Popeye
26.10.2005, 19:19 |
Projekt der Illusionen - Digitalisierung von Bibliotheksbeständen Thread gesperrt |
-->
Aus dem FAZ.NET:
26. Oktober 2005 Nach dem Internetkonzern Google will nun auch der amerikanische Softwareriese Microsoft in einer eigenen Allianz mit anderen Unternehmen in die großangelegte Digitalisierung von Büchern einsteigen.
und
Kahle verglich die Zusammenarbeit von Bibliotheken, Verlagen und Technologiefirmen mit Schlüsselmomenten der Menschheitsgeschichte wie Johannes Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks oder die Reise zum Mond: „Wenn wir es schaffen, das Wissen der Menschheit allgemein zugänglich zu machen, wird dies einmal als eines der größten Dinge in Erinnerung bleiben, die Menschen je geleistet haben.”
und
So sind in der vergangenen Woche fünf große amerikanische Verlage gegen Google vor Gericht gezogen.
Ihre Klage zielt darauf ab, das Einscannen von Büchern aus fünf der weltgrößten Bibliotheksbestände - die der Universitäten Oxford, Harvard, Stanford, und Michigan sowie der New York Public Library - zu stoppen.
Details hier.
Die Nachricht kursiert ja nun schon seit Wochen - wie steht ihr dazu? Richtig oder falsch?
Gut oder schlecht?
Hört sich gut an - „das Wissen der Menscheit allgemein zugänglich zu machen“ - als ob es bisher weggeschlossen sei. Mit weniger als 100 Tastaturanschlägen erhalte ich heute schon jeden Aufsatz, der mich interessiert per Email. Selbst kleinere Bücher werden prompt digitalisiert und elektronisch zugeschickt. Allerdings muss man bezahlen - nicht viel, Cents pro Seite.
Qui bono? Ersetzt die Digitalisierung eine Bibliothek? Wird mit einem elektronische Zugang z.B. zur Weltliteratur mehr gelesen?
Meine persönliche Ansicht ist, dass dies für google und das MS-Team ein glorreicher Schlag ins Wasser wird. Keinen Cent würde ich in dieses Projekt investieren. Antiquiert? Falsch?
Gruß
|
beni
26.10.2005, 19:49
@ Popeye
|
Digitalisierung - Schlag ins Wasser? |
-->
>Meine persönliche Ansicht ist, dass dies für google und das MS-Team ein glorreicher Schlag ins Wasser wird. Keinen Cent würde ich in dieses Projekt investieren. Antiquiert? Falsch?
>Gruß
Hallo,
Nun meine persönliche Meinung ist, dass MS und Google richtig eines erkannt haben: Mir der Erzeugung von Waren und Dienstleitungen wird in Zukunft nicht mehr viel verdient werden. Fabrikkapazität kann man sehr billig einkaufen bzw. mieten. Die Zukunft liegt in einem neuen Feudalismus, der auf Monopolen basiert. Einerseits Privatisierung und Verknappung von Ressourcen wie Wasser, Luft, Wegen, andererseits Lizenzgeschäfte mit geistigem Eigentum wie Patenten u.a. auch auf Software, Geschäftsmodelle, auf bei Mensch Tier und Pflanze gefundene Gene. Dazu zählen neue Versuche Benutzerrechte wie das auf Privatkopie einzuschränken und vieles andere.
Ob das ein Erfolg wird hängt von vielen Faktoren ab, z.B. ob eine starker Staat in Zukunft bereit und fähig sein wird solche Monopol-Interessen durchzusetzen.
Ich denke aber nicht, dass eine"Open Source"-Gesellschaft für Microsoft besonders interessante Perspektiven bietet. Sie müssen versuchen, Ihre Krallen auf möglichst viel"Content" aller Art zu legen wie sie es auch schon tun. Sie werden Mittel und Wege finden, auch noch das Copyright an der Bibel zu erwerben.
m@G, Beni
|
Popeye
26.10.2005, 20:11
@ beni
|
Re: Digitalisierung - Schlag ins Wasser? |
-->>Hallo,
>Nun meine persönliche Meinung ist, dass MS und Google richtig eines erkannt haben: Mir der Erzeugung von Waren und Dienstleitungen wird in Zukunft nicht mehr viel verdient werden. Fabrikkapazität kann man sehr billig einkaufen bzw. mieten. Die Zukunft liegt in einem neuen Feudalismus, der auf Monopolen basiert. Einerseits Privatisierung und Verknappung von Ressourcen wie Wasser, Luft, Wegen, andererseits Lizenzgeschäfte mit geistigem Eigentum wie Patenten u.a. auch auf Software, Geschäftsmodelle, auf bei Mensch Tier und Pflanze gefundene Gene. Dazu zählen neue Versuche Benutzerrechte wie das auf Privatkopie einzuschränken und vieles andere.
