Lebenslügen unserer Gesellschaft (1): Die Börse macht uns alle reich!
Es hat sich also allgemein herumgesprochen, daß „Aktien langfristig die beste Kapitalanlage“ sind. In einer Manie kann dieses „langfristig“ manchmal sehr zur Freude der Anleger sogar sehr „kurzfristig“ sein. Und wenn es aufwärts geht, mit unserem Land unserer Firma und meinen Aktien, warum dann noch Fragen stellen? Ich habe nicht die Zeit dazu. Schließlich gilt es, neue attraktive, erfolgversprechende Aktien zu finden, vielleicht gar eine Neuemission. Wer so denkt, dem sei an dieser Stelle geraten, mit dem Lesen inne zu halten und auf einen anderen Beitrag zu wechseln. Die nachfolgenden Aussagen zu lesen, dürfte doch nur als blanke Zeitverschwendung erachtet werden und könnte zusätzlich ein partielles Unwohlsein hervorrufen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte... Ach fragen Sie ruhig, wen immer Sie fragen wollen. Es ist mir egal. Tun Sie was Sie wollen. Es sind Ihre Schmerzen, nicht meine.
So, Sie haben sich also zum Weiterlesen entschlossen. Na schön. Wie gesagt, Ihre Entscheidung. Aber trotzdem: Pech für Sie, das Schlachtfeld der Argumente ist nämlich schon eigens für Sie vorbereitet und die Minenfelder dieses Artikels warten nur darauf von Ihnen betreten zu werden. Also worauf warten Sie noch. Hereinspaziert - oder fehlt es Ihnen neuerdings an der nötigen Courage? Sie wissen ja, wenn Sie jetzt noch abbrechen, werden Sie sich in wenigen Augenblicken als Feigling und erfolgloser Verlierer fühlen. Einer jener Zeitgenossen, die mal wieder nicht geschnallt haben, warum es geht. Und zu denen wollen Sie doch nicht gehören, oder doch?
Wenn jetzt etwas tief in Ihnen „es reicht“ schreien will oder Sie sich völlig irritiert die Frage stellen: „Worauf will der eigentlich hinaus?“, dann sind Sie genau an dem Punkt angekommen, an den ich Sie führen will. Rekapitulieren wir einmal das, was in den vergangenen Sekunden vorgegangen ist. Nichts ahnend, unvoreingenommen oder vielleicht sogar in einer neugierigen Grundhaltung begegnen Sie dem Text und entschließen sich zu lesen. Ihre Grundhaltung ist eine wohlwollend offene. Sie bringen viel ein, investieren Zeit, schenken dem Autor Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Und dann so etwas: ein Autor, der Sie erst warnt weiterzulesen und dann persönlich angreift. Es wird unerwartet ernst. Der Kerl scheint Ihnen alles andere als wohlgesonnen zu sein. Mehr noch: Er provoziert Sie, macht sich über die Unsicherheit lustig, die jetzt so langsam aber sicher in Ihnen aufzusteigen beginnt. Um es kurz zu sagen: Der Mann hat Ihnen sozusagen den Krieg erklärt.
Und Sie? Sie träumten von angenehmer Lektüre oder einem friedlichen Gedankengang, der Ihr Wissen bereichert, und nun ist Krieg. Krieg in all seiner Schärfe, in all seiner Lieblosigkeit. Hatten Sie, als Sie diese Enttäuschung realisierten, wirklich noch Interesse, wirklich noch Lust weiterzulesen? Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, ob ich selber in einem fremden Text jetzt noch lesen würde. Und genau das ist der für mich entscheidende Punkt: Sind die eigenen Erwartungen - waren sie berechtigt oder nicht - enttäuscht worden, wendet sich der Mensch leicht ab. Manchmal für immer.
Was ich hier exemplarisch am Beispiel des vom Autor angegriffenen Lesers deutlich machen wolle, dürfte für viele Neuinvestoren der letzten Jahre eine Entsprechung in ihrer persönlichen Börsenerfahrung haben. Zunächst lockt die Börse. Neugier und eine ehrliche Offenheit bestimmen die Grundhaltung. Klassische Warnsignale werden zwar als solche wahrgenommen, doch zunächst noch nicht als das gedeutet, was sie sind: Warnsignale; geschweige denn geglaubt. Erst wenn die Hoffnung endgültig gestorben ist und die Brutalität einer feindlichen Wirklichkeit nicht mehr zu leugnen ist, vollzieht sich die Wendung.
