhalb der Bauphase habe ich manchmal das Thema ganz gerne auf das Wohlfühlen in unserer Heimatstadt Berlin gebracht.
Das waren natürlich alles keine Leute mehr, die noch nicht trocken hinter den Ohren sind, die hatten schon viel gesehen von der Welt oder kamen aus derselbigen.
Fast alle haben in etwa das Gleiche zu verstehen gegeben, fast alle beklagten den Schmutz, die aggressive Hetzte, das unfreundliche Benehmen, den unermesslich großen Dreck, die schroffe Art, den Dreck und immer wieder den Dreck.
Was soll man dazu sagen.
Liegen die alle falsch?
Dem ist wohl nicht so.
Wenn, von den Politikern angefangen, über die Polizei, in den Elternhäusern, in den Schulen und in den Medien nicht kontinuierlich ein viel größerer Stolz, eine Schutzbereitschaft für unsere Heimatstadt einverlangt wird, wird das mit der ekelhaften Beliebigkeit, mit der sich allzu viele in Berlin aufführen, niemals enden und bringt unsere Heimatstadt auch nicht weiter.
Eher wird sie gemieden wie eine aufgeplatzte Eiterbeule.
Ich könnt auch einiges mehr noch an Positives über Berlin schreiben, nur es fällt mit schwer.
Ich fühle mich in meiner Heimatstadt nicht mehr wohl, nicht mehr zu Hause.
Du kannst gerne den Versuch machen mich eines Besseren zu belehren.
Viel Glück
Hinweis:
Der Text ist lang und so richtig Korrektur gelesen habe ich auch nicht.
Ich meine aber, auch mit dem einen oder anderen Rechtschreibfehler, verstehst du was ich meine.
Alles Gute
prinz eisenherz
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- Elli -
30.11.2004, 23:30
@ prinz_eisenherz
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Re: übrigens: Danke! |
-->Du weißt schon.
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Baldur der Ketzer
01.12.2004, 00:14
@ prinz_eisenherz
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Re: Berlin |
-->Hallo, Prinz Eisenherz,
ich war bisher zweimal in Berlin.
Beim ersten Mal kam ich mit dem Auto über den Avus, und hatte einen ziemlich tristen Eindruck von einer heruntergekommenen Kulisse.
Es hielt mich rein gar nichts dort zurück, so daß ich gerne abends wieder heimfuhr, hin und retour jeweils 7,5 Stunden. Das wars mir wert, wieder weg zu kommen.
Beim zweiten Mal kam ich nach Tegel, und mein erster Eindruck, Vorfeldabfertgung, und arschkalte Abfertigungshalle. Nix mehr Heizgeld dasein.
Daß der amtliche Grünling motzte, wen wunderts. Mich nicht, deswegen bin ich ja wech.
Der Taxifahrer entpuppte sich als nur schwerlich der Landessprache mächtig, ich mußte ihm die Straße aufschreiben, damit er wußte, wohin. Dachte, zu wissen, wohin. Ich schilderte ihm ungefähr die Gegend, und, siehe da, wir kamen tatsächlich richtig an.
Sein Fahrstil war mehr als ungewöhnlich, ob ihn dringend ein menschliches Bedürfnis drückte, oder ob er aus irgendeinem Grunde ein nervöser Typ war, ich habe keine Ahnung. Gut, das war der einzig komische Vogel. Bis auf den offenhörbar einheimischen Kollegen später, der das Schandmal als noch viel zu klein und die Unterwürfigkeitsbekundungen für zu zaghaft empfand.
Diesmal sah ich mehr, eindrucksvolle breite Straßenzüge von Charlottenburg zum Brandenburger Tor, jede Menge historisches Erbe. Bloß, es ist halt auch ein Überbleibsel einer vergangenen Epoche.
Abends konnte ich mir das Viertel unter den Linden, Friedrichstrasse, etc., zufußgehend ansehen, an der russischen Botschaft vorbei, ja, es hat was eindrucksvolles, aber das hat die Leopoldstraße in München auch. Oder die Bahnhofstrasse in Zürich.
Was in Berlin bedeutender sein soll, hm, ich fand es wenigstens nicht.
Das Essen war gut, im Verhältnis sogar eher preiswert.
Es versteht sich von selbst, daß ich nicht weiter südlich schlenden wollte, Neu-Kölln oder Kreuzberg mußte nicht unbedingt sein. Zumindest diesmal nicht.
Das Schandmal war dann eine morgendliche Überraschung, ich erkannte es zunächst gar nicht, bis mir schwante, um was es sich bei dieser komischen Baustelle handelte.
Die Absperrung der britischen Botschaft ist geradezu ein Dokument manifestierter Peinlichkeit, aber offenbar sehen das die dort eingesetzten Polizisten gar nicht so negativ, weil somit wenigstens ihr Job gesichert ist. Praktische Vernunft, aber besser nicht darüber nachdenken......
Nachdem es relativ kalt war, konnte bzw. mußte ich keine der von Dir beschriebenen Zweibeiner erleben. Ich durfte dankenswerterweise auf dieses Erlebnis verzichten. Aber Deine Schilderungen reichen mir aus, um es nachzuvollziehen. Leider gibt es diesen Typus Zweibeiner auch in Bern oder Zürich, es ist also in Berlin nur etwas heftiger, aber grundsätzlich ist es nicht allein heimgesucht.
Ich hatte den Eindruck, es herrscht eine gewisse Resignation, und Gedanken an die Zukunft werden unterdrückt. Auch damit ist Berlin ja nicht alleine.
Überraschenderweise fand ich keine allzu deutlichen Hinweise auf den Pleite-Zustand der Stadt, außer einer leerstehenden, heruntergekommenen Ex-Klinik, die vor sich hingammelte. Nun, auch in Davos gehen zur Zeit die Höhenkliniken pleite....
Ich weiß gar nicht, ob mich noch irgendetwas nach Berlin ziehen wird. Der Reichstag mit seinen demonstrativen panzersicheren Glasscheiben wirkt in natura so ganz anders, als er in den Nachrichten erscheint. Einerseits klobiger, trutziger, andererseits menschenleer, isoliert, fast unbedeutend banal.
Enttäuschend.
Was gibts sonst noch zu sehen? Die Nobelmeile lockt mich nicht hinterm Kachelofen hervor........
Vielleicht hätte ich mal in die Problembezirke fahren sollen, um das echte Berlin zu sehen. Nur, wozu sollte man sich das antun? Da reicht mir Deine ortskundige Zusammenfassung vollauf.
Wenn ich Berlin und Wien vergleiche, so kann ich mir vorstellen, daß es in Wien nicht gar solche destruktive Elemente in Divisionsstärke gibt, wie in Berlin. Auch in Zürich oder Bern reden wir jeweils von vielleicht ein paar hunderten. Hm, in Berlin wird man ein paar Nullen dranhängen können......
Ich könnte mir nur schwerlich vorstellen, dort zu wohnen.
Beste Grüße vom Baldur
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Pulpo
01.12.2004, 00:51
@ prinz_eisenherz
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Re: Lass uns mal an die eigene Nase fassen, ein Versuch von mir.... |
-->Toller Text, danke!
