dottore
07.11.2006, 10:52 |
Private Equity & System-Risiken - die nächste Warnung! Thread gesperrt |
-->Hi,
die britische Financial Services Authority FSA hat eben einen Bericht über den PE-Markt publiziert, der alles andere als beruhigend ist.
Um es kurz zu machen:
1. PE ist in Teilen so stark overleveraged, dass Pleiten unausweichlich sind (jedenfalls nach Ansicht der FSA).
2. Dies führt zur bekannten Kettenreaktion (Banken, Börsen, national, international).
3. Weiter Folgen: Da ca. 11 % aller in GB Beschäftigten in Firmen beschäftigt sind, die zum Teil oder ganz PE-Konstrukten gehören, sind die Risiken für den Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft erheblich.
Der Bericht (Langfassung, aber mit fast unglaublichen Zahlen und Grafiken) bitte
hier.
Der FSA-Report ergänzt die hier schon gebrachten Hinweise auf die Zinsstruktur-, Vola- und Leverage-Probleme (PIMCO, JPM, BIZ, usw.) weiter unten.
Auf erneute Vorwürfe, da werde wieder mal"in Panik" gemacht, habe ich mich eingestellt.
Jede"Krise" hat sich bisher durch Over-Leveragen angekündigt - auf welchem Markt auch immer. Jedem ist es unbenommen, seine Augen vor den Zeichen der Zeit zu schließen.
Einstweilen bleibe ich bei meiner Meinung: Diesmal liegt der Trigger in einer ganz anderen (und von vielen übersehenen oder überhaupt nicht verstandenen) Ecke der Finanzmärkte. Vielleicht ist der Schuss schon aus dem Lauf? Falls nicht, löst er sich garantiert, sobald der bisher völlig freie und in Wild-West-Manier operierende PE-Markt"reguliert" würde, was der FSA ebenso vorschwebt wie der BIZ. (Dass er nach einem Desaster reguliert wird, versteht sich für jeden, der sich in der Geschichte von Märkten, Börsen usw. auskennt, von selbst).
Ich bitte das Ganze ernst zu nehmen und nicht als üblichen Smalltalk eines Wirtschaftsforums-Schreiberlings abzutun.
Gruß!
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LeCoquinus
07.11.2006, 12:04
@ dottore
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Re: Private Equity & System-Risiken - die nächste Warnung! |
-->Wichtiger als diese Warnung ist mir Deine Einschätzung des zeitlichen Rahmens.
Zur Zeit läuft mir alles viel zu glatt. Super Konjunkturmeldungen, Arbeitsagentur strotzt vor Arbeitsplätzen, Politiker streiten sich um"Überschüsse" etc.
M.E. die letzten Zuckungen.
Einfach Deine Einschätzung: Wann und wie??!
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BillyGoatGruff
07.11.2006, 12:23
@ dottore
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Ich darf annehmen, dass deine Meinung zu Barreserven unverändert ist? |
-->d.h. generell deflationäres Umfeld, mit inflationären Inseln (wie administrierte Preise).
Mit bestem Gruss,
BGG
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André
07.11.2006, 13:12
@ dottore
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Re: Meinung aus den USA: Zur Zeit ähnliche Periode wie zw. 1928 und 1929 |
-->"This is similar to the period between 1928 and 1929 historically. By the Autumn of 2007, we will likely be in a recession. By 2010 we will be experiencing a Depression."
Aber was war die beste Anlage whd. der Depression?
Bares war Wahres und und Homestake Mining.
Wo der wirkliche Trigger oder sagen wir Auslöser liegt,
wir wissen es nicht, werden es aber mit Gewissheit noch erfahren.
Vielleicht liegt er sogar im Weissen Haus, wer weiss?
Gruss
A.
>Hi,
>die britische Financial Services Authority FSA hat eben einen Bericht über den PE-Markt publiziert, der alles andere als beruhigend ist.
>Um es kurz zu machen:
>1. PE ist in Teilen so stark overleveraged, dass Pleiten unausweichlich sind (jedenfalls nach Ansicht der FSA).
>2. Dies führt zur bekannten Kettenreaktion (Banken, Börsen, national, international).