Leicht wird nun der Weg ins andere Extrem vollzogen. Gestern tasteten die Augen begierig die Worte des Autors ab, heute ist man desillusioniert und morgen der Autor es nicht mehr Wert überhaupt zur Kenntnis genommen zu werden - mögen seine Aussagen auch noch so viel Wahrheit enthalten. Die totalitäre Geisteshaltung eines „vorbei ist vorbei“, kennt weder Gnade noch Ausnahme. Entsprechend rigoros wird das Urteil gefällt und entsprechend konsequent anschließend gehandelt. Wenn jetzt auch noch ein duldsamer Sündenbock zur Verfügung steht, den man gefahrlos in die Wüste schicken kann, brechen psychohygienisch betrachtet geradezu paradiesische Zustände an: Die Schuld trägt der Bock, die Wüste ist weit und das eigene Leben geht weiter als sei nie etwas gewesen.
Mancher Neubörsianer handelt nicht anders: Gestern noch bei jeder Neuemission gezeichnet und allen heißen Tips hinterhergerannt, heute unter großen physischen und psychischen Schmerzen Verluste realisiert und ab morgen werden lebenslänglich nur noch Bausparverträge gekauft. Da es unter der Berater-, Guru- und Analystenschar an geeigneten Sündenböcken wahrlich nicht mangelt, ist auch dieses Problem schnell zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst. Und die Börse? Sie verkommt auf der persönlichen Ebene zu einem Phänomen längst vergangener Tage und auf der gesellschaftlichen zu einem Aktionsfeld für jene, die sich schon vorher dort bewegt haben.
Die subtil im kollektiven Unbewußten der Nation verankerte Behauptung der Überschrift „Die Börse macht uns alle reich“ hat damit ihren ersten Knacks bekommen. Nicht alle werden reich, denn ein Teil hat sich bereits vorzeitig und endgültig abgewendet. Wenn also schon nicht „alle“ reich werden, weil „manche“ zu wenig Kondition und Durchhaltevermögen mitbringen, so könnte leicht der Eindruck entstehen, daß zumindest „einige“ reich werden können, sofern sie nur lange genug durchhalten. Doch auch hier erweist sich selbst die abgewandelte Behauptung „Die Börse macht einige ausdauernde Investoren mit langfristigem Zeithorizont reich“ bei einigem Nachdenken ebenfalls als Lebenslüge unserer Gesellschaft, weil sie den feindlich gesonnenen Aspekt im Handeln der anderen Akteure übersieht.
Käufer oder Verkäufer - einer wird verlieren
Selbst der langfristigste aller Zeithorizonte vermag jenen Grundaspekt der Börse nicht außer Kraft zu setzen, der für ihre Funktionsweise wesensnotwendig ist: Käufer und Verkäufer sind grundsätzlich vollkommen anderer Meinung. Wären sie es nicht, käme kein Handel zustande. Zum Zeitpunkt des Tausches von Aktien und Geld sind beide noch überzeugt richtig zu handeln. Diese innere Überzeugung und der aktuelle Entschluß, augenblicklich zu handeln, ist für beide bestimmend und führt erst dazu, daß Käufer und Verkäufer im Handelskontrakt einander begegnen. Alle anderen für das Eingehen des Kontrakts relevanten Faktoren trennen sie, nicht nur ein wenig, sondern fundamental. Ihre Positionen sind absolut unvereinbar, denn es gibt nur die Alternativen „kaufen“ oder „verkaufen“. Eine Kompromißlösung, auf die sich beide verständigen könnten, existiert nicht. Sie kann auch gar nicht existieren, denn beide befinden sich in der klassischen Situation eines Nullsummenspieles: die Gewinne des einen sind die Verluste des anderen.