Hab trotzdem eine Anmerkung. Zur Kastanienallee, ich war bis vor kurzem auch noch einer dieser Fahrradfahrer, auf dem Gehweg aber nicht so ein schneller, als ich dort noch gewohnt habe. Da hast Du Dir aber auch die Strasse in Berlin ausgesucht, bei der gehwegfahrende Radfahrer am haeufigsten sind. Und zwar deshalb:
Als Fahrradfahrer ist die Kastanienallee einfach super anstrengend und gefaehrlich. Das kommt daher, dass die Strassenraender immer von Autos zugeparkt sind und der verbleibende schmale Streifen in einer sehr hohen Frequenz von der Strassenbahn befahren wird. Es waren 4 Sachen, die mich immer wieder auf den Gehweg gedraengt haben (musste oft dort entlangfahren und es gab einige brenzliche Situationen auf der Strasse):
1. die Strassenbahnschienen, die im Strassenbelag eingelassen fuer unaufmerksame Radfahrer sehr gefaehrlich werden koennen.
2. die Strassenbahnen, die Radfahrern wegen der parkenden Autos nicht überholen können und deren Fahrer öfter klingeln.
3. die parkenden Autos, deren Türen immer mal wieder unvermittelt aufschwingen. Meist sitzen dann irgendwelche komischen Nichtberliner drinne, die vor lauter Aufregung ob der 'obergeilen' Szenestrasse keinen Rückspiegel mehr kennen.
4. man faehrt die Strasse entlang, ein Auto kommt entgegen, von hinten kommt auch eins und der Idiot hinter einem muss trotzdem ueberholen, weil er glaubt die Strasse sei breiter als sie ist, mit dem Resultat, dass der Radfahrer ne Vollbremsung hinlegen muss um nicht in die parkenden Autos gedraengt zu werden.
Naja egal, soviel dazu, das war eigentlich die einzige Strasse, auf der ich als Radfahrer normalerweise den Gehweg benutzt habe, ansonsten Strasse oder wenn vorhanden Radweg.
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prinz_eisenherz
01.12.2004, 09:46
@ Pulpo
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Erwischt! Pfeiffer setzen Sie sich...... |
-->Das mit der gefährlichen Verkehrssituation für Radfahrer in diesem Bereich stimmt.
Aber, wenn ich dich richtig verstehe, weißt du was ich gemeint habe.
Wenn sie eben unbedingt mit ihren Brückengeländern, auch Fahrräder genannt, dort langfahren müssen, dann bitte vorsichtig und langsam.
Sofern ich gut drauf war, habe ich manchmal den Versuch gemacht, den einen oder anderen anzusprechen.
Die eine Reaktion trifft für fast alle außerirdischen Begegnungen zu, wie die oben von mir geschilderten und geht in etwa so:" Halt deine Fresse, du Sack", oder,“Kümmere dich um deine eigene Scheiße, du Nazi", oder, „Will`ste was auf die Schnauze haben, mach Platz". u. s. w.,
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, leider.
Bei den anderen, wenn es sich so ergeben hat, saßen wir dann noch eine Weile beim Milchkaffee zusammen, und vom Radfahrer oder der ausgesprochen netten Radfahrerin kam dann immer die Frage:"Aber, was soll ich denn sonst machen?".
Auf meinen Vorschlag hin, an den engen Stellen auf dem Gehweg abzusteigen und die Karre zu schieben, schauten sie mich immer total verblüfft an.
Trotzdem habe ich mit dieser Gruppe einige interessante Nachmittage in der Oderberger Str. verbracht, oft in der Kiezkantine.
Die kann ich übrigens empfehlen.
Die machen ein klasse Frühstück.
Zugegeben, die Kastanienallee, aber nicht nur die in dieser Gegend, ist recht extrem was die radelnden Zombies auf den Gehwegen betrifft nur, wir können uns gegenseitig trösten, z.B. in der Schlossstrasse in Steglitz, die Gehwege sind meistens proppevoll mit Fußgänger, versuchen einige, denen der Sattel am Hintern angewachsen zu sein scheint, genau dasselbe.
Aber noch etwas Positives.
In diesem Kiez, dem Prenzlauer Berg, kann man Typen kennen lernen, vom allerfeinsten.
Da ist z. B. ein altes, knorriges Männlein, nach seinem Ausweis fünfundneunzig!!! Jahre alt, gut zu Fuß, heller Kopf, mit einem Fahrrad.
Der versucht immer wieder mal den einen oder anderen zu überreden, ob er nicht mal auf deren schweren Motorrad eine Runde um den Block fahren kann.
Schließlich ist er ja beim großen vaterländischen Kreuzzug in der Ukraine als Kradfahrer auch immer über alle Schützengräben hinweggedonnert.
Was sagt man den dazu?
Dann, in der Oderbergerstr., gleich neben meinem Arbeitsplatz, wandelt immer ein fast ebenso alter Mann, mit langen weißen Gewändern, durch die Straßen.
Logisch habe ich mir den vorgenommen und mir seine Geschichte erzählen lassen.
Das war unglaublich interessant, hat verteilt, mehrere Tage gedauert und ist dann, nach dem Mauerpark, das dritte Kapitel in dem noch nicht geschriebenen Buch von mir.
Keine Bange, dieses Buch wird auch nie geschrieben.
Besonders im Sommer habe ich es regelrecht genossen in den Straßen dort, überall die vielen jungen Leute sitzen und quatschen zu sehen.
Einige male habe ich mir ein schönes, großen Weizenbier bestellt, mich mehr abseits hingesetzt und dem wilden, aber angenehmen Treiben zugeschaut.
Dann habe ich mich in meiner, in unserer Heimatstadt wieder mal wohl gefühlt.
Und das mit dem Meckern hat Erich Kästner mal kurz und bündig, anhand des Wohnungswunsches, in etwa so beschrieben:
“Was will der Berliner?
Wenn er vorne rauskiekt, dann will er den Kuhdamm.
Wenn er hinten aus dem Fenster kiekt, dann will er den Kleinen Wannsee“.
Gut beobachtet, aber irgendwie nett.
Alles Gute
eisenherz
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nereus
01.12.2004, 10:05
@ prinz_eisenherz
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Re: Erwischt! Pfeiffer setzen Sie sich...... - prinz |
-->Hallo Prinz Eisenherz!
Du schreibst: Keine Bange, dieses Buch wird auch nie geschrieben.
Doch, das solltest Du tun.
Es macht richtigen Spaß Deine Berlin-Postings zu lesen und zu genießen.
Gibt es eigentlich das Kastanien-Eck noch?
Dort saß ich zwischen 1979 und 1980 ab und zu mal nach der Nachtschicht mit den Kollegen.