>3. Weiter Folgen: Da ca. 11 % aller in GB Beschäftigten in Firmen beschäftigt sind, die zum Teil oder ganz PE-Konstrukten gehören, sind die Risiken für den Arbeitsmarkt und die Gesamtwirtschaft erheblich.
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Golden Boy
07.11.2006, 13:21
@ LeCoquinus
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Prognosen sind schwierig, vor allem auf die Zukunft bezogen ;-) (o.Text) |
-->
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MI
07.11.2006, 13:34
@ LeCoquinus
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Re: Geht mir auch so |
-->Ist ja kaum zu glauben, wie super alles mal wieder läuft. Die Indizies spurten von einem (lokalen oder AT) Hoch zum nächsten, die Haushalte sind auf einmal"verfassungskonform", die AL-Quote geht zurück:
Ja, is denn scho Woihnacht'n??"
(Ich glaube übrigens, daß das noch bis Januar so weitergeht. Es wird wieder eine hübsche"Jahresendrally" oder"Weihnachtsrally" geben, alles wie gehabt. Es sei denn, der"Trigger" kommt vorher)
Ich glaube den Jungs nichts mehr, und trauen tu ich dem schon gar nicht.
Nein, ich bin auch kein Dauerpessimist. Ich habe nur keinen Bock mehr, mich länger besch... zu lassen.
Die wollen einfach die Menge wieder in den Schlaf wiegen, das ist alles. Ist genau wie bei den Krankenkassen. Da war mal vor ein-zwei Jahren die Rede von"Milliardenüberschüssen". Jetzt"müssen" aber trotzdem die Beiträge erhöht werden, wegen der"Löcher".
So wirds auf der großen Bühne auch laufen. Neue"ungeahnte" Löcher werden sich auftun.
Übrigens: heuer in der Kaffeerunde, da fing schon einer an von Hektar-Wald zu erzählen, wegen der Alterssicherung. Harmloser Familienvatter, eigentlich.
Nein, nein. Die Kühe haben die Witterung aufgenommen. Das glaub ich. Es ist einfach alles zu lange gut gegangen. Man kann aber nicht allen für alle Zeiten was vormachen. Tatsache ist, daß die wahren Verhältnisse gar nicht bekannt und im Bewußtsein der Menschen sind. Sonst würden sie längst schon an den Bankschaltern Schlange stehen.
MI
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Supermario
07.11.2006, 14:09
@ dottore
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Dein Thread ist jetzt auch als Link auf Zeitwende (mL) (o.Text) |
-->
<ul> ~ here we go</ul>
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dottore
07.11.2006, 15:26
@ LeCoquinus
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Re: So läuft die Chose - Alarmstufe GELB-ROT |
-->Hi LeCoquinus,
von einem Top-Experten erhalte ich zwei Hinweis:
1. Auf einen (von mir übersehenen) Beitrag der FAZ, Ende September 2006.
2. Dass eine der angesehensten Adressen in dem Geschäft (Sevin Rosen Funds, seit 25 Jahren dabei) zum ersten Mal einen Fonds nicht durchgezogen, sondern das Geld (250/300 Mio USD) an die geifernd-gierigen Anleger zurückgeschickt hat (NYT, 7. 10. 2006). Auszüge daraus:
"“If we really believe that there are fundamental structural problems in the venture industry, should we raise our fund and just hope that the problems will get better?” the firm wrote. The answer was no."
"“I think they [Sevin] are raising the right questions,” said Sandra A. Ell, treasurer and chief investment officer at the California Institute of Technology. “It’s not that there is a lack of investment opportunities,” she said, but rather “a lack of being able to pull out your money” through public offerings or large acquisitions."
Nun aber zum FAZ-Artikel (28.9.06, S. 25, Autor Bettina Schulz):
Head:
Übernahmefinanzierungen werden riskanter
Sub:
"Die wären früher nie genehmigt worden" / Banken bauen Kreditrisiken in den eigenen Büchern ab / Abverkauf am Sekundärmarkt
Auszüge:
<<Die zunehmend aggressive Finanzierung von Unternehmensakquisitionen (Leveraged Finance) bereitet Bankenvertretern Sorgen."Noch läuft die Konjunktur gut. Sollte es jedoch nur einigen Branchen schlechtergehen, ist mit einer rasant steigenden Zahl von Restrukturierungen oder gar notleidenden Krediten aus Übernahmefinanzierungen zu rechnen", warnen Banker am Finanzplatz London und in Deutschland."Viele Finanzierungen sind heute hochriskant und wären früher niemals genehmigt worden", heißt es bei Fachleuten, die seit Jahren in der strukturierten Finanzierung tätig sind, aber nicht genannt werden wollen."Wir würden uns am liebsten an vielen dieser Übernahmefinanzierungen gar nicht mehr beteiligen, so riskant sind sie. Aber wir müssen es machen, weil wir einer der Marktführer in dem Geschäft sind und sonst Marktanteile an die Konkurrenz verlieren", sagt der Vertreter einer führenden internationalen Bank in dem Geschäft.
