-->Anbei das aktuelle Interview des Saar-Echo zum Buch
"Wildwest auf der Chefetage*
- Schröders Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft"
*Titel mit freundlicher Genehmigung des SPIEGEL-Verlags.
"Ja sicher, die Deutschland AG ist am Ende"
Das Buch von Hans-Joachim Selenz über Lug und Trug in den obersten Etagen rüttelt auf / Die traurige Rolle des Gerhard Schröder
Hans-Joachim Selenz hat ein Stück aktuelle deutsche Wirtschaftskrimi- nalität aufgearbeitet, und zwar noch ehe die Justiz in die Pantoffeln
gekommen ist, obwohl sie die BetrugshintergrĂĽnde und Milliarden- schwindeleien in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen allerbestens kennt.
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Hannover/Peine. -one-
Was hinter den Fassaden deutscher Konzerne, hinter den DoppeltĂĽren von
Banken, in den kahlen Amtsstuben der Justiz und in den wechselnden
Etablissements der maĂźgebenden Politiker abgeht, das ist immer wieder mal
Gegenstand von EnthĂĽllungsgeschichten im Buchformat oder in halbwegs
mutigen Zeitschriften.
FĂĽr die Leser solcher Geschichten stellt sich oft genug die Frage,
wieweit die geschilderten Zusammenhänge tatsächlich 1:1 zu lesen und zu
verstehen sind, wieweit auch die weithin ĂĽbliche Desinformation in
Deutschland greift und welche Stichwortgeber und BeweggrĂĽnde treibend sind.
Nun hat Hans-Joachim Selenz ein Buch herausgegeben unter dem Titel
„Wildwest auf der Chefetage
- Schröders Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft“.
(Das SAAR-ECHO hat die Neuerscheinung vor einigen Tagen vorgestellt.)
Dort wird tatsächlich dokumentiert, was bereits gängige Praxis in deutschen Landen ist - Lug und Betrug unter Beteiligung der Wirtschaft, der Justiz,
der Politik und en passant auch der Medien.
Die Deutschland AG scheint nach glaubhafter Darstellung von Hans-Joachim
Selenz jedenfalls dem Ende nahe.
- Nachfolgend ein Interview mit dem Autor:
SE: Herr Professor Selenz, Sie haben ein Buch geschrieben, das gerade noch
rechtzeitig vor den Bundestagswahlen die BĂĽrger aufmerksam macht auf zwei
Dinge: Auf deutschen Chefetagen herrscht nach Ihrer beeindruckenden Dar- stellung Wildwest. Zum anderen kĂĽndigen Sie in der Buch-Unterzeile gewisse
EnthĂĽllungen an, die den deutschen Noch-Kanzler betreffen. Sie schreiben:
”Schröders Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft”. Dazu ist der am- tierende Regierungschef mit einem Glas Schampus - oder Sekt - und mit dem
von Josef Ackermann hinlänglich bekannten Victory-Handzeichen abgebildet.
Was bezwecken Sie mit diesem Buch?
Ist die Herausgabe kurz vor den Wahlen bewusst gewählt?
Selenz: Die EnthĂĽllungen kĂĽndige ich nicht nur an, sondern bringe sie un- mittelbar und direkt! Die Tatsache, dass die Preussag Stahl AG/Salzgitter
AG - ein immerhin börsennotiertes Unternehmen - innerhalb von weniger als
24 Stunden zweimal verkauft wurde, ist ein absolutes Novum nicht nur in
der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Dass dies beim zweiten Mal von Personen vorgenommen wurden, wie dem nie- dersächsischen Ministerpräsidenten und dem Chef der NRW-Landesbank,
die dazu alles andere als berechtigt, geschweige denn aktienrechtlich
legitimiert waren, machte die Sache nicht eben legaler.
Die Drohung Gerhard Schröders mit dem Staatsanwalt war zu diesem Zeitpunkt
und angesichts der ihm detailliert bekannten Betrugsabläufe bei der West
LB/Preussag-Gruppe allerdings durchaus korrekt.
Quasi die Gelbe Karte!
