-->Buchtip
Kurzbeschreibung Amazon
Auf den ersten Blick scheint die Warburger BÜrde (Ostwestfalen) mit ihrem Standortvorteil der ertragreichen BÜden einseitig geprägt von einer industriellen, weltmarktorientierten Landwirtschaft. Bei näherem Hinsehen - im Rahmen eines Forschungsprojektes - zeigten sich allerdings auch erstaunlich viele regionale Austauschbeziehungen: In dieser, in der Mitte Deutschlands gelegenen Region spielen sowohl die Haus- und Hofwirtschaft, das informelle Wirtschaften etwa in Form der Nachbarschaftshilfe als auch die kleinen bis mittleren handwerklichen Betriebe und BauernhÜfe eine wichtige Rolle. Sie alle dienen insbesondere der regionalen Versorgung und bilden zudem das Rßckgrat der sozialen Beziehungen vor Ort. Die Autorinnen beschreiben (Re-)Regionalisierung als eine MÜglichkeit, der mangelnden Nachhaltigkeit unserer sich globalisierenden Wirtschaft entgegenzusteuern. An einem konkreten Beispiel, der Warburger BÜrde, veranschaulichen sie viel versprechende, mÜgliche Anknßpfungspunkte fßr regionales Wirtschaften in der ländlichen Gesellschaft im gegenwärtigen Deutschland. 1995 grßndeten sie zusammen mit KollegInnen und FreundInnen das Institut fßr Theorie und Praxis der Subsistenz e.V. (ITPS) in Bielefeld.
Soweit der Buchtipp
Ich glaube nicht, dass Beschleunigung ein GrundbedĂźrfnis der Menschen ist:
Gestresst, ausgebrannt, psychisch angeschlagen. Viele Menschen fĂźhlen sich von Beruf und Privatleben Ăźberfordert. Nichts scheint mehr sicher, vorhersagbar, beeinflussbar. Das erzeugt ein GefĂźhl von Kontrollverlust. Viele Menschen verlieren den Boden unter den FĂźĂen. Es klingt paradox - trotz der ArbeitszeitverkĂźrzungen und wachsender Freizeit der letzten Jahre ist das Leben fĂźr die meisten Menschen noch hektischer geworden. Wir sind in ständiger Betriebsamkeit - Telefongeräte in der Hand, Turnschuhe an den FĂźĂen und ein Baby im Schlepptau. Wir waren noch nie so beschäftigt und versuchen mĂśglichst viele Rollen gleichzeitig zu spielen.
Der Leistungsdruck und die freie Wahl zwischen immer mehr MĂśglichkeiten bringen die Menschen in Zeitnot. Manch einer leidet gleichzeitig unter privatem und beruflichem Stress. Auch in der Freizeit entwickelt sich der Konsum zunehmend zum Stressfaktor und Zeitkiller. Durch die moderne Telekommunikation gibt es keine Entschuldigung mehr nicht erreichbar zu sein. Wir haben die angenehmen kleinen Atempausen verloren, die das Leben noch vor einigen Jahren bot. Diese unaufhĂśrlich wachsenden ReizstrĂśme des âmodernen Lebens auf der Ăberholspurâ zu verarbeiten, Ăźberfordert die Menschen zunehmend.
Dass die Menschen den Ăberblick und die âZeithoheitâ verlieren, ist die Kehrseite der zunehmenden Individualisierung und Differenzierung. Der Alltag wird immer schneller und undurchschaubarer.
âJeder von uns ist jeden Tag konfrontiert mit Hunderten und Tausenden Aufforderungen, sich zu entscheiden, sich eine Meinung zu bilden, einen Standpunkt einzunehmen. Jeder bearbeitet bewusst oder unbewusst Hunderte und Tausende von Bildern, Anregungen und Informationen. Jeder versucht aus diesem Ăberangebot das herauszufiltern, was fĂźr seine Existenz wirklich von Bedeutung sein kĂśnnte.
