-->Hallo Forumsgemeinde,
bei einer Diskussion an anderer Stelle fiel mir mal wieder auf, wie wichtig die Grundlagen sind, von denen aus man die wirtschaftlichen Abläufe zu erfassen versucht. Die Axiome unserer Mainstream-Oekonomie sind nur schwer zu kippen.
Vor einiger Zeit wurde mal die Arbeit von R. Bernbeck"Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise" hier im Forum erwähnt (dottore). Da ich mal annehme, daß sich nicht jeder durch dieses Buch geschmökert hat, kommt hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, so wie ich den Bernbeck (B.) gelesen und verstanden habe.
In einigen, weniger wichtigen Betrachtungen weiche ich von B. ab, ohne sie extra zu benennen. Bei größeren, wesentlichen Abweichungen hebe ich diese hervor.
Und nun viel Spaß beim Lesen!
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1. [16]“Die Betrachtung der Organisation der Produktion und Konsumtion ist die Basis für die Analyse der Ã-konomie.“, so Bernbeck. [19ff]Für seine Analyse benutzt B. einen marxistischen Ansatz, indem er zur Beschreibung seines Untersuchungsgegenstandes die Marx’sche Terminologie verwendet, also die jeweilige spezifische Struktur, Produktionsweise (Pw) genannt, welche unterteilt ist in die Produktionsverhältnisse (Pv; Verteilungs- und Konsumtionsmechanismen zur Reproduktion) und die Produktivkräfte (Pk), die sich zusammensetzen aus den Arbeitskräften (Ak; Produzenten) und den Produktionsmitteln (Pm), welche Arbeitsgegenstände (Produkte) und die Arbeitsmittel (Dinge zur Herstellung der Produkte) beinhalten.
Die von Marx gewählten Begriffe zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes sind sinnvoll. Dagegen ist nichts zu sagen! B.’s wissenschaftliche Methode ist auch bei Verwendung eines marxistischen Ansatzes korrekt.
Die häusliche Produktionsweise
Chronologische Einordnung: Neolithikum (Jungsteinzeit), ca. 9000 - 7000 BC (vorkeramische Epoche) bis ca. 5000 - 4500 BC (keramisches Neolithikum)
2. [28ff]Mit häuslicher Produktionsweise (HPw) wird ein spezifisches oekonomisches System beschrieben, dessen Hauptmerkmal die Identität der Produktionseinheit (PE; der Haushalt, im weiteren Sinne das Dorf) mit der Konsumtionseinheit (KE; die Verbraucher) ist. D.h., daß alle von einem Haushalt hergestellten Produkte, einschließlich der Pm, auch und nur von diesen konsumiert werden. Eine Verteilung der Produkte erfolgt nur innerhalb des Haushalts und wird durch eine Autorität innerhalb des Haushalts geregelt.
3. [31] Innerhalb der PE (nur Haushalte!) gibt es eine
Aufgabenteilung, d.h. eine temporäre (!) Ausübung bestimmter Arbeiten innerhalb des Haushalts, welche nicht an die jeweils ausführende Person gebunden ist, aber an einen bestimmten gesellschaftlichen Status geknüpft sein kann (nach Alter oder Geschlecht). Die Aufgabenteilung darf nicht mit einer Spezialisierung verwechselt werden, denn diese bezeichnet die dauerhafte, also nicht temporäre, Bindung von Produzenten an die Herstellung eines bestimmten Produktes.
4. Ein weiteres wichtiges Merkmal der HPw ist die Menge der produzierten Güter: [34]Es werden nur die für die Subsistenz auf niedrigem Bedarfsniveau notwendigen Güter produziert (inklusive Vorratshaltung und ein Anteil zur Risikominderung?), mehr nicht! [36f]Die zu verrichtende Arbeit ist nur an der Herstellung der Subsistenzgüter orientiert, d.h. auf die zum Überleben notwendigen Güter und Mengen derselben. Nach Erreichung des Subsistenzniveaus wird die Produktion eingestellt!! [38]Die auf der HPw basierende Gesellschaft stellt keinen Mehrwert her, sondern die Produktion richtet sich nach dem Konsumtionsniveau. („Chayanov’s Rule“, ChR)
5. [81ff]Innerhalb der HPw werden begrenzte Risiken, die zu Krisen bei der
Subsistenzmittelproduktion führen, akzeptiert, da Auswege aus einer solchen Krisensituation und Mechanismen zur Wiederherstellung der alten, gewohnten Ordnung gegeben sind. Den Kern dieser Mechanismen bilden starke soziale Bindungen und gegenseitige, sowohl innerdörfliche als auch interdörfliche, Abhängigkeiten. Bevor jedoch diese sozialen Bindungen und Abhängigkeiten in Anspruch genommen, also Koalitionen gebildet werden, wird zunächst mit der Senkung des Konsumtionsniveaus, bis hin zum Ausfallenlassen von Festen mit aufwendigen zeremoniellen Kulten und/oder dem Verschieben von Hochzeiten, sowie dem Ausweichen auf andere Subsistenzmittel durch Jagen und Sammeln von [87ff] „famine-foods“ (Subsistenzmittel, die normalerweise nicht konsumiert werden) reagiert.
Im größeren Risikofall, wie dies bei Überschwemmungen, die bei [76]großen Unwettern ganze Böden wegtragen, der Fall ist, bietet die [88]zeitweilige oder vollständige Abwanderung eine ultimative Problemlösung.
6. [38]Auf Krisen wird mit der Senkung des Konsumtionsniveaus und/oder der Erhöhung der Arbeitsintensität reagiert. Dauern Krisen längere Zeit an, kommt es zu Koalitionen zwischen Haushalten und sogar zwischen Dörfern. Sind die Bedingungen hingegen gut und stehen viele Arbeitskräfte zur Verfügung, wird die Arbeitsintensität gesenkt. Daraus folgt, dass eine Störung oder Auflösung der Gesellschaftsstruktur durch eine einseitige Steigerung der Arbeitsproduktivität ausgeschlossen ist!
7. [41]Die Haushalte und Dörfer sind wirtschaftlich relativ unabhängig. Regionale Interaktionen zu anderen Dörfern dienen nur der primären (biologischen) Reproduktion und sind zur Aufrechterhaltung der Pw kaum notwendig. [49]Die sich in Krisenzeiten bildenden innerdörflichen Koalitionen stärken die wirtschaftliche Situation, was aber eine Abnahme, und keine Zunahme, der Produktivität zur Folge hat (ChR)! Diese Abnahme der Produktivität wirkt sich wiederum negativ auf die Koalitionen aus, d.h. bewirkt ihre Auflösung. Somit entstehen über längere Zeit sehr stabile Zyklen der Haushaltsentwicklung. Die flexiblen Koalitionsmechanismen zwischen den Haushalten sind der Grund für die Jahrtausende währende Stabilität der HPw.
8. [36f]In der Zeit der HPw war die zur Produktion der Subsistenz erforderliche Arbeitszeit weder knapp noch reichlich, da nur solange gearbeitet wurde, bis das Produkt in einer zur Subsistenz ausreichenden Menge hergestellt war.
9. [301f]Gleiches gilt für den Boden als Arbeitsmittel. Land, also Boden für den Regenfeldbau, war nicht knapp! Es war praktisch unbegrenzt nutzbar, wodurch sich auch keinerlei Notwendigkeit ergab, Regelungen zur Vererbung oder zu Eigentumsrechten zu treffen.
10. [34]Da jeder Haushalt alles zur eigenen Subsistenz Notwendige
selbst produziert, ist ein Austausch oder gar Handel von Produkten nicht notwendig und findet daher auch nicht statt. Somit gibt es auch keine allgemeine materielle Äquivalente.
