Rumpelstilzchen
20.12.2000, 19:56 |
Was wir von Ratten lernen können Thread gesperrt |
Liebe Märchenfreunde!
Heute habe ich mit einem Berater telefoniert und ihm erklärt, dass ich meine letzten Fondanteile (Tempelton Growth) abstoßen will.
Er hat mir natürlich abgeraten. Ich habe dann nicht lange herumdiskutiert und ihm erklärt er soll das Zeug raushauen, sofort.
Und dann ist es wieder passiert.
Ich musste erneut an Ratten denken.
Das passiert mir in letzter Zeit ständig und ich habe schon überlegt, ob ich nicht die Hilfe eines Kollegen in Anspruch nehmen muss.
Meistens muss ich an ertrinkende Ratten denken. Nicht das ich schon mal wirklich ertrinkende Ratten gesehen hätte, aber als Student hat mich ein Experiment, von dem ich in einer Vorlesung gehört habe, außerordentlich beeindruckt.
Die Frage in dem Experiment war, wie lange Ratten in ausweglosen Situationen um ihr Leben kämpfen.
Auf so sadistische Experimente können nur Psychologen kommen.
Sie haben die Ratten in einen Topf mit Wasser geschmissen und sie schwimmen lassen.
Der Topf war so hoch, dass die Ratten ihn nicht verlassen konnten, das Wasser so tief, dass sie ertrinken würden.
Dann haben sie einfach gemessen, wie lange die Ratten schwimmen.
Die armen Viecher haben versucht, so lange wie möglich sich über Wasser zu halten.
Dann haben sie aufgegeben und sind abgesoffen.
Brutal.
Nachdem so ein Satz Ratten versenkt wurde, haben die Psychos einen neuen, gleich kräftigen Satz Ratten genommen und wieder in den Topf geworfen.
Diesmal haben sie aber die Ratten kurz vor dem erwarteten Ertrinken (sie haben sich an den Zeiten der ersten Gruppe orientiert) gerettet.
Gut für die Ratten?
Keineswegs.
Am nächsten Tag kam diese Gruppe von Ratten erneut in den Topf.
Diesmal wurden sie nicht gerettet.
Aber was ist passiert?
Diese Gruppe von Ratten hat sich diesmal vor dem Ertrinken signifikant länger über Wasser gehalten als die erste Gruppe. Erstaunlich wenn man bedenkt, dass doch auch die Ratten der Gruppe 1 eigentlich bis zur allerletzten Erschöpfung hätten schwimmen sollen. Haben sie aber offensichtlich nicht. Sie haben wohl schon früher eingesehen, dass alle Anstrengung sinnlos ist.
Was lernen wir daraus?
Postulieren wir, dass der durchschnittliche Aktionär und sein Berater zu Ratten der Gruppe 2 gehört. Ihm ist in den letzten Börsenjahren schon einige Male das Wasser bis zum Hals gestanden (so denken sie zumindest). Aber dann kam immer von irgendwo ein Händchen her und hat sie aus Sumpf herausgezogen.
Der Golfkrieg, die Asienkrise und die vielen kleineren Krisen haben den Aktionär gelehrt, dass man nur durchhalten muss.
Deswegen können wir in Analogie zu den Ratten mal vermuten, dass da so bald keiner seine Aktien fahren lässt und aufgibt. Der Kampf geht bis zum wirklich allerletzten.
Aber am Ende könnte diesmal doch alle Anstrengung, alles Zähne zusammenbeißen umsonst sein.
Mitleidige Grüße
R.
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BossCube
20.12.2000, 19:59
@ Rumpelstilzchen
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Gut beobachtet, Rumpi! oT. |
>Liebe Märchenfreunde!
>Heute habe ich mit einem Berater telefoniert und ihm erklärt, dass ich meine letzten Fondanteile (Tempelton Growth) abstoßen will.
>Er hat mir natürlich abgeraten. Ich habe dann nicht lange herumdiskutiert und ihm erklärt er soll das Zeug raushauen, sofort.
>Und dann ist es wieder passiert.
>Ich musste erneut an Ratten denken.
>Das passiert mir in letzter Zeit ständig und ich habe schon überlegt, ob ich nicht die Hilfe eines Kollegen in Anspruch nehmen muss.
>Meistens muss ich an ertrinkende Ratten denken. Nicht das ich schon mal wirklich ertrinkende Ratten gesehen hätte, aber als Student hat mich ein Experiment, von dem ich in einer Vorlesung gehört habe, außerordentlich beeindruckt.