>Ob das ein Erfolg wird hängt von vielen Faktoren ab, z.B. ob eine starker Staat in Zukunft bereit und fähig sein wird solche Monopol-Interessen durchzusetzen.
>Ich denke aber nicht, dass eine"Open Source"-Gesellschaft für Microsoft besonders interessante Perspektiven bietet. Sie müssen versuchen, Ihre Krallen auf möglichst viel"Content" aller Art zu legen wie sie es auch schon tun. Sie werden Mittel und Wege finden, auch noch das Copyright an der Bibel zu erwerben.
>m@G, Beni
Hallo, @Beni - auf der Angebotsseite ist die Sache und die Motivation klar. Umsonst wollen (und können?) Sie es nicht machen, aber die Nachfrage macht den Markt erst komplett. Mindestens müssen sie einen"Faust" oder einen"Der Mann ohne Eigenschaften" mit Werbung verschönern. Aber was sagt die Nachfrage? Lesegeräte für e-books gab's schon - einige haben schon aufgegeben, andere haben die Hoffnung noch nicht begraben. Am Desktop mehr als 2 Seiten zu lesen ist für mich jedenfalls eine Qual.
Grüße
|
bernor
26.10.2005, 21:21
@ Popeye
|
Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->Hi Popeye,
Am Desktop mehr als 2 Seiten zu lesen ist für mich jedenfalls eine Qual.
wahrscheinlich gehörst Du dann selbst in dieser Lage noch zu den Bessergestellten, denn Du wirst sicher auch künftig noch nachvollziehen können, was auf diesen zwei Seiten geschrieben steht - ganz im Gegensatz zu den sich anscheinend wie Karnickel vermehrenden"Pisanern", die sich, wenn nicht ohnehin nur noch rein verbal, nur noch mittels Chatten und SMSen ihrer Umwelt werden mitteilen können.
Und da auch noch Shakespeare in"kundenfreundlicher Sprache", gar Kanak-Sprak?
Das findet Emre dann eh foll konkreht shaysse, soh oone bilda / picktogramme...
Gruß bernor
|
Popeye
26.10.2005, 21:32
@ bernor
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->Hallo, @bernor, offenbar habe ich die letzte Lautverschiebung verschlafen. Gibt es eine Übersetzung?
Gruß
>Das findet Emre dann eh foll konkreht shaysse, soh oone bilda / picktogramme...
>Gruß bernor
|
fridolin
26.10.2005, 21:59
@ bernor
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->Wenn ich mir diesen Kommentar erlauben darf: das sieht man ja jetzt schon anhand der Beiträge zu zahlreichen Fachthemen in diversen Internet-Foren. Der Internetanschluß ersetzt ein jahrelanges mühsames Fachstudium, Google tritt an die Stelle einer gut sortierten Bibliothek.
Hurra, der (digitale) Nürnberger Trichter ist neu erfunden!
[img][/img]
|
prinz_eisenherz
26.10.2005, 22:05
@ Popeye
|
Denke einfach einmal anders herum.... |
-->Digitalisierung, keine gedruckten Bücher, keine öffentlichen Bibliotheken, alle Infos müssen gekauft werden und zusätzlich die Möglichkeiten der globalen Kontrolle über den Benutzer und dessen Vorlieben. Der handgreifliche Zutritt wird ins virituelle verschoben und somit besser abgeschirmt. Alles in Lichtgeschwindikkeit, alles vernetzt, alles unter der Kontrolle des großen Bruders.
Wenn man sehr bösartig denkt, dann genügt im Idealfall eine globale, elktronische Anweisung und das eine oder andere gefährliche Buch wird für den Zugang gesperrt. Bücherverbrennung auf die elektronisch feine Art.
Bis auf die weinigen gedruckten Exemplare, in Eigeninitative hergestellt. Die sind nicht gefährlich, eher nützlich, als Alibi für die sog. Meinugsfreiheit.
Nichts ist mit dem ungehinderten Zugang für alle, an alles.
Verschwörung?
Kann sein.
bis denne
eisenherz
|
SchlauFuchs
26.10.2005, 22:13
@ Popeye
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->>Hallo, @bernor, offenbar habe ich die letzte Lautverschiebung verschlafen. Gibt es eine Übersetzung?