11. [35f]Die durchschnittliche Größe der Dörfer mit HPw betrug dem archäologischen Befund nach ca. 0,8 ha. Es kann davon ausgegangen werden, daß größere Dörfer von der HPw abweichende Verteilungs- und Konsumtionsmechanismen aufwiesen.
12. [35f]In den mit HPw lebenden Stammfamilien (ca. 6-8 pro Dorf) begrenzen Loyalitäts- und Autoritätskonflikte die Anzahl der Familienmitglieder pro Haushalt auf max. 20 Personen, da die Sozialstruktur der Großfamilie ein höheres Konfliktpotential als die in kleineren Stammfamilien beinhaltet.
Die tributäre Produktionsweise
Chronologische Einordnung: Chalkolithikum (Kupfersteinzeit), ca. 4500 - 3300 BC (Kupferverhüttung und -verarbeitung)
13. [50f]Tribut im hier verwendeten Sinne meint eine Abgabe, also die Übertragung eines Produktes vom Produzenten an eine übergeordnete Institution zu deren Konsumtion. Die übergeordnete, den Tribut empfangende Institution ist nicht an der Produktion der übertragenen Produkte beteiligt.
14. [51]Der von den Produzenten zu übertragende Tribut wird von diesen aus einer Mehr-Produktion geleistet, welche zusätzlich zum subsistenzsichernden Eigenbedarf (Konsumtionsniveau) hergestellt wird. Tributleistende Haushalte mit Mehr-Produktion sind überproduzierende Haushalte.
15. [55]Die das Mehr-Produkt, den Tibut, empfangenden Haushalte produzieren unterhalb ihres Konsumtionsniveaus oder gar nicht und sind unterproduzierende Haushalte.
16. [56]Zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Konsumtionsniveaus (nicht das eines Haushalts) wird die Minderproduktion der unterproduzierenden Haushalte durch einen gleich großen oder größeren Überschuß (Surplus) der tributpflichtigen und überproduzierenden Haushalte ausgeglichen.
17. [51f]In der Anfangsphase der TPw erfolgte keine direkte Redistribution (Rückverteilung) des Tributs. Der Tribut wurde zunächst nur an Unterhäuptlinge (Tributeintreiber) und Krieger verteilt. Soziale Schichten, Kasten entstanden. Eine indirekte Redistribution (Asymmetrie) wird von den tributempfangenden Haushalten zur Organisation der Verteidigung und der Risikominderung bei Missernten geleistet.
18. [56]Im Bestreben der nicht oder nur teilweise subsistenten Haushalte, ihre Minderproduktion zu senken bzw. zu stabilisieren, tendieren diese Haushalte zur Ausweitung bzw. Vergrößerung des vereinnahmten Tributs. [53]Da zur Festigung der Macht der Tributerhebung die tributeintreibenden Kasten beständig wachsen, ist die stetige Vergrößerung des Tributs auch notwendig. Erstmals werden Privilegien verteilt, an Adlige, Vasallen, Ritter, Unterhäuptlinge usw. Die Loyalitätssicherung dieser Kasten erfolgt über die Zuteilung von materiellen Mitteln aus dem Tribut.
19. [56]Steigende Tribute und die Macht zur Tributerhebung bedingen sich gegenseitig. Auf die steigenden Tribute reagieren die tributpflichtigen Haushalte mit einer Intensivierung der Arbeit und/oder einer Erhöhung der Effektivität der Arbeit. Was B. nicht gesondert hervorhebt, sind die zur Steigerung der Arbeitsproduktivität notwendigen Innovationen bei den Pm (Arbeitsmittel UND Arbeitsgegenstände). (@nereus: Vielleicht erinnerst Du Dich an unsere Diskussion zu Innovationen? Hier: http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/246627.htm)
20. Da der Produktivitätssteigerung Grenzen gesetzt sind, tendieren Systeme mit TPw zwingend zur territorialen Expansion mit dem Ziel der Vereinnahmung weiterer subsistenzproduzierender Haushalte bzw. ganzer Dörfer. Die territoriale Expansion erfordert eine dauerhafte und sich ausweitende politische Kontrolle und damit eine Zunahme der unter- bzw. nicht produzierenden Haushalte. In dieser Phase entstehen Verteilungsinstitutionen.
21. Diese, die Verteilungsinstitutionen bildenden unterproduzierenden Haushalte, verlangen zur Aufrechterhaltung ihres Status und ihrer Macht ebenfalls nach Ausweitung des, ihnen zugeteilten, Tributs, was zu weiteren Expansionen und Innovationen führt (!), wegen eines erhöhten Abgabendrucks.
[51]In leichter Abweichung von B. lässt sich also sagen, dass Auslöser des gesellschaftlichen Fortschritts die Entwicklung der Pv ist und nicht die Entstehung neuer Technologien oder gar die Höherentwicklung der Pk, wie Marx meint!
22. Hier eine kurze Weiterführung der Betrachtungen B's: Aus der Notwendigkeit der permanenten Finanzierung der Machterhaltungskosten durch die unterproduzierenden Haushalte erhöhen diese (zu) rasch ihr Konsumtionsniveau. Reicht der produzierte Überschuß zur Deckung der Unterproduktion, gemessen am erhöhten Konsumtionsniveau, nicht aus, so müssen die unterproduzierenden Haushalte dieses Defizit durch die Aufnahme von Schulden ausgleichen. Die Tilgung dieser Schulden führt zwangsläufig zu einer weiteren Erhöhung des zu vereinahmenden Tributs (durch Expansion) und steigendem Innovationsdruck bei den überproduzierenden Haushalten.
Eine weitere praktikable Möglichkeit zur Defizitdeckung ist die terminlich vorgezogene Vereinnahmung des Tributs, was einer einfachen Tribut- (Steuer-)erhöhung gleichkommt. Aus dieser terminlichen Vorziehung resultiert die Zinsentstehung (und die Änderung der Zeitpräferenzen bei den überproduzierenden Haushalten, von denen Hoppe schreibt -> http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/246627.htm).
23. In der TPw ist der Risikoanteil der Produktion Teil des Tibuts. [58]Somit geraten die produzierenden Haushalte im Risikofall in Abhängigkeit von der Redistribution (Rückverteilung) aus dem von der Verteilerinstitution zentral gelagertem Tribut. [57]Für diese Risikoabsicherung, welche als Vorschuß (!) geleistet wird, erwartet/fordert die rückverteilende Institution eine Gegenleistung in Form von Gütern. Risikobetroffene Haushalte stecken also Arbeitszeit in die Produktion von Gütern. Diese Güter stellen erstmals Äquivalente zu (den rückverteilten) Subsistenzmitteln dar.
Reine Güteräquivalente gibt es in dieser Anfangsphase der TPw noch nicht!
24. Reine Güteräquivalente zwischen nicht subsistenznotwendigen Gütern entstehen erst, wenn die Spezialisierung ein Niveau erreicht hat, das den zeitgleichen (!) Austausch nichtidentischer (!) Objekte erforderlich macht. Dabei wird das Niveau der Austauschrelationen zwischen nicht subsistenzfähigen Gütern durch das Verhältnis der die Subsistenzmittel erlangenden (austauschbaren) Güter zu eben jenen Subsistenzmitteln bestimmt. Somit ergeben sich erstmals oekonomisch meßbare Güterwerte!