Es war nicht unbedingt DIE Vorzeigeadresse in Ostberlin aber Bier gab's damals auch im Osten reichlich. [img][/img]
mfG
nereus
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Pulpo
01.12.2004, 10:29
@ prinz_eisenherz
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Re: Erwischt! Na und? |
-->Ja, im Sommer ist die Oderberger trotz der Haeufchen eine der interessantesten Strassen überhaupt. Ich trauere immer noch etwas meiner alten Wohnung in der Choriner hinterher, die musste ich leider aufgeben. Ich glaube den Mann mit den weissen Gewaendern kenne ich auch vom Sehen.
Und allen, die Berlin nicht besonders moegen (Baldur?), möchte ich folgenden Spaziergang empfehlen. Am besten an einem schoenen Mai-, Juni- oder Septembertag. Den Spaziergang am Brandenburger Tor anfangen, die Strasse unter den Linden runter bis zum Dom, vor dem Dom nach links, hinter dem Dom rechts ueber die Fussgaengerbruecke, dann Richtung S-Bahn zum Hackeschen Markt, die Rosenthaler Strasse hoch bis Rosenthaler Platz, dort halbrechts (hinter der Strassenbahn her) den Weinbergsweg hoch, der wird bald zur Kastanienallee, die weiter gerade aus runter laufen, bis zur Ecke Oderberger Strasse, dort links abbiegen und nach dem langen Spaziergang ein wohlverdientes Bier in einer der vielen Kneipen und Restaurants trinken.
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Unruhe
01.12.2004, 11:10
@ prinz_eisenherz
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Straßenschlacht-gestählter-Urberliner |
-->Lieber ausharrender Urberliner,
vielen Dank für die hervorragende Schilderung der Entwicklung der Berliner Zustände in den vergangenen 60 Jahren. 1934 in Berlin geboren, habe ich bis 1967 diese Entwicklung hautnah miterlebt. Alle deine Schilderungen sind authentisch. Die Steinschlachten in den Trümmerfeldern von Moabit und Wedding sind mir noch heute in bester Erinnerung. Der Niedergang Berlins begann mit der Teilung der Stadt, dem beruflich bedingten Wegzug der Qualifizierten, dem Zuzug der Drückeberger und der"politischen" Klugscheißer. Später kamen aus dem Inland und dem Ausland die hinzu, die unsere Berliner Kultur und die Berliner Grünanlagen in jeder Hinsicht"bereichert" haben. Mich zieht nichts mehr zurück in meine Geburtsstadt. Zurück bleiben die schönen Erinnerungen an das Berlin vor seinem kulturellen und wirtschaftlichen Niedergang.
Viel Kraft wünscht
Unruhe
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prinz_eisenherz
01.12.2004, 11:12
@ nereus
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Oh Berlin, wie haste dir verändert... |
-->>Gibt es eigentlich das Kastanien-Eck noch?>
Nach den ehernen Gesetzen der Physik, hat jede ordentliche Straßenkreuzung vier Ecken.
An der einen ist ein Kopierladen eingezogen, bei der anderen wechselt alle fünf Minuten der Besitzer.
Die dritte Ecke ist z.Z. ein Kaffee und die vierte Ecke beherbergt einen der vielen, neu entstandenen, südländischen Schnellrestaurants.
Ein wenig Türkei, ein Spritzer Indonesien, ein Eckchen Vietnam, eben ein wenig Kramladen, aber ganz nett.
>Dort saß ich zwischen 1979 und 1980 ab und zu mal nach der Nachtschicht mit den Kollegen>
Du warst doch nicht etwa bei der ältesten Berufsfeuerwache Deutschlands beschäftigt, Oderberger Str. 24-25?
>Es war nicht unbedingt DIE Vorzeigeadresse in Ostberlin aber Bier gab's damals auch im Osten reichlich.>
Die ersten Tage nach dem Mauerfall, als ich den anderen Teil unserer Heimatstadt zum ersten mal ungezwungen durchstreifen konnte, hat mich das Folgende immer etwas unsicher gemacht.
Ein Bier, 0,56 Pf und dazu ein, manchmal auch zwei Beschleuniger, für 0,78 Pf das Stück.
Das waren noch Preise, was?
bis denne
prinz_eisenherz
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Taktiker
01.12.2004, 11:37
@ Baldur der Ketzer
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Re: Berlin |
-->>Vielleicht hätte ich mal in die Problembezirke fahren sollen, um das echte Berlin zu sehen. Nur, wozu sollte man sich das antun? Da reicht mir Deine ortskundige Zusammenfassung vollauf.
Naja, fast richtig. Richtig ist, dass Berlin NICHT die Avus und der Flughafen Tegel sind, auch nicht Reichstag und Friedrichstraße, eigentlich noch nicht mal der Kurfürstendamm, den ich in den letzten 12 Monaten vielleicht einmal gesehen habe. Richtig ist, dass Du Berlin im"Kiez" erlebst, nur geht das für Touristen halt meistens schwer bis gar nicht bzw. sie wissen ja gar nicht, wohin sie steuern sollen.
Diese Orte erstrangig als"Problembezirke" zu bezeichnen, trifft so exakt zu wie den Kudamm und die Friedrichstraße als"Nicht-Problembezirke" zu titulieren. Was ist das für eine Klassifizierung? Ein Schleswig-Holsteiner sieht sich ja primär auch nicht als Bewohner eines"Problem-Bundeslandes" und fühlt sich proportional zum Landes-BIP schlechter als ein Bewohner Münchens.
Mein Berlin: Diese Stadt bietet einfach in jeder Hinsicht eine Mischung, die ich nirgendwo sonst ausmachen kann, außer sicherlich in New York. Es gibt hier einfach so viele Verrücktheiten, Leute aus allen Himmelsrichtungen, die hier Kulturelles, Kulinarisches und sonstwas aufziehen - einfach topp. Spannend, interessant, unterhaltsam, lehrreich. Bin noch nie von irgendeinem Ausländer oder"Penner" angpöbelt worden, geschweige denn, überfallen oder ausgeraubt. Bislang auch nicht angeschossen worden oder messerattackiert. Man kann sich problemlos auch in Kreuzberg und Neukölln bewegen, wo ist das Problem dabei?!
Und von den Bewohnern mal weg zum Baulichen: Auch hier gibts alle Facetten: Glas-/Stahltürme, Ost-Platte, herrliche Altbau-Kieze, verfallene Altbau-Kieze, langweilige 50er-Jahre-Bauten, Schlösser und Dome, spekulationsbeheizte Nobelbauten der Post-Mauer-Ära, die edeltristen Verschanzungsbauten der Regierung, und vor allem: unzählige traumhaft idyllische Parks, Seen, große Forstgebiete, unglaublich viel üppiges Grün. Nicht zu vergessen ein Umland, dass ich für eines der romantischsten Gebiete Deutschlands halte, obwohl es gern als trist beschrieben wird: Brandenburg. Freilich ist sowas nichts für den oberflächlichen Typ, der eine Gegend erst schön findet, wenn eine Palme aus dem Boden wuchert oder ein Gipfelkreuz herumsteht. Wieso Natur bergig oder strandig sein und die Sonne immer bei 40 Grad scheinen muß, damit sie als"schön" bezeichnet werden darf, bleibt mir verborgen. Berlin ist keine Liebe auf den ersten Blick und das ist gut so. Dass um uns herum hier unzählige"Wessis" hängengeblieben sind und die Stadt so lieben, ist bezeichnend. Berlin ist nun nicht gerade reich mit Arbeitsplätzen gesegnet, aber WEG will eigentlich keiner gerne.
