Spartakus
29.08.2006, 09:56 |
re: OT: Wer nicht im Iraq-Feldzug umkommt stirbt in den USA an Meth Thread gesperrt |
-->Ich kann diesen Unsinn so nicht stehen lassen und damit meine ich jetzt nicht Dein Posting, sondern die Ăberdramatisierung der Auswirkungen von Methamphetaminen. Immer wieder werden speziell im Hinblick auf die Rednecks im mittleren Westen der USA vollkommen ĂŒberzeichnete und hysterische Artikel ĂŒber Meth publiziert. In Deutschland kenne ich Meth seit mindestens 1996, hierzulande wird es meist unter dem Namen"Crystal" gehandelt, der StraĂenpreis lag Mitte-Ende der neunziger Jahre bei etwa 80DM pro Gramm und wurde ĂŒberwiegend aus Tschechien eingefĂŒhrt. Crystal heiĂt es deswegen, weil im Unterschied zu Speed (normalem Amphetamin) eine deutlich sichtbare kristaline Struktur aufweist. Konsumiert wird es ĂŒber die Nasenschleimhaut.
Richtig ist, Methamphetamin ist eine extrem starke Droge. Einfach ausgedrĂŒckt ist es ein Konzentrat normalen Amphetamins. Eine Dosis von ~0,2g bewirkt einen Wachzustand der ungefĂ€hr 36h +/-12h anhĂ€lt. Mischkonsum mit anderen Drogen ist ziemlich sinnlos, da diese Droge alles ĂŒberlagert. Sich gleichzeitig zu betrinken ist z.B. kaum möglich, sofern man nicht quasi letale Dosen zu sich nimmt. Auch wenn es gern anders kolportiert wird, eine psychische Wirkung hat die Droge kaum, sie ist keine"Ego"-Droge wie etwa Kokain. Es ist eine"reine" Wachheit, vergleichbar mit einem Adrenalinschock, aber ohne dessen BeeintrĂ€chtigungen. Chemisch sind die Wirkstoffe auch verwandt. Also Autofahren oder Flugzeuge fliegen ist ohne Probleme möglich. Die gröĂten Probleme beim Konsum sind die Dehydrierung (speziell in Kombination mit Alkohol) und das"Runterkommen" durch die extrem lange Wirkungsdauer. Als"Partydroge" ist Meth deshalb nur bedingt geeignet, die Wirkungsdauer ist schlicht zu lang.
Was in den hysterischen Artikeln in der Regel unter den Tisch fĂ€llt, ist der eigentliche (und hĂ€ufigste) Einsatzzweck dieser Droge. Dabei hilft ein Blick in die GeschichtsbĂŒcher, Methamphetamine kamen unter dem Markennamen Pervitin 1938 auf den Markt. Die Wehrmacht, speziell die Luftwaffe waren die ersten GroĂabnehmer dieser Droge. Royal Air Force und US Air Force standen dem allerdings nicht nach. Bis heute ist Meth in der US-Army, speziell bei der Air Force alltĂ€glich. Bomberpiloten sind immer noch ĂŒberwiegend auf Meth. Nur um die Dimensionen deutlich zu machen, im Irakkrieg haben 98% aller US-Soldaten im Kampfeinsatz auf die Pillen im MarschgepĂ€ck(!) zurĂŒckgegriffen. Insgesamt liegt der Anteil der Konsumenten in der US-Armee im Irak bei ~60%.
Die Meth-Problematik in den USA geht ohne Zweifel auch auf die MilitĂ€rzeit der User zurĂŒck, auch ohne fundierte Daten muĂ man kein Hellseher sein um diesen Zusammenhang zu erkennen. Ăhnlich wie man die Heroin-Problematik als Folge des Vietnam-Einsatzes sehen kann. Sicher nicht ausschlieĂlich, aber ursĂ€chlich verbunden. In die Ă-ffentlichkeit kam dieser Zusammenhang bspw. mit den MordfĂ€llen in Fort Bragg, wo hochrangige Offiziere"unerklĂ€rliche" Morde innerhalb der Familie begangen. Es erschienen damals sehr gute Artikel in Zeit und TAZ ĂŒber diese ZusammenhĂ€nge.
