weissgarnix
05.10.2007, 11:53 |
Erstaunliches EZB-Statement gestern Thread gesperrt |
-->Hier der Link für alle, die es noch nicht gelesen haben:
http://www.bundesbank.de/download/ezb/pressenotizen/2007/20071004.pressekonferenz.pdf
Auf 7 Seiten immer und immer wieder von"Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität" die Rede, die Subprime- Repercussions an den Börsen gerade mal so am Rande erwähnt als"Unsicherheitsfaktoren, für deren Einschätzung noch mehr Daten analysiert werden müssen"... da ist also, zumindest dem Text nach, keinesfalls die Rede von"demnächst werden wir die Zinsen senken".
Chapeau! Ich hätte erwartet, dass die rhetorisch jetzt den großen U-Turn einleiten um einer demnächst kommenden Zinssenkung den Boden zu bereiten...
Oder das ist eine Vollverarsche, kann ja auch sein.
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fridolin
05.10.2007, 12:06
@ weissgarnix
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Re: Erstaunliches EZB-Statement gestern |
-->Auf 7 Seiten immer und immer wieder von"Aufwärtsrisiken für die Preisstabilität" die Rede, die Subprime- Repercussions an den Börsen gerade mal so am Rande erwähnt als"Unsicherheitsfaktoren, für deren Einschätzung noch mehr Daten analysiert werden müssen"... da ist also, zumindest dem Text nach, keinesfalls die Rede von"demnächst werden wir die Zinsen senken".
<font color=#0000FF>Ich frage mich vor allem eines: wenn die ganzen Besorgnisse um Preissteigerungen letztlich von Steigerungen der Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt (Rohöl, landwirtschaftliche Erzeugnisse, sonstige Rohstoffe) herrühren, was will dann die EZB mit irgendeiner Zinspolitik überhaupt erreichen?
Irgendwie erinnert das ganze an die klassische Stagflation in den 1970er/1980er Jahren (damals Ã-lpreisschock), wo die Kostensteigerungen ja auch externer Natur waren und nicht durch eine hohe Nachfrage angeheizt.
</font>
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Jermak Timofejewitsch
05.10.2007, 12:10
@ weissgarnix
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Re: doch, es gab zwei wichtige Punkte bei Trichets |
-->einmal hat er ausgelassen, dass der Zinssatz"still accomodative" sei; vor dem Kriselchen war das der Code für eine kommende Zinserhöhung.
und zweitens hat er auch im Hinblick auf den"starken Euro" gesagt, dass die EZB Währungsrelationen im Auge hat.
Ich interpretiere das als Scheitelpunkt im U des"U-Turn"
grüsse
jermak
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weissgarnix
05.10.2007, 12:21
@ Jermak Timofejewitsch
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Re: doch, es gab zwei wichtige Punkte bei Trichets |
-->>einmal hat er ausgelassen, dass der Zinssatz"still accomodative" sei; vor dem Kriselchen war das der Code für eine kommende Zinserhöhung.
ja, aber das wird mM nach gänzlich überbewertet. Der Tenor des Statements ging ganz eindeutig in eine andere Richtung. Wiewohl ich gerne zugebe, dass kurzfristig (sprich in den nächsten 6-12 Monaten) mit einer Zinserhöhung auch kaum gerechnet werden kann. Aber den"deutlich milderen" Ton, den etwa die FT heute da reinliest, kann ich beim besten Willen nicht festsstellen (und ich hatte das ja eigentlich prognostiziert).
>und zweitens hat er auch im Hinblick auf den"starken Euro" gesagt, dass die EZB Währungsrelationen im Auge hat.
Davon steht in dem Statement nix, und während der Pressekonferenz hat er alles mögliche politisch-korrekte gesagt. Er kann sich ja angesichts der"Bedenken" etwa der"EU Finanzminister" und ihres Ober-Jollies Juncker schlecht hinstellen und sagen"Jungs, seid mir nicht böse, aber der Euro geht mir am A... vorbei"
>Ich interpretiere das als Scheitelpunkt im U des"U-Turn"
Kann sein, der Scheitel ist aber dann im geometrischen Sinne eine Kurve, die sich schon sehr eindeutig einer Geraden annähert.