>Die Frage in dem Experiment war, wie lange Ratten in ausweglosen Situationen um ihr Leben kämpfen.
>Auf so sadistische Experimente können nur Psychologen kommen.
>Sie haben die Ratten in einen Topf mit Wasser geschmissen und sie schwimmen lassen.
>Der Topf war so hoch, dass die Ratten ihn nicht verlassen konnten, das Wasser so tief, dass sie ertrinken würden.
>Dann haben sie einfach gemessen, wie lange die Ratten schwimmen.
>Die armen Viecher haben versucht, so lange wie möglich sich über Wasser zu halten.
>Dann haben sie aufgegeben und sind abgesoffen.
>Brutal.
>Nachdem so ein Satz Ratten versenkt wurde, haben die Psychos einen neuen, gleich kräftigen Satz Ratten genommen und wieder in den Topf geworfen.
>Diesmal haben sie aber die Ratten kurz vor dem erwarteten Ertrinken (sie haben sich an den Zeiten der ersten Gruppe orientiert) gerettet.
>Gut für die Ratten?
>Keineswegs.
>Am nächsten Tag kam diese Gruppe von Ratten erneut in den Topf.
>Diesmal wurden sie nicht gerettet.
>Aber was ist passiert?
>Diese Gruppe von Ratten hat sich diesmal vor dem Ertrinken signifikant länger über Wasser gehalten als die erste Gruppe. Erstaunlich wenn man bedenkt, dass doch auch die Ratten der Gruppe 1 eigentlich bis zur allerletzten Erschöpfung hätten schwimmen sollen. Haben sie aber offensichtlich nicht. Sie haben wohl schon früher eingesehen, dass alle Anstrengung sinnlos ist.
>Was lernen wir daraus?
>Postulieren wir, dass der durchschnittliche Aktionär und sein Berater zu Ratten der Gruppe 2 gehört. Ihm ist in den letzten Börsenjahren schon einige Male das Wasser bis zum Hals gestanden (so denken sie zumindest). Aber dann kam immer von irgendwo ein Händchen her und hat sie aus Sumpf herausgezogen.
>Der Golfkrieg, die Asienkrise und die vielen kleineren Krisen haben den Aktionär gelehrt, dass man nur durchhalten muss.
>Deswegen können wir in Analogie zu den Ratten mal vermuten, dass da so bald keiner seine Aktien fahren lässt und aufgibt. Der Kampf geht bis zum wirklich allerletzten.
>Aber am Ende könnte diesmal doch alle Anstrengung, alles Zähne zusammenbeißen umsonst sein.
>Mitleidige Grüße
>R.
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black elk
20.12.2000, 20:05
@ Rumpelstilzchen
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Re: Vielleicht sollte man diese Psychlogen.. |
mal in die kalte Ostsee schmeißen und mal sehen wie lange sie sich über Wasser halten, bevor die Körperstarre eintritt. Mal guckn ob sie beim 2. Versuch länger überleben..
black elk
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SchlauFuchs
20.12.2000, 20:11
@ Rumpelstilzchen
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Re: Was wir von Ratten lernen können - Meilenstein? owT |
>Liebe Märchenfreunde!
>Heute habe ich mit einem Berater telefoniert und ihm erklärt, dass ich meine letzten Fondanteile (Tempelton Growth) abstoßen will.
>Er hat mir natürlich abgeraten. Ich habe dann nicht lange herumdiskutiert und ihm erklärt er soll das Zeug raushauen, sofort.
>Und dann ist es wieder passiert.
>Ich musste erneut an Ratten denken.
>Das passiert mir in letzter Zeit ständig und ich habe schon überlegt, ob ich nicht die Hilfe eines Kollegen in Anspruch nehmen muss.
>Meistens muss ich an ertrinkende Ratten denken. Nicht das ich schon mal wirklich ertrinkende Ratten gesehen hätte, aber als Student hat mich ein Experiment, von dem ich in einer Vorlesung gehört habe, außerordentlich beeindruckt.
>Die Frage in dem Experiment war, wie lange Ratten in ausweglosen Situationen um ihr Leben kämpfen.
>Auf so sadistische Experimente können nur Psychologen kommen.
>Sie haben die Ratten in einen Topf mit Wasser geschmissen und sie schwimmen lassen.
>Der Topf war so hoch, dass die Ratten ihn nicht verlassen konnten, das Wasser so tief, dass sie ertrinken würden.
>Dann haben sie einfach gemessen, wie lange die Ratten schwimmen.
