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Menuhin: Warum ich verfolgt werde
Sogar zum Mord wird aufgerufen
Die Meldung, dass Gerard Menuhin aufgrund „rechter Ansichten“ seines Amtes als Vorstandsvorsitzender der Yehudi Menuhin Stiftung Deutschland enthoben wurde, hat weltweit für Aufsehen gesorgt. „Daily Telegraph“ und „Washington Post“ griffen den Fall ebenso auf wie „Süddeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Allgemeine“. Die Stiftung - 1998 von dem weltberühmten Geiger Yehudi Menuhin gegründet - begründet ihren Schritt damit, „dass unser Vorstandsvorsitzender Gerard Menuhin, Sohn unseres Stiftungsgründers Yehudi Menuhin, regelmäßig in der National-Zeitung eine Kolumne verfasst“. Was sagt Gerard Menuhin zu den Vorwürfen? Die National-Zeitung hat ihn befragt. Im Anschluss an das Interview finden Sie seine neueste Kolumne"Menuhin und wie er die Welt sieht".
„Parallelen zum Fall Hohmann“
National-Zeitung: Herr Menuhin, wie beurteilen Sie das Vorgehen der Yehudi Menuhin Stiftung gegen Sie?
Menuhin: Ich sehe Parallelen zum Fall Hohmann. Wenn ein Mensch nach reiflicher Überlegung zu einem Standpunkt gekommen ist und ihn äußert, dann hat er seine Gründe dafür. Besonders, wenn es ein umstrittener Standpunkt ist. Meine Gegner haben sich jedoch nicht einmal die Mühe gegeben, meine Äußerungen einer Kritik zu unterziehen. Sie haben zwei, drei Sätze daraus zitiert, die eigentlich nicht besonders auffällig sind. Kein Hahn würde danach krähen, wenn ich in einer linken Zeitung, sei es die „taz“ oder das „Neue Deutschland“, veröffentlicht hätte. Ich hätte dann natürlich die üblichen Plattheiten von mir geben müssen. Das Problem ist, dass ich in einer Zeitung veröffentlicht habe, die rechts von CDU und CSU eingeordnet wird - ein Bereich, der in Deutschland mit allen Mitteln unterdrückt werden soll.
National-Zeitung: Was hat Sie denn dazu bewogen, die National-Zeitung zum Forum zu nehmen?
Menuhin: Erstens kannte ich die National-Zeitung aus der Ära meines geliebten Großvaters. Er war ein sehr warmherziger Mensch, hatte feste Überzeugungen und hat mich nicht unwesentlich geprägt. Wobei die Welt zu der Zeit, als er in der National-Zeitung schrieb, ein weniger schlimmes Bild bot als heute.
Zweitens habe ich keine „ideologische Haltung“, sondern vertrete, ganz im Stil meines Vaters, praktische Lösungen. Die praktischen Lösungen im Falle Deutschlands entsprechen am ehesten den Vorstellungen der gemäßigten, verfassungstreuen Rechten.
Es gibt allerlei „rechte“ Strömungen in Deutschland, aber bei der National-Zeitung konnte ich mich davon überzeugen, dass sie verfassungstreu ist und dass sie nichts Illegitimes, sondern einfach eine andere Politik fordert, die ich für vernünftig halte.
„Man wartete darauf, dass ich einen Fehler mache“
National-Zeitung: Die Meldungen über Sie haben bei vielen Menschen Interesse an der Frage geweckt: Wie tickt eigentlich dieser Gerard Menuhin?
Menuhin: Keine Sorge, ich bin nicht „schizophren“, wie die „Stuttgarter Nachrichten“ meinen. Ich habe einfach nichts übrig für oberflächliches Denken, Denken ohne zu analysieren. Es macht mich unruhig, dass viele, gerade auch einflussreiche Menschen sich anscheinend weder die Zeit nehmen noch die Mühe geben, den Dingen auf den Grund zu gehen.
National-Zeitung: Haben die Medien auch nach Ihrer Meinung zum Vorgehen der Yehudi Menuhin Stiftung gefragt?