25. [60]B. stellt zwar fest, daß ein Tausch Güter - Subsistenzmittel dem Anschein nach nur zwischen unterproduzierenden Haushalten stattfindet, benennt aber die Art der Güter nicht. Da die Güter keine Subsistenzmittel sind, von den tributempfangenden Haushalten aber abgefordert und somit für diese einen Wert haben müssen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um Mittel zur Machterhaltung und -ausdehnung. Waffen! (Kupfer, Bronze)
26. [61]Zur Überwindung einer kritischen oekonomischen Situation erhöhen die risikobetroffenen Haushalte die Güterproduktion, was eine Verringerung der auf die Subsistenzmittelproduktion verwandte Zeit und eine Erhöhung der Minderproduktion zur Folge hat. Dadurch nimmt die Abhängigkeit von den rückverteilten Vorschüssen (!) an Subsistenzmitteln aus dem Tribut zu. Dieser Ablauf zeigt erstmals eine Vorfinanzierung der Güterproduktion! Insbesonder Schmiede (Waffen!!) erhalten einen jährlichen Betrag an Korn und Fleisch.
27. Erreicht die auf die Produktion von Gütern verwandte Arbeitszeit ein Jahr, womit der Produzent vollständig vom landwirtschaftlichen Produktionsprozeß entkoppelt ist, so ist der jährliche Güterausstoß nicht weiter zu steigern. Eine Erhöhung der Produktion ist nur durch Innovation und Rationanlisierung möglich. Dies geschieht zuerst durch Spezialisierung auf bestimmte Arbeitsschritte.
28. [62]Spezialisierung bedeutet Arbeitsteilung. Diese erfordert eine dauerhafte und komplexe Kooperation zwischen den Produzenten. Zur Aufrechterhaltung und Organisation dieser Kooperationen ist ein großes, regionales Netzwerk an überschußproduzierenden Haushalten notwendig. Tributeintreibung und -verteilung sowie Organisation und Kontrolle der Güterproduktion sind ohne eine politische Kontrolle und politische Strukturen undenkbar.
29. [70]Die Entstehung politischer Stukturen und Institutionen vergrößert die Anzahl der nicht- bzw. unterproduzierenden Haushalte. Dies zieht eine Erhöhung der Anzahl überproduzierender Haushalte und/oder eine Erhöhung der Effektivität der Subsistenzmittelproduktion zwingend nach sich. Hierin liegt eine der Ursachen für die zunächst zu beobachtende regionale Bevölkerungskonzentration und spätere territoriale Expansion!
30. [71]Durch die permanente Vergrößerung des tributären Systems (Erhöhung der Anzahl der angegliederten Haushalte) sinken die Risiken sowohl der primären als auch der sekundären Reproduktion. Die Risikominderung der subsistenzunterproduzierenden Haushalte lässt ihre Anzahl ständig steigen. Dies alles, d.h. die Senkung der Reproduktionsrisiken, lässt die Größe der systemerhaltenden Institutionen anwachsen und erhöht die Abhängigkeit aller Haushalte von der tributempfangenden Zentralgewalt. Der flexible, risikomindernde Mechanismus der temporären Koalitionsbildung in der HPw wird durch die Organisation der Verteilung durch eine zentrale Institution in der TPw verdrängt (!), und nicht, wie B. meint, zugunsten derselben Zielsetzung, nämlich Risikominderung, aufgegeben. Die Minderung der Reproduktionsrisiken aller (!) Haushalte durch eine zentrale Verteilerinstitution dient einzig und allein der Erhaltung der Macht der tributempfangenden Haushalte!
31. [88]Die zentralen Institutionen legen zur Risikominderung Vorräte an und garantieren so in Notlagen eine ausreichende Redistribution. Jene Institutionen werden allein zu diesem Zweck geschaffen und nehmen zunehmend den Charakter allgemein politischer Ämter an. [70]Aus diesen Ämtern etabliert sich bald (nach der Phase der Häuptlingstümer!) eine „politische Macht, die das wirtschaftliche System auch mit Gewalt aufrechterhalten kann, nämlich zum Staat.“
Hier berührt B. einen Punkt, dessen nicht tiefere Betrachtung ein fatales Versäumnis darstellt und am Ende seiner Arbeit zu falschen Ergebnissen führt. B. weist darauf hin, daß es in Häuptlingstümern noch keine zentralen Institutionen gibt, die Sanktionen und Strafen verhängen. Ungeklärt bleibt dabei der Mechanismus, der die Tributerhebung und somit erstmalige Überschußproduktion überhaupt erst möglich macht.
32. [243ff]So erstaunt es nicht, daß B. das Aufkommen von zwischendörflicher Gewalt als [246]Folge (!) der sich wandelnden Pw begreift, anstatt umgekehrt die oekonomischen Hintergründe, nämlich Unterproduktion im Risikofall, für die anfangs offene, später strukturelle Gewalt als Ursache für die Entstehung der TPw zu sehen.
Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise und
der Übergang zur tributären Produktionsweise
33. [23]Beim Übergang von der HPw zur TPw handelt es sich nicht um eine Änderung innerhalb der oekonomischen Struktur, sondern um eine Änderung der Struktur selbst. [12] Solche Änderungen der oekonomischen Struktur und damit des gesellschaftlichen Systems geschehen nur nach dem Eintreten von externen (!) Einflüssen, da die menschliche Gesellschaft auf den Erhalt des gegenwärtigen Systemzustandes bedacht ist.
34. [11f]Der jeweils aktuelle Systemzustand einer Gesellschaft stellt eine Anpassung an ihre Umwelt, also Natur und benachbarte Gesellschaften, dar. Auslöser für notwendige Anpassungsprozesse sind Störungen in der Umwelt. Diese Störungen können Naturkatastrophen oder Konkurrenzsituationen sein. Ziel von Anpassungsprozessen ist die Wiederherstellung der eigenen Existenzsicherung, wobei zunächst die Erhaltung der alten Systemstruktur versucht wird.
35. Bei erheblicher Schwere der externen Einflüsse (überregionale Katastrophen oder anhaltende Konkurrenz) kommt es jedoch zu irreversiblen Reaktionen und einer Änderung der Systemstruktur.
Welches externe (!!) Ereignis nun zum Übergang von der HPw zur TPw führte, konnte von B. nicht überzeugend dargestellt werden.
36. [323ff]Ausgehend von Tschajanow (ChR) zeigt B. die Unmöglichkeit des Wechsels vom Regenfeldbau zum Bewässerungsfeldbau, welcher die für eine Überschußproduktion entscheidende Innovation im späten Neolithikum darstellt. Diese Unmöglichkeit ergibt sich nach ChR aus dem Empfinden einer expotentiell ansteigenden Arbeitslast (Mises spricht hier von Arbeitsleid) bei sinkendem Grenznutzen! Eine Produktion über das Subsistenzniveau hinaus wird deswegen als nicht lohnend empfunden und nicht geleistet! Eine mögliche Senkung der Arbeitslast bei gleichzeitiger Steigerung der Erträge greift hier nicht, da die Stammfamilien in der HPw einem Zyklus unterliegen. In Risikojahren würde sich beim Bewässerungsfeldbau eine höhere Arbeitslast als in Normaljahren beim Regenfeldbau ergeben. Somit lohnt der Bewässerungsfeldbau bei den Sozialstrukturen der HPw nicht, zumal bereits ausreichende risikomindernde Mechanismen etabliert sind.
Eine eventuelle Produktivitätssteigerung und damit einhergehende Senkung der Arbeitslast bei Einführung des Bewässerungsfeldbaus darf keineswegs als gesichert vorausgesetzt werden! Denn die Art der Wasserzufuhr, die Topographie (notwendige Nivellierung der Äcker) und die Notwendigkeit der ganzjährigen Unterhaltung der Bewässerungskanäle erhöhen (!) die Arbeitslast. Diese erhöhte Arbeitslast verhindert die Einführung der Innovation des Bewässerungsfeldbaus während der Phase der HPw!!