>Gruß
>>Das findet Emre dann eh foll konkreht shaysse, soh oone bilda / picktogramme...
>>Gruß bernor
In etwa"Emre ist extrem negativ eingestellt gegenüber Büchern ohne graphische Darstellungen". [img][/img]
SF
|
Popeye
26.10.2005, 22:18
@ prinz_eisenherz
|
Re: Denke einfach einmal anders herum.... |
-->Hallo, eisenherz, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, aber wenn man 20 Jahre in die Zukunft denkt...gefährlich; und wenn man @fridolins Gedanken zu Ende denkt - alles was wir wissen dürfen und wissen können nur noch im Internet... grausame Gedanken.
Gute Nacht
|
Popeye
26.10.2005, 22:21
@ SchlauFuchs
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->>In etwa"Emre ist extrem negativ eingestellt gegenüber Büchern ohne graphische Darstellungen".
|
bernor
26.10.2005, 22:44
@ Popeye
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->Hi Popeye,
Hallo, @bernor, offenbar habe ich die letzte Lautverschiebung verschlafen. Gibt es eine Übersetzung?
>Das findet Emre dann eh foll konkreht shaysse, soh oone bilda / picktogramme...
das ist weniger eine Laut- als vielmehr eine Buchstabenverschiebung (in amtlicher Form auch"Rechtschreibreform" genannt) - hier also die (nichtamtliche) kanakisch-pisanische Buchstabenverschiebung (der Umgangssprache in einigen großstädtischen Bezirken der BRD, der sog. Kanak-Sprak) so etwa Anno 2010...
v --> f
langes e --> eh (wenn nicht ee)
sch --> sh
ei --> ay
ß --> ss
langes o --> oh (wenn nicht oo)
-er --> -a
k am Silbenende vor Konsonant --> ck
... die hier zugegebenermaßen extrapoliert und gewiß nicht widerspruchsfrei ist (z.B. dürfte sich als Dehnungszeichen eher die Vokalverdopplung durchsetzen als die Schreibweise mit dem"h", da dieses im Türkischen, der Muttersprache von Emre, wie dt."ch" gesprochen wird) - da gibt es sicher auch noch andere Varianten, die sich da entwickeln könnten, solange die 26 Buchstaben unseres Alphabets noch in Gebrauch bleiben.
Gruß bernor
|
Uwe
26.10.2005, 22:44
@ Popeye
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->>Hallo, SF -"Emre" - also ein Name?? - mitlerweile übersetzt die ganze Familie
>
Ja, Popeye,
warscheinlich war es so gemeint. So war z.B. Yunus Emre († 1320), der erste große Dichter Anatoliens, der seine mystische Erfahrung und seine Sehnsucht in einfachen türkischen Versen besang.
Gruß,
Uwe
|
Christian
26.10.2005, 23:06
@ prinz_eisenherz
|
Re: Denke einfach einmal anders herum....es geht ja noch weiter |
-->Nachdem es viele Schriften geschafft haben, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende zu überdauern, rechnen einige Spezis damit, dass unser elektronisch archiviertes Wissen nicht ansatzweise so lange überleben kann. Alleine durch Festplattencrashs (und ungesicherte Daten) gehen tagtäglich viele interessante Dinge verloren. Das ist aber nichts gegen den Informations bzw. Wissensverlust, der durch die Zerstörung von Datenbanken, Serverräumen etc. entsteht (bzw. entstehen kann). Außerdem geht man davon aus, dass bereits in wenigen Jahrzehnten viele dann veraltete Formate nicht mehr gelesen werden können - also auch futsch. Digitalisierung ist demnach kein Segen, sondern ein Fluch, was die Überlieferung von Kultur, Geschichte und Wissen allgemein angeht. Was man durch Bücherverbrennungen nur mit großem Aufwand schafft, geht im Zeitalter der Bits und Bytes viel schneller und effektiver. Zumal ja auch kaum noch jemand Briefe schreibt - und in 300 Jahren wird es sicher keine E-Books geben, die sich mit dem E-Mail-Verkehr von irgendjemand beschäftigen.
