mario
09.01.2005, 14:35 |
Warum rechnet die Wirtschaft in Geld und nicht in physikalischen Größen? Thread gesperrt |
-->Hallo Leute!
Angenommen wir leben auf einer kleinen Insel mit mehreren Leuten zusammen, welche Wirtschaftlichkeitsrechnung sollte den Vorrang haben:
Die mit irgendeinem abstrakten Geld, dessen Wert sich auf anonymen Märkten bildet, oder die mit physikalischen Größen wie Landfläche, Baumbestand, Niederschlagsmenge, Energiebedarf etc.?
Also ich wäre klar für die mit physikalischen Größen. Eine vorrangige Rechnung in Geld kann meiner Meinung nach langfristig nur zu einer vollständigen Vernebelung der wirtschaftlichen Realität führen.
Trotzdem behaupten die liberalen, marktwirtschaftlichen Vordenker allen Ernstes, dass eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durch die tolle „Erfindung“ des Geldes überhaupt erst möglich wurde und dank dem Geld erst wahrer Fortschritt entstand (von der Erfindung des Ackerbaus, der Viehzucht, des Rades, der Schrift, der Malerei etc. mal abgesehen; die wurden ja alle ohne Geld erfunden, sind damit nicht in Geld ausdrückbar, somit wertlos und deshalb unwahrer Fortschritt!).
Das liberale Märchen geht auch ungefähr so:
Es waren einmal Menschen, die schmachteten im Elend. Doch dann erfand einer das Geld. Märkte und Handel entstanden und alles war gut!
In Wirklichkeit war bzw. ist es wohl eher so:
Es waren einmal Menschen, denen ging es relativ gut. Doch dann zwang sie einer dazu, ihm Geld abzuliefern, weshalb sie Handel treiben mussten, um es zu bekommen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann schuften sie noch heute.
Die einstigen Abgabenerpresser sind mittlerweile verschwunden und nur noch die leeren Hüllen (Staaten) übrig. Jetzt ist es das Geld selbst, das die Abgaben (mehr Geld) abpresst.
An die „Zeugen des Zinses“: Das hat nichts mit irgendeiner ersponnenen „Zinsknechtschaft“ zu tun. Das Geld selbst, einmal losgelassen, entwickelt diese Eigenschaft, egal ob „umlaufgesichert“ oder nicht. Dabei ist der innere Widerspruch der Geld- bzw. Marktwirtschaft der, dass sie zwar einerseits mehr Geld machen will (Profit), andererseits aber gerade deswegen permanent versucht, den Träger der Marktwirtschaft, den Menschen, als Kostenfaktor zu eliminieren. Sie schaufelt also nicht nur Gräber für alle unrentablen Menschen, sondern letztendlich auch ihr eigenes. Dieser Widerspruch kommt umso stärker zur Geltung, je totaler und „freier“ die Marktwirtschaft ist.
Dass es auch ohne Geld gut geht, bzw. überhaupt erst wirklich funktioniert, zeigt insbesondere das Beispiel des Inkareichs. Nicht nur, dass die Menschen dort kein Geld benutzten, sie kannten es nicht einmal! Und das war nicht eine Handvoll Leute, sondern ein relativ großes Reich! Ohne Geld! (Und nicht nur Geld war unbekannt, sonder weitgehend auch Armut und Verbrechen. Als der spanische Eroberer Pizarro, als er vom Inkaherrscher freundlich empfangen wurde, diese Gelegenheit nutzte, dessen Streitmacht niederzumetzeln, waren die Inkas zutiefst schockiert. Denn sie kannten auch die Taktik des Hinterhalts nicht! Wenn das nicht Bände spricht!)