37. [261]Zwei weiter Innovationen kamen in den späten Dörfern des Hassuna-Horizontes (HPw) nicht zur Anwendung: die Drehscheibe bei der Keramikherstellung und der Pflug. Obwohl die Drehscheibe als produktivitässteigendes Arbeitsmittel aus den zeitgleichen Dörfern des Samarra-Horizontes (beginnende TPw) bekannt war, wurde damit der Produktionsprozeß der Keramikherstellung nicht rationalisiert. Es bestand einfach kein Bedarf (besser: keine Notwendigkeit) zur Rationalisierung. [123]Beschädigte Keramik wurde geflickt und nicht aus einer laufenden Produktion ersetzt, wie dies bei einer kontinuierlichen Produktion mit einer Drehscheibe zu erwarten wäre.
[278]Ebenso ist die Verwendung des Pfluges ab der Samarra-Zeit sehr wahrscheinlich, da dort auch erstmals Bewässerung nachgewiesen wurde.
38. [343]Am Ende seines Werkes schreibt B.: „Antworten darauf, warum die häusliche Produktionsweise in eine neue Produktionsweise überging, sind nur schwer zu finden. Denn es handelt sich bei dieser wirtschaftlichen Organisationsform um Gebilde, die nicht so schnell aus dem Gleichgewicht zu bringen sind (...). Die hier vorgenommene Interpretation der archäologischen Evidenz schließt monokausale Ansätze, bei denen etwa Bevölkerungsdruck oder Klimaverschlechterungen der Auslöser für Veränderungen sind, aus.“ Sodann benennt B. drei Gegebenheiten, deren zeitgleiches (!) Auftreten für die Auflösung der HPw notwendig sind:
Die erste notwendige, jedoch keineswegs hinreichende Voraussetzung ist eine für Bewässerung günstige Topographie und Hydrographie, in der Bewässerungsfeldbau gegenüber dem Regenfeldbau bei zu geringen Niederschlägen vorteilhaft ist.
Zweite Voraussetzung natürlich die Erfindung der Technologie des Bewässerungsfeldbaus, die allerdings wegen der weniger arbeitsintensiven Subsistenzform wie Jagen, Fischen und Sammeln als Alternative, wie beschrieben, nicht stattfand.
Dritte Voraussetzung zur Entstehung einer neuen Pw ist eine aus Großfamilien bestehende Sozialstruktur, wobei B. keinerlei einleuchtende Begründung für deren Entstehung liefert.
39. So kommt B. zu der nebulösen Schlußfolgerung, die Entstehung der TPw sei „vom Zufall des gleichzeitigen Vorkommens der entsprechenden Produktionsverhältnisse (Großfamilien) und Produktivkräfte (Bewässerungswirtschaft) abhängig.“
Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden! Denn keine (!) der von B. genannten Voraussetzungen stellt ein zur Änderung der Systemstruktur zwingend notwendiges externes (!!) Ereignis dar.
40. Zur Aufspürung dieses externen Ereignisses wäre eine tiefgründigere Untersuchung des für die [182]Samarra-Zeit archäologisch nachgewiesenen wehrhaften Charakters der Dörfer wünschenswert gewesen. Deren umgebende Gräben und große Mauern sowie einige verhältnismäßig stark befestigte Gebäude lassen auf eine nicht eben friedliche Umgebung schließen. ‚Nicht friedlich’ bedeutet interdörfliche (man beklaut ja den Nachbarn nicht) Überfälle und Raub von Subsistenzmitteln. Finden diese Raubzüge nun regelmäßig (wahrscheinlich jährlich) statt, so stellen diese bei den beraubten Dörfern das ausreichend schwere externe Ereignis dar, welches zu Überschußproduktion und somit zur Entstehung der neuen, nämlich tributären, Pw führt.
Die Unsichtbarkeit dieses Ablaufs bei B. hat ihn zu der falschen Schlußfolgerung, die eine Umkehrung der Kausalität ist, geführt.
41. Denn erst der Zwang zur jährlichen Tributleistung läßt die PE eine erhöhte Arbeitslast tragen (!) und einen Überschuß produzieren. Erst ab dieser Phase entstehen in den PE Großfamilien, da diese risikomindernd wirken! So erstaunt es nicht, daß [316] Großfamilien zur Samarra-, und nicht schon zur Hassuna-Zeit, im mittleren Mesopotamien zum ersten Mal regional belegt sind. Das Bestreben zur Senkung der Arbeitslast läßt dann zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, wie [343]bisherige archäologische Dokumentationen belegen, die Bewässerungswirtschaft aufkommen.
42. Bleibt abschließend die Frage zu klären, ob die tributpflichtigen oder die tributempfangenden Haushalte/Dörfer die Verteidigung- und Befestigungsanlagen, welche ab der Samarra-Zeit gefunden wurden, errichtet haben. Es liegt die Vermutung nahe, daß es die tributempfangenden Haushalte/Dörfer waren, und zwar aus Angst vor Rache und der Befürchtung, selbst Opfer von Raub zu werden, sowie zum Schutz der erzwungenen und angehäuften Vorräte.
43. Schlußbemerkung:
Da der marxistische und evolutionstheoretische Ansatz der B.-schen Untersuchung heftig kritisiert wurde, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß B. die [344]Marx’sche These, daß sich die Pk schneller als die Pv entwickeln für die Entstehung der Samarra-Gesellschaften und damit der TPw NICHT gelten läßt!
Erkenntnisse:
Die Haupterkenntnis, die ich aus B.’s Werk ziehe, ist, obwohl B. zu gänzlich anderen Schlußfolgerungen kommt, die Unmöglichkeit der Auflösung der HPw aus ihrem Inneren heraus. Dies schließt die Unmöglichkeit von die Pw umwälzenden Innovationen und damit einer „Höherentwicklung“ der Pk und Pv in einem evolutionären Prozeß ein! So sind nicht steigende Bedürfnisse der Produzenten der Beginn der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern die plötzlich erscheinende, von außen (!) kommende Pflicht zur Tributlieferung!
Auch widerlegen die von B. beschriebenen Zustände und Abläufe während der HPw die These von der Entstehung des Handels von nicht subsistenznotwendigen Gütern aus dem Bestreben nach Senkung der Arbeitslast oder gar aus steigenden materiellen oder sonstwelchen Bedürfnissen, da dies zwingend Überschußproduktion voraussetzen würde; der Handel jedoch, wie gezeigt, zwischen unterproduzierenden (!) Haushalten startet!!
Sehr wichtig für weiterführende Betrachtungen ist die Erkenntnis, daß sich der Wertmaßstab des Äquivalenzniveaus zwischen Nicht Substistenzgütern auf Subsistenzgüter (!) und nicht auf ein erfundenes oder vereinbartes Tauscherleichterungsmittel bezieht!!!
Einer Erleuchtung gleich kam mir die Darstellung des erstmaligen Ablaufs der Produktion nicht subsistenznotwendiger Güter, welcher erst NACH erfolgter Redistribution von Subsistenzmitteln erscheint und somit eine Art Vorfinanzierung (!) der Produktion von Gütern darstellt.
Dank für’s Lesen.
Ergänzungen, Kritik usw. sind willkommen.
Herzliche Grüße in die Runde, <font color=#008000>Zandow</font>
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-->>Hallo Forumsgemeinde,
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>bei einer Diskussion an anderer Stelle fiel mir mal wieder auf, wie wichtig die Grundlagen sind, von denen aus man die wirtschaftlichen Abläufe zu erfassen versucht. Die Axiome unserer Mainstream-Oekonomie sind nur schwer zu kippen.