>grüsse
>jermak
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igelei
05.10.2007, 13:24
@ weissgarnix
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Schwer zu sagen. Offenbar kein U-Turn auf Zinssenkungen... mkT |
-->... die Frage wäre"Warum auch?" - Die Subprimekrise wird zweifellos Löcher in der einen oder anderen Bankbilanz hinterlassen, für den Privatkonsum im Euroraum ist sie aber irrelevant.
Und wenn in Deutschland an Stelle von 4 Hypotheken nur noch 3 durch"bessere" Prüfungen der Kreditwürdigkeit ausgereicht werden, interessiert das sicher auch keine Sau, soviel trägt der Sektor zum BIP nicht bei, zumal der Immomarkt durch die 19% Merkelsteuer ohnehin ein bissel schwächeln dürfte, zumindest auf der Umsatzseite.
Die Exportseite dürfte auch kaum betroffen sein, die Euroaufwertung geht (bzw. ging bislang) langsam voran, Probleme aufgrund des zu hohen Euros sind eigentlich nirgends zu sehen.
Bleibt nur noch die Importseite, steigt das Ã-l um 2% und der Euro auch, bleiben die Ã-lkosten nun einmal KONSTANT. Und das ist vermutlich nicht unerwünscht.
Von daher ist das EZB-Statement villeicht nicht unbedingt überraschend.
MfG
igelei
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weissgarnix
05.10.2007, 13:47
@ igelei
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Re: Schwer zu sagen. Offenbar kein U-Turn auf Zinssenkungen... mkT |
-->>... die Frage wäre"Warum auch?" -
weil die Zentralbanker auch nur Menschen sind, die im Grunde ihres Herzens geliebt werden wollen. Zumal sie voll verwoben mit dem politisch-monetären Establishment ihres Heimatlandes sind, welches aber nur dann prosperiert, wenn die Kurse nach oben gehen.
>Die Subprimekrise wird zweifellos Löcher in der einen oder anderen Bankbilanz hinterlassen, für den Privatkonsum im Euroraum ist sie aber irrelevant.
Dieser Satz ist andeutungsweise bereits ein Oxymoron, weil ein"Loch hin der Bankbilanz" für gewöhnlich gleichzusetzen ist mit einer restriktiven Kreditvergabe. Und natürlich hat die Auswirkungen auf den Privatkonsum. Da mag es länderspezifische Gewichtungen innerhalb der EU geben, aber in toto merkst du dass garantiert. Zumal - etwa in Deutschland - der Transmissionsmechanismus nicht unbedingt Bank->Privatkunde ist, sondern viel mehr Bank->mittelständischer Arbeitgeber->Privatkunde. Und dieser Mechanismus wirkt garantiert.
>Und wenn in Deutschland an Stelle von 4 Hypotheken nur noch 3 durch"bessere" Prüfungen der Kreditwürdigkeit ausgereicht werden, interessiert das sicher auch keine Sau, soviel trägt der Sektor zum BIP nicht bei, zumal der Immomarkt durch die 19% Merkelsteuer ohnehin ein bissel schwächeln dürfte, zumindest auf der Umsatzseite.
Er"schwächelt" nicht nur ein wenig, sondern er ist quasi schon wieder tot. Die jüngsten positiven Kommentare über dieses Segment dürften lediglich postmortale Nervenzuckungen entsprochen haben.
>Die Exportseite dürfte auch kaum betroffen sein, die Euroaufwertung geht (bzw. ging bislang) langsam voran, Probleme aufgrund des zu hohen Euros sind eigentlich nirgends zu sehen.