Eine Aufgabe, die manchmal unmĂśglich erscheint und in Verzettelung, in Verwirrung, in Beliebigkeit und Resignation endet.â(Heiko Ernst)
Die vielen WahlmĂśglichkeiten bringen uns um den Verstand:
⢠Erst gab es ein oder zwei Fernsehprogramme, dann zwanzig - demnächst sind es zweihundert. âWas soll ich mir noch anschauen?â
⢠Durch die europäische Harmonisierung kÜnnen wir unter mehreren hundert Lebensversicherungen wählen.
⢠Wer sagt uns, welches der 300 verschiedenen Mineralwässer (die es jetzt auch noch in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt) das geeignete ist?
⢠Welcher Ski passt zu meinem Fahrstil?
⢠Laser-, Tintenstrahl- oder Nadeldrucker. Wo liegt der Unterschied?
⢠Leasen oder kaufen? Visa oder Eurocard?
⢠Mountain- oder City - Bike?
⢠Bieten meine Fenster Schallschutz und ausreichende Isolierung?
⢠Wie funktioniert ISDN oder TSDL? Brauche ich âdasâ zum Telefonieren?
⢠Kann ich auch durch meine Kosmetik Rinderwahnsinn bekommen?
⢠Sind meine Schuhe orthopädisch richtig?
⢠Passt die neue Modefrisur zu meiner Nase?
⢠Kommt mein Auto ohne ABS rechtzeitig zum Stehen?
⢠Wie viele Umdrehungen benÜtigt meine Waschmaschine beim Schleudern?
⢠Bekomme ich genug Zinsen bei meinem Festgeld?
⢠Schadet der Babybrei den Zähnen meines Kindes?
⢠Rechnet sich ein Sonnenkollektor auf meinem Dach?
⢠Habe ich meinen Urlaub zu teuer gebucht?
⢠Ist Rotwein gesĂźnder als WeiĂwein?
⢠Welches Brot ist das richtige fßr meine gesunde Ernährung?
Der treffende Begriff des âCocooningâ (âsich einspinnenâ) wurde Ende der achtziger Jahre von der amerikanischen Trendforscherin Faith Popcorn definiert. Er besagt, dass sich die Menschen durch RĂźckzug in eine vertraute Umgebung von der immer komplizierter und bedrohlicher werdenden Realität fernhalten wollen. Ăberforderung und Angst sind die AuslĂśser fĂźr diese immer stärker werdende Entwicklung.
(Der Text bis hier hin stammt aus einen Artikel von mir)
Stichworte wie Beschleunigungskrise, Agonie des Realen, Ego-Gesellschaft, Globalisierung, Entgrenzung, Inszenierungswahn signalisieren, dass in der Gesellschaft von heute, im Spannungsfeld von Mensch, Gesellschaft, Politik und Ă-konomie kein Stein auf dem anderen bleibt. Wie kann man mit diesen Problemen umgehen? Sind die traditionellen Methoden noch geeignet, um die BĂźrger politisch zu beeinflussen oder muss nicht eher direkt und aktiv an hochemotionale Sinnkonstrukte angeknĂźpft werden?
Viele Menschen bedrĂźckt heute die Frage, ob auch das Vertraute - Dorf, Ort, Region, Heimat - in Gefahr sind, von der AuflĂśsung bedroht? Nicht ganz zu Unrecht! Der Pariser Anthropologe Marc AugĂŠ meint, dass unsere Kultur massenweise"Nichtorte" produziere, die kein soziales Ganzes mehr hervorbringen und nur noch der abstrakten Nutzung, der Passage, dem Transit, der Information, dem Konsum, dem Service dienen: Flughäfen, Einkaufszentren, Supermärkte, Freizeitparks, Hotelketten, BahnhĂśfe."Nichtorte", die immer mehr Menschen zu vereinzelten,"asozialen" Benutzern machen,"sich selbst und einander fremd, verbunden bloĂ in der Erfahrung einsamer Individualität".
c/o Institut fßr Grundlagenwissenschaften an der RW Fakultät
der Universität Salzburg, ChurfĂźrststraĂe 1, A-5020 Salzburg
Š Univ.-Prof. Dr. Michael Fischer
[i][/i]
|