Menuhin: Ja, aber ich hatte den Eindruck, die betreffenden Journalisten waren mit meinen Antworten nicht zufrieden. Man hat meine Stellungnahmen weitgehend unterschlagen, weil sie nichts Kompromittierendes beinhalteten. Man wartete offenbar darauf, dass ich einen Fehler mache. Ich bin beispielsweise am Ende eines halbstündigen Gesprächs von einer Berliner Reporterin gefragt worden, ob ich die Zahl der im Zweiten Weltkrieg ermordeten Juden bestreite. Wie kommt die Dame dazu? Ich bin kein Revisionist, ich befasse mich mit Gegenwart und Zukunft und habe nie zu historischen Themen Stellung genommen. Wir leben jetzt, 2005, wir müssen versuchen, die Zukunft zu verbessern, auch die Zukunft unserer Kinder.
Es lohnt sich nicht, ständig über die Vergangenheit zu sprechen. Was vor 60 Jahren Furchtbares geschehen ist, ist geschehen. Wir dürfen so etwas nicht mehr zulassen. Aber wir müssen weiterkommen, weiterdenken. Das gilt übrigens für alle Beteiligten! Denn auch wenn man es nicht sagen darf: Einige mächtige jüdische Organisationen wie zum Beispiel die Anti-Defamation league sind geradezu darauf angewiesen, das Gespenst des Antisemitismus am Leben zu halten. Sie schreien ständig „Alarm!“ Aber in England macht man sich lustig über die Iren - sie seien faul, tränken und sprächen zu viel. In den USA witzelt man über Polen. Die Franzosen - und erst recht die Pariser - mokieren sich mehr oder weniger über alle. Gerade weil solche Regungen menschlich sind, sollten sie nicht durch eine absurde politische Korrektheit unterdrückt werden.
„Mein Vater wird für die multikulturelle Agenda missbraucht“
National-Zeitung: Die Yehudi Menuhin Stiftung hat den Vorwurf „ausländerfeindlicher Haltung“ gegen Sie erhoben.
Menuhin: Das war der Geschäftsführer der Stiftung, Herr Kneip. Dabei hat er, bei allem Respekt, den man einem Herrn Kneip schuldet, nichts mit meinem Vater gemein. Übrigens ist er deutscher Staatsangehöriger, ich bin Jude und Ausländer. Wer hat also hier eine ausländerfeindliche Attacke geritten? Das bin doch nicht ich!
Der Geschäftsführer hat natürlich ein ganz klares Interesse, auch für seine Stellung. Er möchte nicht, dass der Stiftung der Geldhahn zugedreht wird. Ansonsten plappert er die üblichen Worte. Zwischentöne scheint es nicht zu geben.
Und da komme ich auf meinen Vater. Er war nicht nur ein begnadeter Geiger und Humanist, sondern auch ein bedeutender Denker des zwanzigsten Jahrhunderts. Ich habe mit ihm viele Gedanken geteilt. Vieles, das möglicherweise weit über den Horizont der Angestellten der von ihm gegründeten Stiftung hinausreicht. Diese Leute haben meinen Vater missverstanden. Modebegriffe wie „Multikultur“ waren ihm - und sind mir - völlig fremd. Ihn interessierten nur Tatsachen - zum Beispiel, die Tatsache, dass Musik und Bewegung Kindern im Alltag helfen. Er wollte, dass alle Kulturen, auch Minderheiten, zu Wort kämen und sich verstehen könnten, aber nicht, dass sie in einem großen Topf verschwinden sollen. Diverse Kulturen auf ihren eigenen Gebieten zu respektieren hat nichts mit albernen Theorien zu tun, in denen sich die Vertreter der Stiftung anscheinend zuhause fühlen. Übrigens hätte ein „Parlament der Kulturen“, wie es meinem Vater vorschwebte, auch Vertreter der Fische und der Bäume umfasst. Mein Vater wird zu Unrecht als Kronzeuge für die multikulturelle Agenda benutzt.