Um das Zusammenleben und die Wirtschaft zu organisieren, hielten sie einen Beamtenstaat, der alle Leistungen, Aufwendungen, Ressourcen, Bedürfnisse etc. genau aufzeichnete und aufeinander abstimmte, logischerweise in physikalischen Größen, da sie ja kein Geld kannten. Die Grundstruktur der Aufgabenteilung war so simpel wie genial: Jeder Inka hatte zu einem Drittel für den Herrscher tätig zu sein (Militärdienst, Infrastruktur und ähnliches, also im Grunde für das Gemeinwesen), zu einem Drittel für Alte, Kranke und sonstige Hilfebedürftige und das letzte Drittel durfte er für sich und seine Familie nutzen (hier könnte so etwas wie Marktwirtschaft entstehen; allerdings kontrolliert dabei die Politik die Marktwirtschaft und nicht wie bei uns die Marktwirtschaft die Politik). Da die Stammesführer der Stämme, die das Inkareich annektierte, in den politischen Entscheidungsprozess mit einbezogen wurden, gab es auch über lange Zeiten keine eskalierenden inneren Konflikte.
Die Zerstörung durch die westliche Geldgier-Zivilisation hat dem ein Ende gemacht, so wie sie fast sämtliche vergleichsweise friedlichen Zivilisationen in Amerika, Afrika, Asien und Australien zerstört hat und ursprünglich auch ihre eigene relativ friedliche Vor-Geldgier-Zivilisation. Jetzt bleibt ihr nur noch übrig, sich selbst zu zerstören, worin sie ja auch jeden Tag gute Fortschritte erzielt.
Permanente und völlig ausufernde Kriege, genauso wie permanente und völlig ausufernde Armut, und das mittlerweile weltweit, sind definitiv charakteristisch für die Zeit des Aufstiegs des Kapitalismus und der allgemeinen Geldwirtschaft. In vorkapitalistischen Zeiten waren Krieg und Armut im Regelfall Randerscheinungen. Da in den frühen Geschichtsbüchern jedoch hauptsächlich die Kriegsgeschichte aufgezeichnet wurde (das waren eben die „großen Ereignisse“), erscheint es für viele heute so, als ob früher die Menschen ständig in totalem Elend lebten, was aber absoluter Quatsch ist. Diejenigen, die unablässig Loblieder auf die angeblich so freie Marktwirtschaft singen, nutzen das natürlich schamlos aus (oder wissen es, verblendet wie sie sind, selbst nicht).
Praktikable Ansätze für die Lösung unserer heutigen Probleme kann man also durchaus in der angeblich so rückständigen Vergangenheit finden.
Schöne Grüße
mario
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Diogenes
09.01.2005, 14:46
@ mario
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Wenn du Geld richtig definierst, ist es eine physikalische Größe |
-->nämlich Gramm Gold und Gramm Silber.
>Trotzdem behaupten die liberalen, marktwirtschaftlichen Vordenker allen Ernstes, dass eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durch die tolle „Erfindung“ des Geldes überhaupt erst möglich wurde...
Was denn sonst. Wenn du rechnen willst, brauchst du einheitliche Größen. Du kannst z.b. nicht"Meter" mit"Grad Celsius" aufaddieren.
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mario
09.01.2005, 15:50
@ Diogenes
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leider falsch! |
-->>nämlich Gramm Gold und Gramm Silber.
Man erhält für ein Gramm Gold in einer Marktwirtschaft immer etwas unterschiedliches, je nach Produktivität. Ein kg dagegen bleibt ein kg!
>>Trotzdem behaupten die liberalen, marktwirtschaftlichen Vordenker allen Ernstes, dass eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durch die tolle „Erfindung“ des Geldes überhaupt erst möglich wurde...
>Was denn sonst. Wenn du rechnen willst, brauchst du einheitliche Größen. Du kannst z.b. nicht"Meter" mit"Grad Celsius" aufaddieren.
Muss man doch gar nicht. Konstruiere mal eine Maschine allein mit der Rechengröße Geld! Die funktioniert bestimmt super! [img][/img]
Und warum hat es dann bei den Inkas funktioniert?
Die haben sich nicht fiktiv reich gerechnet, sondern real mit festen Größen!
Gruß
mario
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Todd
09.01.2005, 16:03
@ mario
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Re: leider falsch! |
--> Hallo,
Geld wie es in userer Zeit benutzt wird, ist ein reines Machmittel, da es nur über Kredit in die Wirtschaft gelangen kann; denn wer die Kredite gibt kontolliert das Volk erbarmungslos.