Als ehemaliger Konsument möchte ich noch einige persönliche Erfahrungen einstreuen. Ich habe Meth benutzt um nach einem ausgedehnten Partywochenende, auch noch in den folgenden Tagen arbeitsfĂ€hig zu sein. Wobei ich mit ArbeitsfĂ€higkeit nicht physische Anwesenheit, sondern"echtes schaffen" meine. Man bringt trotz eines durchsumpften Wochenendes vernĂŒnftige Arbeit auf die Reihe und ist nicht nur"irgendwie da". Ein AbhĂ€ngigkeitspotenzial sehe ich durchaus, es wird aber durch die lange Wirkungsdauer letztlich wieder relativiert. Nach Konsum am Wochenende und folgender Arbeit dauert es einige Tage um wieder in eine normale Rhythmik zu kommen. Die Zeit, die man stiehlt, zahlt man letztlich doppelt zurĂŒck.
Zu den Horrorbildern aus den USA noch ein Wort, die schlimmste Droge die ich kenne ist neben Alkohol, Kokain. Bei keiner mir bekannten Droge (und ich kenne viele) ist das Verlangen nach dem"Nachlegen" so hoch wie bei Koks. Dennoch ist Kokain ein sehr mĂ€chtige Droge, speziell fĂŒr Menschen die etwas prĂ€sentieren, nach auĂen darstellen mĂŒssen. Mich hat die Untersuchung der Bundestagstoiletten keineswegs gewundert. Im Design, Medien und"PrĂ€sentations"-Bereich ist Kokain eine"Wunderdroge". Die extreme StĂ€rke liegt in der kurzen Wirkungsdauer, nach 2h ist der Zauber vorbei. Also passend fĂŒr ein Pressekonfernz, eine PrĂ€sentation, ein Konzert. In dieser Zeit ist man hellwach, eloquent, witzig, es ist ein kurzes Doping was hilfreich sein kann, mehr darzustellen als man eigentlich ist. Doch nach dem Ende der Wirkung kann man getrost in das"heile" Familienleben zurĂŒckkehren und ist wieder ein"normaler" Mensch. Nebenwirkungen gibt es bis auf die Suchtproblematik keine.
Bei Meth ist das Ă€hnlich gelagert, nur das es eben keine Droge der"oberen 10.000" ist, sondern eine Droge fĂŒr hart arbeitende Menschen. Speziell wer lange Zeit viel Leisten muĂ, wer vielleicht drei Jobs hat oder sich an einer Front mit echten Kugeln findet, der wird Meth schĂ€tzen. Es ist vergleichbar mit einem Dispo-Kredit, man hat fĂŒr kurze Zeit sehr viel mehr, als man sich erlauben kann, aber es macht unmögliche Dinge möglich. Wer sich jedoch nicht sehr gut kennt und seinen Körper nur als BehĂ€ltnis betrachtet, dass zu funktionieren hat, der kann sich ein Problem einhandeln, was das nicht mehr zu kontrollieren ist.