Für Touristen ist die Stadt gänzlich ungeeignet. Es gibt eben keinen zentralen Marktplatz, den man mal eben gemütlich umrunden kann und dann alles wesentliche gesehen hat. Berlin ist einfach die geilste Stadt zum leben, aber sicher die ödeste, wenn man sie als Touri anzapfen will. Wenn man hier lebt, stört es einen einfach nicht, dass man keine prunkenden Fotomotive zu bieten hat. Und wozu soll man denn die Straßen immerzu rein fegen? Damit das Auge eines neppigen Touristen, der von seinem Heimatnest immer einen blitzblanken Marktplatz gewöhnt ist, nicht beleidigt wird? Das Problem ist, dass Berlin in Deutschland immer in Kleinstadtkategorien beurteilt wird. Wenn ich mal in Hundescheiße trete, habe ich halt nicht aufgepaßt.
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Euklid
01.12.2004, 12:12
@ Taktiker
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Re: Berlin |
-->Hallo Taktiker
das Prinzip des Straßenfegens hat schon seinen tieferen Sinn,denn die Ratten fühlen sich am wohlsten zwischen weggeworfenen Dönern und übriggebliebenen Würstchen.
Man kann es natürlich auch anders anpacken.
Man verzichtet auf die Straßen-Reinigung und gibt anschließend den x-fachen Betrag für Rattenbekämpfung aus.
Gruß Euklid
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Taktiker
01.12.2004, 12:37
@ Euklid
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Oweih (o.Text) |
-->
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prinz_eisenherz
01.12.2004, 13:07
@ Taktiker
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Alles ist richtig aber auch das Gegenteil... |
-->>Naja, fast richtig. Richtig ist, dass Berlin NICHT die Avus und der Flughafen Tegel sind, auch nicht......>
Stimmt
>.....im"Kiez" erlebst, nur geht das für Touristen halt meistens schwer bis gar nicht bzw. sie wissen ja gar nicht, wohin sie steuern sollen.>
Stimmt nicht.
Viele Touristen wissen ganz genau wo der Kiez ist und gehen auch massenhaft dort hin.
Die allerhärtesten von denen heben sich ihren Jahresurlaub für die Walpurgisnacht und den 1.Mai auf, kutschieren nach Berlin in Richtung Prenzelberg, Friedrichshain und Lichtenberg und wollen sich die zu erwartenden Straßenschlachten zwischen den Antifaschisten und der Polizei im Kiez anschauen.
Ich nenne das Schlachtfeldtourismus.
>Diese Orte erstrangig als"Problembezirke" zu bezeichnen, trifft so exakt zu wie den Kudamm und die Friedrichstraße als"Nicht-Problembezirke" zu titulieren.>
Naja, wenn man diese Bezirke als Problembezirke kennzeichnet, heißt das noch landg nicht, das die anderen „Nicht - Problembezirke“ sind.
Das ist eine klassische Selbstvorlage
Etwas persönliches:
Wenn ich könnte, was ich jedoch nicht darf, würde ich dich gerne einmal auf einem Rettungswagen und den anderen Einsatzfahrzeugen der FW Prenzlauer Berg bei Tag, aber besonders in der Nacht, mitfahren lassen.
Wenn du dann nicht den Eindruck hast, das Teile von Berlin Problembezirke sind, ohne das wir den Begriff hier lange hin- und her auseinander diskutieren, dann weiß ich nicht mehr weiter.
In meinem ersten Beitrag war ich so frei einige Beispiele des menschlichen, allzu menschlichen in diesen Bezirken anzudeuten.
Alle meine Kollegen, ob im Prenzelberg, Neukölln oder Kreuzberg könnten dir auf ihre Art, mit ihren Erlebnisseen ein wenig über den sog. Kiez die Augen öffnen.
Einige Kiezbezirke haben aus meiner Sicht, eine fatale Entwicklung durchgemacht.
In den Abend- und Nachtstunden, von der Straße her betrachtet, strahlen sie einen gewissen morbiden Scharm aus.
Ich sage dir, alles nur weiße Salbe.
Wie auch immer es dir gelingt, gehe rein in die Häuser, rieche dem Modergeruch, die durchdringende, kalte Nässe, einer kocht immer Kohl, irgendwo brüllt eine Stereoanlage mit einer Musik, da wäre es besser der Störer würde sich eine Schlagbohrmaschine an den Kopf halten und, und, und..
Vorne alles Fassade, hinten Dreck, Alkohohl, Gewalt und Sterben.
Klar ist Armut vorhanden, klar sitzen die Menschen zu eng aufeinander, klar sind die beruflichen Perspektiven miserabel geworden.
Aber, an vieles von der Erziehung meiner Eltern erinnere ich mich nicht mehr, immerhin waren wir fünf Kinder, nur an ein eines erinnere ich mich genau, wenn mein Vater mich wieder einmal an die Seite nahm und sagte:“Hör zu mein Junge, wir sind arm, aber müssen wir deswegen dreckig und blöd sein?
Nein das müssen wir nicht.
Und nun hau ab und merke dir das.“
Was is`n das nun wieder gewesen?
Hatte der Alte so unrecht?
Die Folge davon war u. a., das alle Hundebesitzer, wenn der Köter koten musste, den an den Straßenrand abgedrängt hatten.
Welcher Hund das nicht lernen wollte, der hatte es schwer, sehr schwer.
Ich kann dich beruhigen, alle Hunde hatten das ziemlich schnell drauf.
Wer dann noch in den Haufen trat, vielleicht hatte der dann tatsächlich Pech gehabt, aber wenn die Tretmine mitten auf dem Gehweg liegt und alle paar Meter eine Neue ebensolche, was dann, Herr Müller - Lüdenscheid?
>Mein Berlin: Diese Stadt bietet einfach in jeder Hinsicht eine Mischung, die ich nirgendwo sonst ausmachen kann, außer sicherlich in New York. Es gibt hier einfach so viele Verrücktheiten, Leute aus allen Himmelsrichtungen, die hier Kulturelles, Kulinarisches und sonstwas aufziehen - einfach topp>
Kann stimmen, ist Geschmackssache, kann ich mit leben.
>Bin noch nie von irgendeinem Ausländer oder"Penner" angpöbelt worden, geschweige denn, überfallen oder ausgeraubt. Bislang auch nicht angeschossen worden oder messerattackiert. Man kann sich problemlos auch in Kreuzberg und Neukölln bewegen, wo ist das Problem dabei?!>
Naja, etwas blauäugig, findest du nicht auch?
Du bist vielleicht nicht viel mit dem Ã-PV unterwegs.
Samstag Nacht, U - Bahnhof Tegel, ca. fünfzehn, Halbstarke, klar als türkisch geprägt zu erkennen,, und du sitzt im hinteren Abteil und die Herzblättchen kommen herein.