>Die armen Viecher haben versucht, so lange wie möglich sich über Wasser zu halten.
>Dann haben sie aufgegeben und sind abgesoffen.
>Brutal.
>Nachdem so ein Satz Ratten versenkt wurde, haben die Psychos einen neuen, gleich kräftigen Satz Ratten genommen und wieder in den Topf geworfen.
>Diesmal haben sie aber die Ratten kurz vor dem erwarteten Ertrinken (sie haben sich an den Zeiten der ersten Gruppe orientiert) gerettet.
>Gut für die Ratten?
>Keineswegs.
>Am nächsten Tag kam diese Gruppe von Ratten erneut in den Topf.
>Diesmal wurden sie nicht gerettet.
>Aber was ist passiert?
>Diese Gruppe von Ratten hat sich diesmal vor dem Ertrinken signifikant länger über Wasser gehalten als die erste Gruppe. Erstaunlich wenn man bedenkt, dass doch auch die Ratten der Gruppe 1 eigentlich bis zur allerletzten Erschöpfung hätten schwimmen sollen. Haben sie aber offensichtlich nicht. Sie haben wohl schon früher eingesehen, dass alle Anstrengung sinnlos ist.
>Was lernen wir daraus?
>Postulieren wir, dass der durchschnittliche Aktionär und sein Berater zu Ratten der Gruppe 2 gehört. Ihm ist in den letzten Börsenjahren schon einige Male das Wasser bis zum Hals gestanden (so denken sie zumindest). Aber dann kam immer von irgendwo ein Händchen her und hat sie aus Sumpf herausgezogen.
>Der Golfkrieg, die Asienkrise und die vielen kleineren Krisen haben den Aktionär gelehrt, dass man nur durchhalten muss.
>Deswegen können wir in Analogie zu den Ratten mal vermuten, dass da so bald keiner seine Aktien fahren lässt und aufgibt. Der Kampf geht bis zum wirklich allerletzten.
>Aber am Ende könnte diesmal doch alle Anstrengung, alles Zähne zusammenbeißen umsonst sein.
>Mitleidige Grüße
>R.
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JüKü
20.12.2000, 20:14
@ Rumpelstilzchen
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Re: Was wir von Ratten lernen können |
Abgesehen von dem ekelhaften Beispiel (hast du ja selbst gesagt) ist es ganeu das, was die Anleger in den letzten 20 Jahren gelernt haben: JEDE Korrektur ist kein Problem, allenfalls eine neue Kaufgelegenheit.
Als meine Exfrau zum ersten Mal in ihrem Leben Aktien kaufte, kaufte sie LHS, und zwar wann? EXAKT am Hochpunkt, 70 EUR (nach Split). All the way down war Hoffnung (nie auf den Ex gehört), und als sie dann endlich entnervt verkaufen wollte, bei 8 EUR oder so, kam just die Meldung, LHS ist pleite.
Danke, Rumpelstilzchen, für das Märchen, wenn auch brutal.
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ThomasW
20.12.2000, 21:08
@ Rumpelstilzchen
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Diesen Effekt hat schon... (mT) |
Seligmann in seinem Buch"Pessimisten küsst man nicht" schön beschrieben. Er sagt, dass man Hilflosigkeit lernen und auch wieder verlernen kann.
Irgendwie muss sich eben doch jeder Trader mit Psychologie befassen, sonst wirds nichts.
Gruß
ThomasW
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Rumpelstilzchen
20.12.2000, 21:11
@ ThomasW
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Re: Diesen Effekt hat schon... (mT) |
>Seligmann in seinem Buch"Pessimisten küsst man nicht" schön beschrieben. Er sagt, dass man Hilflosigkeit lernen und auch wieder verlernen kann.
>Irgendwie muss sich eben doch jeder Trader mit Psychologie befassen, sonst wirds nichts.
>Gruß
>ThomasW
Genau.
"Erlernte Hilflosigkeit" heisst das daraus entwickelte Konzept.
Daraus ergeben sich wichtige Anwendungen v.a. bei Depressionsbehandlung
Grüße
R.
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Josef
20.12.2000, 21:18
@ Rumpelstilzchen
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Re: Depressionsbehandlung?? |
schnipfel..........
>"Erlernte Hilflosigkeit" heisst das daraus entwickelte Konzept.
>Daraus ergeben sich wichtige Anwendungen v.a. bei Depressionsbehandlung
Was gibt es denn fuer Depressionsbehandlungen??