Gute Nacht, Christian
|
Holmes
26.10.2005, 23:21
@ Christian
|
Re: Einfache Vernichtung, aber auch einfache Verfielfältigung |
-->Es ist richtig, dass durch einen Crash schnell viele Daten weg sind, aber oft sind diese Daten auch schon verfielfältigt. Als die Bibliothek von Alexandria abbrannte, war das ein herber Verlust, weil viele Schriften nur einmal vorhanden waren. Heutzutage lassen sich wichtige Dokumente (z.b. Diplom- und Doktorarbeiten:-) beliebig oft kopieren und damit deren Vernichtung erschweren. Wenn man unbedingt will ist es heute auch so einfach wie noch nie zuvor, sich alles auszudrucken:-) Vielleicht gibt es neben books-on-demand bald auch Steingravuren-on-demand für die ganz Unsicheren:-)
Sprich: wirklich Wichtiges hat heute noch viel bessere Chancen bewahrt zu werden, als jemals in der bisherigen Geschichte.
Beste Grüsse,
Holmes
|
Firmian
26.10.2005, 23:21
@ bernor
|
Re: Wir haben schon seit Jahrzehnten Goethe in"behutsam.... |
-->... der heutigen Orthographie (sorry, das mit dem"f" pack' ich nicht) und Interpunktion" angebiederten Versionen.
Da braucht es nur deutsche Gründlichkeit, keinen Hip-Hop-Slang, um die Kulturgüter zu verunstalten.
Wobei Hip-Hop zumindest eine Gegenkultur sein will. Die Verballhorner fühlen sich gar noch als Vermittler des Guten, Wahren und Schönen.
Darauf sofort einen Karl Kraus... aber nicht für Euch, sondern im stillen Kämmerlein.
Gruß Firmian
|
Popeye
26.10.2005, 23:46
@ Uwe
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->>>Hallo, SF -"Emre" - also ein Name?? - mitlerweile übersetzt die ganze Familie
>>
>Ja, Popeye,
>warscheinlich war es so gemeint. So war z.B. Yunus Emre († 1320), der erste große Dichter Anatoliens, der seine mystische Erfahrung und seine Sehnsucht in einfachen türkischen Versen besang.
>Gruß,
>Uwe
Hallo, Uwe, schön dass Du mal wieder hier reinschaust - hab mir schon Gedanken gemacht.
Dank & Grüße nach Berlin
|
Popeye
26.10.2005, 23:50
@ bernor
|
Re: Klar - wer liest denn künftig noch? |
-->>Hi Popeye,
>Hallo, @bernor, offenbar habe ich die letzte Lautverschiebung verschlafen. Gibt es eine Übersetzung?
>>Das findet Emre dann eh foll konkreht shaysse, soh oone bilda / picktogramme...
>das ist weniger eine Laut- als vielmehr eine Buchstabenverschiebung (in amtlicher Form auch"Rechtschreibreform" genannt) - hier also die (nichtamtliche) kanakisch-pisanische Buchstabenverschiebung (der Umgangssprache in einigen großstädtischen Bezirken der BRD, der sog. Kanak-Sprak) so etwa Anno 2010...
>v --> f
>langes e --> eh (wenn nicht ee)
>sch --> sh
>ei --> ay
>ß --> ss
>langes o --> oh (wenn nicht oo)
>-er --> -a
>k am Silbenende vor Konsonant --> ck
>... die hier zugegebenermaßen extrapoliert und gewiß nicht widerspruchsfrei ist (z.B. dürfte sich als Dehnungszeichen eher die Vokalverdopplung durchsetzen als die Schreibweise mit dem"h", da dieses im Türkischen, der Muttersprache von Emre, wie dt."ch" gesprochen wird) - da gibt es sicher auch noch andere Varianten, die sich da entwickeln könnten, solange die 26 Buchstaben unseres Alphabets noch in Gebrauch bleiben.
>Gruß bernor
Hallo, @bernor - da bleib ich dann doch lieber bei meiner eigenen fehlerhaften Rechtschreibung, die kann ich wenigstens wieder lesen.
Dank & Grüße
|
Taktiker
27.10.2005, 02:46
@ Holmes
|
Denke ich auch. Nicht alle techn.Gimmicks verteufeln! |
-->Solange die Vervielfältigung nicht durch DRM erschwert wird, ist die Digitalisierung einhergehend mit offenen Speicherformaten (MP3, PDF, ASCII, JPG, mpeg) eher eine Robustmachung des gespeicherten Wissens. Zudem werden die Inhalte auf verschiedensten Medien (Bändern, optische, Flashrams, Festplatten, weiß-der-Deibel...) und in verschiedensten Formaten abgelegt. Das garantiert einen recht guten Wiederzugriff auch in Jahrzehnten. Und niemand legt sich Bibliotheken an und entsorgt die Lesegeräte dafür. Für jedes bestehende Archiv erhält man sich schließlich auch die passende Hardware: Niemand würde sein CD/DVD-Laufwerk wegschmeißen, wenn er noch irgendwo Daten auf Slberscheiben hat.