Die schärfste Form der kompromißlosen „ich-oder-du-Varinate“ wird zweifellos immer dann erreicht, wenn Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen aufeinandertreffen: Du oder ich, aber einer von uns wird sterben, verwundet oder gefangengenommen werden. Mit anderen Worten: es geht um die pure physische Existenz des anderen, die durch das eigene Handeln massiv in Frage gestellt wird. Auch wenn die Börsenakteure einander nicht unmittelbar und in den meisten Fällen auch nicht absichtlich nach dem Leben trachten, so sind die Wirkzusammenhänge doch paralleler Natur. Im Krieg trachten Menschen einander nach Leben und Gesundheit, an der Börse nach Geld und Finanzkraft. Wobei letztere als Basis für das wirtschaftliche Überleben eines Menschen mittelbar auf seine Existenz durchschlagen kann. Für den Verlierer sind die Auswirkungen jeweils verheerend und im schlimmsten Fall existenzvernichtend.
Selbstverständlich wird jeder Börsenakteur geneigt sein, diese unangenehme Seite seines Handelns auszublenden und sich vermutlich eher in der Rolle des genialen Schachspielers sehen, der mit seiner überlegenen Vorgehensweise den Gegner bezwingt, als in der eines Feldherrn, dessen Strategie der Gegenseite materiellen Schaden zufügen will. An dieser Stelle soll auch nicht geleugnet werden, daß ein Vergleich zwischen Krieg und Börse gewichtige Unterschiede zu Tage zu führen hat. Der wesentlichste ist wohl der, daß die Mehrheit der Kriegsteilnehmer nicht auf freiwilliger Basis in das Geschehen involviert ist, sondern durch äußere Zwänge (Einberufungsbefehle der staatlichen Gewalt) und Zeitumstände, die außerhalb der eigenen Einflußmöglichkeiten liegen (Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet), in den Gesamtzusammenhang eingebunden wird. Dem gegenüber vollzieht sich die aktive Teilnahme am Börsengeschehen immer auf freiwilliger Basis, die eine selbständige Willensentscheidung eines autonomen Subjekts voraussetzt.
Im Erfolgsfall dürften reife wie weniger gereifte Charaktere gleichermaßen geneigt sein, die Gründe für den Erfolg in der eigenen Person zu verankern. Es war selbstverständlich „meine“ Entscheidung an die Börse zu gehen, „meine“ Aktienauswahl, „mein“ Durchhaltevermögen, das zum Erfolg geführt hat. Im umgekehrten negativen Fall dürften wohl nur die wirklich reifen Zeitgenossen die innere Größe haben, zumindest sich selbst - vielleicht auch der Außenwelt - einzugestehen, daß es „ihre“ Entscheidung war, sich von der massiven Werbung der Bank beeinflussen zu lassen, „ihre“ Unlust, Aussagen kritisch zu hinterfragen, dafür verantwortlich war, dem Rat des Beraters, Gurus oder der Medien blindlings zu folgen und „ihre“ Abneigung, Verluste zu realisieren, dazu geführt hat, daß sie am Ende von Tag zu Tag größer wurden.
Sofern nichts und niemand die Grundwahrheit der Börse außer Kraft setzen kann, daß bei jedem Trade einer verlieren wird und die Gewinne des einen die Verluste anderen sein werden, beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit jener Verlierer zu sein für Käufer wie Verkäufer prinzipiell 50 %. In Haussezeiten machen sich jedoch beide nur selten die Mühe, einen Augenblick inne zu halten und zu registrieren, daß die Hälfte aller getätigten Aktionen falsch war und deshalb besser unterblieben wäre. Der Verkäufer einer Aktie, die nach dem Verkauf weiter steigt, kommt gar nicht in die Verlegenheit, sich lange mit dem quälenden Gefühl auseinanderzusetzen der Verlierer dieses speziellen Trades zu sein, denn in vielen Branchen locken zahllose Aktien, die zu einem Neuengagement locken und interessante Gewinne versprechen. Das Gespür für die an der Börse stets lauernde Verlustgefahr kann so leicht verloren gehen und einer neuen omnipotenten Selbstüberschätzung („Egal, was ich mache, am Ende stehe ich finanziell immer besser dar als vorher.“) den Weg ebnen.