Schwingen sich an den Haltstangen entlang, zerkloppen die Sitze, kratzen die Scheiben entlang und du sagst zu denen, was das eigentlich soll?
Auf diesen Augenblick haben die nur gewartet.
Das erste was du vorgesetzt bekommst ist: “Schnauze, du Nazi“.
Scheint bei denen die einzige Integrationsleistung zu sein, zu der sie bisher fähig waren.
Dann bieten sie die einige Schläge vor die Knabberleiste an.
Ein wenig Stolz hat man ja auch noch, man knurrt zurück.
Das ist das Signal für den zweiten entscheidenden Angriff, dann setzt es Hiebe.
Mein Jochbeinbruch hat vier Wochen gedauert.
Alles Petitessen, ja ich weiß.
Das ist alles meine Schuld.
Wenn sie dir auf die eine Backe dreschen, dann halte doch einfach noch die andere hin.
>Und von den Bewohnern mal weg zum Baulichen: Auch hier gibts alle Facetten: Glas-/Stahltürme, Ost-Platte,.......vor allem: unzählige traumhaft idyllische Parks, Seen, große Forstgebiete, unglaublich viel üppiges Grün.>
Stimmt, gut beschrieben
Nicht zu vergessen ein Umland, dass ich für eines der romantischsten Gebiete Deutschlands halte,........verborgen. Berlin ist keine Liebe auf den ersten Blick >
Stimmt auch. Wieder gut beschrieben.
>Dass um uns herum hier unzählige"Wessis" hängengeblieben sind und die Stadt so lieben, ist bezeichnend..>
Naja, Herr Doktor das hier einige, wer auch immer, hängen bleibt, ist keine Frage.
Die Russenmafia und die vietnamesischen Banden haben es auch geschafft.
Eigentlich weißt du es besser.
Die Klugen, die etwas aufbauen wollen, die die Ärmel hochkrempeln, die Vorzeigeobjekte mit Klasse auf die Beine stellen, um die geht es.
Das verstehst du sehr gut.
Ein Manager von Sony, bitter enttäuscht von Berlin, hat es in etwa wie der Ketzer beklagt.
Die sollen hier bleiben und sesshaft werden?
Wie denn?
>Für Touristen ist die Stadt gänzlich ungeeignet. Es gibt eben keinen zentralen Marktplatz,..........aber sicher die ödeste, wenn man sie als Touri anzapfen will.>
Wohl kaum
Die Übernachtungszahlen vom Touristen sprechen eine andere Sprache.
>Wenn man hier lebt, stört es einen einfach nicht, dass man keine prunkenden Fotomotive zu bieten hat. Und wozu soll man denn die Straßen immerzu rein fegen?>
Ist schon klar.
Für uns Berliner ist bei uns alles höher, weiter, breiter, dreckiger, vergammelter als anders wo und das ist gut so.
Finde ich nicht.
Ich meine, zwischen krankhaftem Putzfimmel und einer sauber gehaltenen Stadt, ist ein weites Feld.
Und auch wenn ich mich wiederhole, das leicht necroskope, die Titanikstimmunghier in Berlin, dass lieben einige Touristen eben.
Das sind oft genug eben die, die bei einem Massenunfall auf der A9 sich in ihr Auto schwingen, ein halbes gebratenes Hühnchen und eine Kiste Bier in den Kofferraum schmeißen und mit Schaum vor dem Mund, möglichst dicht an die Unfallstelle heranfahren wollen, um zu glotzen.
Auch Touristen.
Aber die meinen wir beide doch nicht, kann ich mir nicht vorstellen.
Alles Gute
eisenherz
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Taktiker
01.12.2004, 13:44
@ prinz_eisenherz
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Re: Alles ist richtig aber auch das Gegenteil... |
-->>Die allerhärtesten von denen...in Richtung Prenzelberg, Friedrichshain und Lichtenberg...Straßenschlachten...Schlachtfeldtourismus.
Naja, wir haben hier zig Millionen Touristen im Jahr. Wie viele davon sind 1.Mai-Krawallos? Paßt von den Dimensionen her nicht. Der übliche Berlin-Tourist ist ein Provinzler und der versucht eine Stadt um die Kirchturmspitze herum zu begreifen.
>Alle meine Kollegen, ob im Prenzelberg, Neukölln oder Kreuzberg könnten dir auf ihre Art, mit ihren Erlebnisseen ein wenig über den sog. Kiez die Augen öffnen.
Nun, wenn man Rettungssanitäter oder Polizist ist, mag das anders sein. Klar sieht man da einiges geballt. Wenn ich als Normalfußgänger durch Kreuzberg gehe, passiert mir doch gar nichts.
>Wie auch immer es dir gelingt, gehe rein in die Häuser, rieche dem Modergeruch, die durchdringende, kalte Nässe, einer kocht immer Kohl, irgendwo brüllt eine Stereoanlage mit einer Musik
Wer sich so wohl fühlt...is doch okay?! VIELFALT! Eine Stadt, die nur aus spießigem Einerlei bestünde, fände ich langweilig.
>Vorne alles Fassade, hinten Dreck, Alkohohl, Gewalt und Sterben.
Quatsch! Klar gibts solche Haushalte, wo nur gesoffen und dahinvegetiert wird. Aber wiederum stimmen die Dimensionen hier nicht. Ist doch nicht der Normalfall!
>Du bist vielleicht nicht viel mit dem Ã-PV unterwegs.
Doch, jeden Tag zwei Stunden, und zwar mit der U7 mittendurch.
>Samstag Nacht, U - Bahnhof Tegel, ca. fünfzehn, Halbstarke, klar als türkisch geprägt zu erkennen,, und du sitzt im hinteren Abteil und die Herzblättchen kommen herein. Schwingen sich an den Haltstangen entlang, zerkloppen die Sitze, kratzen die Scheiben entlang und du sagst zu denen, was das eigentlich soll?
Naja, das ist eine dumme Situation. Dann steige ich lieber aus bzw. verkneife es mir, denen Ratschläge zu geben. Bei einer Tupperparty, einem Radfahrerstammtisch oder einem Hundeturnier sollte man auch nicht anfangen, gegen die versammelten Spezialisten zu stänkern. Wenn man erdrückenden Mehrheiten gegenübersteht, lautet die beste Taktik immer, nicht unbedingt Recht behalten zu wollen.
>Ein wenig Stolz hat man ja auch noch, man knurrt zurück.
Was bringt das alles? Die sind 100x stärker in ihrer Gruppe.
>Naja, Herr Doktor das hier einige, wer auch immer, hängen bleibt, ist keine Frage. Die Russenmafia und die vietnamesischen Banden haben es auch geschafft.
Wieder falsche Dimensionen. Wir haben hier sicher 1000x soviele artige Ex-Schwaben wie zigarettendealende Vietnamesen oder kurdische Drogendealer.
>Ein Manager von Sony, bitter enttäuscht von Berlin, hat es in etwa wie der Ketzer beklagt.