Dazu sehr liberalisierend, da die Distribution der Inhalte von den relativ teuren und limitierten bzw. limitierbaren Trägern (Schallplatten, Büchern, CD's...) getrennt wird, z.B. Internet und andere Digikanäle. Zudem zeichnet sich ab, dass das DRM ein Flop ist. Die Medienindustrie hat begriffen, dass mit Silberscheiben kein Reichtum mehr zu machen ist und verlegt ihre Gewinnbringer auf Livekonzerte, Merchandising und Crosspromotion. Das funktioniert ganz ähnlich vielen Internetdiensten, welche frei zugänglich sind, sich aber durch Werbung finanzieren.
Wozu ein Produkt über den Preis verknappen, wenn jeder es quasi unbemerkt aus dem Kaufmannsladen heraustragen kann? Dann lieber eine Werbebotschaft ins Produkt einpacken und den Werber zahlen lassen. Wir Konsumenten bekommen dann alles umsonst, erwerben jedoch nur Werbung mit ein wenig Drumherum. So wie SAT.1 und RTL uns Sport und Kultur verschenken, die jedoch nur Umrahmung der Werbespots sind. Oder unzählige Internetangebote, die für mich Surfer eine aufwändige Infrastruktur betreiben, ohne je einen Pfennig von mir zu bekommen.
Der neue Konsument bezahlt nicht mehr mit Geld, sondern mit vertaner Zeit, Aufmerksamkeit und verschenktem Qualitätsanspruch. Am wenigsten bezahlen tut dann derjenige, welcher die Werbebotschaften am besten wegfiltern kann und die übertragenen Wertungen/Werte am wenigsten als objektiv begreift.
Im übrigen mahne ich, nicht alle technischen Entwicklungen als grundsätzlich negativ anzusehen. Richtig ist, dass immer Gutes wie auch Schlechtes dabei rumkommt, wie immer bei technischen Neuerungen. Selbst die allertollsten Erfindugen wie das Rad, das Radio oder die Glühbirne haben im Prinzip Schattenseiten. Diese Digitalisierung jetzt ist sicher nicht das Schlechteste, man muß sie einfach hinnehmen und damit klarkommen lernen.
Aber wie der Buchdruck ist dieser erneute Medienbruch ein sehr einschneidender Moment. Ähnlich zu Gutenberg sollte das gesellschaftlich erhebliche Veränderungen bringen. Mit Gutenbergs Druckkunst wurde Wissen liberalisiert, unzweifelhaft! Mit Digitalisierung, Internet und unbegrenzter Vervielfältigung wird jetzt auch die Urheberschaft von Wissen liberalisiert, oder hätten viele von uns jetzt solch eine Ã-ffentlichkeit ohne das Internet?...wären zu Buchautoren geworden? Am Ende steht für mich unweigerlich der Verlust der Macht der bisherigen Autoritäten, denn diese sicherten sich Massenkontrolle über die von ihnen veröffentlichte Meinung (Bild, Welt, Spiegel...) Die etablierten Medien habens schon begriffen und ziehen über die Blogger -die wohl journalistisch unbestechliste Meinungsbildung - her.
Information und Wissensvermittlung werden an Korrumpierbarkeit verlieren. Kehrseite: Alles wird uniformer, austauschbarer, identitätsloser, gesichtsloser. Komtinuität geht verloren. Beispiel: Wir alle verteufeln BILD, aber andererseits ist sie eben ein Unikum, man weiß, was man von ihr zu erwarten hat. Bei den neuen Medien wechseln wir unsere Anbieter dann folgenlos und gedankenlos wie unsere Internetprovider. Der neue leistet genausoviel oder mehr und ist billiger. Und notfalls wechseln wir in 12 Monaten wieder. Und habens 3 Tage nach dem Wechsel auch schon vergessen, Loyalität=Null. Identifikation=Null. So wechseln mittlerweile auch Profifußballmannschaften von Ort A nach Ort B, so wechseln viele Menschen ihre Partner, Wohnungen, Sprachen, Stile. Immer schneller, immer emotionsloser. Der Verlust von Führung und Indokrination hat Konsequenzen, mit denen man erst mal umzugehen lernen muß. Wer sich hier seine privaten Ankerpunkte setzen kann, hat gut lachen.
