kosh
01.12.2006, 16:55 |
Irak: Bürgerkrieg, Bush sei Dank Thread gesperrt |
-->aus http://www.20min.ch/news/ausland/story/13298011
- Unter dem Logo «Irak: Der Bürgerkrieg» berichtet der Sender...
... NBC über den Bürgerkrieg im Irak, man lese und staune.
- Bürgerkrieg oder nicht: In den USA tobt ein Krieg der Worte um das richtige Wort dafür, was im Irak tobt.
Krieg um Dos and Donts im Land der Dos and Donts. Für Unbedarfte: Bürgerkrieg = Pfuiwort.
- So hat die «New York Times» bereits angekündigt, dass auch für sie der Bürgerkrieg kein Tabuwort mehr sein wird...
Pfui! Und ganz ganz wichtig für die toten Iraker:
- Eine entsprechende Entscheidung der «Washington Post» wird erwartet.
Weil:
- Zahlreiche Untersuchungen zeigten, dass die US-Bevölkerung ein Truppen-Engagement in Bürgerkriegen anderer Länder weitaus weniger unterstütze als etwa humanitäre Einsätze...
... mit Phosphor-, Streu- und Splitterbomben. Vor allem Selbstläuferbürgerkriege, die man selbst zum Laufen brachte.
Die Amis auf Kurs
kosh
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zureich
01.12.2006, 19:11
@ kosh
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Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser |
-->"Scholars agree Iraq meets definition of 'civil war'
...
The common scholarly definition has two main criteria. The first says that the warring groups must be from the same country and fighting for control of the political center, control over a separatist state or to force a major change in policy. The second says that at least 1,000 people must have been killed, with at least 100 from each side....
Fearon and a colleague at Stanford, David Laitin, say the deaths per year in Iraq, with at least 50,000 reportedly killed since March 2003, place this conflict among the worst 20 civil wars of the past 60 years, on par with wars in Burundi and Bosnia."
http://www.iht.com/articles/2006/11/26/news/civil.php
Die Definition ist zwar nicht wirklich 'the common scholary definition', wird aber oft verwendet, beispielsweise in den unteren beiden Papers von Fearon/Laitin. Die beiden Papers sind empfehlenswert. Die Aussagen beziehen sich auf empirische Ergebnisse von 160 Ländern zweischen 1945 - 2002.
Fearon, James D. und David D. Laitin. 2003. “Ethnicity, Insurgency, and Civil War.” American Political Science Review 97(1):1-17.
Viele Forscher messen einen Zusammenhang zwischen Bürgerkriegen und der ethnischen Diversität. Fearon und Laitin knüpfen daran an und messen, inwiefern dieser Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung (GDP p.c.) und anderen Variablen zusammenhängt.
Ergebnisse: Wenn wirtschaftliche Entwicklung in das Erklärungsmodell einbezogen wird, verlieren ethnische Faktoren an Bedeutung. Konkret: Der Ausbruch von Bürgerkriegen kann durch die wirtschaftliche Entwicklung, vorangegangene Konflikte und zum Teil durch die Art der Landschaft (Berge sind gut für Guerilla) erklärt werden. Ethnische Aspekte spielen keine Rolle. -> Die Wirtschaft bestimmt das Konfliktpotential, ethnische Aspekte sind wichtig für die Erklärung wo entlang die Konfliktlinien verlaufen, ethnische Aspekte allein können den Ausbruch von Bürgerkriegen aber (jedenfalls statistisch) nicht erklären.
Fearon, James D. und David D. Laitin. 2004. “Neotrusteeship and the Problem of Weak States.” International Security 28(4):5-43.
'Neotrusteeship' als neue Art des Imperialismus. Neotrusteeeship unterscheidet sich vom Imperialismus darin, dass nicht einzelne Kollonialmächte Kontrolle über Territorien ausüben, sondern Kollektive von Staaten. Im Gegensatz zum Imperialismus geht es auch nicht darum sich in einem besetzten Gebiet breit zu machen, sondern so schnell wie möglich wieder raus zu gehen. Das Neotrusteeship manifestiert sich in den UN-peacekeeping-missions.