Das mag für den deutschen Maschinenbau gelten (wo ich dir vollumfänglich recht gebe), gilt aber nicht für italienische Pasta & Klamotten und französischen Wein und Käse. Zumal ein Großteil der EU-Leistungsbilanz aus aus FX-sensiblen Service-Komponenten wie Tourismus besteht, und dort merkt man das sehr wohl.
>Bleibt nur noch die Importseite, steigt das Ã-l um 2% und der Euro auch, bleiben die Ã-lkosten nun einmal KONSTANT. Und das ist vermutlich nicht unerwünscht.
Frage ist, ob das wirklich so bleibt. Die Saudis können auch rechnen...
>Von daher ist das EZB-Statement villeicht nicht unbedingt überraschend.
Doch. Mich überrascht es total, ich hätte wesentlich"softere" Töne erwartet, und zwar weniger aus all den rationalen Überlegungen von oben, sondern primär aufgrund meines Eingangsstatements: die EZB ist nicht"unabhängig", wer das glaubt ist völlig naiv. Eine kurze Analyse der Bios der diversen EZB-Gouverneure und die Sache muß jedermann der bei klarem Verstand ist und eine residuale Portion soziale Kompetenz aufweis, einleuchten. Die EZB-Gouverneure mögen kraft ihres Amtes sehr erhabene Leutchen sein, aber wie bitteschön sind sie dort hingekommen?
Mein Fazit daher: entweder sieht sie wirklich eine deutlich höhere Inflationsgefahr, als derzeit überall angenommen, oder sie zieht - ich sagte es vorhin bereits - die verbale Total-Verarsche durch. Letzteres glaube ich aber eigentlich nicht, denn dann würde jedwede kurzfristige Zinssenkung als"Panikreaktion" gedeutet werden, und die Märkte würden sich, wenn schon nicht in den Keller, dann zumindest ins Erdgeschoss (oder vielleicht sogar nur ins"Hochparterre", wie wir Ã-sis es kennen) verabschieden.
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igelei
05.10.2007, 14:32
@ weissgarnix
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Re: Schwer zu sagen:-)... mkT |
-->>>... die Frage wäre"Warum auch?" -
>weil die Zentralbanker auch nur Menschen sind, die im Grunde ihres Herzens geliebt werden wollen. Zumal sie voll verwoben mit dem politisch-monetären Establishment ihres Heimatlandes sind, welches aber nur dann prosperiert, wenn die Kurse nach oben gehen.
Naja, von daher kam die Sitzung ja einfach zufällig nur zu spät. Die Kurse stiegen ja schon wieder ;-)
>>Die Subprimekrise wird zweifellos Löcher in der einen oder anderen Bankbilanz hinterlassen, für den Privatkonsum im Euroraum ist sie aber irrelevant.
>Dieser Satz ist andeutungsweise bereits ein Oxymoron, weil ein"Loch hin der Bankbilanz" für gewöhnlich gleichzusetzen ist mit einer restriktiven Kreditvergabe.
Hmm, das gilt meinetwegen für die Gewährung einer Hypothek im Volumen von >100k€, aber sie werden nicht Ottonormalo den Dispo von 5000 auf 2500 Euro runtersetzen. Letzteres wäre relevant für den Konsum.
>Und natürlich hat die Auswirkungen auf den Privatkonsum. Da mag es länderspezifische Gewichtungen innerhalb der EU geben, aber in toto merkst du dass garantiert. Zumal - etwa in Deutschland - der Transmissionsmechanismus nicht unbedingt Bank->Privatkunde ist, sondern viel mehr Bank->mittelständischer Arbeitgeber->Privatkunde. Und dieser Mechanismus wirkt garantiert.
Hmm, ich glaube, für den deutschen Mittelstand gibt es weitaus größere Gefahren, als wenn die EZB den Zins noch ne Weile konstant lässt oder auch noch 25 BP draufhaut. Die Gefahr heißt DEUTSCHER STAAT, mitsamt Steuer- Wirtschafts- und Sozialpolitik. Dieser Gefahr trotzen die mittelständigen Arbeitgeber nun schon (zu meiner Überraschung) recht lange.