Gruß Todd
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Diogenes
09.01.2005, 16:35
@ mario
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Re: leider falsch! |
-->>>nämlich Gramm Gold und Gramm Silber.
>Man erhält für ein Gramm Gold in einer Marktwirtschaft immer etwas unterschiedliches, je nach Produktivität. Ein kg dagegen bleibt ein kg!
Wir sprachen über physikalische Größen."Gramm" ist eine pysikalische einheit.
Das sich Preise ändern ist ein völlig anderer Sachverhalt.
>>>Trotzdem behaupten die liberalen, marktwirtschaftlichen Vordenker allen Ernstes, dass eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durch die tolle „Erfindung“ des Geldes überhaupt erst möglich wurde...
>>Was denn sonst. Wenn du rechnen willst, brauchst du einheitliche Größen. Du kannst z.b. nicht"Meter" mit"Grad Celsius" aufaddieren.
>Muss man doch gar nicht. Konstruiere mal eine Maschine allein mit der Rechengröße Geld! Die funktioniert bestimmt super! [img][/img]
Wo sprach ich vom Konstruieren einer Maschine? Es ging um Geld definiert als physikalische Größe.
>Und warum hat es dann bei den Inkas funktioniert?
>Die haben sich nicht fiktiv reich gerechnet, sondern real mit festen Größen!
Was anderes habe ich nie behauptet.
Gruß
Diogenes
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mario
09.01.2005, 16:40
@ Todd
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Was aber noch schlimmer ist,... |
-->... ist dass das Denken in heutiger Zeit fast ausschließlich in der fetischistischen Kategorie des Geldes stattfindet. Das Geld ist der Götze, der angebetet und dem geopfert wird. Deshalb ist es auch stets riskant, sich gegen das Geld aufzulehnen, dem selbst viele derjenigen huldigen, die von ihm völlig verknechtet werden. Und oft sind auch Reiche nichts weiter als Sklaven ihres Geldes. Nimm ihnen das Geld und es bleibt nichts übrig. Nur Leere.
Durch mein volks- und betriebswirtschaftliches Studium war ich selbst lange von den Fängen dieses Systemgötzen quasi in Ketten gelegt. Aber dank meiner ursprünglichen Vorliebe für die Naturwissenschaften konnte ich mein Denken befreien, wobei es natürlich noch mehr gibt als das rein Physikalische, nämlich das, was, für die meisten verborgen, hinter diesen Dingen liegt.
Naja, so ist das Leben!
mario
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Stephan
09.01.2005, 16:44
@ mario
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Wie wäre es mit Watt? |
-->Funktioniert wie ein Wechsel:
"Die Lokalwährung wird auf der Basis des"peer-to-peer" (gleichrangig; von Gleich zu Gleich) verwirklicht. Aus diesem Grund gibt es hier keine übergeordnete Verwaltungsgruppe, die die Beziehungen der Teilnehmer überwacht und wer immer bereit ist, von einem Mitglied des Kreises WAT-Scheine anzunehmen, wird auf ganz einfache Weise Mitglied in dem Kreis. Auch die Festlegung des Wertstandards ist eine Besonderheit in dem System. Der Wert von 1 WAT wird an 1 kWh elektrischer Energie gemessen, die in einem Elektrizitätswerk einer Bürgerkooperative erzeugt wird, und zu einem entsprechenden Zeitaufwand für eine leichte Tätigkeit sowie zu einem ungefähren Yen-Betrag (100 ¥) in Beziehung gesetzt. Dies bedeutet gegenwärtig, dass 1 kWh einer auf natürliche Weise erzeugten Elektrizität (Wind, Wasser, Sonne etc.) etwa 6 Minuten einer leichten Tätigkeit oder 75-100 ¥ entspricht"
<ul> ~ Das Wat-System</ul>
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mario
09.01.2005, 16:51
@ Diogenes
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Genauere Erklärung |
-->Hi!