„Bringt Menuhin zum Schweigen!“
National-Zeitung: Haben Sie Reaktionen der Ã-ffentlichkeit erhalten?
Menuhin: Es gab Leserbriefe, Internetbeiträge und auch viele Zuschriften an mich. Die Palette reicht von Dank und Unterstützung bis hin zur Forderung: „Bringt den Verräter Menuhin zum Schweigen! Und Finkelstein gleich mit.“ Diesen Aufruf hat ein sich nach Joseph Trumpeldor (zionistischer Siedlungspionier, 1880-1920; Anm. d. Red.) benennender Schreiber im Internet platziert.
National-Zeitung: Mit welchen Gefühlen sehen Sie auf Gerhard Schröders Amtszeit zurück und mit welchen der Amtszeit Angela Merkels entgegen?
Menuhin: Ich glaube, Deutschland hat Glück gehabt, dass die SPD fast so gut - oder auch schlecht - abgeschnitten hat wie CDU und CSU. Das heißt nicht, dass ich ein Unterstützer von Herrn Schröder war, aber was seine Außenpolitik und insbesondere was den Irak betrifft, müssen wir ihm dankbar sein. Das gilt natürlich nicht für seinen unvernünftigen Kurs in der Frage der EU-Aufnahme der Türkei. Bei Frau Merkel hängt vieles davon ab, ob der neue Außenminister Steinmeier in der Lage ist, die Schröder’sche Politik im Verhältnis zu Frankreich und Russland fortzusetzen. Ansonsten verspreche ich mir von der neuen Regierung wenig. Die Mehrwertsteuererhöhung ist ein komplett falsches Signal und wird die Arbeitslosigkeit sicher nicht zurückdrängen. Hier müsste man den Mut zu größeren Lösungen haben. Ein wichtiger Ansatz wäre, bei völlig unnötigen Ausgaben zu sparen. Man könnte bei den Politikergehältern anfangen. Oder bei den zwei neuen U-Booten, die die israelische Marine jetzt aus Deutschland erhält, wobei Berlin ein Drittel der Kosten von einer Milliarde Euro trägt. Die Steuerzahler haben ein Recht darauf, dass ihr Geld für ihre Belange eingesetzt wird.
„Meine Kolumne in der National-Zeitung erscheint weiter“
National-Zeitung: Wird Ihre Kolumne weiter in der National-Zeitung erscheinen?
Menuhin: Ja, selbstverständlich.
National-Zeitung: Was macht Gerard Menuhin in seiner Freizeit, wenn er nicht über Politik nachdenkt?
Menuhin: Ist das eine Variante der Frage nach Lieblingsfilm, Lieblingsbuch und Lieblingsmaler?
National-Zeitung: Warum nicht!
Menuhin: Also gut. Zu meinen liebsten Filmen zählen die Komödie „As Good As It Gets“ mit Jack Nicholson und die Fernsehserie „Heimat“. Ein Buch, das ich sehr schätze, ist „South Wind“ von Norman Douglas. Zu meinen bevorzugten Malern gehören Fernand Léger und Gino Severini.
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Menuhin und wie er die Welt sieht
Grüezi mitenand
Grüezi. Heute begrüßt Sie ganz bescheiden aus der Schweiz der „Alibi-Jude“ und „politisch naive Depp“ der National-Zeitung. Ich bereue von Herzen, was ich geschrieben habe, auch die Angaben über mich, da ich mich offenbar selbst nicht kenne. Denn in den letzten Tagen habe ich aus den Medien vieles über mich erfahren müssen, was mir bis dato unbekannt war. Ich sei schizophren, ein jüdischer Selbsthasser. Andererseits sei ich nur einer, „der sich als Jude bezeichnet“.