"There are at least two striking differences, however. First, today’s rule by and with foreigners is largely multilateral, whereas in classical imperialism the great powers jealously monopolized control of their imperial domains. Second, whereas nineteenth-century imperial ventures were conceived as indeanite in duration, postmodern imperialists want to rebuild self-supporting but politically and economically acceptable state structures and then leave as quickly as feasible."(S.12)
Soweit ein Teil der theoretischen Annahmen, wie die Bürgerkriegssituationen nach '45 erklärt werden. Das ganze wird dann als ein 'collectiv action' Problem dargestellt.... Bürgerkriege verursachen diffuse Kosten, also Kosten verteilt auf alle Länder. Gelöst werden die Bürgerkriege deshalb durch kollektive Instrumente, wie UNO. Diese kollektiven Instrumente (oder besser Organisationen und Istitutionen) funktionieren schlecht, weil ihnen die Mitgliedsländer wenig Unterstützung zukommen lassen - niemand gibt viel, weil es ihm nicht mehr bringt, der Vorteil eines beendeten Bürgerkrieges nützt allen gleich viel. Soweit das Dilemma. Aber ziemlich ausschnittartig.
Die Presse geht auf diese die Ergebnisse (im Gegensatz zur wissenschaftlichen Literatur) nicht ein, Bürgerkriege werden vor allem durch ethnische und religiöse Spaltung erklärt.
Vielleicht kann ja jemand diese beiden Gläser für seine politische Sonnenbrille gebrauchen.
Gruss.
p.s. Zocker aufpassen, Amiland hat gestern Intraday Kreuze gemacht.
<ul> ~ iht</ul>
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kosh
01.12.2006, 21:01
@ zureich
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Re: Irak: Bürgerkrieg / Besserwissereien und Brillengläser |
-->Hallo zureich
Interessant, das auch mal von einer wissenschaftlichen Seite beleuchtet zu bekommen. Keine Ahnung ob's ausser mir jemandem was bringt, ich habe versucht die Bürgerkriegskriterien zu kommentieren.
-... two main criteria. The first says that the warring groups must be from the same country and fighting for control of the political center, control over a separatist state or to force a major change in policy.
Wofür dort unten gekämpft wird? Anfangs tischte man uns Terrorismus auf, also ziemlich diffuse Ziele, danach war es Widerstandskampf, also konkret alle gegen die Besatzer, neu soll es Bürgerkrieg sein. Auf der Grundlage von rund 50 rivalisierenden Stämmen und der Schlussfolgerung, der Irak war seit je ein künstliches Gebilde, dürfte man mit einem Mix aus Widerstand und Bürgerkrieg am ehesten klar kommen. Nach allem, was man so lesen durfte, habe ich den Eindruck, dass mit dem Fall Saddams die eiserne Faust, welche alles mehr schlecht als recht zusammenhielt, schlagartig wegfiel und das Bürgerkriegspotential in seiner ganzen Breite offenlegte. Es folgten Übergangsjahre, in denen man zunächst einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen hatte, darum auch der starke Eindruck von Widerstand. Seit man sich der alten Rivalitäten gewahrer wurde, versucht man trotz unterschiedlicher Auffassungen via Koalitionen den Widerstand aufrecht zu erhalten.
Während der gesamten Zeit intrigierten sowohl die USA als auch deren irakische Kollaborateure asymmetrisch, zB. wurden Kurden weitgehend verschont, während man Sunniten oder Schiiten je nach Bedarf verprellte oder förderte. Auf die Parzellen der Stämme heruntergerechnet entstanden Provinzen mit unterschiedlichen"Entwicklungs"-Geschwindigkeiten.