Das Victory-Zeichen von Josef Ackermann hat Gerhard Schröder gewissermaßen
vorempfunden. Sein ”unkonventionelles” Agieren jenseits des Aktiengesetzes
brachte ihm am langen Ende schlieĂźlich sogar die Kanzlerschaft.
Das Erscheinungsdatum im August 2005 hat mit dem VW-Skandal und der vor- gezogenen Bundestagswahl zu tun. Vor dem VW-Skandal hielten viele Mit- bürger meine Beschreibungen von realen Abläufen ”in diesem unserem Lande”
fĂĽr ĂĽberzogen und irreal. Jetzt werde ich sogar gefragt, warum ich das
Buch nicht schon früher veröffentlicht habe!
Das Buch war halt noch nicht fertig, und ich hatte meinen Co-Autor Ulf
Mailänder - einen genialen Buchbäcker - noch nicht gefunden.
SE: Sie waren selbst lange auf der Chefetage der Preussag/Salzgitter AG
führend. War das denn ein irgendwie gearteter Irrtum? Waren Sie zu blau- äugig, um dieses drohende ”Wildwest” auf der Ebene von Managern, Poli- tikern und Bankern zu erkennen?
Hätte es Ihnen nicht weitergeholfen, wenn Sie einfach mitgetanzt hätten?
Selenz: Um Missverständnissen vorzubeugen. Nicht auf allen Chefetagen geht
es so kriminell zu wie bei der West LB/Preussag-Gruppe oder bei VW.
Die Zahlen der Preussag Stahl AG/Salzgitter AG waren stets korrekt.
Sonst hätte ich sie nicht unterschrieben. Als ich feststellte, dass dies
bei der Muttergesellschaft, der Preussag AG, deren Vorstand ich ebenfalls
angehörte, nicht der Fall war, habe ich sofort gehandelt.
Ich forderte das Testat eines zweiten WirtschaftsprĂĽfers. Und zwar
schriftlich! Da meine Forderung nicht erfĂĽllt wurde, verweigerte ich die
Unterschrift unter den Jahresabschluss und wurde prompt gefeuert.
Vorstand, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer fälschten danach sogar noch
den Geschäftsbericht der Preussag AG.
Mittanzen im Sumpf ist nicht mein Ding. Ich tanze erst wieder mit, wenn
der Sumpf trockengelegt worden ist.
Beim Trockenlegen helfe ich derweil tatkräftig mit.
SE: Sie schreiben viel Hintergründiges, viel Entlarvendes, viel Depri- mierendes über die Wirtschaftsbosse und die Polithelden ”in diesem unse- rem Lande”. Und dennoch scheinen Sie Ihren Duzfreund Gerhard Schröder
noch in Schutz zunehmen, obwohl Sie doch zum Teil an ihm gescheitert sind.
Ist diese Einschätzung richtig?
Selenz: Gerhard Schröder ist kein Unmensch. Er ist vor allem ein genialer
Polit-Schauspieler. Inhalte und Substanz sind da leider zweitrangig.
Er hat so gehandelt, wie es für den Politiker Gerhard Schröder am
gĂĽnstigsten war. Das tun heutzutage fast alle Politiker in einem auf
VordergrĂĽndigkeit angelegten Medienumfeld. Daher will ich ihn dafĂĽr nicht
verdammen.
Was ich allerdings vermisst habe - und das gebe ich ihm mit auf den Weg -
ist die Tatsache, dass er in voller Kenntnis der kriminellen Abläufe in- nerhalb der West LB/Preussag-Gruppe nicht die rote Karte zog, das heißt,
die Staatsanwaltschaft tatsächlich in Marsch setzte.
Er hat seine Kenntnisse der Betrugsabläufe nur für seine persönliche
Polit-Karriere genutzt. Ob das ein geeigneter Ausweis fĂĽr einen Kanzler
der Bundesrepublik Deutschland ist, muss jeder Leser meines Buches fĂĽr
sich selbst entscheiden. Daher das Buch noch vor der Wahl.
Ich sehe mich ganz und gar nicht als gescheitert an. Ganz im Gegenteil!
Mit meinem Beispiel habe ich viele Menschen dazu gebracht, mitzukämpfen
für eine unabhängige Justiz und wahre Rechtsstaatlichkeit.