(...)
Die extrem hohe Liquidität am Markt hat zu einer immer höheren Verschuldung geführt.
Nach Schätzung der Investmentbank Close Brothers ist das Volumen in Europa seit 1998 von 35 auf 500 Milliarden Euro gestiegen. An der riskanten Situation sind praktisch alle Marktteilnehmer gleichermaßen schuld.
Die Private-Equity-Gesellschaften stehen unter Druck, hochrentierliche Übernahmen zu finden. Das ist schwer, denn immer mehr Gesellschaften suchen mit immer mehr Anlagekapital nach Übernahmen, die jedoch immer seltener eine auf Dauer extrem hohe Rendite versprechen. Das Interesse der Private-Equity-Gesellschaften ist es daher, auf einem immer höheren Verschuldungsgrad bei der Finanzierung zu bestehen, denn so kann ihre Rendite auf das eingesetzte Eigenkapital maximiert werden. [Siehe auch frühere Postings].
Dies erklärt, warum immer öfter Finanzierungsstrukturen gewählt werden, bei denen sich die Unternehmen, um deren Übernahme es geht und die die Übernahmefinanzierung tragen müssen, bis zur Halskrause verschulden.
Noch vor drei Jahren galt, daß die erstrangigen Schulden (Senior Debt) nicht mehr als das Vierfache des Betriebsergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ausmachen durften - heute wird bis zum Sechsfachen akzeptiert.
Noch vor wenigen Jahren kalkulierten Banker, daß die Gesamtverschuldung von Unternehmen nicht über das Fünf- bis Sechsfache des Ebitda hinausgehen sollte - heute macht die Gesamtverschuldung mitunter das Achtfache aus, und manche Fachleute erwarten, daß bald auch das Neunfache akzeptiert wird.
Unternehmen wird heute bei Übernahmefinanzierungen zugemutet, fast den gesamten Überschuß für Zinsen und Tilgung ihrer Finanzierungen aufzubrauchen. Früher mußte der Überschuß (Cash-flow) um 25 Prozent über der Zins- und Tilgungsleistung liegen - heute liegt er oft nur um 5 Prozent darüber. Dieser Zinsdeckungsgrad sinkt weiter. Mitunter wird sogar der gesamte Überschuß [!] für Zins- und Tilgungszahlungen eingerechnet.
"Das ist natürlich viel zu riskant", räumt ein Kreditfachmann einer Großbank ein.
Dennoch finden die Private-Equity-Gesellschaften, die sogenannten Finanzinvestoren, genügend Banken, die als Kreditgeber entsprechende Akquisitionsfinanzierungen arrangieren und zeichnen. Schließlich sind Finanzinvestoren Kunden, die den arrangierenden Banken hohe Provisionen einspielen.
Investmentbanken und Geschäftsbanken, die in der Übernahmeberatung (Corporate Finance) tätig sind, verdienen gleich zweierlei Provision: Zum einen streichen sie die Provision für die Beratung bei der Übernahme (M&A) ein, und zum anderen verbuchen sie die Provision, die bei der Finanzierung der Transaktion anfällt.
"Die Einnahmen, die Investmentbanken aus dem Geschäft mit diesen Finanzinvestoren erzielen, haben sich in den letzten drei Jahren verdreifacht", räumt der Vertreter einer Investmentbank ein.
Auf den Büchern halten die Investmentbanken die hochriskanten Kredite freilich nicht. Sie interessieren sich nicht für Zinseinnahmen, sondern nur für die Provision. [Provisionsüberschuss der deutschen Kreditinstitute 2005 so hoch wie 2000, vgl. Buba-MB Sep/06, was nicht nur aus höheren Aktienumsätzen und mehr IPOs resultieren dürfte].