Mal abgesehen davon, daß der Prozeß der Ernüchterung in einer Baisse um so abrupter einsetzen und heftiger ausfallen wird, je konsequenter die Verlustgefahr zuvor ausgeblendet wurde, die selektive Wahrnehmung von Chance und Risiko hat noch eine zweite höchst bedenkliche Konsequenz. Sie äußert sich in dem offen oder subtil erhobenen Anspruch, ein quasi natürliches Recht auf Börsengewinne zu haben. Unreflektiert werden in einer derartigen Geisteshaltung gerne fremde Musterdepots blindlings nachgebildet und geeignete Strategien zur schnellstmöglichen Gewinnmaximierung aktiv entworfen oder passiv konsumiert. Massiv sichtbar wird sie jedoch erst dann, wenn der selbstformulierte Anspruch oft genug enttäuscht wurde und sich eine ohnmächtige Wut gegen Sündenböcke gleich welcher Art ihre Bahn bricht.
Ausgeblendet wird dabei vollkommen, daß gar nicht „alle“ das Musterdepot nachbilden können, denn wer verkauft eine Aktie, die „alle“ ausnahmslos kaufen wollen. Etwa ein gutmütiges altes Mütterchen, das am Ende seines erfüllten Lebens der Allgemeinheit noch einmal etwas Gutes tun und alle anderen am eigenen Wohlstand teilhaben lassen will? Oder das verdatterte alte Väterchen, dessen geistige Spritzigkeit im Laufe der Jahre bedauerlicherweise auf der Strecke blieb? Und wenn „alle“ mit ein und derselben Strategie Geld, Glück und Erfolg an der Börse realisieren wollen so kann das ebenfalls niemals für „alle“ funktionieren, denn wer steht auf der anderen Seite des Trades, wer kauft wenn „alle“ verkaufen wollen, wer verkauft, wenn „alle“ kaufen wollen?
Clausewitz statt Börsenbrief?
Ein einzelner besonders befähigter Stratege an der Börse wie im Krieg mag viele Schlachten und Feldzüge für sich entscheiden können - vielleicht sogar alle, doch bei jedem seiner Siege steht ihm jenseits des Schlachtfelds ein unterlegener Stratege gegenüber. Die Börsenerfolge eines jeden Anlegers - seien sie groß oder klein - verdienen in jedem Fall unseren anerkennenden Respekt. Beliebig reproduzierbar und auch auf „alle“ anderen Investoren übertragbar sind sie nicht. So steht am Ende auch dieses Gedankengangs wieder die ernüchternde Erkenntnis, daß die kollektive Erwartung „Die Börse macht uns alle reich!“ eine Lebenslüge unserer Gesellschaft ist und es immer bleiben wird. Die märchenhaft anmutenden Millionengewinne des erfolgreichen Investors sie entsprechen immer den realen Millionenverlusten der an Erfahrung reicheren, aber materiell ärmeren Verlierer. Keine gute Fee, kein Märchenprinz und kein Fabelwesen kann daran etwas ändern, denn außer bei Neuemissionen fließt kein Geld in den Aktienmarkt. Traurig aber wahr.
Was tun? Sich enttäuscht und ernüchtert abwenden? Den Börsenbrief abbestellen und statt dessen intensiv Clausewitz „Vom Kriege“ lesen? Eine Militärakademie besuchen? Die Entscheidung liegt wieder mal bei Ihnen, bei wem sonst. Wenn Sie sich zurückziehen wollen, weil Ihnen das ganze zu gefährlich erscheint, ziehen Sie sich ruhig zurück, denn seine Grenzen zu erkennen und zu respektieren ist weder Schande noch Zeichen von Charakterschwäche und es ist allemal besser als „einen traurigen Helden des Börsenparketts“ abgeben zu wollen. Entschließen Sie sich jedoch zu kämpfen, werden Sie als normal begabter Zeitgenosse wohl nicht umhinkommen, Ihre „strategischen Hausaufgaben“ selber zu machen. Geniale Führungspersönlichkeiten gleich welcher Art können Anregungen und Hilfestellungen geben. Den eigenen Weg stellvertretend für Sie gehen können diese Herrschaften nicht. Das sollten Sie selbst in die Hand nehmen und keinem anderen überlassen.