Ich sehe also das Problem nicht in einer virtuellen Zentralisierung von Wissen mit Gefahr der anschließenden Verknappung, sondern in der mangelnden Fähigkeit vieler, mit der neuen Wissens-, Gedanken-, Meinungsautonomie umgehen zu können. Das ist so wie jeden Tag 20 Gigabyte MP3s herunterladen, aber nichts mehr davon hören zu können, aus Zeitmangel und Desinteresse. Möglichst eine 30Mbit-Verbindung, damit man zukünftig 40 GB täglich saugen kann... wie sinnlos! Man kann auch seine personalisierte Nachrichtenseite abrufen oder täglich seine 12 Foren abgrasen...und kommt vor lauter Leserei (oder Schreiberei) nicht mehr zum Denken und Auswerten! Da liest man dann 20 ganz tolle Postings täglich, aber mit 25 Themenrichtungen. Und freut sich über so viele Informationen, ohne sie wirkich zu verwerten. Am nächsten Tag sind all die Ideen schon wieder hinweggeblasen.
|
dottore
28.10.2005, 14:09
@ Popeye
|
Re: Die Lotophagen |
-->Hi @Popeye,
das Problem der Erinnerung, wenn ich das mal so formulieren darf, treibt seit Jahren auch den Ex-Chef der Humboldt-Stiftung Manfred Osten um. Sein Buch Das geraubte Gedächtnis. Digitale Systeme und die Zerstörung der Erinnerungskultur (2004) ist dazu lesenswert. (Leider manches nur kursorisch, mir fehlt vor allem eine tiefere Auseinandersetzung mit der damnatio memoriae, etwa Abschlagen von Statuen-Nasen, Ikonoklamus, die Vorgänge im englischen 16. Jh., mit der brillanten Aufarbeitung durch Shakespeare in seinem"Hamlet", usw.).
Aus dem Klappentext:
"... die Geschichte des Vergessens als Teil der Kulturgeschichte... bis zur Problematik heutiger digitaler Systeme, die, immer mächtiger, das menschliche Gedächtnis entlasten sollen, zugleich aber auch immer fragiler werden und damit den fortschreitenden Verlust des kulturellen Gedächtnisses geradezu 'programmieren'."
So ist es in der Tat. Gespeichert = vergessen. Mit noch so vielen Abrufmöglichkeiten kommen wir am Kernproblem nicht vorbei: Der Einzelne (!) muss ein Gedächtnis haben und es möglichst pflegen und maximieren. Wie sollte er sonst wissen, was er überhaupt aus den Mega-Speichern abrufen soll?
Wie es um das Gedächtnis steht, belegt eine Skurrilität: Der Insel-Verlag, in dem Ostens Buch erschienen ist, schreibt dazu:
"Als die Gefährten des Odysseus von den Lotophagen bewirtet werden, vergessen sie alles und denken nicht daran, in die Heimat zurückzukehren... Dieser Mythos markiert den Beginn einer Geschichte des Vergessens..."
Wer nun weder Altgriechisch kann noch jemals was von der Odyssee gehört hat, ist schon aufgeschmissen. Denn er wird nach Lotophagen suchen und die bekannte"Interpretation" finden, dass dies Lotus-Fresser (phragein = fressen) gewesen seien. Den Lotus hätten sie auch den Gefährten des Odysseus gegeben, die daraufhin das Gedächtnis verloren hätten.
Diese Deutung ist natürlich ein Witz, der auf einem Abschreibfehler beruht. Aus LOGOS (Wort, Geist, Sinn, Verstand und eben auch Denken und Ge-Denken) wurde LOTOS (die bekannte Blume). Die Begebenheit erschließt sich also ganz anders: Die Inselbewohner fraßen nicht Lotus-Blumen, sondern eben das Gedächtnis. Klassische Jetzt-Menschen. Morgen gibt's nicht oder ist egal.
Der Weg zur Gedächtnis- und damit auch Geschichtslosigkeit ist allenthalben breit zu sehen. Das Tempo, mit dem wir darauf uns bewegen, nimmt zu und dürfte durch das Digitalisierungsprojekt noch beschleunigt werden.
Enkel wissen also nicht mehr (auch nicht Harry Potter), sondern (Alltagserfahrung) immer weniger. Das"Kulturelle" sinkt, die Barbarei steigt auf. Diesmal in einem besonders feinen Gewand, dem der Demokratie und der political correctness, was auch Hans-Hermann Hoppe so sehr beklagt.
Dies als kurze Anmerkung + Gruß!
|
Popeye
28.10.2005, 14:19
@ dottore
|
Re: Die Lotophagen |
-->Sehr schöne Geschichte...Danke!