>Vor einiger Zeit wurde mal die Arbeit von R. Bernbeck"Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise" hier im Forum erwähnt (dottore). Da ich mal annehme, daß sich nicht jeder durch dieses Buch geschmökert hat, kommt hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, so wie ich den Bernbeck (B.) gelesen und verstanden habe.
>In einigen, weniger wichtigen Betrachtungen weiche ich von B. ab, ohne sie extra zu benennen. Bei größeren, wesentlichen Abweichungen hebe ich diese hervor.
>Und nun viel Spaß beim Lesen!
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>1. [16]“Die Betrachtung der Organisation der Produktion und Konsumtion ist die Basis für die Analyse der Ã-konomie.“, so Bernbeck. [19ff]Für seine Analyse benutzt B. einen marxistischen Ansatz, indem er zur Beschreibung seines Untersuchungsgegenstandes die Marx’sche Terminologie verwendet, also die jeweilige spezifische Struktur, Produktionsweise (Pw) genannt, welche unterteilt ist in die Produktionsverhältnisse (Pv; Verteilungs- und Konsumtionsmechanismen zur Reproduktion) und die Produktivkräfte (Pk), die sich zusammensetzen aus den Arbeitskräften (Ak; Produzenten) und den Produktionsmitteln (Pm), welche Arbeitsgegenstände (Produkte) und die Arbeitsmittel (Dinge zur Herstellung der Produkte) beinhalten.
>Die von Marx gewählten Begriffe zur Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes sind sinnvoll. Dagegen ist nichts zu sagen! B.’s wissenschaftliche Methode ist auch bei Verwendung eines marxistischen Ansatzes korrekt.
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>Die häusliche Produktionsweise
>Chronologische Einordnung: Neolithikum (Jungsteinzeit), ca. 9000 - 7000 BC (vorkeramische Epoche) bis ca. 5000 - 4500 BC (keramisches Neolithikum)
>2. [28ff]Mit häuslicher Produktionsweise (HPw) wird ein spezifisches oekonomisches System beschrieben, dessen Hauptmerkmal die Identität der Produktionseinheit (PE; der Haushalt, im weiteren Sinne das Dorf) mit der Konsumtionseinheit (KE; die Verbraucher) ist. D.h., daß alle von einem Haushalt hergestellten Produkte, einschließlich der Pm, auch und nur von diesen konsumiert werden. Eine Verteilung der Produkte erfolgt nur innerhalb des Haushalts und wird durch eine Autorität innerhalb des Haushalts geregelt.
>3. [31] Innerhalb der PE (nur Haushalte!) gibt es eine > Aufgabenteilung, d.h. eine temporäre (!) Ausübung bestimmter Arbeiten innerhalb des Haushalts, welche nicht an die jeweils ausführende Person gebunden ist, aber an einen bestimmten gesellschaftlichen Status geknüpft sein kann (nach Alter oder Geschlecht). Die Aufgabenteilung darf nicht mit einer Spezialisierung verwechselt werden, denn diese bezeichnet die dauerhafte, also nicht temporäre, Bindung von Produzenten an die Herstellung eines bestimmten Produktes.
>4. Ein weiteres wichtiges Merkmal der HPw ist die Menge der produzierten Güter: [34]Es werden nur die für die Subsistenz auf niedrigem Bedarfsniveau notwendigen Güter produziert (inklusive Vorratshaltung und ein Anteil zur Risikominderung?), mehr nicht! [36f]Die zu verrichtende Arbeit ist nur an der Herstellung der Subsistenzgüter orientiert, d.h. auf die zum Überleben notwendigen Güter und Mengen derselben. Nach Erreichung des Subsistenzniveaus wird die Produktion eingestellt!! [38]Die auf der HPw basierende Gesellschaft stellt keinen Mehrwert her, sondern die Produktion richtet sich nach dem Konsumtionsniveau. („Chayanov’s Rule“, ChR)
>5. [81ff]Innerhalb der HPw werden begrenzte Risiken, die zu Krisen bei der
>Subsistenzmittelproduktion führen, akzeptiert, da Auswege aus einer solchen Krisensituation und Mechanismen zur Wiederherstellung der alten, gewohnten Ordnung gegeben sind. Den Kern dieser Mechanismen bilden starke soziale Bindungen und gegenseitige, sowohl innerdörfliche als auch interdörfliche, Abhängigkeiten. Bevor jedoch diese sozialen Bindungen und Abhängigkeiten in Anspruch genommen, also Koalitionen gebildet werden, wird zunächst mit der Senkung des Konsumtionsniveaus, bis hin zum Ausfallenlassen von Festen mit aufwendigen zeremoniellen Kulten und/oder dem Verschieben von Hochzeiten, sowie dem Ausweichen auf andere Subsistenzmittel durch Jagen und Sammeln von [87ff] „famine-foods“ (Subsistenzmittel, die normalerweise nicht konsumiert werden) reagiert.
>Im größeren Risikofall, wie dies bei Überschwemmungen, die bei [76]großen Unwettern ganze Böden wegtragen, der Fall ist, bietet die [88]zeitweilige oder vollständige Abwanderung eine ultimative Problemlösung.
>6. [38]Auf Krisen wird mit der Senkung des Konsumtionsniveaus und/oder der Erhöhung der Arbeitsintensität reagiert. Dauern Krisen längere Zeit an, kommt es zu Koalitionen zwischen Haushalten und sogar zwischen Dörfern. Sind die Bedingungen hingegen gut und stehen viele Arbeitskräfte zur Verfügung, wird die Arbeitsintensität gesenkt. Daraus folgt, dass eine Störung oder Auflösung der Gesellschaftsstruktur durch eine einseitige Steigerung der Arbeitsproduktivität ausgeschlossen ist!
>7. [41]Die Haushalte und Dörfer sind wirtschaftlich relativ unabhängig. Regionale Interaktionen zu anderen Dörfern dienen nur der primären (biologischen) Reproduktion und sind zur Aufrechterhaltung der Pw kaum notwendig. [49]Die sich in Krisenzeiten bildenden innerdörflichen Koalitionen stärken die wirtschaftliche Situation, was aber eine Abnahme, und keine Zunahme, der Produktivität zur Folge hat (ChR)! Diese Abnahme der Produktivität wirkt sich wiederum negativ auf die Koalitionen aus, d.h. bewirkt ihre Auflösung. Somit entstehen über längere Zeit sehr stabile Zyklen der Haushaltsentwicklung. Die flexiblen Koalitionsmechanismen zwischen den Haushalten sind der Grund für die Jahrtausende währende Stabilität der HPw.
>8. [36f]In der Zeit der HPw war die zur Produktion der Subsistenz erforderliche Arbeitszeit weder knapp noch reichlich, da nur solange gearbeitet wurde, bis das Produkt in einer zur Subsistenz ausreichenden Menge hergestellt war.
>9. [301f]Gleiches gilt für den Boden als Arbeitsmittel. Land, also Boden für den Regenfeldbau, war nicht knapp! Es war praktisch unbegrenzt nutzbar, wodurch sich auch keinerlei Notwendigkeit ergab, Regelungen zur Vererbung oder zu Eigentumsrechten zu treffen.
>10. [34]Da jeder Haushalt alles zur eigenen Subsistenz Notwendige > selbst produziert, ist ein Austausch oder gar Handel von Produkten nicht notwendig und findet daher auch nicht statt. Somit gibt es auch keine allgemeine materielle Äquivalente.