Natürlich ist ein kg Gold eine physikalische Größe, aber darauf kommt es beim Geld doch überhaupt nicht an. Was Geld erst zu Geld macht, ist die Gleichsetzung mit anderen physikalischen Größen. Und nicht im Sinne von e=mc^2 sondern im Sinne 20 kg Holz = 1 Gramm Gold = menschliche Anstrengung um 1 Gramm Gold zu schürfen. Und das ist Schwachsinn! Diese"Gleichungen" verändern sich ständig und es kommt nur Humbug raus; je länger man so rechnet, desto mehr.
Gruß
mario
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mario
09.01.2005, 17:08
@ Stephan
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Möglich, aber warum so kompliziert? |
-->Der Wert von 1 WAT wird an 1 kWh elektrischer Energie gemessen, die in einem Elektrizitätswerk einer Bürgerkooperative erzeugt wird, und zu einem entsprechenden Zeitaufwand für eine leichte Tätigkeit sowie zu einem ungefähren Yen-Betrag (100 ¥) in Beziehung gesetzt.
Dadurch schaltet man den auf sich selbst rückgekoppelten Konkurrenzmechanismus weitgehend aus, was eine erhebliche Verbesserung ist. Erscheint mir aber dennoch relativ umständlich (Man will unbedingt eine Art Geld, das alles regelt, statt sich zusammenzusetzen und zu besprechen, was getan werden sollte.) und nicht besonders stabil, da es von den"Leistungsfähigeren" durchaus umgangen werden kann, um sich so aus der Verantwortung zu stehlen und sich der"Schwächeren" zu entledigen.
Aber der Tendenz nach ein guter Versuch!
mario
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kingsolomon
09.01.2005, 17:48
@ mario
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Re: und welche Grössen sollen als Tauschgrundlage gelten? |
-->
ich gehe mal davon aus, dass ein Maurergeselle nicht gleichzeitig auch
die CPU für den Rechner seines Sohnes entwerfen soll ;-)
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mario
09.01.2005, 18:04
@ kingsolomon
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Re: und welche Grössen sollen als Tauschgrundlage gelten? |
-->Die Grundversorgung aller legt man durch vorherige Besprechungen fest. Es gibt dabei keinen Tausch im marktwirtschaftlichen Sinn. Einfach die Tatsache, dass man ein (möglichst freiwilliges) Mitglied der Gemeinschaft ist, verpflichtet und berechtigt einen, dass man sich füreinander einsetzt.
Darüber hinaus kann und sollte man einen untergeordneten privaten Bereich schaffen, in dem man dann getrost marktwirtschaftlich vorgehen kann.
So bleibt niemand auf der Strecke und gleichzeitig wird niemand völlig von der Gemeinschaft eingeengt.
mario
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Student
09.01.2005, 18:59
@ Diogenes
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Re: Fiat Money ist keine physikalische Größe |
-->Hi Diogenes!
>nämlich Gramm Gold und Gramm Silber.
>>Trotzdem behaupten die liberalen, marktwirtschaftlichen Vordenker allen Ernstes, dass eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durch die tolle „Erfindung“ des Geldes überhaupt erst möglich wurde...
>Was denn sonst. Wenn du rechnen willst, brauchst du einheitliche Größen. Du kannst z.b. nicht"Meter" mit"Grad Celsius" aufaddieren.
"Jede physikalische Größe besitzt einen Namen und sofern sie gemessen wird, einen Wert und eine Einheit."
Quelle: http://www.muenster.org/uiw/fach/physik/lexikon/allg/phygr.htm
Fiat Money hat zwar einen Namen (Euro, USD usw.) und einen Wert (1, 10, 100),
es hat aber keine Einheit.
Es handelt sich um ein von der Macht definiertes"Pseudo-Gut", deren Herstellung
strengstens geregelt ist. Dieses"Pseudo-Gut" läßt sich nicht messen, sondern
es wird definiert. Und genau dieses Gut wird von der Macht als Abgabe gefordert.