Recht und Gesetz ”in diesem unserem Lande” müssen für alle gelten.
Auch und gerade für Politiker und deren reichen Freunde und ”Finanz- Förderer”.
SE: Ihre Sprache ist sehr direkt, Ihre Argumente wenig rĂĽcksichtsvoll,
Ihre Urteile zum groĂźen Teil vernichtend.
Für Sie geht es nicht nur um die Aufdeckung von Machenschaften und durch- aus kriminellen Tatbeständen, es scheint Ihnen ebenso darum zu gehen,
die Rechtsprechung in Deutschland zu demaskieren.
Was haben Sie gegen Staatsanwälte und was gegen Richter?
Selenz: Ich habe nichts gegen Staatsanwälte und Richter wenn sie korrekt
handeln.
Korrekte Staatsanwälte und Richter stellen - Gott sei Dank - den über- wiegenden Teil ihrer Zunft in Deutschland. Leider sind aber auch viele
Staatsanwälte und Richter in diesem unserem Lande bestechlich und spielen
zudem gern den Untertan - leider immer noch eine deutsche Spezialität!
Statt Recht und Gesetz ohne Ansehen der Person zur Geltung zu verhelfen,
verbiegen und brechen ”kriminelle” Angehörige der Justiz das Recht.
Der Begriff ”kriminell” im Zusammenhang mit Justizangehörigen, die für
Geld und ihre Karriere das Recht brechen und beugen, stammt ĂĽbrigens von
korrekten Kollegen. Es ist zur Zeit offensichtlich noch sehr gefährlich,
das als Richter selbst offen zu sagen. Ich bin allerdings froh, dass diese
mutigen Richter und Staatsanwälte sich mir zumindest offenbaren.
Ohne sie hätte ich gegen ihre kriminellen Kollegen keine Chance.
Allein die Preussag spendierte bestechlichen Richtern, Staatsanwälten
sowie Politikern jährlich 20 Millionen DM an Schwarzgeld. Zur Sicherheit
ĂĽber ein Clearing-BĂĽro in der neutralen Schweiz. Wie man sieht, hat sich
diese Investition fĂĽr die Preussag/TUI bis dato gelohnt.
Trotz dokumentierter Betrugsvorgänge blieb man völlig unbehelligt!
Sie haben sich geweigert, die angeblich kriminellen Spielchen der Macher
und der Hintermänner mitzuspielen. Das war gleichbedeutend mit dem Ende
Ihrer Karriere. Und nun müssen Sie sich anhören, dass Sie ein Nest- beschmutzer seien und Ihr wesentlicher Antrieb auf Rachedurst beruhe.
Was stimmt?
Selenz: Ich möchte nicht, dass meine Kinder in einem derart kriminellen
Umfeld aufwachsen müssen, wie ich es bei der West LB/Preussag-Gruppe ken- nen gelernt habe und wie es wesentliche Teile unseres Rechtssystems prägt.
Daher sehe ich mich mit meiner Forderung nach Wegfall der Weisungs- gebundenheit für deutsche Staatsanwälte auch nicht als Nestbeschmutzer
-ganz im Gegenteil. Der Deutsche Richterbund fordert das schlieĂźlich auch.
Auch beim Deutschen Richterbund ist diese Forderung sicherlich nicht von
Rachedurst geprägt.
Es geht bei einem beschmutzten Nest vielmehr um dessen Reinigung, also
schlicht um Sauberkeit.
SE: Am 16. Februar 1999 wurden Sie auf dem Gelände des ehemaligen KZ
Drütte im Rahmen einer Schauveranstaltung symbolisch gehängt.
Warum griff die Justiz in Braunschweig nicht ein?
Warum wurden die Täter nicht verurteilt?
Selenz: Die Justizbehörden in Braunschweig sind weiterhin unter Kontrolle
der SPD - trotz des Regierungswechsels in Hannover.
Das hat mit Personen zu tun. Eine Verurteilung der an der KZ-Schändung
beteiligten Täter aus den Reihen der IG Metall passt nicht in deren
politische Landschaft.