>11. [35f]Die durchschnittliche Größe der Dörfer mit HPw betrug dem archäologischen Befund nach ca. 0,8 ha. Es kann davon ausgegangen werden, daß größere Dörfer von der HPw abweichende Verteilungs- und Konsumtionsmechanismen aufwiesen.
>12. [35f]In den mit HPw lebenden Stammfamilien (ca. 6-8 pro Dorf) begrenzen Loyalitäts- und Autoritätskonflikte die Anzahl der Familienmitglieder pro Haushalt auf max. 20 Personen, da die Sozialstruktur der Großfamilie ein höheres Konfliktpotential als die in kleineren Stammfamilien beinhaltet.
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>Die tributäre Produktionsweise
>Chronologische Einordnung: Chalkolithikum (Kupfersteinzeit), ca. 4500 - 3300 BC (Kupferverhüttung und -verarbeitung)
>13. [50f]Tribut im hier verwendeten Sinne meint eine Abgabe, also die Übertragung eines Produktes vom Produzenten an eine übergeordnete Institution zu deren Konsumtion. Die übergeordnete, den Tribut empfangende Institution ist nicht an der Produktion der übertragenen Produkte beteiligt.
>14. [51]Der von den Produzenten zu übertragende Tribut wird von diesen aus einer Mehr-Produktion geleistet, welche zusätzlich zum subsistenzsichernden Eigenbedarf (Konsumtionsniveau) hergestellt wird. Tributleistende Haushalte mit Mehr-Produktion sind überproduzierende Haushalte.
>15. [55]Die das Mehr-Produkt, den Tibut, empfangenden Haushalte produzieren unterhalb ihres Konsumtionsniveaus oder gar nicht und sind unterproduzierende Haushalte.
>16. [56]Zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Konsumtionsniveaus (nicht das eines Haushalts) wird die Minderproduktion der unterproduzierenden Haushalte durch einen gleich großen oder größeren Überschuß (Surplus) der tributpflichtigen und überproduzierenden Haushalte ausgeglichen.
>17. [51f]In der Anfangsphase der TPw erfolgte keine direkte Redistribution (Rückverteilung) des Tributs. Der Tribut wurde zunächst nur an Unterhäuptlinge (Tributeintreiber) und Krieger verteilt. Soziale Schichten, Kasten entstanden. Eine indirekte Redistribution (Asymmetrie) wird von den tributempfangenden Haushalten zur Organisation der Verteidigung und der Risikominderung bei Missernten geleistet.
>18. [56]Im Bestreben der nicht oder nur teilweise subsistenten Haushalte, ihre Minderproduktion zu senken bzw. zu stabilisieren, tendieren diese Haushalte zur Ausweitung bzw. Vergrößerung des vereinnahmten Tributs. [53]Da zur Festigung der Macht der Tributerhebung die tributeintreibenden Kasten beständig wachsen, ist die stetige Vergrößerung des Tributs auch notwendig. Erstmals werden Privilegien verteilt, an Adlige, Vasallen, Ritter, Unterhäuptlinge usw. Die Loyalitätssicherung dieser Kasten erfolgt über die Zuteilung von materiellen Mitteln aus dem Tribut.
>19. [56]Steigende Tribute und die Macht zur Tributerhebung bedingen sich gegenseitig. Auf die steigenden Tribute reagieren die tributpflichtigen Haushalte mit einer Intensivierung der Arbeit und/oder einer Erhöhung der Effektivität der Arbeit. Was B. nicht gesondert hervorhebt, sind die zur Steigerung der Arbeitsproduktivität notwendigen Innovationen bei den Pm (Arbeitsmittel UND Arbeitsgegenstände). (@nereus: Vielleicht erinnerst Du Dich an unsere Diskussion zu Innovationen? Hier: http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/246627.htm)
>20. Da der Produktivitätssteigerung Grenzen gesetzt sind, tendieren Systeme mit TPw zwingend zur territorialen Expansion mit dem Ziel der Vereinnahmung weiterer subsistenzproduzierender Haushalte bzw. ganzer Dörfer. Die territoriale Expansion erfordert eine dauerhafte und sich ausweitende politische Kontrolle und damit eine Zunahme der unter- bzw. nicht produzierenden Haushalte. In dieser Phase entstehen Verteilungsinstitutionen.
>
>21. Diese, die Verteilungsinstitutionen bildenden unterproduzierenden Haushalte, verlangen zur Aufrechterhaltung ihres Status und ihrer Macht ebenfalls nach Ausweitung des, ihnen zugeteilten, Tributs, was zu weiteren Expansionen und Innovationen führt (!), wegen eines erhöhten Abgabendrucks.
>[51]In leichter Abweichung von B. lässt sich also sagen, dass Auslöser des gesellschaftlichen Fortschritts die Entwicklung der Pv ist und nicht die Entstehung neuer Technologien oder gar die Höherentwicklung der Pk, wie Marx meint!
>22. Hier eine kurze Weiterführung der Betrachtungen B's: Aus der Notwendigkeit der permanenten Finanzierung der Machterhaltungskosten durch die unterproduzierenden Haushalte erhöhen diese (zu) rasch ihr Konsumtionsniveau. Reicht der produzierte Überschuß zur Deckung der Unterproduktion, gemessen am erhöhten Konsumtionsniveau, nicht aus, so müssen die unterproduzierenden Haushalte dieses Defizit durch die Aufnahme von Schulden ausgleichen. Die Tilgung dieser Schulden führt zwangsläufig zu einer weiteren Erhöhung des zu vereinahmenden Tributs (durch Expansion) und steigendem Innovationsdruck bei den überproduzierenden Haushalten.
>Eine weitere praktikable Möglichkeit zur Defizitdeckung ist die terminlich vorgezogene Vereinnahmung des Tributs, was einer einfachen Tribut- (Steuer-)erhöhung gleichkommt. Aus dieser terminlichen Vorziehung resultiert die Zinsentstehung (und die Änderung der Zeitpräferenzen bei den überproduzierenden Haushalten, von denen Hoppe schreibt -> http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/246627.htm).
>23. In der TPw ist der Risikoanteil der Produktion Teil des Tibuts. [58]Somit geraten die produzierenden Haushalte im Risikofall in Abhängigkeit von der Redistribution (Rückverteilung) aus dem von der Verteilerinstitution zentral gelagertem Tribut. [57]Für diese Risikoabsicherung, welche als Vorschuß (!) geleistet wird, erwartet/fordert die rückverteilende Institution eine Gegenleistung in Form von Gütern. Risikobetroffene Haushalte stecken also Arbeitszeit in die Produktion von Gütern. Diese Güter stellen erstmals Äquivalente zu (den rückverteilten) Subsistenzmitteln dar.
>Reine Güteräquivalente gibt es in dieser Anfangsphase der TPw noch nicht!
>24. Reine Güteräquivalente zwischen nicht subsistenznotwendigen Gütern entstehen erst, wenn die Spezialisierung ein Niveau erreicht hat, das den zeitgleichen (!) Austausch nichtidentischer (!) Objekte erforderlich macht. Dabei wird das Niveau der Austauschrelationen zwischen nicht subsistenzfähigen Gütern durch das Verhältnis der die Subsistenzmittel erlangenden (austauschbaren) Güter zu eben jenen Subsistenzmitteln bestimmt. Somit ergeben sich erstmals oekonomisch meßbare Güterwerte!