Die In-Verkehr-Bringung erfolgt über das ZB-System.
@Popeye u.a.: Die Diskussion über die ZBen mußte ich leider abreißen lassen, da
ich einen Trauerfall im engsten Familienkreis hatte. Wir kommen aber sicher
darauf zurück.
Lb Gr
der Student
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Diogenes
09.01.2005, 21:15
@ mario
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Re: Genauere Erklärung |
-->>Hi!
>Natürlich ist ein kg Gold eine physikalische Größe, aber darauf kommt es beim Geld doch überhaupt nicht an. Was Geld erst zu Geld macht, ist die Gleichsetzung mit anderen physikalischen Größen. Und nicht im Sinne von e=mc^2 sondern im Sinne 20 kg Holz = 1 Gramm Gold = menschliche Anstrengung um 1 Gramm Gold zu schürfen. Und das ist Schwachsinn! Diese"Gleichungen" verändern sich ständig und es kommt nur Humbug raus; je länger man so rechnet, desto mehr.
Hallo mario,
Du hast schon recht, daß sich die Preise ständig verändern. Darin liegt ihre Steuerungsfunktion für die Wirtschaft.
Aber deswegen kann man nicht auf Kalkulation verzichten. Sie liefert zwar im vorhinein nie ein exaktes Ergebnis, aber sie hilft das Risiko abzuschätzen.
Im Nachhinein hat die Kalkulation über den Soll-Ist-Vergleich eine Überwachungs und Steuerungsfunktion. Was wiederum der (hoffentlich) rechtzeitigen Erkennung von Fehlentwicklungen, dem darauf reagieren und somit der Risikomimierung dient.
Das ist kein Schwachsinn, sondern die Essenz der Marktwirtschaft. Veränderungen von Angebot und Nachfrage verursachen Veränderungen der Marktpreise. Diese ziehen Veränderungen in der Produktion und den Unternehmen nach sich
Kalkulation ist nicht nur harte Wissenschaft, es ist auch eine Kunst, weil die Ergebnisse nie exakt und immer interpretationsbedürftig sind.
Nicht rechnen wäre einfach ein Schuß ins Blaue und auf jeden Fall weit riskanter.
Gruß
Diogenes
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Diogenes
09.01.2005, 21:16
@ Student
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Richtig erkannt, Fiat Money ist kein Geld sondern nur fehlgeleitetes Vertrauen (o.Text) |
-->
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mario
10.01.2005, 02:19
@ Diogenes
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Re: Genauere Erklärung |
-->Hi Diogenes!
Die Preise steuern die Wirtschaft. Das ist richtig. Aber wegen des inneren Widerspruchs der Marktwirtschaft leider langfristig in den Abgrund und nicht wie erhofft zum"Guten Leben für alle". Das ist der Grund, warum ich die geldwirtschaftliche Rechnerei als Schwachsinn bezeichne.
Ich war selbst lange ein Verfechter des freien Marktes, musste dann aber erkennen, dass er nicht so funktioniert wie behauptet. Es ist schwierig sich von den liberalen Markt-Märchen zu lösen, insbesondere, wenn es einem selbst (noch) gut geht und man auf der Sonnenseite des Marktes steht. Man sieht Probleme für gewöhnlich erst dann, wenn sie für einen selbst zum akuten Problem werden. Solange es für einen selbst und seine Freunde gut läuft, wozu hinterfragen?
Deshalb bin ich anderer Meinung als früher und auch als Du.
Gruß
mario
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Baldur der Ketzer
10.01.2005, 02:59
@ mario
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Re: Genauere Erklärung - Marktwirtschaft, oder Mafiawirtschaft |
-->
>Ich war selbst lange ein Verfechter des freien Marktes, musste dann aber erkennen, dass er nicht so funktioniert wie behauptet. Es ist schwierig sich von den liberalen Markt-Märchen zu lösen, insbesondere, wenn es einem selbst (noch) gut geht und man auf der Sonnenseite des Marktes steht. Man sieht Probleme für gewöhnlich erst dann, wenn sie für einen selbst zum akuten Problem werden.
