Amanito
15.01.2005, 12:16 |
Kritik der reinen Vernunft am Beispiel Währungsfragen Thread gesperrt |
-->wieder ein Posting zu meinem Lieblingsthema"Empirismus" vs"Rationalismus", oder anders formuliert:"Kritik der reinen Vernunft" [img][/img]
Eine schwache Währung fördert den Export, eine starke bremst sie, das ist für jeden mit wirtschaftlichem Hausverstand und für die herrschende VWL-Lehre sonnenklar und"einfach logisch" und wird auch als Entscheidunggrundlage in der Politik verwendet. Diese Theorie hätte prognostiziert, daß die Exporte des USA geschrumpft sind und die Deutschlands (oder anderer Euroländer) gestiegen sind. Tatsächlich aber ist genau das Gegenteil der Fall, ein typischer Fall von Versagen des rationalistischen Ansatzes (X wird passieren wegen Argument Y).
Ist das vielleicht gar, weil der lineare Verstand mit komplexen systemischen Zusammenhängen überfordert ist (schwache Währung primär Wirkung und nicht primär Ursache)? Oder woran liegtst allgemein und im konkreten Fall? Wieviele dieser"deppensicheren Annahmen" bzw."rationalistischen Glaubenssätze" wurden eigentlich schon empirisch überprüft? Kommentare + Infos erwünscht.
Manfred
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Kasi
15.01.2005, 13:15
@ Amanito
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Re: Kritik der reinen Vernunft am Beispiel Währungsfragen |
-->Hallo Amanito,
"Diese Theorie hätte prognostiziert, daß die Exporte des USA geschrumpft sind und die Deutschlands (oder anderer Euroländer) gestiegen sind. Tatsächlich aber ist genau das Gegenteil der Fall"
Du meinst es wohl umgekehrt bezogen auf den sinkenden Dollar, oder? und wenn ja wieso das denn?? Die deutschen Exporte sinken zwar nicht, aber steigen doch langsamer, oder? und beim googeln gleich der erste Treffer:
"15.04.2004:
Deutsch Exporte in die USA eingebrochen - im Januar sank das Ausfuhrvolumen binnen Jahresfrist um 10,5%"
Ich kann nur sagen daß in meinem Leben noch nie so viel aus den Staaten importiert habe, wie jetzt und das sehe ich bei anderen Verkäufern aus meinem Umfeld ähnlich. Wo früher der Dollar plus Import-Kosten und Papierkram gedrückt haben, ist man heute schon mit Re-Importen besser dabei. Ich sehe also nicht, wo diese Theorie vollkommen gefloppt sein soll?!? Ist das das nicht auch eher eine Faustregel als eine allgemeingültige Regel?
Kasi
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Euklid
15.01.2005, 13:48
@ Kasi
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Re: Kritik der reinen Vernunft am Beispiel Währungsfragen |
-->Hallo Kasi guten Tag
es hilft mit Sicherheit nicht viel weiter nur das Deutsch - Amerikanische Export-Importverhalten zu untersuchen.
Schau mal bei destatis nach und untersuche die Gesamtexporte Deutschlands.
Dann auch die Gesamt EXP und IMP der USA.
Dann müßte ein Licht aufgehen wo die hohen Defizite Amerikas in Wirklichkeit herkommen.
Deutschland liefert an Amerika ja keine Holzspielzeuge und Papa Bush wollte mal ein Embargo gegen die billigen Stahllieferanten aus Europa durchsetzen bis man bemerkt hat daß man die gekauften Chargen ja momentan gar nicht selbst herstellen kann und dringend darauf angewiesen war.
Der Stahlexport aus Deutschland in die USA betrifft im wesentlichen Spezialstähle.Und dazu muß man zuerst die Ressourcen haben und das Know How,und Zeit braucht das auch um an die Ressourcen zu kommen.
Die USA ist ja längst nicht mehr der Nabel der Welt was Wirtschaft betrifft.
Warum hat denn die USA dieses große Loch in der Handelsbilanz?
Ist das ein Zeichen einer starken konkurrenzfähigen Wirtschaft?