Simplici
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Aus der Neuen Zürcher Zeitung:
27. Dezember 2000
Weniger Zeit für die Börse verwenden
Robert J. Shiller zu Risiken und Überschwang
sev. Die Überbringer schlechter Nachrichten sind häufig nicht gern gesehen. Bei Yale-Professor Robert J. Shiller ist das anders. Er vermag sein Publikum mit seinen wenig optimistischen Prognosen für die Finanzmärkte sehr wohl in den Bann zu ziehen. Obwohl die starken Kursverluste an den US-Börsen die Begeisterung für Aktien bereits deutlich gedämpft haben, sind die meisten Anleger nach Ansicht des Bestsellerautors von «Irrationaler Überschwang - Warum eine lange Baisse an der Börse unvermeidlich ist» nämlich immer noch viel zu zuversichtlich. Wie deutlich sich seine Einschätzung von derjenigen anderer unterscheidet, lässt sich anhand seiner langfristigen Prognose für den amerikanischen Aktienmarkt erahnen. Wer heute breit in diesen Markt investiere, habe eine realistische Chance, nach zehn bis zwanzig Jahren ohne Gewinne dazustehen, erklärt Shiller, der seine ökonomischen Provokationen häufig mit einem gewinnenden Lachen beginnt.
Konkrete Prognosen für das kommende Jahr möchte Shiller allerdings nicht abgeben, denn er ist der festen Überzeugung, dass viele Menschen den Aktienmärkten zu viel Aufmerksamkeit widmen und dabei ihre Zeit verschwenden. In der heutigen Gesellschaft seien viele Menschen zu sehr von «Spielernaturen» beeindruckt, die schnell und einfach viel Geld verdienten. Shiller fühlt sich dabei an den Goldrausch im letzten Jahrhundert erinnert. Von der Suche nach Gold getrieben, hätten viele Menschen Beruf, Familie und Freunde vernachlässigt. Der Ã-konom plädiert stattdessen dafür, nicht ständig die Börsenzu beobachten, sondern sich stärker Aufgaben zuzuwenden, die am langfristigen Erfolg ausgerichtet sind.
Shiller, der mit einer Psychologin verheiratet ist, treiben dabei vor allem Fragen um die Absicherung von Risiken und die Verteilung der Einkommen um - obwohl das weniger «fun» sei als über die schnelllebigen Aktienmärkte zu reden. Heute sei es wesentlich schwieriger, das eigene Lebenseinkommen abzuschätzen, als früher. Als Vertreter der verhaltenstheoretisch begründeten «Behavioural Finance» vertritt er die Meinung, dass die Menschen künftige Risiken als zu gering einschätzen. Das wiederum führe beispielsweise in den USA dazu, dass häufig nur eine unzureichende Altersvorsorge betrieben werde. Die Menschen müssten lernen, bessere fundiertere Entscheidungen zu treffen. Solange dies aber nichtder Fall sei, seien deshalb weitgehende Privatisierungen im Bereich der sozialen Sicherheit mit Risiken verbunden, vor allem wenn individuell entschieden werden könne, wie und wo die Ersparnisse für das Alter angelegt werden könnten.
Die Absicherung von Risiken ist für Shiller auch sonst ein wichtiges Thema, das ihn zu einiger Kreativität inspiriert. So gründete er 1991 ein Unternehmen, mit dem er in Kooperation mit dem Chicago Board of Trade, der damals grössten Terminbörse der Welt, einen Futures-Markt für Einfamilienhäuser aufbauen wollte. Der Hintergrund für diese Initiative war, dass viele amerikanische Eigenheimbesitzer, die ihr Haus während einer Boomphase im Immobilienmarkt gekauft hatten, nach dem folgenden Rückgang der Immobilienpreise stark verschuldet waren. Häufig überstieg die Hypothek der Liegenschaft deren aktuellen Marktwert, so dass sich die Besitzer einen verlustbringenden Verkauf nicht hatten leisten können und somit auch in ihrer beruflichen Mobilität eingeschränkt waren. Shiller wollte mit seiner Idee vom Terminmarkt eine Lösung anbieten, um dieses Problem zu beheben. Erfolgreich war das Projekt allerdings nicht. Mittlerweile hat das Unternehmen mit 20 Angestellten ein anderes Geschäftsfeld gefunden und bietet über das Internet eine kommerzielle Wertanalyse von Häusern an. Für den Yale-Professor ist es wichtig, neben seiner Lehrtätigkeit noch einen Fuss in der Unternehmenswelt zu haben, denn damit behalte er den Bezug zur Realität, zur «normalen» Welt.