Ich bin der Meinung, dass man den Irak für eine Untersuchung in Gebiete aufteilen müsste, welche alle einzeln analysiert werden. Dort, wo der Durchmischungsgrad der muslimischen Sekten hoch ist, dürfte es sich eher um Bürgerkrieg handeln, andernorts eher um Widerstand.
- The second says that at least 1,000 people must have been killed, with at least 100 from each side.
Dieses starre Kriterium (keine Rücksicht auf Bevölkerungsgrösse) müsste selbst vom Pentagon als erfüllt betrachtet werden.
- -> Die Wirtschaft bestimmt das Konfliktpotential, ethnische Aspekte sind wichtig für die Erklärung wo entlang die Konfliktlinien verlaufen, ethnische Aspekte allein können den Ausbruch von Bürgerkriegen aber (jedenfalls statistisch) nicht erklären.
Im Fall des Irak haben wir es mit einem für mittelöstliche Verhältnisse beispiellosen wirtschaftlichen Fall zu tun. Ethnische Aspekte würde ich behaupten, haben das Konfliktpotential um die brachen Ressourcen zumindest gefördert.
- 'Neotrusteeship' als neue Art des Imperialismus. Neotrusteeeship unterscheidet sich vom Imperialismus darin, dass nicht einzelne Kollonialmächte Kontrolle über Territorien ausüben, sondern Kollektive von Staaten.
... Gelöst werden die Bürgerkriege deshalb durch kollektive Instrumente, wie UNO.
Ich versuche jeweils, mit bekannten Begriffen auszukommen. Soviel ich weiss, ich bin da wirklich nicht bewandert, haben z.B. schon die alten Römer das römische Bürgerrecht gezielt verliehen, um als stärkstes Glied in einem Kollektiv ihre Macht zu verfestigen. Ich kann nicht beurteilen, ob aus wissenschaftlicher Warte diese Wortkreation notwendig geworden ist, für den Alltag genügt mir ein schlichtes"Imperialismus". (Ich verstehe den Bedarf der reinen Lehre, den modernen Imperialismus einer ansprechenden akademischen Arbeit zuzuführen, aber gerade aus Sicht der Propaganda ist das nicht wünschenswert.)
- Diese kollektiven Instrumente (oder besser Organisationen und Istitutionen) funktionieren schlecht, weil ihnen die Mitgliedsländer wenig Unterstützung zukommen lassen - niemand gibt viel, weil es ihm nicht mehr bringt, der Vorteil eines beendeten Bürgerkrieges nützt allen gleich viel.
Man könnte auch sagen, die kollektiven Instrumente funktionieren gut, gerade weil die Unterstützung schlecht ist. Ausserdem, bedenkt man den Fall Irak, könnte man auch sagen, je weniger man unterstützt, desto besser das Preis-Leistungsverhältnis. Dieses Phänomen erinnert mich nämlich stark an das Allmend-Prinzip: Gewinne auf Kosten Anderer. Nebenher wird der Konkurrent geschwächt, was die eigene Position relativ stärkt.
So, es war sehr interessant, sich damit zu befassen, aber jetzt bereite ich erstmal unser Abendbrot.
Grüsse
kosh
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000
03.12.2006, 00:43
@ zureich
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Re:"Intraday Kreuze" - wat´n dat nu???? |
-->
>Gruss.
>p.s. Zocker aufpassen, Amiland hat gestern Intraday Kreuze gemacht.
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zureich
03.12.2006, 14:08
@ kosh
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Re: Irak: Bürgerkrieg / Allmend... |
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>- 'Neotrusteeship' als neue Art des Imperialismus. Neotrusteeeship unterscheidet sich vom Imperialismus darin, dass nicht einzelne Kollonialmächte Kontrolle über Territorien ausüben, sondern Kollektive von Staaten.
>..Ich kann nicht beurteilen, ob aus wissenschaftlicher Warte diese Wortkreation notwendig geworden ist, für den Alltag genügt mir ein schlichtes"Imperialismus". (Ich verstehe den Bedarf der reinen Lehre, den modernen Imperialismus einer ansprechenden akademischen Arbeit zuzuführen, aber gerade aus Sicht der Propaganda ist das nicht wünschenswert.)
