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<strong>Bis zum 6. oder 5. Jahrtausend war der Ackerbau auf griechischem Boden ausgebreitet. Wie jüngste genetische Untersuchungen an Indern zeigten, hat bei der Ausbreitung des Ackerbaus die Wanderung der Bauern eine wichtige, wenn nicht die bestimmende Rolle gespielt.</stron>
<strong>Vierter Teil meiner Serie über die Entwicklung der Warengesellschaft im antiken Griechenland.</strong>
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<br/><h3><center>4.1. Nomadische Zeit</h3>
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Aus der arbeitsaufwändigen Hacke wurde der Pflug entwickelt, wo der Großteil der nötigen Arbeitsenergie von dem Zugtier geleistet wird. Das Feld wurde gedüngt und bewässert.
Es ist anzunehmen, dass die Übergangsstufen vom Nomadenleben zur ständigen Sesshaftigkeit regional unterschiedlich lange dauerten. Da der für Ackerbau nutzbare Boden in Griechenland von vorneherein beschränkt war, waren dort längere Phasen der Brandrodung nicht möglich. Die kleinräumigen Naturverhältnisse in Griechenland verwiesen auf einen intensiven Ackerbau. Entweder waren die Bewohner dazu in der Lage oder sie konnten sich nicht auf Dauer in dem Land halten.
In Griechenland war mindestens in Küstenebenen mit Flussmündungen der letzte Schritt zur Sesshaftigkeit im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. erreicht. Allerdings gingen mit dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur um die letzte Jahrtausendwende die Anbauflächen in Griechenland wieder zurück. Die zahlenmäßig geschrumpfte einheimische Bevölkerung ernährte sich wieder vorwiegend von Viehzucht, Schafen und Rindern.
Die in dieser"dunklen Zeit" nach Griechenland eindringenden Völker müssen die wichtigsten Ackerbautechniken schon beherrscht haben, sonst wäre die explosive Bevölkerungszunahme im 9. und 8. Jh. v. Chr. nicht nachhaltig gewesen. Die Bevölkerungszunahme war ohne eine Zunahme der Nahrungsproduktion nicht möglich.
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Der Geschichtsschreiber Hekataios berichtet:<em>"Das Land von Attika, das früher schlecht und wertlos gewesen sei, hätten die Athener </em>(durch die pelasgischen Ureinwohner) <em>wohlbestellt und fruchtbar vorgefunden und darum ohne auch nur etwas anderes als Vorwand zu gebrauchen, hätten die Athener die Pelasger vertrieben.... So der Bericht des Hekataios."</em> (Herodot 6, 137). Bei den Spartanern gibt es keinen Zweifel, dass sie als bewaffnete Eroberer auf dem Peloponnes eine einheimische Ackerbaubevölkerung unterworfen und sich dienstbar gemacht haben.
Aus der Gründungsgeschichte der späteren Kolonien und aus Ausgrabungen wissen wir, dass der mit gemeinsamer Waffengewalt eroberte (bzw. verteidigte) Boden gemeinsames Eigentum war. Der bebaubare Boden wurde zu gleichen Teilen zur Nutzung an alle Familien verteilt. Das unbebaute Wald- und Weideland blieb Gemeinschaftseigentum. Das Obereigentum am gesamten Boden hatte die Kampfgemeinschaft, die das Land mit gemeinsamer Waffengewalt erobert hatte, besetzt hielt und gegen alle Angreifer verteidigte.
Achilles sagte auf dem Schlachtfeld vor Troja zu seinem Gegner Aeneas: Du hoffst wohl<em>,"dir schneiden die Troer ein Landgut heraus, vortrefflich vor anderen, ein schönes, mit Baumgarten und Saatfeld, dass du es bebaust, wenn du mich tötest?"</em> (Ilias 20, 184f) Das Volk der Troer vergibt hier das Land, nicht Priamos, der König von Troja.