Nun ja, der Plebs von Berlin ist eben erdig, weniger bürgerlich-verspießt, wie es in westdeutschen Großstädten üblich ist. Wer diese Art von Kuschligkeit schätzt, fühlt sich hier unwohl. Wer eine ehrliche und einfallsreiche Art vorzieht, hat hier sein Dorado. Wenn etwas in Berlin falsch gelaufen ist seit dem Mauerfall, dann dieses: Es sind ziemlich viele High-Society-Leute rein gekommen, die eigentlich nicht zu Berlin passen. Wollen sich etwas metropolen Glanz verleihen und erwarten, dass sie hier wie Graf Koks hofiert werden. Wenn sie dann merken, dass sie trotz"Creative-Director"-Titel oder anderer Hochdekoriertheit von jedem schnöden Busfahrer angeranzt werden, sind sie pikiert. Chef ist hier, wer eine kesse Antwort geben kann, nicht wer einen auf dicke Tasche macht. Gut so.
>Die sollen hier bleiben und sesshaft werden?
Hoffentlich nicht. Diese sogenannten"High-Profiler" sind ja gerade keine Leistungsstarken, sondern eher Leistungsschwache. Wer was kann, der arbeitet. Wer nicht, wird"Manager".
>Die Übernachtungszahlen vom Touristen sprechen eine andere Sprache.
Richtig. Sind am Explodieren. Glaube kaum, dass die Mehrzahl von denen Berlin kapiert.
>Ich meine, zwischen krankhaftem Putzfimmel und einer sauber gehaltenen Stadt, ist ein weites Feld.
Was ist denn bloß immer damit gemeint? Man kann doch ganz normal auf jeder Straße umherlaufen. Weder liegen irgendwo Essensreste herum, noch stinkt es auf der Straße. Müssen wir Parfüm versprühen oder blankpolierte Marmorplatten verlegen?
>Und auch wenn ich mich wiederhole, das leicht necroskope, die Titanikstimmunghier in Berlin
Also bitte! Wo denn Titanic? Die Leute sind so rauh, wie sie es immer waren. Im Gegenteil, die Gören von vor 50 Jahren waren sicher noch eine Gangart kesser als die farblosen SpiceGirls-Imitate von heute. Es gibt jeden Monat zig neue Galerien, Läden, Cafes, Clubs, Bars, Restaurants, Theater. Titanicstimmung kann ich nicht erkennen. Kratzt doch keinen wirklich, wie prekär der Landeshaushalt nun wieder aussieht. Das richtige Leben spielt doch woanders.
Dir alles Gute, Prinz... und komm' wieder aus Deiner defensiven Stimmung heraus! Solange alles in Bewegung ist, herrscht pralles Leben.
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Zardoz
01.12.2004, 14:16
@ Taktiker
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Re: Beeindruckende Statements... |
-->... und genau die Gründe, aus denen ich immer wieder gern in Berlin bin.
Nice week,
Zardoz
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Baldur der Ketzer
01.12.2004, 15:06
@ Taktiker
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Re: Berlin |
-->Hallo, Taktiker,
klar kann man das auch aus Deiner Warte sehen. Deswegen ist es ja gut, daß es Vielfalt gibt, so ist für jeden was dabei.
Neulich hatte ich eine Bekannte aus Berlin zu Besuch, die sich ihrerseits nicht vorstellen konnte, wie man nur in solch einer miefig-spießigen, nahezu ausgestorbenen Gebirgsgegend leben kann, wie ich.
Ich mag das nun mal.
So lange beides nebeneinander existieren darf, ist für mich alles in Ordnung. Dann hat man ja noch die Wahl.
Ich glaube, Du magst einfach deine Stadt. So, wie man einen bestimmten Menschen mag, oder gar liebt, auch wenn, oder, gerade weil er/sie eine schiefe Nase hat oder sowas. Ist auch in Ordnung so.
Welcher von beiden krass entgegenstehenden Gesellschaftsmodellen mehr Probleme in der Zukunft abbekommen wird, wird sich schlicht empirisch zeigen. Nichts ist unmöglich.
Ich habe gestern eine Hörfunksendung über Chile gehört und den dort angeblich gescheiterten Neoliberalismus. Ich kann nicht beurteilen, ob es bloß politische Propaganda war, oder ob an den gesagten Dingen was dran ist. Tatsache ist, es gibt nirgends die Garantie auf Erfolg oder Scheitern, das stellt sich alles erst heraus.
Schaun mer halt mal, wie der Beckenbauer.
Beste Grüße vom Baldur
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prinz_eisenherz
01.12.2004, 15:50
@ Baldur der Ketzer
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Was denn, was denn, wer zurückzieht ist feige..... |
-->Hallo Baldur,
deine Sichtweise auf unser Berlin war schon etwas krass.
Und ob wir Berliner es nun glauben wollen oder nicht, ab und zu eine gehörige kalte Dusche bringt unser vorlautes Gegröhle ein wenig zum Stillstand.
Das hält nur nicht lange vor.
Du bist bald wieder gefragt.
Versuche es einmal mit Selbsthypnose mit der folgenden Formel:
"Ich bin ganz ruhig, meine Beine und Arme sind ganz schwer, ich liebe Berlin,
Berlin ist die schönste Stadt auf dem weiten Erdenrund."
Natürlich die Anführungszeichen nicht mitsprechen, dann wirkt es nicht.
bis denne
Eisenherz
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Taktiker
01.12.2004, 15:58
@ prinz_eisenherz
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Re: Was denn, was denn, wer zurückzieht ist feige..... |
-->> behaupte ich einfach mal, wir wollen einfach nur ein wenig stolz auf unsere Stadt sein.
Ich glaube, wenn es ein Problem gibt, dann dieses: Wir wissen gar nicht wohin mit dem vielen Stolz auf unsere Stadt. Der Berliner ist einfach so unmittelbar und überzeugend stolz, dass er eben so arrogant wirkt. Nie würde ein Berliner über eine andere Stadt herziehen, was ein Zeichen von Komplexen wäre.
;-))
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Baldur der Ketzer
01.12.2004, 16:17
@ prinz_eisenherz
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Re: Watt denn, watt denn, Berlin iss doch keen Dorf....und die Seppls sind doof |
-->
>Und nicht, dass da so ein gelackter Neunmalkluger, von hinter den Bergen daher kommt und uns unsere letzte Hoffnung nehmen möchte und versucht einen Keil zwischen uns Berlinern zu treiben.
>Das wäre ja noch schöner.
>So haben wir nicht gewettet.
Hallo, Prinz Eisenherz,
ich denke, diese Sentimentalitäten haben wir alle im Gemüte. Vor 140 Jahren war immerhin meine südliche ursprüngliche Heimat noch von den Dingspreissn besetzt........
Spaß beiseite, ich glaube, es gibt so etwas wie einen selbstverständlichen elitären Führungsanspruch der Preussen, als deren Erben eben der Berliner, über die geringgeschätze Provinz.