Je länger jedoch Kredite in den Büchern der Banken stehen, desto mehr Eigenkapital muß für die Unterlegung der Kreditrisiken eingerechnet werden, und um so mehr reduziert sich die Kapazität der Bank, neue Transaktionen zu arrangieren und zu zeichnen. Die meisten Investmentbanken verkaufen ihre Kreditengagements daher schnell weiter.
In der Zwickmühle sind Geschäftsbanken, die wie die Royal Bank of Scotland, ABN Amro, die deutschen Großbanken oder viele Landesbanken nicht nur auf das Gebühreneinkommen des Investmentbanking schauen, sondern traditionellerweise höhere Tranchen behalten, um auch von der Zinsmarge zu profitieren.
Die Situation ist... so kritisch geworden, daß immer mehr Banken Finanzierungen ablehnen."Wir haben noch nie eine so hohe Absagequote gehabt wie derzeit", sagt der Vertreter einer deutschen Landesbank. Johnny Cameron, Chief Executive des Corporate Markets von der Royal Bank of Scotland, die am Markt dafür bekannt ist, daß sie aggressiv Transaktionen arrangiert und zeichnet, räumt ein:"Wir müssen in letzter Zeit selektiver vorgehen und lehnen derzeit mehr Finanzierungen ab als vergangenes Jahr."
Einige Banken reagieren zudem vorsichtiger, selbst wenn sie sich an Übernahmefinanzierungen beteiligen.... Viele Finanzierungen seien schlicht zu riskant, um sie auf den Büchern zu halten.
Manche Banker sind beunruhigt:"Die Private-Equity-Gesellschaften mögen einige Fälle verlustreicher Restrukturierungen durch andere erfolgreiche Transaktionen auffangen. Wir können uns aber keine Kreditausfälle von 10 bis 30 Prozent leisten", sagt ein Bankenvertreter, der zunehmend Kreditrisiken am Sekundärmarkt verkauft. Dabei fällt es den Banken derzeit sogar immer leichter, immer riskantere Kredittranchen am Sekundärmarkt zu veräußern. Hedge-Fonds und auf Schuldtitel spezialisierte Fonds wie CLO-Fonds (Collateralised Loan Obligations) suchen nach höher rentierlichen, nachrangigen Schuldtiteln, in der Regel den endfälligen B- und C-Tranchen arrangierter Kredite."Die CLO-Fonds und Hedge-Fonds reißen uns diese Tranchen geradezu aus den Händen", heißt es bei einem Vertreter einer großen Geschäftsbank.
"Einige Fonds wählen ihre Kreditrisiken aus. Aber es gibt Hedge-Fonds, die kaufen einfach alles, was auf dem Markt ist", kritisiert ein Bankenvertreter, der bezweifelt, daß manche Hedge-Fonds einschätzen könnten, welche Risiken sie sich aufhalsten....
"Würden die Hedge-Fonds nicht den Großteil der Kredittranchen aufkaufen, könnten wir die riskanten Finanzierungen für die Private-Equity-Gesellschaften gar nicht darstellen", sagt ein anderer Bankenvertreter.
Für skeptische Bankenvertreter ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Kartenhaus dieser Überhitzung am Kreditmarkt zusammenbricht.
"Sobald sich der Kreditzyklus dreht - und das tut er normalerweise alle drei bis vier Jahre *) -, werden wir mit einer Welle von Restrukturierungen aus den Akquisitionsfinanzierungen konfrontiert, und dann ziehen sich auch die Hedge-Fonds aus dem Geschäft zurück", warnt ein Vertreter einer internationalen Geschäftsbank in London."Es müssen nur die ersten herben Verluste kommen.">>
*) Damit wäre der Zeitrahmen möglicherweise abgesteckt: In den USA hat sich der Zyklus (consumer credits) zuletzt 2003 gedreht (Zinssätze, Ausleihungen), damit wäre 2006/2007 mit dem nächsten Dreher zu rechnen. In UK hat er Q2/Q3 2004 gedreht, next wäre demnach 2007/08. In D hat er 2003/04 gedreht (Ertragslage der Kreditbanken Mitte 2003), wenn auch nur ganz schwach (Ertragslage deutlich!). Wäre demnach 2007/2008. In J hat er 2005 gedreht, auch eher schwächlich, wäre 2008/2009.