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Bald werden einige Leute anderes im Kopf haben, als die Börse!
Gruss
tofir
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>Aus der Neuen Zürcher Zeitung:
>27. Dezember 2000 >
>Weniger Zeit für die Börse verwenden
>Robert J. Shiller zu Risiken und Überschwang
>sev. Die Überbringer schlechter Nachrichten sind häufig nicht gern gesehen. Bei Yale-Professor Robert J. Shiller ist das anders. Er vermag sein Publikum mit seinen wenig optimistischen Prognosen für die Finanzmärkte sehr wohl in den Bann zu ziehen. Obwohl die starken Kursverluste an den US-Börsen die Begeisterung für Aktien bereits deutlich gedämpft haben, sind die meisten Anleger nach Ansicht des Bestsellerautors von «Irrationaler Überschwang - Warum eine lange Baisse an der Börse unvermeidlich ist» nämlich immer noch viel zu zuversichtlich. Wie deutlich sich seine Einschätzung von derjenigen anderer unterscheidet, lässt sich anhand seiner langfristigen Prognose für den amerikanischen Aktienmarkt erahnen. Wer heute breit in diesen Markt investiere, habe eine realistische Chance, nach zehn bis zwanzig Jahren ohne Gewinne dazustehen, erklärt Shiller, der seine ökonomischen Provokationen häufig mit einem gewinnenden Lachen beginnt.
>Konkrete Prognosen für das kommende Jahr möchte Shiller allerdings nicht abgeben, denn er ist der festen Überzeugung, dass viele Menschen den Aktienmärkten zu viel Aufmerksamkeit widmen und dabei ihre Zeit verschwenden. In der heutigen Gesellschaft seien viele Menschen zu sehr von «Spielernaturen» beeindruckt, die schnell und einfach viel Geld verdienten. Shiller fühlt sich dabei an den Goldrausch im letzten Jahrhundert erinnert. Von der Suche nach Gold getrieben, hätten viele Menschen Beruf, Familie und Freunde vernachlässigt. Der Ã-konom plädiert stattdessen dafür, nicht ständig die Börsenzu beobachten, sondern sich stärker Aufgaben zuzuwenden, die am langfristigen Erfolg ausgerichtet sind.
>Shiller, der mit einer Psychologin verheiratet ist, treiben dabei vor allem Fragen um die Absicherung von Risiken und die Verteilung der Einkommen um - obwohl das weniger «fun» sei als über die schnelllebigen Aktienmärkte zu reden. Heute sei es wesentlich schwieriger, das eigene Lebenseinkommen abzuschätzen, als früher. Als Vertreter der verhaltenstheoretisch begründeten «Behavioural Finance» vertritt er die Meinung, dass die Menschen künftige Risiken als zu gering einschätzen. Das wiederum führe beispielsweise in den USA dazu, dass häufig nur eine unzureichende Altersvorsorge betrieben werde. Die Menschen müssten lernen, bessere fundiertere Entscheidungen zu treffen. Solange dies aber nichtder Fall sei, seien deshalb weitgehende Privatisierungen im Bereich der sozialen Sicherheit mit Risiken verbunden, vor allem wenn individuell entschieden werden könne, wie und wo die Ersparnisse für das Alter angelegt werden könnten.