Auch das"Königsland" oder besser"Amtsland" (temenos) wird vom Kriegsvolk in seiner Gesamtheit verliehen. In der Odyssee fällt dieses Amtsland beim Tod des Amtsinhabers wieder an die Volksgemeinschaft zurück: <em>"Und sage mir von dem Vater und dem Sohn, den ich zurückließ, ob noch mein Ehrenamt (geras) bei ihnen liegt oder ob es schon ein anderer der Männer hat und sie sagen, ich kehre nicht mehr heim?... Dein schönes Ehrenamt hat noch kein anderer, sondern in Ruhe verwaltet Telemachos das Amtsgut (temenos) und hält die gebührenden Mähler, wie sie zu besorgen einem rechtsprechenden Manne zukommt, denn alle rufen ihn herbei."</em> (Odyssee 11, 174-187) Das Richteramt des Odysseus blieb also in seiner Abwesenheit vakant. Das"Amtsgut" (temenos), das er vom Volk als Lebensgrundlage während der Führung der Amtsgeschäfte erhalten hatte, wurde vom Sohn nur kommissarisch verwaltet. Weder Odysseus noch sein Erbe hatten ein Eigentum am"Amtsgut".
Zugeteiltes Land wurde von Familien mit drei Generationen bewirtschaftet. Auf dem Landgut des Odysseus arbeitete sein Vater wie sein Sohn. Aber dieses Land durfte und konnte nicht verkauft werden. Es war also nicht volles Eigentum in modernem Sinn. Starb ein Gutsherr ohne Sohn, so fiel das Landstück an die fernere Verwandtschaft. Väter ohne Erben suchten das durch Kindsadoption zu umgehen. Die Erträge eines Landstücks konnten allerdings als Hypothek an Gläubiger oder mächtige Schutzherren vergeben werden. Das war ein Hauptpunkt in den solonschen Reformen in Attika (594 v. Chr.). Die"landlosen Bauern" von Attika hatten nicht ihr Besitzrecht, wohl aber die Nutzungsrechte an ihrem Land weitgehend verloren. Sie wirtschafteten zwar immer noch auf ihrem Landstück, lieferten aber bis zu fünf Sechstel ihrer Ernte an ihre reichen Gläubiger. Durch Entschuldung erhielten sie ihr Land zurück.
Die (spät)römische - und heutige - Vorstellung von Eigentum ist das <strong>jus utendi et abutendi</strong>, das Recht der individuellen Willkür über eine Sache. Die frühen Griechen bezeichneten dagegen das als Eigentum, <em>"was zum Lebensunterhalt einer jeden Person beitrug"</em> (Oeconomicus 6,5). Da wurde nicht getrennt zwischen gemeinschaftlichem (öffentlichem) Eigentum, Eigentum der Familie und Eigentum eines Individuums. Nicht nur Sachen waren"Eigentum" auch Verwandtschaftsbeziehungen, Gewohnheitsrechte und alle gewohnheitsmäßigen Existenzgrundlagen. Um ein Stück Grenzland haben griechischen Polisbewohner erbittert und blutig gegen Nachbargemeinden gekämpft. Für die Bürger der Polis war ein Stück Land am anderen Ende der Stadt ganz selbstverständlich <strong>ihr </strong>Land, für das sie Leib und Leben einsetzten.
Solange die Wehrgemeinschaft aller Bürger die Nutzungsvoraussetzung jeder einzelnen Parzelle und damit Existenzvoraussetzung für jeden einzelnen Bauern blieb, solange blieb das Gemeinwesen, die Polis, der Hüter alles Eigentums und jeder einzelne Bürger war nur Miteigentümer in dieser Gemeinschaft und die Landparzelle der eigenen Familie war faktisch ein Lehen der Gemeinschaft.
Die existentielle Abhängigkeit des Einzelnen von der Polis-Gemeinschaft ist das Geheimnis der griechischen Polis. Es ist das Geheimnis ihrer Gründung im 8. und 7. Jahrhundert, es ist das Geheimnis ihrer scheinbaren Blüte im attischen 6. Jahrhundert und es ist das Geheimnis ihres schnellen Niedergangs in der folgenden Zeit. Das individuelle Eigentum war das schleichende Gift, das die griechische Polis durchtränkte und zerstörte.
