weissgarnix
03.10.2007, 17:40 |
Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? Thread gesperrt |
-->Hi,
nachdem ich kürzlich hier mal aus Issings"Einführung in die Geldtheorie" zitierte und dabei bemerkte, dass meine Ausgabe schon ein wenig älteres Baujahr war, legte ich mir neulich die letzte"wesentlich überarbeitete" Auflage aus Juli 2006 zu.
Und was lesen meine blutunterlaufenen Augen, gleich auf der allerersten Seite????
Ich zitiere:
"(1) Historisch gesehen dürfte der Ursprung des Geldes in der Verwendung als Rangzeichen und Schmuck sowie für sakrale Zwecke zu suchen sein. Als widerlegt kann damit die lange vorherrschende Konventionstheorie des Geldes angesehen werden, nach der die Menschen aus Gründen der Zweckmäßigkeit, d.h. zur Erleichterung des Wirtschaftsverkehrs ein allgemeines Tauschmittel"vereinbart" haben."
Mensch dottore,
die Tauschtheorie ist tot! Bescheinigt vom europäischen Ober-Geldguru. Wie lange werden sie jetzt wohl noch brauchen, um auf die Abgaben zu kommen und schlußendlich auf deine Machttheorie???
Beeil dich mal also ein bisschen mit deinem Buch, und lass schon mal die Maße für den Frack nehmen... wie ist dein Schwedisch?
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aprilzi
03.10.2007, 19:27
@ weissgarnix
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Re: Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? |
-->Hi
Den Nobelpreis fuer dottore ist fruehestens nach dem globalem Crash
moeglich, davor glaube ich nicht. Das System wird soviel Einblicke
nicht gestatten wollen.
Gruss
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McShorty
03.10.2007, 20:29
@ weissgarnix
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Re: Rang + Schmuck? Finde Tauschtheorie besser... - mT |
-->Hallo weissgarnix,
Danke für die Issing-Erhellung. Aber:
>Ich zitiere:
>"(1) Historisch gesehen dürfte der Ursprung des Geldes in der Verwendung als Rangzeichen und Schmuck sowie für sakrale Zwecke zu suchen sein.
Mal ganz ehrlich, für mich als Geldtheorielaie klingt die Tauschtheorie aber x-mal besser als die Issingsche Rangzeichen- und Schmucktheorie! Ist der jetzt total gaga oder habe ich was verpasst? Dass ein paar nordamerik. Indianerstämme (sollte man heute besser Native´s sagen?) sich durch"Schenkfeste" in wirtschaftliche Zugzwänge brachten, habe ich ja schon gehört. Wo aber bitte Geld als Rang- oder Schmuckzeichen?
Die Löcher (und das Um-den-Hals-tragen) in den nordischen Münzen hatten wohl eher praktischen Nutzwert.
Mal sehen was die BuBa´s Heini´s zukünftig noch so ausdünsten.
Gruß
McShorty
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weissgarnix
03.10.2007, 21:16
@ aprilzi
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Re: Herkunft des Geldes bei Issing... doch Nobelpreis für dottore? |
-->>Hi
>Den Nobelpreis fuer dottore ist fruehestens nach dem globalem Crash
>moeglich, davor glaube ich nicht.
vielleicht, nur wird er dann blöderweise nix mehr wert sein...
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Zandow
03.10.2007, 22:09
@ weissgarnix
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Über die Schwierigkeiten, ein Buch zu schreiben |
-->Hi weissgarnix,
erstmal meine große Verbeugung vor Deinen postings hier im Forum. Bin begeisterter Mittleser.
>"(1) Historisch gesehen dürfte der Ursprung des Geldes in der Verwendung als > Rangzeichen und Schmuck sowie für sakrale Zwecke zu suchen sein. Als > widerlegt kann damit die lange vorherrschende > Konventionstheorie des Geldes angesehen werden, nach der die Menschen > aus Gründen der Zweckmäßigkeit, d.h. zur Erleichterung des > Wirtschaftsverkehrs ein allgemeines Tauschmittel"vereinbart" haben."
Mit den Rangzeichen und dem Schmuck ist die Sache nicht so einfach.
