Taktiker
09.01.2005, 01:46 |
Der Kardinal und die Opfer der 1. und 2. Importanz Thread gesperrt |
-->Ich weiß nicht, wie hoch die medialen Wellen außerhalb Berlins angekommen sind bzgl. einer pikanten Angelegenheit in der Hauptstadt:
Die Chefin des Mauermuseums, Alexandra Hildebrandt, hat im ehemaligen Grenzstreifen ein Mauertotendenkmal erschaffen, gänzlich ungenehmigt, aber eindrucksvoll angelegt. Teile der Mauer wurden frisch weiß getüncht errichtet und daneben ein recht großes Stück mit vielen Kreuzen versehen, welche an Mauertote und andere Fluchtopfer erinnern und zum Gedenken auffordern sollen. Nun ist diese politische Richtung ja nicht gerade geächtet, aber...
...die politische Elite dieser Stadt reagiert ziemlich angefressen. Immer ist zu hören: es ginge ja nicht, dass da jeder seine privaten Mahnmale errichtet. Das scheint jedoch nicht das Problem zu sein, denn schließlich könnte man das bestehende Mahnmal organisatorisch eingliedern in die streng kontrollierte Mahn- und Gedenk-Matrix. Viel besser wäre:"Das Mahnmal muß weg!" Bislang weigern sich Alexandra Hildebrandt (quasi die"Lea Rosh der Kreuze") als auch die Besitzerin des Areals (irgendeine Bank), die Kreuze abzureißen. Sobald die Widerstandsfront eingerissen ist, werden die Bulldozer anrücken und die Gedenkkreuze umwalzen. Bilder dieser Aktion könnten allerdings furchtbar politisch unkorrekt interpretiert werden...
Nun zum Kern des Unmuts bei Berliner Senat, den Bundestagsnebenjobbern und anderen derzeitigen politischen Eliten, welche sonst nur zu gerne neue Denkmäler, Sühne-Skulpturen und Kollektivscham-Wahrzeichen schöpfen:
Sehr unweit nur befindet sich das beinahe fertige nationale Stelen-Denkmal der Frau Lea Rosh, welches mehrere Fußballfelder groß ist und damit nicht annähernd der Deutschen Ewigschuld gerecht wird. Da wir Berliner das neue Stelenmonument sehr ins Herz geschlossen haben, mutet die Aufstellung hunderter Holzkreuze, welche einer aus staatlicher Perspektive nur sekundär wichtigen Opfergruppe huldigen, wie eine messerscharfe Persiflage des ungleich teureren Originals an. Quasi eine Gedenk-Konkurrenz von Denkmälern, die sich wie bei Möbelhäusern, Technikmärkten oder Resterampe-Läden schon üblich, in viel zu enger Nachbarschaft befinden. Der Gedanke des massenweisen Aufstellens einundderselben Skulpturenform zwecks Ehrfurchtbeförderung wurde hier schamlos kopierrechtlich geklaut. Sollte jetzt die Billigdenkmalversion höhere Marktdurchdringung erringen als das stararchitektonisch kalkulierte Original, so wäre das der Sühnegau!...und die Besucherströme zur Friedrichstraße sind nicht klein.
Noch steht das Mauerdenkmal und womöglich wird man es bis auf 5-6 exemplarische Restkreuze verkleinern und anschließend dulden, so wie man jede Schokolade der Welt frei verkaufen darf, solange das Papier nicht lila ist.
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stocksorcerer
09.01.2005, 10:56
@ Taktiker
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Wichtige und unwichtige Denkmäler |
--><font color=#FF0000>Sobald die Widerstandsfront eingerissen ist, werden die Bulldozer anrücken und die Gedenkkreuze umwalzen. Bilder dieser Aktion könnten allerdings furchtbar politisch unkorrekt interpretiert werden...</font>
Hallo Taktiker,
danke für diesen Beitrag. Man kriegt ja in den Medien nichts mehr mit, seit die Flut alles beherrscht.
Ich persönlich danke ja, daß Opfer Opfer sind und habe bis dato nie daran gedacht, daß selbst Denkmäler konkurrieren können. Meine Fresse, war ich naiv.
Jedenfalls bin ich gespannt, wie das dokumentiert und bewertet wird, wenn die Bulldozer anrollen und das von gewissen gesellschaftlich relevanten Gruppen als"unwert" entdeckte Denkmal dem Erdboden gleichgemacht werden soll.
Ich denke ja, falls dieses Denkmal tatsächlich verkleinert oder geschleift wird, dann soll der Bulldozer gleich noch ein Stückchen weiterfahren.
Ich bin es jedenfalls auch Leid, daß da ständig Unterschiede gemacht werden und habe mich schon öfter gefragt, warum man gerade in der Bundesrepublik Dtld., in der seit 60 Jahren vorgelebt wird, wie man aus Fehlern der Geschichte lernt, auf einen Zentralrat hören muß, der nur bei anderen auf Lerneffekte besteht und auf Tauchstation oder in eine unfaire Offensive geht, wenn Israels Staatsterror über Palästina hinwegfegt und man das kritisiert.
winkääää
stocksorcerer
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Dieter
09.01.2005, 15:01
@ Taktiker
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Opfer der 1. und 2. Importanz |
-->Es ist schon komisch,
bei beiden Sachverhalten, die den Denkmälern zugrunde liegen, wurde gemordet mit staatlicher Legitimation.
Wenn man jetzt eine Rangfolge festlegt, was in diesem jetzigen Staat opportun ist, muß man feststellen, daß die Anzahl der Opfer nicht zwangsläufig eine Rangfolge in der"Rangliste" der Denkmäler bestimmt.
Demzufolge müßte vermutlich für das Deutsche Staatsgebiet
a)ein Denkmal für"das Ungeborene getötete" am größten sein,
b)vermutlich gefolgt vom geplanten Mord der Allierten der Zivilbevölkerung Deutschlands zum Ausgang des Krieges,
c)gefolgt von den Morden an Juden, Kommunisten, Schwulen, usw. von Deutschen, so wie beim jetzigen Mammutdenkmal hervorgehoben,
d)die Maueropfer
Wenn man bedenkt, daß wir in fast jeder Stadt Deutschlands ein Denk- und Mahnmal für verschleppte oder umgebrachte Juden haben, aber kein Gedenkmal für getötete Ungeborene..., zumal die Zahl der Betroffenen im 2. Fall vermutlich viel größer sind....
Denkmäler haben nun mal nicht die Funktion zu erinnern, sondern die Funktion zu erziehen.
Der gewünschte Erziehungsaspekt legt fest, welches Denkmal wichtig ist und welches nicht.
Gruß Dieter
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