Und die Provinzler wiederum wehren sich gegen diese als Überheblichkeit wirkende Zurücksetzung, und schießen quer. Die Bajuwaren, die Schwaben, die Pfälzer mit den bayrischen Banden, die Württemberger, usw.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen ähnlichen Gegensatz etwa zwischen den Berlinern zu den Hanseaten gäbe. Vielleicht täusche ich mich auch.
Ich denke, es gibt zwischen den Bayern, Baden-Württembergern, Hessen, Sachsen, Thüringern, vielmehr Gemeinsamkeiten mit den Tirolern, Vorarlbergern, Kärtnern, Steyrern, und den Ostschweizern, als zu den Nordlichtern, Fischköppne, Saupreissn, und Südschweden.
Wobei ihr wiederum mit den Mäc-Pomms und Brandenburgern sehr verwandt sein dürftet.
Keine Ahnung, wie man da die Ruhrpottler einordnen müßte.
Da sich dieser Mentalitätsgegensatz in meiner Sicht wie ein Schweizer Röschtigraben durchs Land zieht und es in etwa vierteilt (Küste/Hanseaten, Berlin-Brandenburger, Südler, Ruhrpottler), kann das auch in der Bundesrepublik nichts gescheites mehr werden, wenn einer hierhin und der andere dorthin zieht.
Die Organisation ist zu groß und ineffizient.
Theo Stuss könnte sicher was sagen, ob es beispielsweise in Frankreich ähnliches Gezerre gibt, oder ob da die gemeinsame Klammer des Zentralismus stärker ist.
In UK fetzt es ja wiederum zwischen den Engländern und den Schotten und den Iren und so weiter.
Bin gespannt, wie die Landkarte 2054 aussehen wird - auch wenn ich das kaum mehr erleben werde. So wie heute wird sie in meiner Erwartung nicht mehr sein.
Beste Grüße vom Baldur
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arvito
01.12.2004, 17:09
@ Baldur der Ketzer
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Re: Watt denn, watt denn, Berlin iss doch keen Dorf....und die Seppls sind doof |
-->>Keine Ahnung, wie man da die Ruhrpottler einordnen müßte.
hallo Baldur,
dann hast du aber in Erdkunde und vor allem Völkerkunde (lol) zu oft gefehlt, wenn es auf deiner Landkarte zwischen Fischköpp und Schwaben/Bayern nur noch irgendwo die"Ruhrpottler" gibt..
Du hast einen ganz gewichtigen Volksstamm, den der"Rheinländer" vollkommen ausgeblendet, diesen wohl immer schon bedeutensten Menschenschlag des heutigen AbsudisDeutschlands
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Baldur der Ketzer
01.12.2004, 17:31
@ arvito
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Re: hab ich glatt die Rheinländer unterschlagen |
-->Hallo, arvito,
auweia, hast natürlich absolut Recht. An Kölle und Umgebung hab ich natürlich nicht gedacht, war zu stark daran fixiert, daß das angrenzende Siegerland ja die Hintertür des Ruhrgebites ist. Zumindest sagte mir das mal ein Ratinger.
Also, Kommando zurück, also Fünfteilung.
Und irgendwie sind die Saarländer, mir wähle de Oskar, auch ein Schlag für sich, Halb Franzosen ;-), Halb Luxembourger, und trotzdem Sozis ;-))). Oder irgendwie so. Müller ist für mich auch ein Vollsozi, sorry.
Und ob sich die Sachsen mit den Badenern in eine Gruppe fügen würden, da ist die geopgraphische Entfernung doch ziemlich groß, zumal in Baden der französische Einfluß unverkennbar ist.
Und die Oberfranken mit den Niederbayern, hm, das harmoniert auch nicht unbedingt, besser schon mit den Thüringern oben und den Oberösterreichern unten.
Schwierig, das. Aber schön. Weil man in ein paar Jahrzehnten vielleicht nur noch Sunniten, Schiiten, Wahabiten, Sikhs, Hindus, und anderen Spielarten zugewanderter Lebensart gruppieren muß?
Beste Grüße vom Baldur
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arvito
01.12.2004, 18:09
@ Baldur der Ketzer
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Re: hab ich glatt die Rheinländer unterschlagen |
-->>Hallo, arvito,
>auweia, hast natürlich absolut Recht. An Kölle und Umgebung hab ich natürlich nicht gedacht, war zu stark daran fixiert, daß das angrenzende Siegerland ja die Hintertür des Ruhrgebites ist. Zumindest sagte mir das mal ein Ratinger.
>Also, Kommando zurück, also Fünfteilung.
hallo Baldur,
da ist, vor allem dä Düsseldorfer (das musste jetzt sein, wenn du schon die Köllener in diesem Zusammenhang erwähnst)aber beruhigt.
Und ein Ratinger, sagst du? Nun, das ist ein Vorort der Landeshauptstadt Düsseldorf, den man mit einer Straßenbahn erreicht. Dass der überhaupt sich als Ratinger zu erkennen gegeben hat, zeigt aber, wie selbstbewusst diese Rheinländer (gleich welches Kuhdorfes) sind[img][/img]
avito
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Taktiker
01.12.2004, 18:13
@ arvito
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Rheinländer sind doch Römer-Nachkommen |
-->Wenn es einen heldenhaften Landstrich in Deutschland gibt, dann sind dies die ostelbischen Gebiete! Dorthin hat es der Römer nie geschafft, quasi uneinnehmbares Gebiet, wehrhafte Kolonnen! Alles westelbische ist Römerland, besiegt und kolonialisiert. Fürs westrheinische gilt dies umso mehr.
;-))
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arvito
01.12.2004, 19:20
@ Taktiker
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Re: Rheinländer sind doch Römer-Nachkommen |
-->>Wenn es einen heldenhaften Landstrich in Deutschland gibt, dann sind dies die ostelbischen Gebiete! Dorthin hat es der Römer nie geschafft, quasi uneinnehmbares Gebiet, wehrhafte Kolonnen! Alles westelbische ist Römerland, besiegt und kolonialisiert. Fürs westrheinische gilt dies umso mehr.
>;-))
dafür hat man Kultur geerbt, aber...heldenhaft, dass ich nicht lache [img][/img]
avito
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Euklid
01.12.2004, 19:42
@ arvito
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Re: Rheinländer sind doch Römer-Nachkommen |
-->Ob das die wahren Helden sind die Taktiker meint? [img][/img]
http://autox.nadir.org/archiv/div/ost_elbe.html
Gruß Euklid
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foreveryoung
01.12.2004, 19:51
@ Taktiker
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Re: Was denn, was denn, wer zurückzieht ist feige..... |
-->hallo
da zerreisst's mich als geborenen Berliner ja sogar noch vor dem Zubettgehen vor lauter Sehnsucht
Neee, wat wird einem komisch, ob dieses geballten Berliner Selbstmitleids.[img][/img]
Aber trotzdem: Schön verfasst - lass' dir mal einen PR-Vertrag vom Senat zuschicken.
Jeder Einwohner aus dem letzten Kuhdorf bei Oberunterammergau ist stolz auf seinen Ort - aber solch ein Gesülze, lieber taktiker, das schreit schon nachem Therapeuten. Aber jedem halt das Seine, und wie gut, dass die Geschmäcker verschieden sind.