>>Und wenn in Deutschland an Stelle von 4 Hypotheken nur noch 3 durch"bessere" Prüfungen der Kreditwürdigkeit ausgereicht werden, interessiert das sicher auch keine Sau, soviel trägt der Sektor zum BIP nicht bei, zumal der Immomarkt durch die 19% Merkelsteuer ohnehin ein bissel schwächeln dürfte, zumindest auf der Umsatzseite.
>Er"schwächelt" nicht nur ein wenig, sondern er ist quasi schon wieder tot. Die jüngsten positiven Kommentare über dieses Segment dürften lediglich postmortale Nervenzuckungen entsprochen haben.
:-) sehe ich auch so, wollte aber nicht so pöhse formulieren. Anders gesagt, was bei NULL steht, kann nicht mehr weiter fallen...
>>Die Exportseite dürfte auch kaum betroffen sein, die Euroaufwertung geht (bzw. ging bislang) langsam voran, Probleme aufgrund des zu hohen Euros sind eigentlich nirgends zu sehen.
>Das mag für den deutschen Maschinenbau gelten (wo ich dir vollumfänglich recht gebe), gilt aber nicht für italienische Pasta & Klamotten und französischen Wein und Käse.
Sehr schwer zu sagen, vieles ist davon ja Export innerhalb des Euroraumes.
>>Bleibt nur noch die Importseite, steigt das Ã-l um 2% und der Euro auch, bleiben die Ã-lkosten nun einmal KONSTANT. Und das ist vermutlich nicht unerwünscht.
>Frage ist, ob das wirklich so bleibt. Die Saudis können auch rechnen...
Ich glaube, dass eines sicher ist: Exakt so wie es jetzt ist, wird es garantiert NICHT bleiben ;-)... nun gibt es genau 4 Möglichkeiten: (1) steigende Rohstoffe + steigender Euro; (2) steigende Rohstoffe + fallender Euro; (3) fallende Rohstoffe + steigender Euro und (4) fallende Rohstoffe + fallender Euro.
Richtig gefährlich wäre davon nur die Variante (2). Also war das Statement so, wie es war (obwohl sie weder die Rohstoffpreise, noch den Eurokurs beeinflussen können).
>Doch. Mich überrascht es total, ich hätte wesentlich"softere" Töne erwartet, und zwar weniger aus all den rationalen Überlegungen von oben, sondern primär aufgrund meines Eingangsstatements: die EZB ist nicht"unabhängig", wer das glaubt ist völlig naiv...
Sicher sind sie nicht unabhängig, trotzdem glaube ich, dass sie weniger abhängig sind als die FED von der ganzen Broker-Wallstreetmafia. Und die Abhängigkeiten sind ein wenig anders: Die FED-Politik macht die Wallstreetmafia, bei der EZB-Politik haben nur 2 Politiker mit reinzureden: HINZ und KUNZ ;-)...
>Mein Fazit daher: entweder sieht sie wirklich eine deutlich höhere Inflationsgefahr, als derzeit überall angenommen, oder sie zieht - ich sagte es vorhin bereits - die verbale Total-Verarsche durch. Letzteres glaube ich aber eigentlich nicht, denn dann würde jedwede kurzfristige Zinssenkung als"Panikreaktion" gedeutet werden, und die Märkte würden sich, wenn schon nicht in den Keller, dann zumindest ins Erdgeschoss (oder vielleicht sogar nur ins"Hochparterre", wie wir Ã-sis es kennen) verabschieden.
"Joa - so lang's wia net delojiert wärn..." Ich denke es IST deutlich höhere Inflagefahr, siehe Milchpreise, Bierpreise, Bahnpreise usw. zusätzlich zu den Rohstoffen. Und das war möglicherweise erst der Anfang, in den kommenden Monaten wird sich jeder noch so unsinnige Zweckverband oder öffentliche Nahverkehr auf die höheren Energiepreise berufen.
MfG
igelei
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