Deutschland ist längst dabei sich andere Märkte zu sichern.
ICEs nach Rußland,und eine ganze Menge nach China.
Der Verbraucher in Deutschland profitiert von der Globalisierung dadurch daß in China zu 5 Dollar hergestellte Sportschuhe mit Labeln von nike oder adidas beklebt werden und versucht wird diese zu 100 Euro hier los zu schlagen.
Das dies kein leeres Geschwätz ist siehst du bei destatis daran daß die Importpreise trotz scharf gestiegener Währung nicht gefallen sind.
Müßte doch nach Theorie so sein daß Importe billiger werden wenn die Heimat- Währung stärker wird oder?
Und warum stimmt die Theorie hier auch nicht?
Die Inflationsrate kann auch deswegen steigen weil die Importe nicht die Entlastungen beim Preis verschafft was die Theorie normalerweise versprechen würde.
Man muß da schon überall etwas genauer hinschauen um die Fußangeln der Theorie zu sehen.
Mir war die Theorie der billigeren Preise auch nur am Anfang logisch,so lange bis ich mal geprüft habe was wirklich Sache ist.
Und da sieht es plötzlich völlig anders aus.
Ich liebe es wenn Theorien wie Seifenblasen zerplatzen und dann die nächste Religion herhalten muß.;-))
Gruß Euklid
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Amanito
15.01.2005, 15:22
@ Kasi
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Re: Kritik der reinen Vernunft am Beispiel Währungsfragen |
-->Kasi:
>Du meinst es wohl umgekehrt bezogen auf den sinkenden Dollar, oder?
ja klar, schneller gedacht als geschrieben
>und wenn ja wieso das denn?? Die deutschen Exporte sinken zwar nicht, aber steigen doch langsamer, oder? und beim googeln gleich der erste Treffer:
unsere steigen, die der USA fallen:
Laut dem US-Handelsministerium [...] Die Exporte fielen dagegen um 2,3 Prozent auf $95,6 Mrd. (letzte Meldung dieser Woche)
gibt zwar keine EUR-Index wie den $-Index (warum eigentlich nicht?), aber der Euro war klar die stärkste Währung der großen 3 in den letzten 2 Jahren
>Ist das das nicht auch eher eine Faustregel als eine allgemeingültige Regel?
nein, Du hörst ja Ähnliches dauernd von den großen Vordenkern der Finanz und Politik, VWL-Profs inkludiert.
Mich würde mal eine echte quantitive Untersuchung interessieren zu dem Thema (und zu ähnlichen, z.B. komp Vorteile nach Ricardo, genauso eine Theorie, die sich 100% logisch anhört, vielleicht aber empirisch nicht hält), aber da traut sich wahrscheinlich keiner ran, denn wenn die schief geht, dann ist Feuer am Dach der VWL-Sandburg.
Manfred
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---Elli---
15.01.2005, 16:05
@ Amanito
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Re: Kritik der reinen Vernunft am Beispiel Währungsfragen |
-->>wieder ein Posting zu meinem Lieblingsthema"Empirismus" vs"Rationalismus", oder anders formuliert:"Kritik der reinen Vernunft" [img][/img]
Genau mein Lieblingsthema und der Schwerpunkt meiner Arbeit seit Jahren: Den Unsinn von"Fundamentals" darzustellen.
Lesestoff dazu (uralt):
http://www.elliott-waves.com/de/index.php?id=wegweiser2000.htm
http://www.elliott-waves.com/disc-dow-nikkei.htm
http://www.elliott-waves.com/short-long-rates.htm
Heute lese ich in einem Citibank-Pamphlet:"Wirtschaftswachstum ist einer der zuverlässigsten Indikatoren für steigende Aktienkurse". Klingt logisch, kaum jemand zweifelt daran. Stimmt aber nicht, wie Prechter mal sehr akribisch nachgewiesen hat (ich müsste aber danach suchen). In der Wirtschaft - und da stimme ich Euklid zu - gibt es nichts Logisches."Wirtschaftswissenschaft" ist wie"airline food". ein Widerspruch in sich. Wirtschaft ist Massenpsychologie.