Hallo, mario,
ich kann Dich besser verstehen, als Du glauben wirst.
Das, was wir aktuell in Europa haben, ist eine Oligarchie der Großkonzerne, die im Politfilz derartige Markteintrittshürden aufgebaut haben (Vorschriften, Richtlinien, den ganzen Käse, Haftungen), daß ein Kleiner nicht mehr dagegen ankommt.
Theoretisch ist es einfach zu sagen, man muß nur flexibel genug sein, dann wird man seine Lücke schon finden, die der Große nicht abdecken kann.
Das ganze fällt aber in ein Klima der allgemeinen Skepsis, der Kaufzurückhaltung, der verunmöglichten Fremdfinanzierung durch klemmende Banken. Insofern ist der theoretisch gangbare Weg in der Praxis durch Hürden versperrt.
Nur ist das kein Problem der Marktwirtschaft, die will das ja gerade vermeiden und jedem Chancen einräumen, das ist das Problem der seichten versauerten real existierenden Mafiastaatswirtschaft. Die weit über die Grenzen Affistans hinausgewuchert ist und ein gesamteuropäisches Problem darstellt.
Toll kritisiert, aber was hilfts, wo ist der Ausweg?
In letzter Zeit kamen mir manchmal Gedanken, auszusteigen, so lange noch Substanz vorhanden ist, und irgendwo nach Kanada oder Skandinavien zu gehen, wo Grund noch relativ erschwinglich ist und Selbstversorgung möglich - unser schlauer Fuchs Oldy hat das schon vor vielen Jahren gerochen.
Die Frage ist, wo soll man als kleiner Einzelkämpfer ansetzen, was die großen nicht genügend betreuen können?
Dann kommt man auf die Zielgruppe der sehr vermögenden (weltweit) und auf Nischen, die großes Know-How verlangen, für das die großen zu schwerfällig sind. Die kommen erst und kaufen die Ergebnisse, wenn das Patent fertig ist und es funktioniert. Oder klauen es.
Ohne eine Erfindung, einen Geistesblitz, ohne ein Knüllerprodukt, das sonst noch niemand sah, wird man den großen Wurf kaum mehr schaffen, vor allem zählt die beharrlich zuverlässige gute Leistung heute nichts mehr, man muß vielmehr etwas derart außergewöhnliches können, machen oder haben, das die anderen im Moment nicht zustande bringen.
Was Dich einerseits in den Dienstleistungssektor führt und Du persönliche Fähigkeiten anbieten kannst, oder in die Erfindung von Produken, oder man akzeptiert die Mitläufereigenschaft und sucht sich Nischen in bestehenden Giganto-Branchen, wie der Pharma-Industrie (nicht jedermanns Sache).
Die ganze Preiskalkulation läuft darauf hinaus, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel mitnehmen zu müssen, weil es absehbar ist, wann ein Konkurrent alles ohne Notwendigkeit auf Null runterzieht.
Ich hatte mal einen Konkurrenten, der sagte, wenn er von Produkt X 100.000 Stück verkaufe und dabei eine Mark am Stück hätte, wäre er doch sehr zufrieden damit. Nur, daß der Jahresabsatz effektiv eher im Bereich von 1000 - 2000 lag. Und solche Arschlöcher hast Du an jeder Ecke sitzen.
Das, was zur Zeit läuft, ist eine Steuerstaatshürdenrestriktionswirtschaft, keine Marktwirtschaft. Die findet nur noch statt, wo der Drecksstaat Tagesreisen weit weg liegt.
Nur, es ist illusorisch, dagegen anzuwettern, die Macht der Lobby ist zu stark. Man kann sich nur verweigern, auf Sozistützemachen (auch nicht jedermanns Sache), damit auf Chancen verzichten, oder sich so gut wie möglich von Jahr zu Jahr durchwurschteln.
Was anderes bleibt einem ja nicht übrig.