Individuelles Eigentum an Land gab es in Attika ungefähr seit Solon (640-560):"<em>Lob erntete Solon auch mit seinem Gesetz über das Testierrecht. Früher gab es ein solches nicht, sondern Geld und Haus mussten in dem Geschlecht des Verstorbenen bleiben. Indem Solon gestattete, wenn jemand keine Kinder hatte, sein Vermögen, wem er wollte, zuzuwenden..., machte er das Vermögen erst zum Eigentum der Besitzenden."</em> (Plutarch, Solon). Aber auch nach der Zeit Solons konnte Grund und Boden in Attika nur begrenzt ge- und verkauft werden. Verlust des Familien-Landes führte zum Verlust des Athenischen Bürgerrechts.
Platons"Gesetze" handeln im elften Buch über Kauf und Verkauf der verschiedensten Güter. Landverkauf wird darin nicht erwähnt. Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) berichtet von Gesetzen, die Landverkauf ausdrücklich verboten<em>:"Es gibt bei einigen ein Gesetz, das es verbietet, Land zu erwerben, soviel man will. Ebenso verbieten Gesetze, den Besitz zu verkaufen, wie etwa bei den Lokrern ein Gesetz existiert, dass man nicht verkaufen darf, falls man nicht einen offensichtlichen Notstand nachweisen kann; oder es gibt Gesetze, die gebieten, die alten Landlose zu bewahren..."</em> (Aristoteles, Politik II, 7) <em>"Platon wollte, als er die Gesetze schrieb, hier bis zu einem gewissen Grade Freiheit lassen; immerhin dürfe kein Bürger mehr als das Fünffache des kleinsten Besitzes erwerben..."</em> (Aristoteles, Politik II, 7).
In Sparta setzte sich individuelles Eigentum am Boden erst im 4. Jh. v. Chr. durch: <em>"Aber ein angesehener Mann, stolz und von harter Sinnesart, Epitadeus mit Namen, brachte, als er Ephor wurde, wegen eines Streites, den er mit seinem Sohn hatte, ein Gesetz in Vorschlag, dass es jedem gestattet sein sollte, sein Haus und sein Grundstück, wem er wolle, bei Lebzeiten zu schenken oder testamentarisch zu vermachen. Epitadeus brachte also den Antrag ein, um seinem persönlichen Groll Genüge zu tun; die anderen aber nahmen ihn aus Habsucht auf, machten ihn zum Gesetz und vernichteten so die vortrefflichste Ordnung."</em> (Plutarch, Agis).
Die Vorstellung, dass Boden ein käufliches und verkäufliches Gut sei, entwickelte sich bei den Römern rascher als bei den Griechen, weil alles Land in Italien über die Grenzen Roms hinaus von den Römern als gemeinsame Beute erobert wurde, und diese gemeinschaftliche Beute nicht anders an die römischen Bürger verteilt werden konnte.
<em>„Vom Standpunkt einer höheren ökonomischen Gesellschaftsformation wird das Privateigentum einzelner Individuen am Erdball ganz so unmöglich erscheinen wie das Privateigentum eines Menschen an einem anderen Menschen. Selbst eine ganze Gesellschaft, eine Nation, ja alle gleichzeitigen Gesellschaften zusammengenommen, sind nicht Eigentümer der Erde. Sie sind nur ihre Besitzer, ihre Nutznießer, und haben sie als gute Familienväter den nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen.“</em> Karl Marx, Kapital III, MEW 25, 784.
Text von Wal Buchenberg, Illustrationen von frosch.
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<strong>Weiterführender Text:</strong> Karl Marx, Epochen ökonomischer Gesellschaftsformation
<strong>Frühere Folgen:</strong><br/>
<a href=http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/369466.htm>03 Eine Gesellschaft ohne Sklaverei</a><br/><br/>
<a href=http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/369331.htm>02 Natürliche Grundlagen in Griechenland</a><br/><br/>
<a href=http://f17.parsimony.net/forum30434/messages/369131.htm>01 Überblick - Entwicklung der Warengesellschaft im alten Griechenland</a><br/><br/>
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