>Ist das vielleicht gar, weil der lineare Verstand mit komplexen systemischen Zusammenhängen überfordert ist (schwache Währung primär Wirkung und nicht primär Ursache)? Oder woran liegtst allgemein und im konkreten Fall? Wieviele dieser"deppensicheren Annahmen" bzw."rationalistischen Glaubenssätze" wurden eigentlich schon empirisch überprüft? Kommentare + Infos erwünscht.
>Manfred
Solche"Weisheiten" über angebliche Zusammenhänge sterben nie aus, weil sie so schön logisch klingen und weil man hinterher, wenn es anders kam, eine"passende" Erklärung leicht findet. Irgendwas war immer schuld.
Das schwache Börsenjahr 2004 wird z. B. von vielen mit dem Ã-lpreis erlärt. Völliger Unsinn. Von Ende 1998 bis Anfang 2000 hsat sich der Ã-lpreis verdreifacht. Und der DAX? Verdoppelt!
P.S.: Du hast doch einen"Forschungsassistenten" - setz ihn darauf an ;-)
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kingsolomon
15.01.2005, 17:02
@ Amanito
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Re: was kann die Vernunft dafür, dass eine Kaste Glaubenssätzen abhängt?! |
-->Hallo Amanito,
entschuldige, aber bist Du sicher, dass Du den alten Königsberger auch wirklich gelesen hast? In seiner 'Kritik der reinen Vernunft' steht da a bisserl was anderes.
Und - so einfach ist das mit dem Empirismus auch wieder nicht, denn auch der hat
das Münchhausen Problem: wie willst Du empirisch beweisen, dass alle Erkenntnis
auf Erfahrung beruht?
Bevor wir uns in philosophischen Treibsand begeben, schlag ich vor, das Problem
da aufzuhängen, wo's hingehört, nämlich ein paar Ebenenen tiefer; sagen wir:
Sozialpsychologie des Wissenschaftsbetriebes, oder vielleicht gar nur
Rezeption des selbigen durch das allgemeine Publikum?!
grüsse
ks
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Ricardo
15.01.2005, 17:23
@ Amanito
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die reine Vernunft |
-->Hallo,
ich weiss nicht wo du deine VWL-Kenntnisse her hast, aber die herrschende VWL-Lehre sieht das doch etwas anders. Das Wort herrschend braucht hier auch nicht sonderlich betont zu werden, den die Zusammenhänge sind klar, einfach zu analysieren und absolut unstrittig. Übrigens, wenn man sich die Daten und Währungsrelationen ansieht auch"empirisch" belegbar und auch"rational". Die Rationalannahme verwenden die Ã-konomen an ganz anderer Stelle, ebenso wie"Kritik der reinen Vernunft" an ganz anderer Stelle auftaucht, siehe Kant. Was hat das aber mit Währungsrelationen und Güterströhmen zu tun? Die Verwendung schlauer Wörter macht Kommentare übrigens nicht zwangsläufig auch schlauer.
>wieder ein Posting zu meinem Lieblingsthema"Empirismus" vs"Rationalismus", oder anders formuliert:"Kritik der reinen Vernunft" [img][/img]
>Eine schwache Währung fördert den Export, eine starke bremst sie, das ist für jeden mit wirtschaftlichem Hausverstand und für die herrschende VWL-Lehre sonnenklar und"einfach logisch" und wird auch als Entscheidunggrundlage in der Politik verwendet. Diese Theorie hätte prognostiziert, daß die Exporte des USA geschrumpft sind und die Deutschlands (oder anderer Euroländer) gestiegen sind.