Was ist wahr an diesen wilden Behauptungen? Zunächst: Ich bin kein Chamäleon, sondern - tut mir leid, meine Damen und Herren von der dpa - Jude. Ich bezeichne mich nicht nur so. Und was ist an meiner Stellung so schwierig zu verstehen? Die Zahl der Juden nimmt zu, die sich schämen, mit jenen Zionisten in Verbindung gebracht zu werden, welche durch ihre Intrigen in Israel und anderswo Terrorismus förmlich züchten. In meiner Kindheit (als ich aus Gründen, die vielleicht sogar manch wichtigen Meinungsmachern verständlich wären, tatsächlich naiv war) und bis in die frühen siebziger Jahre konnten sich nur gebildete Personen in den Medien äußern. Es gab mehr Qualitätszeitungen, die diesen Namen verdienen - und kein Internet, wo jeder Mensch, sei er auch geistig noch so benachteiligt, seine Ignoranz aller Welt nachweisen kann.
Je verrückter und voreingenommener die Meinungen, die über mich kursieren, desto breiter mein Grinsen. Ich bin ein Mensch, der gern lacht und leider oft zu ernst wird, weil er täglich entsetzliche Geschehnisse beobachten muss, die von uns gewählte Politiker zu verantworten haben und die von den erwähnten Meinungsmachern meist gut geheißen werden. Deshalb ist mir auch mancher unfreiwillige Witz willkommen!
Aber Spaß beiseite. Schämen Sie sich nicht ein bisschen, meine Damen und Herren Journalisten, die es betrifft, Bezeichnungen wie rassistisch, ausländerfeindlich (ja in einem Blatt hieß es sogar „neonazistisch“) über mich zu kolportieren? Steht Ihnen kein gemässigtes, zutreffendes Vokabular zur Verfügung? Wenn Sie ständig mit solchen Wörtern herumwerfen, werden sie irgendwann zu kraftlosen Klischees. Wenn Sie einen solchen Ausdruck eventuell einmal wirklich gebrauchen müssten, wird er längst seine Bedeutung verloren haben. Ist das nicht schade?
Ich tauge nicht zum Schullehrer, aber ich erwarte, dass Folgendes auch dem letzten Meinungsbildner einleuchtet: Ein Rassist ist einer, der andere Rassen verachtet. Nur weil ich in Übereinstimmung mit wahrscheinlich 80 Prozent der Europäer den Politikern davon abrate, die Türkei in die EU aufzunehmen, bin ich kein Rassist. Ähnlich verhält es sich mit der Diffamierung als „Ausländerfeind“. Wer so viel gereist ist und in so vielen verschiedenen Ländern gewohnt und gearbeitet hat wie ich, zudem Jude ist und Bürger dreier Staaten, kann kaum ausländerfeindlich sein. Ich unterstütze gleichwohl nicht die unbegrenzte Einwanderung, sei es nach Deutschland oder anderswo. Und was heißt „Neonazi“? Ein neuer Nazi? Ich und auch der Herausgeber der National-Zeitung mögen manches wollen, aber ganz sicher keinen Nazistaat. Ein solches Verhängnis genügte. Nein, danke!
Selbstverständlich sind diese meine Meinungen zu normal und vernünftig. Ein bisschen flau, was? Die schlagen keine Wellen, nicht wahr?
Das Lachen vergeht mir, wenn ich daran denke, es könnte ja Einfaltspinsel geben, die die Diffamierungen glauben. Also habe ich mich erkundigt, ob ich die Verbreiter solchen Unfugs oder ihre Publikationen wegen Verleumdung verklagen könnte. In England könnte ich das nämlich. Aber nicht in Deutschland - „wegen der Meinungsfreiheit“, wie mir ein Presserechtler versicherte.
Das hat mich dann doch verwundert, weil ich bisher den Eindruck hatte, dass die Meinungsfreiheit in England höher gehalten wird als in Deutschland. In England gibt es beispielsweise keinen Gummiparagraphen wie die deutsche Strafbestimmung gegen „Volkverhetzung“. Das paradoxe Ergebnis ist, dass man einen Juden in Deutschland sehr wohl diffamieren darf - wenn er nicht die politisch korrekte Meinung hat.
Liebe Leser, Ihr Land ist nicht mehr getrennt in Ost und West, sondern in medial Mächtige und Ohnmächtige, Meinungsmacher und Stimmlose. Leider sind die Mächtigen nicht die Besten.
Gerard Menuhin
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