Beispiel:
2004 oder 2005 (bin jetzt zu faul, um nachzusehen) konnten wir in Speyer die bisher bekannten Goldhüte in einer Ausstellung bewundern. Diese Ausstellung zeigte auch einige der Bronzespiralen, die als Schmuck interpretiert werden. Gleichzeitig zu sehen waren jedoch bronzene normierte (!) Gewichte (60,65 Gramm und 7,45 Gramm, vorderasiatisches Maß!).
Meine Interpretation:
Bronze war Abgabengut. Die Sprialen zeigten Reichtum (heute:"Mein Haus, mein Auto, mein Boot".... Ferrari, Weltreise usw.); und damit schmückte man sich. Von diesen Spiralen wurde die Abgabenmenge abgebrochen und mit den Gewichten aufgewogen.
>Mensch dottore,
>die Tauschtheorie ist tot! Bescheinigt vom europäischen Ober-Geldguru. Wie lange werden sie jetzt wohl noch brauchen, um auf die Abgaben zu kommen und schlußendlich auf deine Machttheorie???
Ansätze gibt es bereits.
Doch:
Wer mag schon einen Wissenschaftler bezahlten (ob staatlich oder privat), der nur Negatives zu berichten hat? (Heinsohn als Ausnahme bestätigt die Regel!)
> Beeil dich mal also ein bisschen mit deinem Buch, und lass schon mal die Maße > für den Frack nehmen... wie ist dein Schwedisch?
Dottore kann ein Buch innert einer Woche schreiben. Als lebendiges Lexikon hat er damit sicherlich kein Problem. Nachteil bei dottore allerdings: Sein etwas schnodriger Stil stößt in Fachkreisen nicht auf Anerkennung. Dottore müßte seine Betrachtungen (eine Theoriebildung lehnt er ja selbst ab; leider!) in ein wissenschaftliches Werk gießen.
Dieses Werk müßte mit den Axiomen der Nationaloekonomie beginnen. Diese sind z.B.: Wertlehre, Geldlehre, Tauschtheorie, Knappheit, unendliche Bedürfnisse, Seßhaftigkeit, Kapitaltheorie usw.
Nur zur Wertlehre erschlägt mich die Literatur. Alleine zur Geldlehre gibt es zwischen 1880 und 1920 über 2.000 (!) Publikationen in deutscher (!) Sprache (bin selbst immer noch am Sammeln). (Mein Lieblingsantiquar bot mir neulich eine EA Schliemann an; schade, schade schade: für den Freundschaftspreis von 800 Euro nehme ich stattdessen doch lieber oekonomische Literatur)
So, ein wissenschaftliches Werk zu dottores Sicht würde locker 1.500 bis 2.000 Seiten umfassen.
Denn:
Dottores Sicht ist eine HISTORISCHE!!!!!
Schau' Dir mal den Untergang der Historischen Schule um 1920/1930 an. Dann kannst Du ermessen, vor welchen Problemen dottore mit einem Gesamtwerk stehen würde.
Und:
Einige Axiome sind historisch nicht herleitbar!!!!!
Hier hilft nur die Theorie (also die Interpretation) weiter!
Und ist somit angreifbar (ja, ja, ich kenne das Popper-Kriterium).
Versuch' Dich mal an der Wertlehre (ich mache dies seit Jahren). Dann wirst Du auch die Probleme erkennen. Den Methodenstreit gab's nicht umsonst (Schmoller vs. Menger; mit teils in Zeitschriften persönlich ausgetragenen sehr heftigen Beleidigungen).
Sosehr ich dottore Anerkennung wünsche, so weiß ich aber auch, welche gigantische Leistung hinter wissenschaftlicher Anerkennung (Anerkennung, nicht Erkenntnis!) steht. Bücher wie"Kapitalismus" oder"Krisenschaukel" sind zwar fachlich revolutionär, werden aber nie Eingang in die wissenschaftliche Diskussion finden. Das bedauere ich sehr.
Schau Dir mal die Rezensionen des Knapp (1905) an: Bis ca. 1925 kam da kein Oekonom d'ran vorbei. Danach Ruhe bis ca. 1990 (wenige Zitate in papers). Nur: Der Knapp hatte eine ganz anderen Stil, als dottore ihn pflegt.
Oder:
Nimm Dir mal den Heinsohn/Steiger ("Eigentum, Zins und Geld" und Nachfolgendes) zur Hand. Ein selbst für Laien gut lesbares Buch. Aus methodologischer Sicht ein Spitzenwerk. Ist es im Wissenschaftsbetrieb zur Kenntnis genommen worden? Nein. Und Heinsohn und Steiger sind anerkannte Profs.