Mfg
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black elk
20.12.2000, 21:20
@ Josef
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Re: Depressionsbehandlung?? -Prozac! (owT) |
>schnipfel..........
>>"Erlernte Hilflosigkeit" heisst das daraus entwickelte Konzept.
>>Daraus ergeben sich wichtige Anwendungen v.a. bei Depressionsbehandlung
>Was gibt es denn fuer Depressionsbehandlungen??
>Mfg
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Rumpelstilzchen
20.12.2000, 21:51
@ Josef
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Re: Depressionsbehandlung?? |
>schnipfel..........
>>"Erlernte Hilflosigkeit" heisst das daraus entwickelte Konzept.
>>Daraus ergeben sich wichtige Anwendungen v.a. bei Depressionsbehandlung
>Was gibt es denn fuer Depressionsbehandlungen??
>Mfg
Das Konzept der"Erlernten Hilflosigkeit" behauptet grob gesagt, dass die Erfahrung der Hilflosigkeit zu kognitiven Veränderungen führt (z.B."ich kann sowieso nix ausrichten"), die Veränderungen auf der Verhaltensebene (Rückzug, Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit) und auf der emotionalen Ebene (Depression, Hoffnungslosigkeit)zur Folge haben.
Da die Hilflosigkeit aber erlernt ist, lässt sie sich durch gegenteilige Lernerfahrungen wieder"verlernen" mit entsprechend positiven Folgen für Kognition, Emotion und Verhalten. Die konsequente therapeutische Umkehrung zielt also auf das Lernen von"Selbsteffizienz", das ist die Überzeugung, auf seine Gefühle und seine Lebensumstände Einfluss zu haben.
Das Rattenexperiment ist dabei eher nebensächlich und daher wenig für das Gesamtkonzept erklärend.
Das Rattenexperiment veranschaulicht vielmehr, welche Wirkung auch einmalige Lernerfahrungen haben können, wenn ihnen entsprechende existentielle Bedeutung beigemessen wird. Und das trifft für Menschen noch in weitaus stärkerem Maße zu als für Ratten, da Menschen offenbar noch viel stärker als Ratten dazu neigen, eine einzelne Erfahrung zu verallgemeinern.
Für die erlernte Hilflosigkeit gibt es erklärendere Experimente, z.B. das fast ebenso fiese Experiment mit den Hunden und den Stromstößen (steht bestimmt auch in dem Buch, das Du erwähnt hast).
Grüße
R.
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Josef
20.12.2000, 22:40
@ Rumpelstilzchen
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Re: Depressionsbehandlung?? Vielen Dank fuer die gute Erklaerung!! |
>>schnipfel..........
>>>"Erlernte Hilflosigkeit" heisst das daraus entwickelte Konzept.
>>>Daraus ergeben sich wichtige Anwendungen v.a. bei Depressionsbehandlung
>>Was gibt es denn fuer Depressionsbehandlungen??
>>Mfg
>Das Konzept der"Erlernten Hilflosigkeit" behauptet grob gesagt, dass die Erfahrung der Hilflosigkeit zu kognitiven Veränderungen führt (z.B."ich kann sowieso nix ausrichten"), die Veränderungen auf der Verhaltensebene (Rückzug, Teilnahmslosigkeit, Antriebslosigkeit) und auf der emotionalen Ebene (Depression, Hoffnungslosigkeit)zur Folge haben.
>Da die Hilflosigkeit aber erlernt ist, lässt sie sich durch gegenteilige Lernerfahrungen wieder"verlernen" mit entsprechend positiven Folgen für Kognition, Emotion und Verhalten. Die konsequente therapeutische Umkehrung zielt also auf das Lernen von"Selbsteffizienz", das ist die Überzeugung, auf seine Gefühle und seine Lebensumstände Einfluss zu haben.
>Das Rattenexperiment ist dabei eher nebensächlich und daher wenig für das Gesamtkonzept erklärend.
>Das Rattenexperiment veranschaulicht vielmehr, welche Wirkung auch einmalige Lernerfahrungen haben können, wenn ihnen entsprechende existentielle Bedeutung beigemessen wird. Und das trifft für Menschen noch in weitaus stärkerem Maße zu als für Ratten, da Menschen offenbar noch viel stärker als Ratten dazu neigen, eine einzelne Erfahrung zu verallgemeinern.
>Für die erlernte Hilflosigkeit gibt es erklärendere Experimente, z.B. das fast ebenso fiese Experiment mit den Hunden und den Stromstößen (steht bestimmt auch in dem Buch, das Du erwähnt hast).
>Grüße
>R.
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