Aber letztlich ist es wie bei jeder anderen Droge auch, niemand wird Junkie weil er nach einer Zahn-OP ein Opiad verschrieben bekommt. Keiner wird Kokser, wenn er mal eine"line" probiert. Niemand wird Alkoholiker, weil er gelegentlich einen guten Wein trinkt. Erst in dem Augenblick, wo man etwas anderes kompensieren möchte, sei es SchwĂ€che, UnzulĂ€nglichkeit, traumatische Erfahrungen, erst in diesem Augenblick wird eine Droge wirklich gefĂ€hrlich. Doch dann ist es egal welche Droge man konsumiert, es ist die Kompensationshandlung die Drogen gefĂ€hrlich machen. Wie schnell der Abstieg sich dann vollzieht, hĂ€ngt von der"Macht", der StĂ€rke einer Droge ab. Da gehört Meth ohne Zweifel zu den stĂ€rksten Drogen die der Mensch ĂŒberhaupt kennt, doch wer drei Wochen lang jeden Tag eine Flasche Schnaps trinkt, der wird sich nicht von dem Unterschieden, der in der selben Zeit 60g Koks konsumiert, oder eben 20g Meth zu sich nimmt.
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SchlauFuchs
29.08.2006, 10:15
@ Spartakus
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Re: re: OT: Wer nicht im Iraq-Feldzug umkommt stirbt in den USA an Meth |
-->Der Körper holt sich zurĂŒck, was man ihm vorenthĂ€lt. Die Wachheit die du mit Meth gewinnst wirst du spĂ€ter ausgleichen mĂŒssen.
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Spartakus
29.08.2006, 10:33
@ SchlauFuchs
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Re: re: OT: Wer nicht im Iraq-Feldzug umkommt stirbt in den USA an Meth |
-->>Der Körper holt sich zurĂŒck, was man ihm vorenthĂ€lt. Die Wachheit die du mit Meth
>gewinnst wirst du spĂ€ter ausgleichen mĂŒssen.
Die Zeit, die man stiehlt, zahlt man letztlich doppelt zurĂŒck, hatte ich geschrieben. Dem gibt es wenig hinzuzufĂŒgen. Man könnte jetzt noch auf mögliche irreversibele HirnschĂ€digungen hinweisen, aber welchen Raucher hat schon der drohende Lungenkrebs vom Rauchen abgehalten? Was ich jedoch fĂŒr wichtig halte, es gibt zwei grundlegende Varianten wie man mit Gefahren umgehen kann. Entweder indem man etwas zu Teufelszeug deklariert und dadurch interessant macht, oder indem man aufklĂ€rt. Zweites ist meine Absicht.
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patrick
29.08.2006, 10:53
@ Spartakus
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Danke fĂŒr die interessante Darstellung - Gruss:-) (o.Text) |
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SchlauFuchs
29.08.2006, 11:23
@ Spartakus
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Re: re: OT: Wer nicht im Iraq-Feldzug umkommt stirbt in den USA an Meth |
-->>>Der Körper holt sich zurĂŒck, was man ihm vorenthĂ€lt. Die Wachheit die du mit Meth
>>gewinnst wirst du spĂ€ter ausgleichen mĂŒssen.
>Die Zeit, die man stiehlt, zahlt man letztlich doppelt zurĂŒck, hatte ich geschrieben. Dem gibt es wenig hinzuzufĂŒgen. Man könnte jetzt noch auf mögliche irreversibele HirnschĂ€digungen hinweisen, aber welchen Raucher hat schon der drohende Lungenkrebs vom Rauchen abgehalten? Was ich jedoch fĂŒr wichtig halte, es gibt zwei grundlegende Varianten wie man mit Gefahren umgehen kann. Entweder indem man etwas zu Teufelszeug deklariert und dadurch interessant macht, oder indem man aufklĂ€rt. Zweites ist meine Absicht.
Ich hatte das wohl ĂŒbersehen (bin ja eigentlich auf der Arbeit). ansonsten habe ich deinen Text aber auch so verstanden.
Ciao!
SF
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Spartakus
29.08.2006, 11:41
@ patrick
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Re: Danke fĂŒr die interessante Darstellung - Gruss:-) (o.Text) |
-->Das ist fein, denn es gibt mir Gelegenheit noch weiter auszuholen und auch wenn meine Betrachtungsweise natĂŒrlich vollkommen unwissenschaftlich ist, habe ich mir dennoch eine Menge Gedanken dazu gemacht. Wenn ich von der"potenziellen" HirnschĂ€digung rede, dann ist damit keineswegs der sabbernde Greis gemeint, oder diese theatralischen Bilder die von Mainstreammedien so gerne transportiert werden, sondern etwas ganz anderes. Dazu aber spĂ€ter mehr.