Der Imperialismus geht von einem Empire aus, nicht von einer 'internationalen Staatengemeinschaft' oder 'OECD-G7-WTO-Kollektive'. Aber klar, diese Kollektive können auch als Empire gesehen werden. Hardt/Negri (2000),,Empire" beispielsweise machen das so ähnlich.
Im Imperialismus besetzt ein Land ein anderes, die Ausbeutung deckt die Kosten der Besatzung. Dies trifft im Fall des Iraks kaum zu. Ums Ã-l alleine kann es nicht gehen, es wäre billiger gewesen die OPEC zu spalten, mutmasse ich mal. Der rationale Aspekt in der Besatzung des Iraks kann darin gesehen werden, dass ein Bürgerkrieg im Irak den meisten Ländern mehr schadet als der USA. Die Argumentation dazu: Die Staatenwelt wird dadurch unregulierter und damit unberechenbarer, Staaten mit einem grossen Knüppel sind in so einer Welt im Vorteil. Dies vor dem HIntregrund, dass die USA ihren Zenit überschritten haben.
>[i]- Diese kollektiven Instrumente (oder besser Organisationen und Istitutionen) funktionieren schlecht, weil ihnen die Mitgliedsländer wenig Unterstützung zukommen lassen - niemand gibt viel, weil es ihm nicht mehr bringt, der Vorteil eines beendeten Bürgerkrieges nützt allen gleich viel.
>Man könnte auch sagen, die kollektiven Instrumente funktionieren gut, gerade weil die Unterstützung schlecht ist. Ausserdem, bedenkt man den Fall Irak, könnte man auch sagen, je weniger man unterstützt, desto besser das Preis-Leistungsverhältnis. Dieses Phänomen erinnert mich nämlich stark an das Allmend-Prinzip: Gewinne auf Kosten Anderer. Nebenher wird der Konkurrent geschwächt, was die eigene Position relativ stärkt.
Yesss, wenn dich das ganze an das Allmend-Prinzip erinnert hast du den Punkt der Theorie von Fearon/Laitin begriffen. Das Allmend-Prinzip veranschaulicht den 'collective action'-Ansatz von Fearon/Laitin. Allemend und 'collective action' kommen aus der selben Küche. Wir haben nicht mehr ein Akteur (deshalb nicht klassischer Imperialismus), welcher eine Allmend oder ein Land (Irak) bewirtschaftet, sondern ein Kollektiv - und zwar nicht zwei, wie beim Allemend-Prinzip veranschaulicht, sondern 20-30 Spieler.
Gruss...
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zureich
03.12.2006, 14:39
@ 000
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Re:"Intraday Kreuze" - wat´n dat nu???? |
-->Ein Kreuz ist, wenn Eröffnung und Schlusskurse auf gleichem Level sind und es während der Session rauf und runter ging. Schaut man einen Chart im Candle-Stick an, sieht dies aus wie ein Kreuz.
Ein (nicht mehr ganz nüchterner) Rohstoffhändler/Verkäufer erzählte mir, dass Kreuze Signale für Trendwenden sind. An die Erkärung dazu kann ich mich nicht mehr genau erinnern, hatte etwas mit dem Glattstellen von Postitionen grösserer Spieler zu tun. Vielleicht klappt das auch nur mit Rohstoffen, keine Ahnung, am besten du ignorierst die Kreuz-Geschichte, ich kenn mich mit Marktvoodoo nicht aus.
Kann mir vorstellen, dass der Händler, der mir das erzählte auch hier auf dem Board mitschreibt oder liest, da er sich auf EW bezieht. Der könnte das ganze besser erklären.
Sonst schau dir Charts an, schau, was in der Vergangenheit nach Kreuzen passiert ist. Informationen anderer sind eh meistens falsch und sowieso nicht unbedingt als Information gedacht.
Gruss
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