Nehmen wir die USA als Centerpoint, siehe auch die seit Frühjahr/Sommer 2006 inverse Zinskurve (= Rezessions- und Baissevorlauf max. 1 Jahr), könnte es - so gerechnet - in der ersten Jahreshälfte 2007 zu den besagten Problemen kommen. Da sich dieses aber rasch rumspricht (man beachte die aktuelle Häufung der einschlägigen Artikel und"Warnungen") und die Angst noch immer die Gier besiegt hat, sollte uns auch ein alsbaldiger Schlag ins Kontor nicht überraschen.
Gruß!
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LeCoquinus
07.11.2006, 18:56
@ dottore
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Vielen Dank für deine anschauliche Antwort (o.Text) |
-->
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LenzHannover
08.11.2006, 01:02
@ dottore
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Dingens-stone und Telekom mag da ein Muster sein... |
-->Hi dottore,
da nur mit halben Ohr gehört hier leicht verfremdet wiedergegeben :
Das... Telekomanteile gekauft hat, zeigt doch, dass die nicht wissen wohin mit dem Geld. Die Zeiten, wo Idioten Firmen für x verkauft haben, die 80% oder mehr von x in der Kasse hatten sind wohl vorbei.
Da mir als Bürger ja die T-Bude noch teilweise gehört, bin ich mal in einen T-Punkt gegangen - nie nie nie wieder. Unfähig und unflexibel ohne Ende, da liebe ich inzwischen fast das Finanzamt .
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SilVisconti
09.11.2006, 20:41
@ dottore
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Gestern Leitartikel in der FTD über PE-Markt-Bericht der FSA |
-->und Dank für die Übermittlung Deiner neuesten Erkenntnisse an der Krisenfront!
Gruß
SilVisconti
Das finale Rennen
Von Angela Maier
08.11.2006
Der Boom des Private-Equity-Marktes könnte bald zu Ende sein.
Jetzt haben die Finanzinvestoren ihre Schlagzahl noch einmal deutlich erhöht
Von Angela Maier
Die Gigantomanie der Private-Equity-Branche ruft inzwischen sogar die marktliberale Londoner Finanzaufsicht FSA auf den Plan. Die hohen Kredite, die Banken zur Finanzierung von Unternehmenskäufen durch Finanzinvestoren vergeben, könnten in Extremfällen die finanzielle Stabilität gefährden, so die FSA. Zusammenbrüche von Unternehmen seien unvermeidbar.
Bislang sind Private-Equity-induzierte Pleiten dank der guten Konjunktur weitgehend ausgeblieben - obwohl die Verschuldungsgrade seit zwei Jahren auf Höchstständen verharren. Zwar brachten die Schulden einige Private-Equity-finanzierte Autozulieferer an den Rande der Insolvenz: Permira und Montagu mussten kürzlich Kiekert und TMD Friction den Gläubigern überlassen.
Doch dies konnte den Optimismus an den Finanzmärkten nicht trüben, zumal es auch außerhalb Deutschlands kaum Probleme gab. Die Rating-Agentur Standard & Poor’s hat 2006 bei ihren europäischen Unternehmenskunden nur fünf Ausfälle registriert, darunter die Apax-Portfoliofirma Damovo. „Wir haben uns in den letzten Monaten zeitweise wie moderne Kassandras gefühlt“, klagten die Experten. Seit Monaten warnt S&P vor der ständig sinkenden Kreditqualität. Für 2007 sagt die Agentur mehr Kreditausfälle voraus. Ein heilsamer Schock, hofft die FSA.
Heilsam wäre der in der Tat. Aber nur für die viel zu großzügigen Finanzmärkte - nicht für die Private-Equity-Gesellschaften und ihre Berater. Die wissen, was eine Kontraktion der Kreditmärkte bedeuten würde: Nach dem Platzen der Börsenblase Anfang 2000 und im Zuge der folgenden Rezession ist das Private-Equity-Geschäft eingebrochen. Viele Deals scheiterten, da sich die Beteiligungsfonds mit den Banken nicht auf die Kreditfinanzierung einigen konnten.