>25. [60]B. stellt zwar fest, daß ein Tausch Güter - Subsistenzmittel dem Anschein nach nur zwischen unterproduzierenden Haushalten stattfindet, benennt aber die Art der Güter nicht. Da die Güter keine Subsistenzmittel sind, von den tributempfangenden Haushalten aber abgefordert und somit für diese einen Wert haben müssen, handelt es sich höchstwahrscheinlich um Mittel zur Machterhaltung und -ausdehnung. Waffen! (Kupfer, Bronze)
>26. [61]Zur Überwindung einer kritischen oekonomischen Situation erhöhen die risikobetroffenen Haushalte die Güterproduktion, was eine Verringerung der auf die Subsistenzmittelproduktion verwandte Zeit und eine Erhöhung der Minderproduktion zur Folge hat. Dadurch nimmt die Abhängigkeit von den rückverteilten Vorschüssen (!) an Subsistenzmitteln aus dem Tribut zu. Dieser Ablauf zeigt erstmals eine Vorfinanzierung der Güterproduktion! Insbesonder Schmiede (Waffen!!) erhalten einen jährlichen Betrag an Korn und Fleisch.
>27. Erreicht die auf die Produktion von Gütern verwandte Arbeitszeit ein Jahr, womit der Produzent vollständig vom landwirtschaftlichen Produktionsprozeß entkoppelt ist, so ist der jährliche Güterausstoß nicht weiter zu steigern. Eine Erhöhung der Produktion ist nur durch Innovation und Rationanlisierung möglich. Dies geschieht zuerst durch Spezialisierung auf bestimmte Arbeitsschritte.
>28. [62]Spezialisierung bedeutet Arbeitsteilung. Diese erfordert eine dauerhafte und komplexe Kooperation zwischen den Produzenten. Zur Aufrechterhaltung und Organisation dieser Kooperationen ist ein großes, regionales Netzwerk an überschußproduzierenden Haushalten notwendig. Tributeintreibung und -verteilung sowie Organisation und Kontrolle der Güterproduktion sind ohne eine politische Kontrolle und politische Strukturen undenkbar.
>29. [70]Die Entstehung politischer Stukturen und Institutionen vergrößert die Anzahl der nicht- bzw. unterproduzierenden Haushalte. Dies zieht eine Erhöhung der Anzahl überproduzierender Haushalte und/oder eine Erhöhung der Effektivität der Subsistenzmittelproduktion zwingend nach sich. Hierin liegt eine der Ursachen für die zunächst zu beobachtende regionale Bevölkerungskonzentration und spätere territoriale Expansion!
>30. [71]Durch die permanente Vergrößerung des tributären Systems (Erhöhung der Anzahl der angegliederten Haushalte) sinken die Risiken sowohl der primären als auch der sekundären Reproduktion. Die Risikominderung der subsistenzunterproduzierenden Haushalte lässt ihre Anzahl ständig steigen. Dies alles, d.h. die Senkung der Reproduktionsrisiken, lässt die Größe der systemerhaltenden Institutionen anwachsen und erhöht die Abhängigkeit aller Haushalte von der tributempfangenden Zentralgewalt. Der flexible, risikomindernde Mechanismus der temporären Koalitionsbildung in der HPw wird durch die Organisation der Verteilung durch eine zentrale Institution in der TPw verdrängt (!), und nicht, wie B. meint, zugunsten derselben Zielsetzung, nämlich Risikominderung, aufgegeben. Die Minderung der Reproduktionsrisiken aller (!) Haushalte durch eine zentrale Verteilerinstitution dient einzig und allein der Erhaltung der Macht der tributempfangenden Haushalte!
>31. [88]Die zentralen Institutionen legen zur Risikominderung Vorräte an und garantieren so in Notlagen eine ausreichende Redistribution. Jene Institutionen werden allein zu diesem Zweck geschaffen und nehmen zunehmend den Charakter allgemein politischer Ämter an. [70]Aus diesen Ämtern etabliert sich bald (nach der Phase der Häuptlingstümer!) eine „politische Macht, die das wirtschaftliche System auch mit Gewalt aufrechterhalten kann, nämlich zum Staat.“
>Hier berührt B. einen Punkt, dessen nicht tiefere Betrachtung ein fatales Versäumnis darstellt und am Ende seiner Arbeit zu falschen Ergebnissen führt. B. weist darauf hin, daß es in Häuptlingstümern noch keine zentralen Institutionen gibt, die Sanktionen und Strafen verhängen. Ungeklärt bleibt dabei der Mechanismus, der die Tributerhebung und somit erstmalige Überschußproduktion überhaupt erst möglich macht.
>32. [243ff]So erstaunt es nicht, daß B. das Aufkommen von zwischendörflicher Gewalt als [246]Folge (!) der sich wandelnden Pw begreift, anstatt umgekehrt die oekonomischen Hintergründe, nämlich Unterproduktion im Risikofall, für die anfangs offene, später strukturelle Gewalt als Ursache für die Entstehung der TPw zu sehen.
>
>Die Auflösung der häuslichen Produktionsweise und
>der Übergang zur tributären Produktionsweise
>33. [23]Beim Übergang von der HPw zur TPw handelt es sich nicht um eine Änderung innerhalb der oekonomischen Struktur, sondern um eine Änderung der Struktur selbst. [12] Solche Änderungen der oekonomischen Struktur und damit des gesellschaftlichen Systems geschehen nur nach dem Eintreten von externen (!) Einflüssen, da die menschliche Gesellschaft auf den Erhalt des gegenwärtigen Systemzustandes bedacht ist.
>34. [11f]Der jeweils aktuelle Systemzustand einer Gesellschaft stellt eine Anpassung an ihre Umwelt, also Natur und benachbarte Gesellschaften, dar. Auslöser für notwendige Anpassungsprozesse sind Störungen in der Umwelt. Diese Störungen können Naturkatastrophen oder Konkurrenzsituationen sein. Ziel von Anpassungsprozessen ist die Wiederherstellung der eigenen Existenzsicherung, wobei zunächst die Erhaltung der alten Systemstruktur versucht wird.
>35. Bei erheblicher Schwere der externen Einflüsse (überregionale Katastrophen oder anhaltende Konkurrenz) kommt es jedoch zu irreversiblen Reaktionen und einer Änderung der Systemstruktur.
>Welches externe (!!) Ereignis nun zum Übergang von der HPw zur TPw führte, konnte von B. nicht überzeugend dargestellt werden.
>36. [323ff]Ausgehend von Tschajanow (ChR) zeigt B. die Unmöglichkeit des Wechsels vom Regenfeldbau zum Bewässerungsfeldbau, welcher die für eine Überschußproduktion entscheidende Innovation im späten Neolithikum darstellt. Diese Unmöglichkeit ergibt sich nach ChR aus dem Empfinden einer expotentiell ansteigenden Arbeitslast (Mises spricht hier von Arbeitsleid) bei sinkendem Grenznutzen! Eine Produktion über das Subsistenzniveau hinaus wird deswegen als nicht lohnend empfunden und nicht geleistet! Eine mögliche Senkung der Arbeitslast bei gleichzeitiger Steigerung der Erträge greift hier nicht, da die Stammfamilien in der HPw einem Zyklus unterliegen. In Risikojahren würde sich beim Bewässerungsfeldbau eine höhere Arbeitslast als in Normaljahren beim Regenfeldbau ergeben. Somit lohnt der Bewässerungsfeldbau bei den Sozialstrukturen der HPw nicht, zumal bereits ausreichende risikomindernde Mechanismen etabliert sind.
>Eine eventuelle Produktivitätssteigerung und damit einhergehende Senkung der Arbeitslast bei Einführung des Bewässerungsfeldbaus darf keineswegs als gesichert vorausgesetzt werden! Denn die Art der Wasserzufuhr, die Topographie (notwendige Nivellierung der Äcker) und die Notwendigkeit der ganzjährigen Unterhaltung der Bewässerungskanäle erhöhen (!) die Arbeitslast. Diese erhöhte Arbeitslast verhindert die Einführung der Innovation des Bewässerungsfeldbaus während der Phase der HPw!!