"Als die Gefährten des Odysseus von den Lotophagen bewirtet werden, vergessen sie alles und denken nicht daran, in die Heimat zurückzukehren... Dieser Mythos markiert den Beginn einer Geschichte des Vergessens..."
Wer nun weder Altgriechisch kann noch jemals was von der Odyssee gehört hat, ist schon aufgeschmissen. Denn er wird nach Lotophagen suchen und die bekannte"Interpretation" finden, dass dies Lotus-Fresser (phragein = fressen) gewesen seien. Den Lotus hätten sie auch den Gefährten des Odysseus gegeben, die daraufhin das Gedächtnis verloren hätten.
Diese Deutung ist natürlich ein Witz, der auf einem Abschreibfehler beruht. Aus LOGOS (Wort, Geist, Sinn, Verstand und eben auch Denken und Ge-Denken) wurde LOTOS (die bekannte Blume). Die Begebenheit erschließt sich also ganz anders: Die Inselbewohner fraßen nicht Lotus-Blumen, sondern eben das Gedächtnis. Klassische Jetzt-Menschen. Morgen gibt's nicht oder ist egal.
|
JN++
28.10.2005, 17:40
@ dottore
|
Wir alle leben im Land der Logophagen |
-->Ganz wunderbar!
Wir alle leben im Land der Logophagen und haben vergessen, woher wir kommen. Es scheint, als müßte das Ganze sich in unserem zeitlichen Gedächtnis wiederholen, damit wir begreifen, wozu Gedächtnis- und Heimatverlust führt.
Schönes WE
JN
|
Tassie Devil
28.10.2005, 18:41
@ dottore
|
Re: Wo ein Wille ist... |
-->>das Problem der Erinnerung, wenn ich das mal so formulieren darf, treibt seit Jahren auch den Ex-Chef der Humboldt-Stiftung Manfred Osten um. Sein Buch Das geraubte Gedächtnis. Digitale Systeme und die Zerstörung der Erinnerungskultur (2004) ist dazu lesenswert. (Leider manches nur kursorisch, mir fehlt vor allem eine tiefere Auseinandersetzung mit der damnatio memoriae, etwa Abschlagen von Statuen-Nasen, Ikonoklamus, die Vorgänge im englischen 16. Jh., mit der brillanten Aufarbeitung durch Shakespeare in seinem"Hamlet", usw.).
>Aus dem Klappentext:
>"... die Geschichte des Vergessens als Teil der Kulturgeschichte... bis zur Problematik heutiger digitaler Systeme, die, immer mächtiger, das menschliche Gedächtnis entlasten sollen, zugleich aber auch immer fragiler werden und damit den fortschreitenden Verlust des kulturellen Gedächtnisses geradezu 'programmieren'."
>So ist es in der Tat. Gespeichert = vergessen. Mit noch so vielen Abrufmöglichkeiten kommen wir am Kernproblem nicht vorbei: Der Einzelne (!) muss ein Gedächtnis haben und es möglichst pflegen und maximieren. Wie sollte er sonst wissen, was er überhaupt aus den Mega-Speichern abrufen soll?
Hi @dottore und @popeye,
business as usual, wenn verantwortliche ggf. auch hoechstdekorierte Leute bei ihren Hausaufgaben versagen, dann ist, wenn es die political correctnis nicht anders gebietet, immer die Technik die Wurzel allen Uebels.
Wenn digitale Systeme mit steigender Maechtigkeit und Komplexitaet gleichzeitig immer"fragiler" werden, dann steckt letztendlich immer menschliches Unvermoegen oder aber auch menschlicher Wille dazu deshalb dahinter, weil bei voller und richtiger Ausnutzung der technischen Moeglichkeiten so ziemlich das genaue Gegenteil erreichbar waere.
Ich weiss wirklich und wahrhaftig, von was ich hier schreibe.
Gespeichert = Vergessen ist allein dem Feld menschlicher Problematik zuzuschreiben, vor allem an den staatlichen Bildungsstaetten werden nach wie vor z.B. weder Lern- noch Speicher- noch Entscheidungstechniken gelehrt, da ist fast jeder etwas mehr oder weniger allein auf sich selbst gestellt.
Meine eigene persoenliche Gedaechtnispflege und -optimierung besteht seit Jahrzehnten u.a. darin, nicht gegen diese Maschinen- und Speicher(sub)systeme zu kaempfen wie weiland Don Quichotte, sondern diese moeglichst effizient fuer mich kaempfen zu lassen, was fuer mich anfaenglich zunaechst immer zur Konsequenz hatte und hat, wohldurchdacht und -organisiert vorgehen zu muessen, ansonsten werden/wuerden Abriss oder Vollsanierung die totsichere Folge (gewesen) sein.