Andererseits ist diese Krise mit ein Grund, dass die Branche jetzt so stark boomt. Damals gingen mit den Börsenbewertungen die Preise für Private-Equity-Übernahmen in den Keller. Umso höher waren die Gewinne, mit denen die Private-Equity-Fonds die Unternehmen im Aufschwung der vergangenen zwei Jahre wieder verkauften. Die weltgrößten Beteiligungsfonds wie Kohlberg Kravis Roberts (KKR), Blackstone, Bain Capital oder Permira verdienten zuletzt Fabelrenditen von 70 Prozent und mehr.
(...)
Das Eingeständnis der Fonds, dass die Renditen sinken werden, ist da eine Selbstverständlichkeit. Trotzdem agieren viele Milliardenfonds, als gebe es morgen keine Unternehmen mehr zu kaufen. KKR, Blackstone und andere haben ihre Schlagzahl in schwindelerregendem Ausmaß erhöht. Fast im Wochenrhythmus kommen sie mit neuen Deals auf den Markt. Kürzlich wollte KKR mit anderen Investoren gar den französischen Vivendi-Konzern übernehmen, für 40 Mrd. Euro. Demnach müssten sich jetzt drei Viertel der Dax-30-Unternehmen Sorgen machen. Dass ein Konsortium um Bain Capital beim Zulieferer Continental abblitzte, bliebe nur die Ouvertüre. Und der Verkauf der Linde-Stapler an KKR und Goldman Sachs für 4 Mrd. Euro fiele bald in die Kategorie „größerer Mittelstandsdeal“.
So hat Blackstone seinen im Juli aufgelegten 15,6-Mrd.-$-Fonds schon zur Hälfte investiert. Bislang waren Investitionszeiträume von vier Jahren üblich. Um nicht 2007 erneut auf Sammeltour gehen zu müssen, hat Blackstone den Fonds wieder geöffnet: Die bisherigen Geldgeber „dürfen“ nun höhere Beträge investieren, sodass der Fonds sogar 20 Mrd. $ umfasst. KKR macht seinen neuen globalen Fonds gar nicht erst zu - und könnte eine ähnliche Größenordnung erreichen. Inklusive der Europa-Fonds und des im Frühjahr gelisteten Börsenvehikels hat KKR rund 30 Mrd. $ Eigenmittel für Unternehmenskäufe zur Verfügung. Das ist fast so viel wie das Eigenkapital von Siemens oder der Deutschen Bank. Noch vor drei Jahren hätten sich die Investoren - Pensionskassen, Vermögensverwalter, Versicherer - solches Gebaren verbeten. Doch derzeit sitzen die führenden Fonds am längeren Hebel.
(...)
So erweist sich Private Equity derzeit für alle Beteiligten als gigantische Geldvermehrungsmaschine. Allein die Fondsgebühren machen manche Fondsmanager zu Millionären. Rechnet man 1,5 bis 2 Prozent jährlich auf das Fondsvolumen, kassiert Blackstone über 300 Mio. $ im Jahr. Das KKR-Management käme sogar auf 450 Mio. $. Dabei betreibt Blackstone das Geschäft mit nur 80 Investmentmanagern, KKR mit 90.
Damit sahnen die Manager neuerdings schon ab, bevor ihre Investitionen Gewinne abgeworfen haben. Dabei werden sie von Beratern und Investmentbanken tatkräftig unterstützt. Denn deren Gebühren wachsen mit den Übernahmevolumina. Allein für die Schuldenpakete gehen ungefähr zwei Prozent an die Banken: im Fall von Linde rechnerisch 52 Mio. Euro.
Diese Gebühren zahlen die Portfoliounternehmen, nicht die Finanzinvestoren. Trotzdem wehren sich die Firmenchefs kaum. Ihnen verschaffen die Fonds in der Regel vergünstigte Firmenanteile. Damit sitzen die Manager mit den Fonds in einem Boot. Beispiel MTU Aero Engines: MTU-Chef Udo Stark erlöste beim Verkauf von einem Viertel seiner MTU-Aktien 7,9 Mio. Euro. Schon länger übersetzen manche Branchenkenner das Kürzel MTU gern mit „Money to Udo“.
(...)
So gewinnen Spielernaturen statt langfristig interessierter Investoren. So ähnlich fühlte es sich an, kurz bevor 2000 die Blase des Neuen Marktes platzte.
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