Macht's gut in Eurem Moloch, der auch nur, wie jeder andere Moloch auch, daherkommmt! Mit schönen und miesen Ecken und Kanten.
allen gute Geschäfte
A.W.
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JoBar
01.12.2004, 21:04
@ prinz_eisenherz
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Re: Lass uns mal an die eigene Nase fassen, ein Versuch von mir.... |
-->>Hallo JoBär,
Hallo Feuerlöscher
J
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JoBar
01.12.2004, 21:11
@ JoBar
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Wegen des großen Anklangs:"Angekommen in Berlin" - Nein, es ist nicht Euklid ;) |
-->Donnerstag, 02. Dezember 2004
Glosse
Angekommen
Gestern morgen hat er Bett und Tisch, Käsereibe und Eierbecher in einen Laster geladen. Am Abend hat er sich auf den Weg gemacht aus der badischen Kleinstadt nach Berlin. Hat Hessen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg durchquert. Hat im Morgengrauen Berlin erreicht, sich verfahren, nach dem Weg gefragt, sich vorgetastet zur neuen Wohnung. War nach elf Stunden Fahrt endlich da.
Die Freunde zum Ausladen waren auch da. Und die Polizei: Nein, so dürfe der Lkw nicht stehen, mit der Schnauze einen halben Meter in die in breite, kaum befahrene Straße. Aber er sei die ganze Nacht gefahren, sagt er, entladen müsse er, wo und wann, wenn nicht hier und jetzt? In zwei Stunden muss der Wagen zurück zur Vermietung, die Freunde zurück zur Arbeit. In Baden-Württemberg könne er machen, was er wolle, sagen die Beamten. In Berlin nicht. Er hat dann einen anderen Platz zum Ausladen in der Nähe gefunden. Reiner Zufall.
Am liebsten wäre er wieder zurück gefahren. Nach Baden-Württemberg.
Er darf da nicht wirklich machen, was er will. Aber er darf zumindest in Ruhe verladen.
...
<hr>
[b]Tja, so sind die Berliner - und so werden auch die Zuzügler:(
J
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prinz_eisenherz
01.12.2004, 22:33
@ JoBar
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Ich kann mich noch genau erinnern, du warst doch..... |
-->.....der, der uns allen anderen immer die schönsten Mädels ausgespannt hatte, oder etwa nicht?
Welche hast du denn zu guter letzt genommen?
Ist es wie beim Tucholsky ausgegangen:"Eigentlich wollte er immer eine lange dünne und bekommen hat er eine.....
Oder warst du das, der kiezbekannte Einzelkämpfer, der mit einer Mundharmonika und dem Schild"Ich bin blind" um den Hals, am S- Bahnhof Gesundbrunnen die alten Damen zum Weinen gebracht hat?
Einer von den beiden warst du, kann gar nicht anders sein.
Suches es dir aus.
Ich weiß genau wofür du dich entscheiden wirst.
Ich schreibe es jedoch nicht.
Um 1970 konnte ich deinen Spuren nicht mehr richtig folgen, weil ich wie ein begaster Pudel den Kuhdamm rauf und runter gerannt bin, mit Rainer Langhans Arm in Arm, lauthals blöcken:"Hey Leute, kommt runter vom Balkon und helft dem Vietcong".
Mist, wie schreibt man den nochmal gleich Vietko.., nee falsch, Vietco.., sieht blöd aus, egal, Rinderwahnsinn ist ein wahrer Labsahl für einen über fünfzigjährigen Mann.
Besser als Sex oder die Verdauung.
alles Gute
eisenherz, der Straßenköter
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bernor
01.12.2004, 23:14
@ Taktiker
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Arminius im märkischen Sand? |
-->Hi Taktiker,
Wenn es einen heldenhaften Landstrich in Deutschland gibt, dann sind dies die ostelbischen Gebiete! Dorthin hat es der Römer nie geschafft,
Das ist richtig (von einem Erkundungstrupp vielleicht mal abgesehen) - nur: wo bleibt dann das Heldenhafte, wenn es sich nie beweisen mußte? Und warum wohl haben es die Römer nicht (mehr) bis dorthin geschafft?
quasi uneinnehmbares Gebiet, wehrhafte Kolonnen!
Hoffentlich richtig geraten: weil das wehrhafte und letztendlich uneinnehmbare Gebiet viel weiter westlich lag - im heutigen Westfalen und angrenzenden Niedersachsen, wo die Stämme der Cherusker, Sugambrer, Marser, Brukterer u.a. unter Arminius (das war sein römischer Name - germanisch könnte er"Siegfried" oder so geheißen haben) die Römer mehrmals(!) besiegten bzw. ihnen so schwere Verluste zufügten, daß die Römer das (Rück-)Eroberungsprogramm (unter Germanicus, 15 -16 n.Chr.) abbrachen.
Arminius starb schließlich durch die Hand eines 'Hagen', nicht durch Römer.
Und die Brukterer z.B. gibt's immer noch - heißen heute Münsterländer.
Und über die lernt auch Baldur hoffentlich noch etwas dazu: Wir sind weder"Fischköppe" noch"kölsch" und auch, trotz einiger Schalke-Fans, nicht im Ruhrgebiet ansässig (also bitte mindestens eine Sechsteilung - mal sehen, wer sich sonst noch meldet...[img][/img] )
Alles westelbische ist Römerland, besiegt und kolonialisiert.
Besiedelt von Leuten, von denen später viele ostwärts zogen, um dortige Länder zu besiegen und zu kolonisieren - woher kamen sonst die Vorfahren der Berliner & Brandenburger, außer von den Slawen... die wiederum die nach der Völker-"Wanderung" verbliebenen römerzeitlichen Ost-Germanen unterworfen bzw. assimiliert hatten?
Die wiederum gegen die Römer in einem auch für damalige Verhältnisse dünnbesiedelten Gebiet und ohne Rückzugsgebiete wie größere Urwälder und Moore kaum eine Chance gehabt hätten - wenn die Römer es denn überhaupt gewollt hätten, ein derartiges, ökonomisch offenbar unattraktives Gebiet (viel Sand - und noch kein Kartoffelanbau!) zu erobern.
Gruß bernor
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Taktiker
02.12.2004, 08:50
@ bernor
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Hermannsdenkmal |
-->Hallo Bernor,
Unser Arminius, der den Varus schlug, das war doch der"Hermann", der sogar ein eigenes Denkmal bekam, welches heute dahingammelt, weil die Inschriften wie folgt lauten:
auf dem Schwert:
"Deutsche Einigkeit meine Stärke, meine Stärke Deutschlands Macht"
auf dem Sockel:
"An Arminius
Über den Rhein hast du einst Roms Legionen getrieben, und Germanien dankt dir, dass es heute noch ist. Schwinge ferner dein Schwert, wenn Frankreichs plündernde Horden gierig lechzend des Rheins heimische Gauen bedrohn."
Das ist heute natürlich offiziell absolut unkorrekt.
Viele Grüße
vom Taktiker
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