Sehr grosse Detailbereiche meines persoenlichen Gedaechtnisses habe ich in technischen Speichern ausgelagert. Das aeusserst effiziente Recovern aus diesen Speichern von zunaechst nebelhaften Erinnerungsstuecken und -luecken (da war doch mal etwas, kopfkratz...) versteht sich von selbst, jedoch vermag ich auch
infolge der gut durchdacht organisierten Speicherstruktur ohne jede Erinnerung (entweder tatsaechlich vergessen oder noch nie auf dem Speiseplan gehabt) irgendwann einmal erfasste Details schnell wieder aufzufinden, assoziatives Scanning/Searching/Seeking inclusive.
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg... und ohne Fleiss kein Preuss...
>Der Weg zur Gedächtnis- und damit auch Geschichtslosigkeit ist allenthalben breit zu sehen. Das Tempo, mit dem wir darauf uns bewegen, nimmt zu und dürfte durch das Digitalisierungsprojekt noch beschleunigt werden.
Wie bereits angedeutet, das liegt aber nicht an der Technik per se sondern hat voellig andere, naemlich sehr menschliche Ursachen.
>Enkel wissen also nicht mehr (auch nicht Harry Potter), sondern (Alltagserfahrung) immer weniger. Das"Kulturelle" sinkt, die Barbarei steigt auf. Diesmal in einem besonders feinen Gewand, dem der Demokratie und der political correctness, was auch Hans-Hermann Hoppe so sehr beklagt.
Ja, zweifellos.
Worin unterscheiden sich Experten und Generalisten?
Experten wissen von immer weniger immer mehr, bis sie von nichts alles wissen,
Generalisten hingegen wissen von immer weniger immer mehr, bis sie von allem nichts wissen.:-)
Der richtige Mix macht es, eine falsche Dosierung macht immer nur Gift.
>Dies als kurze Anmerkung + Gruß!
Dito
TD
|
dottore
03.11.2005, 13:35
@ Popeye
|
Re: Aktueller Kommentar dazu ex WP plus Anchor-Wechsel bei CNN: |
-->Hi,
die Publisher (und ihre Sub-Divisionäre) geraten mehr und mehr in die Defensive und wehren sich verzweifelt, wie dieser Leiter der WP zeigt.
Google & Co werden's machen, das Argument mit dem"rebroadcasting" (TV-Aufzeichnungen dann später zu Hause angucken - kostenlos) ist nicht so schlecht.
Hauptproblem bei den mit Sicherheit folgenden langwierigen Prozessen: Wie soll, kann Schaden beziffert werden? Wie bewiesen, dass überhaupt jemand das Buch im Web gelesen hat? Was vor allem, wenn man das Buch zum Lesen reinstellt, aber nicht zum Download?
Things are moving fast...
Gruß!
PS: CNN-Anchor Aaron Brown
[img][/img]
ist gerade gefeuert. Bestens bekannt durch seinen 911-Auftritt. Grund angeblich: Er habe beim Shuttle-Desaster sein Golfen nicht unterbrechen und anchorn wollen. Tatsächlich ist er a) zu alt (56) und b) zu wenig"compassionate" und c) sein Nachfolger Anderson Cooper (38) irgendwie"volksnäher".
|
dottore
03.11.2005, 17:54
@ dottore
|
Re: Google-Books im Web! |
-->Hi,
war zwar noch nicht drin, aber dies lief gerade:
Google öffnet Teil seiner virtuellen Bibliothek
Die Internetsuchmaschine Google hat erstmals Teile ihrer neuen Online-Bibliothek ins Netz gestellt. Bei den zugänglichen Werken handele es sich um einen „kleinen Teil“ der Bibliothek, die in Kürze auf der Internetseite Google Print verfügbar sein soll, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit.
Die ersten digitalisierten Bücher, über deren Anzahl das Unternehmen keine Angaben machte, seien Werke aus den Bereichen Jura, Geschichte und Politik, erklärte Google. Sie könnten vollständig genutzt werden.
Die digitalisierten Bücher stammen Google zufolge aus den Universitätsbibliotheken von Michigan, Harvard und Stanford sowie aus der New York Public Library. Verfügbar seien beispielsweise Bücher des US-Autors Henry James oder Biographien. Zur Frage, wie Google mit kopiergeschützten Büchern umgehen will, äußerte sich das Unternehmen nicht.
Gruß!
|