Wie müßte denn nun ein Werk von dottore aussehen, damit es den Weg nach Schweden findet. Selbst für dottore (über eine unendliche Bibliothek und zielgenaue Sammlungen verfügend) schätze ich den zeitlichen Aufwand für ein solides wissenschaftliches Werk auf mindestens fünf Jahre.
Wenn ich dottore irgend etwas wünsche, dann ist es die Kraft zu einem solchen Werk.
Herzliche Grüße, <font color=#008000>Zandow</font>
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bernor
03.10.2007, 22:27
@ aprilzi
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Für"Demokratie = Militärdiktatur im Wartestand"? |
-->Hi,
>Den Nobelpreis fuer dottore ist fruehestens nach dem globalem Crash
>moeglich, davor glaube ich nicht
Auch danach sähe es eher mau aus: Dottore Theorie ist eben auch eine Staatstheorie - mit dem bekannten Problem ohne Lösung bzw."happy end" (für sowas gibt's schonmal gar keinen Preis).
Und der Staat an sich verschwindet so schnell nicht (wechselt vorher bestimmt noch ein paar Mal seine jeweilige Form).
Gruß bernor
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dottore
04.10.2007, 14:20
@ McShorty
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Re: Rang + Schmuck? Finde Tauschtheorie besser... - mT |
-->Hi McShorty,
es geht zunächst nicht um die Tauschtheorie des Geldes, sondern um die grundsätzlichere Frage menschlicher Interaktionen, welche die Hingabe und/bzw. Hergabe von Gegenständen und/oder Personen beinhalten und in welcher Art und Weise sich daraus"Geld" entwickelt haben könnte.
Dazu ist es unerlässlich, sich mit Stammesgesellschaften zu beschäftigen. Was wegfällt, falls man der Meinung ist, Staaten würden Stämmen historisch vorausgegangen sein und nicht umgekehrt.
Bei Stämmen unterscheiden wir:
- akephale und
- kephale Stämme (kephale = griech. Kopf, Haupt)
Bei beiden Arten bilden sich Interaktionen der Mitglieder untereinander aus (Reziprozitäten). Daraus entwickeln sich "Verpflichtungen" und bei Nichterfüllung dieser soziale Sanktionen (bis hin zur Ächtung bzw. zum Ausstoßen aus dem Stammesverband). Wer nun wen und vor allem womit verpflichten kann, ist ein weites Feld ethnologischer Forschung, auch der Geschenke- und Gabentheorien (Mauss u.v.a.m.). Zu Preisen, Märkten und demnach"Geld" - als etwas, das per definitionem Standard (= in sich gleich) haben muss - ist es dabei nicht gekommen, jedenfalls fehlen bisher entsprechende Belege.
Auch die Tit for Tat-Story (Rapoport, zuletzt: Axelrod, Evolution der Kooperation) als Teil der Spieltheorie fällt hierher (Gefangenendilemma). Dabei kann auch mit"Geld" gespielt werden, aber es entwickelt sich nicht daraus, sondern existiert dann eben bereits. So kommen wir also nicht wirklich weiter.
Bei kephalen Stämmen haben wir nun nicht nur den Chief, sondern logischerweise Hierarchien. Dass der Chief sich durch besondere Insignien (Rangzeichen, Schmuck) auszeichnen muss, versteht sich von selbst (bis heute noch"Krone").
Der Chief kann diese Insignien aus dem Stamm abfordern, wofür es viele Belege gibt. Diese Insignien werden weiter verfeinert, was aber - da den Rahmen der oben beschriebenen Reziprozität sprengend - nicht von jedermann gleich zu leisten ist, sondern von den"Könnern" (Begabung), die der Chief dann - auch räumlich! - an sich zieht. Für diese"königlichen Werkstätten" (Offizine aller Art) existieren inzwischen sehr gute Fundlagen, zuletzt ein Artikel in"Science" dazu (Mittelamerika).
Der Chief wird aber diese Insignien nicht"zirkulieren" lassen (ebenfalls ein Must für jede"Geld"-Form), was ihn ja de facto ent-machten würde. Er wird thesaurieren (man denke an die gigantischen Schatzkammern der assyrischen bzw. persischen Großkönige) oder - falls es sich um Dienste handelt - zu Großbauten u.ä. schreiten.