Man will den ganz offensichtlichen Rechtsextremismus in den Gewerkschaf- ten, den Hans-Ulrich Jörges in seinem aktuellen Zwischenruf aus Berlin
im ”Stern” beschreibt, nicht aufdecken und thematisieren.
Wie weit die braune Historie der Behörden in Braunschweig dabei zusätz- lich eine Rolle spielt, der Stadt in der Adolf Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, wäre überaus interessant zu untersuchen.
SE: Was ist von der alten Bekanntschaft mit Gerhard Schröder übrig ge- blieben? Und welche Schlussfolgerungen ergeben sich für Sie angesichts
der am Sonntag stattfindenden Bundestagswahlen?
Selenz: Gerhard Schröder hat sich in Kenntnis der kriminellen Abläufe,
gegen die ich angetreten bin und die er für sich persönlich genutzt hat,
nicht fĂĽr die Sache des Rechts und fĂĽr mich eingesetzt. Daher ist von der
alten Zusammenarbeit und Bekanntschaft nicht viel geblieben.
Das war vor allen Dingen schlecht für unser Land, weil die Betrugsvor- gänge bei der Preussag/TUI AG ungebremst weiterliefen.
Eine der Folgen war der Konkurs der Babcock Borsig AG. Die Preussag
missbrauchte das Unternehmen in Oberhausen als MĂĽllhalde fĂĽr ihre
Problemfelder. Mir liegen auch dazu alle wesentlichen Dokumente vor.
Die Folgen der Babcock-Pleite: Zehntausende neuer Arbeitsloser und ein
finanzieller Schaden von 5 Milliarden Euro.
Ich werde daher am Sonntag Gerhard Schröder nicht wählen.
SE: Und die Frage zum guten oder schlechten Schluss:
Ist die Deutschland AG am Ende?
Selenz: Ein eindeutiges Ja!
Der Schulterschluss innerhalb der Deutschland AG ĂĽber Recht und Gesetz
hinweg endet an den nunmehr offenen Grenzen der EU.
Betrugsvorgänge, wie der der Preussag/TUI AG, haben dadurch internatio- nale Dimensionen angenommen.
So wurde zum Beispiel mit ehemals staatlichen deutschen Geldern das
englische Touristik-Unternehmen Thomson Travel zu einem völlig über- höhten Kaufpreis von sechs Milliarden DM übernommen.
In der Folge mussten Tausende von Mitarbeitern in England entlassen
werden. Die Preussag/TUI AG hat im Tourismus in den letzten sechs
Jahren nicht einen Cent verdient. Alle ausgewiesenen Gewinne stammen
nicht aus dem operativen Geschäft, sondern aus dem Verkauf früherer Staatsbeteiligungen der Bundesrepublik Deutschland.
Jetzt schwenkt man erneut um - auf Schifffahrt. Ein Geschäftsfeld,
das man noch vor einem Jahr verkaufen wollte.
Wenn die Betrugsblase Preussag/TUI platzt, wird das weit reichende
internationale Folgen haben.
Es soll dann keiner sagen, er habe nichts gewusst!
Man sieht ähnliches ja auch im Fall VW.
Dort platzte die Betrugsblase ”Made in Germany” letztlich in Indien.
DAS KURZPORTRÄT:
Hans-Joachim Selenz, Jahrgang 1951, studierte EisenhĂĽttenkunde an der
Technischen Universität Berlin und promovierte dort anno 1980.
Er war Vorstandsvorsitzender der Preussag Stahl AG/Salzgitter AG
(1994 - 1999), Mitglied des Vorstandes der Preussag AG (1996 - 1998),
Mitglied des Vorstandes des Automobilentwicklers EDAG (1999 - 2001)
und ist seit 1998 Honorarprofessor an der Universität Hannover.
Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz ist freier Autor von Leitartikeln und
Kommentaren im SAAR-ECHO.
Hans-Joachim Selenz
„Wildwest auf der Chefetage
- Schröders Kampf um Salzgitter und die Kanzlerschaft“
Buchmedia GmbH, MĂĽnchen
148 Seiten, Euro 14,90
ISBN 3-86520-140-7
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