***wie du unten schon bemerkst ist eine schwache Währung natürlich Ausdruck und Ergebnis realwirtschaftlicher Zusammenhänge und nicht umgekehrt. Sie kann damit selbstverständlich nie Grundlage wirtschaftspolitischer Entscheidungen sein. Dazu solltest du dir vor Augen führen was eine Währungsrelation überhaupt ist: sie ist der Ausgleich zwischen Waren- und Kapitalströmen zwischen den betreffenden Ländern. Ausfuhr von Waren- und Kapitalgütern von Euroland nach USA werden in Euro gezahlt. Es wird Euro nachgefragt. Von Ströme von USA nach Euroland werden umgekehrt abgerechnet, es wird mehr US-$ nachgefragt. Da der Euro in letzter Zeit stark gegenüber dem US-$ gestiegen ist, mussen auch die Waren- und Kapitalgüterströme in die USA gestiegen sein. Wie du ja selbst"empirisch" anführst.
Tatsächlich aber ist genau das Gegenteil der Fall, ein typischer Fall von Versagen des rationalistischen Ansatzes (X wird passieren wegen Argument Y).
>Ist das vielleicht gar, weil der lineare Verstand mit komplexen systemischen Zusammenhängen überfordert ist (schwache Währung primär Wirkung und nicht primär Ursache)? Oder woran liegtst allgemein und im konkreten Fall? Wieviele dieser"deppensicheren Annahmen" bzw."rationalistischen Glaubenssätze" wurden eigentlich schon empirisch überprüft? Kommentare + Infos erwünscht.
dazu siehe oben.
Ein weiters Missverständnis liegt vor (dein 2. Posting) wenn du hier auf Ricardo`s komparative Vorteile verweist. Dazu muss man verstehen was gemeint ist: komparative Vorteile sind nichts anderes als Wettbewerbsvorteile die ein Land gegenüber einem anderen hat. Das können natürliche (Wettbewerbs-) Vorteile wie Bodenschätze oder topographische Vorteile sein, oder erworbene, wie Bildungsstand, technisches Wissen oder Infrastruktur sein, durch das ein Land sich im Wettbewerb mit einem anderen Land hervorhebt um dadurch mehr wirtschaftliche Leistung auf sich zu konzentrieren. Nichts anderes. Wenn du dir jetzt vor Augen führst wie es zu Währungsrelationen kommt (in diesem Fall allerdings langfristig betrachtet, denn komparative Vorteile sind keine Wettbewerbsvorteile die mal eben so auftauchen; auch sind spin-off Effekte z. B. wenn es um Wissensvorteile geht, zu berücksichtigen), siehe oben, dürfte die Sache klar sein.
Grüsse
ricardo
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Amanito
15.01.2005, 18:08
@ kingsolomon
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Kant/ Hawkins |
-->(entschuldige, aber bist Du sicher, dass Du den alten Königsberger auch wirklich gelesen hast? In seiner 'Kritik der reinen Vernunft' steht da a bisserl was anderes.)
war auch nur scherzhaft gemeint der Titel, der ist gleich sonst nix
(Und - so einfach ist das mit dem Empirismus auch wieder nicht, denn auch der hat das Münchhausen Problem: wie willst Du empirisch beweisen, dass alle Erkenntnis auf Erfahrung beruht?)
klar irgendwo kommt man an einen Punkt, wo man a priori etwas voraussetzen muß
im täusche ich den reinen Empiristen ja nur vor [img][/img], ich bin gerade beim Rekrutieren einer Assistentin für ein Forschungsprojekt nach der Methode von Dr. Hawkins, eine empirisch geprüfte Methode des nicht-empirischen Erkenntnisgewinns... drum auch mein Interesse dran
(Bevor wir uns in philosophischen Treibsand begeben, schlag ich vor, das Problem da aufzuhängen, wo's hingehört, nämlich ein paar Ebenenen tiefer; sagen wir: Sozialpsychologie des Wissenschaftsbetriebes, oder vielleicht gar nur Rezeption des selbigen durch das allgemeine Publikum?!)
das auch, aber je länger mich diese Problematik beschäftigt, desto weniger glaube ich, daß das ein strukturelles Problem des Wissenschaftsbetriebs ist, sondern noch generellel und unabhängiger vom aktuellen Stand (diese Seite konnte ich praktisch gut studieren, wenn auch nicht ganz freiwillig).
Gruß
Manfred
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