>Die Absicherung von Risiken ist für Shiller auch sonst ein wichtiges Thema, das ihn zu einiger Kreativität inspiriert. So gründete er 1991 ein Unternehmen, mit dem er in Kooperation mit dem Chicago Board of Trade, der damals grössten Terminbörse der Welt, einen Futures-Markt für Einfamilienhäuser aufbauen wollte. Der Hintergrund für diese Initiative war, dass viele amerikanische Eigenheimbesitzer, die ihr Haus während einer Boomphase im Immobilienmarkt gekauft hatten, nach dem folgenden Rückgang der Immobilienpreise stark verschuldet waren. Häufig überstieg die Hypothek der Liegenschaft deren aktuellen Marktwert, so dass sich die Besitzer einen verlustbringenden Verkauf nicht hatten leisten können und somit auch in ihrer beruflichen Mobilität eingeschränkt waren. Shiller wollte mit seiner Idee vom Terminmarkt eine Lösung anbieten, um dieses Problem zu beheben. Erfolgreich war das Projekt allerdings nicht. Mittlerweile hat das Unternehmen mit 20 Angestellten ein anderes Geschäftsfeld gefunden und bietet über das Internet eine kommerzielle Wertanalyse von Häusern an. Für den Yale-Professor ist es wichtig, neben seiner Lehrtätigkeit noch einen Fuss in der Unternehmenswelt zu haben, denn damit behalte er den Bezug zur Realität, zur «normalen» Welt.
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>Bald werden einige Leute anderes im Kopf haben, als die Börse!
>Gruss
>tofir >
Genau so sehe ich es! Börse ist ein Auslaufmodell für die breite Masse.
n-tv wird es in einigen Jahren nicht mehr geben, Euro am Sonntag auch nicht, und wie die ganzen"Anlegerzeitschriften" so heißen. Mein Abo sicher auch nicht mehr, aber vielleicht dieses Forum.
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Von Bloomberg:
US-Broker Schwab kürzt Gehälter und gibt unbezahlten Urlaub
San Francisco, 22. Dezember (Bloomberg) - Der Einbruch an der US-Börse zeigt jetzt auch Auswirkungen auf Brokerhäuser. Charles Schwab Corp.der grösste Online-Broker, hat als erster der Branche ein Sparprogramm aufgestellt, nachdem die Kosten dem Umsatz davongelaufen sind. Die beiden Vorstandsvorsitzenden Charles Schwab und David Pottruck sind mit gutem Beispiel vorangegangen und haben ihr Gehalt auf die Hälfte reduziert. Auch die anderen Führungskräfte müssen im nächsten Jahr Gehaltseinbußen hinnehmen. Zusätzlich legt das Brokerhaus den Mitarbeitern nahe, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Parallel dazu hat das US-Magazin Forbes in seiner jährlichen"Platin 400"- Liste Schwab zum" Unternehmen des Jahres 2000" gekürt. Begründet wurde die Auszeichnung mit der Bereitschaft, unter der Leitung des Namensgebers und Vorstandschefs Charles Schwab Risiken einzugehen. So habe Schwab 1975 als Discount-Broker begonnen und wandelte sich 1992 mehr zu einem Vermögensverwalter, bei dem Anleger in Fonds investieren können. Im nächsten Schritt wandte sich Schwab dem elektronischen Handel zu. Inzwischen werden mehr als 85 Prozent aller Transaktionen bei Schwab online durchgeführt. Die neueste Richtung hat Schwab mit der Wendung hin zur Beratung sehr vermögender Kunden eingeschlagen, so das Forbes- Magazin.
Die Sparmaßnahmen bei Schwab wurden in der letzten Woche beschlossen, nachdem Finanzvorstand Christopher Dodds erklärte, dass es,schwierig" werden würde, die Gewinnprognosen für das vierte Quartal zu erfüllen. Der Vorstand teilte den Mitarbeitern in einem Memorandum mit, er versuche,,in einem ungünstigen Umfeld gute Geschäftsergebnisse zu erzielen".
Weitere große Finanzunternehmen dürften dem Beispiel von Schwab folgen. Die Investmentbanken Morgan Stanley Dean Witter & Co. und Goldman Sachs Group Inc. haben bereits angekündigt, dass sie weniger Neueinstellungen vornehmen und die Gehälter begrenzen wollen, um das abflauende Geschäft im Investmentbanking auszugleichen.,Schwab ist das erste Unternehmen an der Wall Street, das ausdrücklich in der Ã-ffentlichkeit auf die schlechte Marktsituation eingeht", erklärt Amy Butte. Die Analystin von Bear Stearns Cos. bewertet die Schwab-Aktie mit,kaufen".
