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Moskau, 28. September
Das georgisch-russische Verhältnis spitzt sich gefährlich zu. Wie bereits kurz gemeldet, sind in Georgien am Mittwochabend zuerst vier und dann noch zwei weitere russische Offiziere wegen angeblicher Sabotage und Spionage mit viel Medienwirbel verhaftet worden. Zudem hatten georgische Spezialeinheiten das diplomatischen Schutz geniessende Hauptquartier der russischen Streitkräfte in der georgischen Hauptstadt Tbilissi abgeriegelt und verlangt, dass sich ein weiterer russischer Offizier, der sich angeblich darin versteckte, den Ordnungskräften stelle. Laut dem russischen Verteidigungsminister Sergei Iwanow wurden zudem in Südgeorgien sechs russische Militärs vorübergehend verhaftet und zusammengeschlagen. Die georgische Regierung bestätigte Ersteres und bestritt Letzteres.
Grosse Empörung in Russland
Die georgischen Innen- und Verteidigungsminister beschuldigten am georgischen Fernsehen die verhafteten russischen Armeeangehörigen, einer organisierten Gruppe anzugehören, welche vor zwei Jahren einen Sabotageakt organisiert und einen weiteren Anschlag geplant habe. Zudem hätten sie für Russland militärische Geheimnisse Georgiens ausspioniert. Innenminister Wano Merabischwili kündigte an, am Freitag Beweise für die Vorhaltungen zu präsentieren.
Der russische Zorn über die «Provokationen» des kleinen Nachbarn liess am Donnerstag nicht lange auf sich warten. Russlands Verteidigungsminister wertete die Verhaftung von fünf russischen Offizieren als absurde und idiotische Provokation und verlangte deren sofortige Freilassung. Drei der verhafteten Offiziere seien erst vor drei Monaten nach Georgien geschickt worden. Es würde ihn mittlerweile nicht mehr verwundern, wenn die Georgier die Russen bezichtigten, die Sonne vom Himmel stehlen zu wollen, gab sich Iwanow sarkastisch. Wahrscheinlich gehe es darum, Russland zu unüberlegten Handlungen zu provozieren, doch werde dies nicht gelingen. Georgien müsse aber mit adäquaten Reaktionen rechnen, drohte Iwanow.
Als Erstes stellte am Donnerstag das russische Konsulat die Gewährung von Visa an Georgier ein. Am Abend rief das Aussenministerium dann seinen Botschafter «zu Konsultationen» nach Moskau zurück und kündigte an, aus Sicherheitsgründen am Freitag mit der teilweisen Evakuation von Personal russischer Institutionen zu beginnen. Verschiedene russische Parlamentarier riefen nach Sanktionen, einige gar nach Militäraktionen zur Befreiung der russischen Soldaten. Wirtschaftlich hat die russische Seite allerdings bereits vor Monaten de facto einen Importstopp für die wichtigsten georgischen Güter Wein und Wasser verhängt, die bisher hauptsächlich für den russischen Markt produziert worden waren.
Absurdes Theater mit Hintergrund
Die Ereignisse der letzten Tage erinnern zunehmend an ein absurdes Theater, das allerdings vor einem ernsten Hintergrund gegeben wird. Dabei fürchtet Georgien offenbar, die de facto längst unabhängigen abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien nach dem Muster einer Lösung des Kosovo-Konfliktes definitiv zu verlieren. Russland wiederum scheint danach zu trachten, den zum grossen Ärger des Kremls verlorenen Einfluss in der Region über die Isolierung der georgischen Regierung und Unterstützung der abtrünnigen Gebiete wieder zurückzugewinnen.
Zudem stehen in Georgien am 5. Oktober Lokalwahlen an und ist das Team der Reformer um den georgischen Präsidenten Saakaschwili zunehmend unter innenpolitischen Druck geraten, weil der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung bisher - nicht zuletzt wegen des schlechten Verhältnisses mit dem grossen russischen Nachbarn - ausgeblieben ist. Wäre der Kaukasus mit seinen zahlreichen ungelösten multiethnischen Konflikten nicht ein derartiges Pulverfass, könnten die Spannungen vielleicht als Vorwahl-Theater abgetan werden.
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