Der Chief kann sich durchaus auch mit anderen Chiefs mit Hilfe von Geschenken austauschen, sozusagen eine Reziprozität auf höchstem Niveau. Gilt nicht nur für die frühen Großreiche (von deren inzwischen vollzogenen Staatlichkeit jetzt abgesehen), sondern auch für die von Dir angesprochenen Kula-Ringe und Potlatch-Veranstaltungen, wobei zu beachten ist, dass sich da nicht Stämme selbst gegenseitig beglücken und zu übertreffen suchen, sondern deren Chiefs (mit Hilfe logischerweise ihrer Stämme).
Dazu sehr aufschlussreich: Reden, Exchange in Ancient Greece.
Zum Insignien- und Machtphänomen dazu ein Beitrag als Einleitung eines Sammelbandes, der den Raum Costa Rica / Kolumbien umspannt:
hier
Interessant dabei die Ablösung der Jade durch Gold und beim Gold u.a. die Tatsache, dass Gold-Kupfer-Legierungen höher geschätzt wurden als das reine Gold, was den Spaniern als besonders merkwürdig aufstieß (oro puro vs. bajo oro).
Beim"Geld" sind wir dabei im präkolumbischen Amerika noch immer nicht, wiewohl das Geld-"Material" en masse vorhanden war und dies nicht nur bei den Chiefs.
Also ist der Spur nachzugehen, wie es denn in der Alten Welt dazu kommen konnte. Diese Spur führt stracks nach Mesopotamien und dem hier schon lang und breit vorgestellten"Shekel-Standard", der sich über Kleinasien und Griechenland bis ins westliche Mittelmeer (Rom) und ganz Europa verbreitete (selbst die Kelten führten einen Shekel-Standard ein) - wenn auch mit den für alle Metall-Standards geltenden Gewichtsverschlechterung: Schon bei Kroisos und seinem ausgefeilten Münzsystem finden wir zunächst dan ca. 10-, dann ca. 8-Gramm-"Stater".
Danach wurde die von unterworfenen Völkern / Stämmen eingeforderte, termin- und sanktionsbewehrte Naturalabgabe in Parität zum Edelmetall Silber gebracht (180 Gerstenkörner = 1 Shekel, Gerstenkörner deshalb, weil sie am besten Gewicht in sich selbst halten).
Der Geniestreich der mesopotamischen Herrscher lag nun nicht in der Eroberung (nach Überschreiten der betreffenden Dunbar-Zahl im Erobererstamm - ohne dass dieser sich"teilen" konnte, sondern in toto loszog) und damit Externalisierung der Abgaben zum physischen Machterhalt. Sondern in der Wiederhergabe eines Teils der in Silber-Parität denominierten Abgabe, um sich damit Kämpfer aus Dritt-Stämmen einzukaufen (Söldner waren das meist"gehandelte" Gut dieser frühen Antike überhaupt!). Dies, um damit den Machterhalt in einem immer größeren Territorium ("Reich") und wachsender Bevölkerung (im"fruchtbaren Halbmond") zu sichern.
Die Söldner-Stämme (später Stadtstaaten, wie poleis usw.) bzw. deren Chiefs konnten nun ihrerseits thesaurieren (Fundlage für das spätere Europa exzellent; aber siehe schon die Cella der antiken Tempel als"Staatstresor") und/oder sich jene Güter beschaffen, welche die zur laufenden Abgabe Verpflichteten ihnen andienen mussten, um an das Metall zu kommen.
Damit ist die Zirkulation gelungen (zunächst einfacher Metall-, dann Münz-Standard).
Dass die Mainstream-Geldtheoretiker dies - selbst nach Abschied von der Tausch- und/oder Konventionstheorie - nicht akzeptieren werden/wollen, versteht sich von selbst. Wer führt schon gern seinen Gegenstand auf Gewalt, unbeschränkte Machtausübung und letztlich eingesetzten oder angedrohten Waffengebrauch und damit (in moderner Terminologie) auf Kriminalität bzw. Verbrechen zurück?
Die Sakraltheorie (Bernhard Laum), wonach man erst der"Gottheit", dann den Priestern, schließlich dem Staat ein"Opfer schulde", woraus sich dann das"Geld entwickelte", ging schon weit genug.
Gruß!
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