Während bei Schwab das verwaltete Vermögen und die Transaktionen von Kunden immer weniger werden, sind die Ausgaben kräftig gewachsen. Die Kosten ohne Zinsen sind im dritten Quartal um 39 Prozent auf 1,1 Milliarden Dollar gestiegen, während der Umsatz lediglich um 30 Prozent zulegte. Die Belegschaft wuchs im gleichen Zeitraum um 31 Prozent auf 25.400 Mitarbeiter.,Hier können sie noch eine Menge einsparen", urteilt Richard Strauss, Analyst bei Goldman Sachs.,Wenn Schwab in Schwierigkeiten ist, liegt es meistens an den Kosten und nicht am Geschäft." Mit 596 Millionen Dollar macht der Personalaufwand mehr als die Hälfte aller Kosten bei Schwab aus. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben sie 62 Prozent zugelegt. Der Anstieg liegt teilweise in der Übernahme von U.S. Trust Corp. und CyberCorp. begründet. Schwab- Sprecher Glen Mathison machte keine Angaben, wie viel das Unternehmen mit seinen Maßnahmen einsparen wolle. Schwab hat zuletzt 1994 im großen Stil Personal abgebaut.
Die beiden Vorstandsvorsitzenden Charles Schwab und David Pottruck verzichten ab dem 1. Januar auf die Hälfte ihres Gehalts, das 1999 noch bei 800.004 Dollar lag. Executive Vice Presidents müssen für Januar und Februar auf 20 Prozent ihres Gehalts verzichten, Senior Vice Presidents auf zehn Prozent, und andere Mitarbeiter der Direktorenebene erhalten fünf Prozent weniger. Außerdem will Schwab die Gehaltserhöhungen für leitende Angestellte für unbestimmte Zeit aussetzen und auch keine rückwirkenden Zahlungen leisten. Bonuszahlungen für leitende Angestellte sollen nur noch in Aktienoptionen geleistet werden. Andere Angestellte, die ihre Bonuszahlungen im Mai erwarten, sollen nur 95 Prozent des sonst üblichen Betrages erhalten.,Diese Leute sind ziemlich clever, und ich hoffe, sie wissen, was sie da tun" kommentierte Alan,Ace" Greenberg, der 73-jährige Chairman von Bear Stearns in einem Interview die Massnahmen.
Angestellte können außerdem bis zu 20 Tagen unbezahlten Urlaub im ersten Quartal nehmen. Überstunden werden nur noch bezahlt, wenn sie,unbedingt notwendig für das Geschäft" sind und einer der Senior Vice Presidents des Unternehmens sie zuvor genehmigt hat. Die Maßnahmen betreffen die Belegschaft von Schwab sowie von CyberCorp., dem Tochterunternehmen für Kunden, die aktiv an der Börse handeln. US Trust, der sich an vermögende Privatkunden wendet, will einen eigenen Kostensenkungsplan erstellen.
Ende November verwaltete Schwab nach eigenen Angaben Anlagekapital in Höhe von 861 Milliarden Dollar, während es Ende Oktober noch 944 Milliarden Dollar waren. Provisionspflichtige Transaktionen fielen um 16 Prozent auf 194.000. nach 230.000 pro Tag im Oktober. Im November 1999 wurden pro Tag 202.900 Transaktionen abgewickelt. Damit ist das tägliche Handelsvolumen im November zum ersten Mal seit 1995 im Vergleich zum Vorjahresmonat gefallen.
Mit einem Anstieg von 9,1 Prozent in diesem Jahr dürfte die Schwab-Aktie den geringsten Kursgewinn seit 1994 verbuchen. Am Donnerstag fiel sie um 31 Cent auf 27,81 Dollar und wird jetzt zum 45fachen des Gewinns gehandelt.
E*Trade Group Inc., der zweitgrößte Online-Broker in den USA hat noch keine Kostensenkungspläne bekanntgegeben. Unternehmenssprecherin Kim Brooks erklärte, das Unternehmen könne aufgrund der neuen Richtlinie der amerikanischen Wertpapieraufsicht nichts über diese Pläne sagen. Die Richtlinie verbietet es Unternehmen, kursrelevante Informationen zunächst einem ausgewählten Personenkreis zugänglich zu machen, bevor sie an die Ã-ffentlichkeit gelangen.
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Das Lied des Jahres 2003 von Reinhard May: Es gibt keine Broker mehr.
Gruss
tofir
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