>37. [261]Zwei weiter Innovationen kamen in den späten Dörfern des Hassuna-Horizontes (HPw) nicht zur Anwendung: die Drehscheibe bei der Keramikherstellung und der Pflug. Obwohl die Drehscheibe als produktivitässteigendes Arbeitsmittel aus den zeitgleichen Dörfern des Samarra-Horizontes (beginnende TPw) bekannt war, wurde damit der Produktionsprozeß der Keramikherstellung nicht rationalisiert. Es bestand einfach kein Bedarf (besser: keine Notwendigkeit) zur Rationalisierung. [123]Beschädigte Keramik wurde geflickt und nicht aus einer laufenden Produktion ersetzt, wie dies bei einer kontinuierlichen Produktion mit einer Drehscheibe zu erwarten wäre.
>[278]Ebenso ist die Verwendung des Pfluges ab der Samarra-Zeit sehr wahrscheinlich, da dort auch erstmals Bewässerung nachgewiesen wurde.
>38. [343]Am Ende seines Werkes schreibt B.: „Antworten darauf, warum die häusliche Produktionsweise in eine neue Produktionsweise überging, sind nur schwer zu finden. Denn es handelt sich bei dieser wirtschaftlichen Organisationsform um Gebilde, die nicht so schnell aus dem Gleichgewicht zu bringen sind (...). Die hier vorgenommene Interpretation der archäologischen Evidenz schließt monokausale Ansätze, bei denen etwa Bevölkerungsdruck oder Klimaverschlechterungen der Auslöser für Veränderungen sind, aus.“ Sodann benennt B. drei Gegebenheiten, deren zeitgleiches (!) Auftreten für die Auflösung der HPw notwendig sind:
>Die erste notwendige, jedoch keineswegs hinreichende Voraussetzung ist eine für Bewässerung günstige Topographie und Hydrographie, in der Bewässerungsfeldbau gegenüber dem Regenfeldbau bei zu geringen Niederschlägen vorteilhaft ist.
>Zweite Voraussetzung natürlich die Erfindung der Technologie des Bewässerungsfeldbaus, die allerdings wegen der weniger arbeitsintensiven Subsistenzform wie Jagen, Fischen und Sammeln als Alternative, wie beschrieben, nicht stattfand.
>Dritte Voraussetzung zur Entstehung einer neuen Pw ist eine aus Großfamilien bestehende Sozialstruktur, wobei B. keinerlei einleuchtende Begründung für deren Entstehung liefert.
>39. So kommt B. zu der nebulösen Schlußfolgerung, die Entstehung der TPw sei „vom Zufall des gleichzeitigen Vorkommens der entsprechenden Produktionsverhältnisse (Großfamilien) und Produktivkräfte (Bewässerungswirtschaft) abhängig.“
>Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden! Denn keine (!) der von B. genannten Voraussetzungen stellt ein zur Änderung der Systemstruktur zwingend notwendiges externes (!!) Ereignis dar.
>40. Zur Aufspürung dieses externen Ereignisses wäre eine tiefgründigere Untersuchung des für die [182]Samarra-Zeit archäologisch nachgewiesenen wehrhaften Charakters der Dörfer wünschenswert gewesen. Deren umgebende Gräben und große Mauern sowie einige verhältnismäßig stark befestigte Gebäude lassen auf eine nicht eben friedliche Umgebung schließen. ‚Nicht friedlich’ bedeutet interdörfliche (man beklaut ja den Nachbarn nicht) Überfälle und Raub von Subsistenzmitteln. Finden diese Raubzüge nun regelmäßig (wahrscheinlich jährlich) statt, so stellen diese bei den beraubten Dörfern das ausreichend schwere externe Ereignis dar, welches zu Überschußproduktion und somit zur Entstehung der neuen, nämlich tributären, Pw führt.
>Die Unsichtbarkeit dieses Ablaufs bei B. hat ihn zu der falschen Schlußfolgerung, die eine Umkehrung der Kausalität ist, geführt.
>41. Denn erst der Zwang zur jährlichen Tributleistung läßt die PE eine erhöhte Arbeitslast tragen (!) und einen Überschuß produzieren. Erst ab dieser Phase entstehen in den PE Großfamilien, da diese risikomindernd wirken! So erstaunt es nicht, daß [316] Großfamilien zur Samarra-, und nicht schon zur Hassuna-Zeit, im mittleren Mesopotamien zum ersten Mal regional belegt sind. Das Bestreben zur Senkung der Arbeitslast läßt dann zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, wie [343]bisherige archäologische Dokumentationen belegen, die Bewässerungswirtschaft aufkommen.
>42. Bleibt abschließend die Frage zu klären, ob die tributpflichtigen oder die tributempfangenden Haushalte/Dörfer die Verteidigung- und Befestigungsanlagen, welche ab der Samarra-Zeit gefunden wurden, errichtet haben. Es liegt die Vermutung nahe, daß es die tributempfangenden Haushalte/Dörfer waren, und zwar aus Angst vor Rache und der Befürchtung, selbst Opfer von Raub zu werden, sowie zum Schutz der erzwungenen und angehäuften Vorräte.
>43. Schlußbemerkung:
>Da der marxistische und evolutionstheoretische Ansatz der B.-schen Untersuchung heftig kritisiert wurde, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß B. die [344]Marx’sche These, daß sich die Pk schneller als die Pv entwickeln für die Entstehung der Samarra-Gesellschaften und damit der TPw NICHT gelten läßt!
>
>Erkenntnisse:
>Die Haupterkenntnis, die ich aus B.’s Werk ziehe, ist, obwohl B. zu gänzlich anderen Schlußfolgerungen kommt, die Unmöglichkeit der Auflösung der HPw aus ihrem Inneren heraus. Dies schließt die Unmöglichkeit von die Pw umwälzenden Innovationen und damit einer „Höherentwicklung“ der Pk und Pv in einem evolutionären Prozeß ein! So sind nicht steigende Bedürfnisse der Produzenten der Beginn der gesellschaftlichen Entwicklung, sondern die plötzlich erscheinende, von außen (!) kommende Pflicht zur Tributlieferung!
>Auch widerlegen die von B. beschriebenen Zustände und Abläufe während der HPw die These von der Entstehung des Handels von nicht subsistenznotwendigen Gütern aus dem Bestreben nach Senkung der Arbeitslast oder gar aus steigenden materiellen oder sonstwelchen Bedürfnissen, da dies zwingend Überschußproduktion voraussetzen würde; der Handel jedoch, wie gezeigt, zwischen unterproduzierenden (!) Haushalten startet!!
>Sehr wichtig für weiterführende Betrachtungen ist die Erkenntnis, daß sich der Wertmaßstab des Äquivalenzniveaus zwischen Nicht Substistenzgütern auf Subsistenzgüter (!) und nicht auf ein erfundenes oder vereinbartes Tauscherleichterungsmittel bezieht!!!
>Einer Erleuchtung gleich kam mir die Darstellung des erstmaligen Ablaufs der Produktion nicht subsistenznotwendiger Güter, welcher erst NACH erfolgter Redistribution von Subsistenzmitteln erscheint und somit eine Art Vorfinanzierung (!) der Produktion von Gütern darstellt.
>
>Dank für’s Lesen.
>Ergänzungen, Kritik usw. sind willkommen.
>
>Herzliche Grüße in die Runde, <font color=#008000>Zandow</font>
<ul> ~ Liegt im Matriachat die Lösung?</ul>
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