Tatsache ist, daß in den nächsten Jahren die Maßstäbe schmerzlich zurückgeschnitten werden. Wahrscheinlich so sehr, daß es uns allen das Blut zu den Adern rausdrücken wird, je nach Land mehr oder weniger. Ich fürchte, die fetten Jahre sind vorbei, und nur dieses Faktum zählt.
Dazu wird auch gehören, daß nur noch gemacht wird, was bezahlbar ist, nicht mehr, was wünschenswert wäre. Das wird auch überzogene Ansprüche auf den Boden der Tatsachen zurückholen, egal, wo.
Gesamtwirtschaftlich gesprochen, muß Europa Standortmarketing betreiben. Wäre es eine Firma, müßte es eine Zielkundengruppe definieren, und das können nicht Allerweltsnachfragen sein, die andernorts genauso gut und viel billiger gemacht werden können.
Es muß vielmehr Spitzentechnologie sein oder die Befriedigung ausgefallener Kundenwünsche, die andernorts nicht umsetzbar sind (Energie-, Fahrzeug-, Kommunikations-, Rüstungstechnik).
Und dazu brauchts jede Menge topgebildeter Leute - und daran mangelt es lt. öffentlicher Meinung gewaltig.
Noch vor 200 Jahren in der Gründerzeit haben ganz normale Leute in den Kellern und Werkstätten weltbewegende Erfindungen gemacht, gab es Privatgelehrte und Universalgenies, gab es Tüftler und Erfinder. Erst nach dem Krieg ist die - falsche - Ansicht verbreitet worden, Forschung und Entwicklung sei nur in der Großindustrie machbar.
Das muß sich wieder ändern. Es braucht Motivation (Geldverdienen nach Steuern), es bracucht Leistungswillen und eine visionäre Zielsetzung. Dann wird auch im Kleinen möglich, sich eine Nische zu erkämpfen, die ein paar Jahre gutes Auskommen ermöglicht.
Aber das wird nur gehen, wenn man jedwede Freizeit diesem Streben unterordnet. Ich bin seit ein paar Wochen wieder in diesem Fahrwasser und bin gespannt, was rauskommt. Wir sind mitten drin in der Situation, und ein anderer wird uns da nicht raushelfen, außer uns selber. Es bleibt uns nix anderes übrig. Und wer vor Ort wirklich keine Chance mehr sieht, muß sich fragen lassen, was er beim letzten Mal am Wahlzettel angekritzelt hat..........und beim vorletzten Mal, und beim vorvorletzten Mal......und ob er jetzt nicht das bekommen hat, was er gewählt hat........(keine Ironie)
Beste Grüße vom Baldur
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Student
10.01.2005, 10:53
@ Diogenes
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Re: Geld ist, was man dem Staat (als Abgabe) schuldet ;-) (o.Text) |
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albert
10.01.2005, 20:54
@ Baldur der Ketzer
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Re: Genauere Erklärung - Marktwirtschaft, oder Mafiawirtschaft |
-->>
>>Ich war selbst lange ein Verfechter des freien Marktes, musste dann aber erkennen, dass er nicht so funktioniert wie behauptet. Es ist schwierig sich von den liberalen Markt-Märchen zu lösen, insbesondere, wenn es einem selbst (noch) gut geht und man auf der Sonnenseite des Marktes steht. Man sieht Probleme für gewöhnlich erst dann, wenn sie für einen selbst zum akuten Problem werden.
>Hallo, mario,
>ich kann Dich besser verstehen, als Du glauben wirst.
>Das, was wir aktuell in Europa haben, ist eine Oligarchie der Großkonzerne, die im Politfilz derartige Markteintrittshürden aufgebaut haben (Vorschriften, Richtlinien, den ganzen Käse, Haftungen), daß ein Kleiner nicht mehr dagegen ankommt.
XXX
Baldur. Du sprichst mir aus der Seele.
mir persönlich gehts zwar recht gut, aber ich denke, es ist absehbar, das mit weiterem niedergang der wirtschaft, dem einzelnen immer mehr abgezockt wird.
ich halte es für möglich, das die leistungen des staates gegen null gehen-bei steigenden abgaben
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