Wer Drogen wie Methamphetamine oder noch viel schlimmer MDMA, auch bekannt als Ecstasy zu sich nimmt, der hat ganz andere Folgen zu akzeptieren. Ecstasy ist Ă€hnlich wie Methamphetamin eine sehr etablierte Droge, das Patent stammt aus dem Geburtsjahr meiner GroĂmutter im Jahre 1912. In den 30-igern war es ein akzeptierter AppetitzĂŒgler, in den 60-zigern ein Mittel zur Psychotherapie. Kaum verwunderlich, selbst Hofmanns Erfindung des LSDs wurde dazu oft eingesetzt. Und das ist durchaus sinnvoll, MDMA oder das wesentlich stĂ€rkere LSD öffnen Pforten zum BewuĂtsein die durchaus erkenntnisreich sein können.
Der Haken dabei ist, beide Mittel spielen mit dem Hirnstoffwechsel, speziell mit den Monoamin-Transmitter Serotonin und Noradrenalin, den Stoffen die wir gerne mit GlĂŒck, Liebe und Empathie verbinden. Hier liegt auch der ZirkelschluĂ zu den Methamphetaminen nahe, beeinflussen sie letztlich den gleichen Wirkkreis. Es ist nicht so, dass die Wissenschaft davon gar nichts versteht, zwar fehlen zahlreiche grundlegende Erkenntnisse, aber es ist auch kein Buch mit 7 Siegeln.
So fĂŒhrt die chronische Gabe höherer MDMA-Dosen zu pathologischen VerĂ€nderungen an Serotonin-Neuronen. Was wiederum teilweise zu irreversibelen SchĂ€den fĂŒhrt. Kurz, der Dauer-User ist nicht mehr in der Lage GlĂŒck zu empfinden. Um mal die Wikipedia zu zitieren: Desweiteren kann es durch Aufnahme von Dopamin in Serotoninzellen zur Fehlmetabolisierung des Dopamins kommen, die zur Bildung des zellgiftigen 6-OH-Dopamin fĂŒhrt. Der toxische Effekt lieĂ sich durch die kombinierte Gabe mit SSRIs zurĂŒckdrĂ€ngen. Folglich kann man durch aktuelle Antidepressiva diese Wirkung einschrĂ€nken. Aber ich kann aus persönlicher Erfahrung beisteuern, dass dieser Effekt begrenzt ist.
Aber man muĂ auch die Kirche im Dorf lassen, wer extrem depressiv ist, dem bleiben nicht allzuviele Mittel um das zu bekĂ€mpfen. MDMA ist sicherlich ungeeignet, da es imho eine Art KurzschluĂ verursacht, der jegliches GlĂŒcksgefĂŒhl kaputt macht. Aber ein Depressiver der MDMA nimmt, ist immer noch besser, als ein Depressiver, der sich vor einen Zug wirft. Erfreulich sind die Fortschritte in der Medizin in diesem Bereich, dass sage ich ohne HĂ€me.
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Spartakus
29.08.2006, 11:47
@ SchlauFuchs
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ich habe das auch nicht falsch verstanden |
-->nur um das klarzustellen.
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patrick
29.08.2006, 12:30
@ Spartakus
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Re: Danke fĂŒr die interessante Darstellung - Gruss:-) (o.Text) |
-->"MDMA oder das wesentlich stĂ€rkere LSD öffnen Pforten zum BewuĂtsein die durchaus erkenntnisreich sein können."
Die Pforten zum Bewusstsein lassen sich viel einfacher öffnen:
Durch Entwicklung - das hat jeder selbst in der Hand.
LG Pat
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