Tobias
12.02.2001, 14:00 |
Back home + begeistert / Habe 10 Nuggets von der Tagung mitgebracht. Thread gesperrt |
Liebe Boardler!
Das Wochenende hat mich umgehauen - 'We live to learn and we learned a lot on the weekend!' Vielen Dank an alle Referenten, die sich durch die Bank sehr viel Mühe gemacht haben und sich vorbildlich engagiert haben. Auch bei allen, die an der Organisation mitgewirkt haben, möchte ich mich herzlich bedanken - es war sehr gut organisiert. Danke.
Für die, die dabei waren, aber auch für die, die es leider nicht schaffen konnten, habe ich nun mal einige krasse Thesen/Aussagen, die für mich persönlich besonders bemerkenswert sind, (sinngemäß) zusammengefasst:
Dr. Paul C. Martin (dottore):
1. Eine Form der Staatsentschuldung ist der Gläubigermord.
2. Es ist eine historisch ungeklärte Frage, warum und seit wann Jesus uns in den Kirchen nackt ans Kreuz genagelt gezeigt wird (dieses Bild wird überall so tradiert) und nicht wie einst (die Zeit vor diesem Bruch) als gut gekleideter und zufriedener Mensch.
3. Ã-konomisch spricht für eine Zeitenwende:
- der umgekippte wealth effect (und dabei nicht nur das Konsumentenverhalten, sondern insb. eigene Aktien als Währung)
- die massiv deflatorische Wirkung des Internets (die Welt wird zum Marktplatz)
- die Unterbechung des 'Kreislaufs der Eliten' (es gibt viel zu wenig [auch durch die Staatskrake verschreckte] junge Gründer; eine echte Gründerwelle gibt es nicht)
- das Demographieproblem wird massiv unterschätzt (die Anzahl der Leistenden und Auspressbaren wird im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung permanent geringer)
- der Verrentungseffekt verstärkt sich (wachsende Anzahl derer, die von Zinsen aus Staatsanleihen leben und steigende Gesamtsumme dieser Anleihen)
- fehlende 'große' ökonomische Perspektive (was kommt nach Automobil, Computer und Internet?)
Dr. Robert Ivancic (Rumpelstilzchen):
4. Die Erinnerung bestimmt die Wahrnehmung.
5. In einem Internet-Forum gibt es keine Massenpsychologie, sondern nur Individualpsychologie.
6. Es gibt meta-kognitives Wissen. Das Erkennen mehrerer verschiedener Muster in Bezug auf einen semantischen Kontext führt zu kreativem Verhalten und Vorteilen im Wettbewerb.
Frank Marquardt (Frama):
7. Gute und auch sehr gute Analysen sind Baustein einer Handelsmethodik, führen aber allein nicht zum Handelserfolg. Zu einer erfolgreichen Handelsmethodik gehören viele weitere Bausteine.
Johann Saiger (alias?):
8. Der Goldpreis fällt mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von 80% auf max. 250$, bevor Mitte März 2001 die Hausse beginnt.
9.Typischerweise gibt es Tiefs im Goldpreis zu den Auslaufterminen der Optionsscheine, insb. Mitte März, Mitte Juni und Mitte September.
10. Goldbaissen beginnen typischerweise im Februar und enden im März (x Jahre später). Haussen hingegen starten oft im März/April.
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Noch nicht geklärt sind zwei große Themen:
1. Geld. Kann es einfach so von den Geschäftsbanken gemacht (geschöpft) werden? Und: Was ist denn nun eigentlich Geld (Definition!)?
2. Inflation und Deflation. Japan ist noch nicht in einer Deflation (Oldy), während bei uns und in Amerika schon längst die große Inflation begonnen hat (Saiger). Oder ist dem nicht so und wir bekommen erstmal eine schöne Deflation, bevor wir Hyperinflation und Edelmetallhausse sehen (dottore)?
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Voller Freude grüßt
Tobias
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SchlauFuchs
12.02.2001, 17:46
@ Tobias
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Re: Back home + begeistert - du bringst es auf den Punkt. oT (owT) |
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dottore
12.02.2001, 18:03
@ Tobias
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Re: Back home + begeistert / Habe 10 Nuggets von der Tagung mitgebracht. |
Hi Tobias,
vielleicht das in Kürze:
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>Noch nicht geklärt sind zwei große Themen:
>1. Geld. Kann es einfach so von den Geschäftsbanken gemacht (geschöpft) werden?
Geschäftsbanken heißen auch Kreditinstitute, daher ist ihr Geschäft nicht das Geld, sondern der Kredit. Geld entsteht immer, nachdem (!) es Kreditakte gegeben hat, es gibt niemals Geld"netto", sondern es ist (da aus Kreditakt entstanden) doppelt verbucht.
Der Streit geht letztlich darum, ob es eine Wirtschaft"als solche" gibt, die Produktion und Leistung anbietet und zu der dann Geld"als solches" tritt, das die"Tauschvorgänge" innerhalb der Wirtschaft erleichtert.
Oder wird gewirtschaftet, nachdem es Verschuldung gibt? Dann ist das Wirtschaften nicht"als solches" in der Welt, sondern es ist immer nur das Erfüllen von vorangegangenen Verschuldungsakten. Und um das allererste Wirtschaft zu erklären, braucht es (Hilfskrücke, die ich gefunden habe) eine Urschuld: Sobald ein Mensch erscheint, hat er eine Passivseite (Lebensaufenthalts- und -unterhaltskosten) und die muss permanent abgeabeitet werden, weil sie permanent neu erscheint bzw. sich verlängert (sog. Urschuld, vgl."Krisenschaukel").
Sind die üblichen Kontraktschulden in der Welt, also, was wir heute unter"weltweiter Verschuldung" o.ä. verstehen, erklärt sich alles natürlich ganz einfach: Es wird gewirtschaftet, weil man Kontrakte erfüllen, also leisten muss. Der Drive des Systems entsteht durch die permanente Angst von Unternehmern und Konsumenten vor Illiquidität bzw. Überschuldung. Bei Staatsverschuldung fehlt dieser Drive natürlich, da es keinerlei Erfüllungsdruck gibt, unter dem der Staat stehen könnte.
>Und: Was ist denn nun eigentlich Geld (Definition!)?
Sobald eine Kontraktschuld erscheint, muss sie nicht nur vom Rückzahlungsversprechen des Schuldners, sondern auch von einer Sicherheit eines Eigentümers unterlegt sein, damit der Gläubiger (jeweiliger Inhaber des Schuldtitels) nicht nur in den Schuldner, sondern auch in eine Sache vollstrecken kann. Sind diese Elemente gebeben (siehe Tontafel bei der Austellung, Nr. 2!) steht einem Gläubigerwechsel nichts mehr im Wege (wer"Geld" hat ist ja immer Gläubiger). Und dann sind diese Schuldtitel"Geld", weil sie von jedermann angenommen werden können - sofern jedermann die gleiche Risikoeinschätzung hat, wovon auszugehen ist. Dann"gilt" der Titel (= er wird"Geld" oder"gelt" wie es früher hieß).
Mit diesem Titel kann der Inhaber dann kaufen (was fälschlicherweise als"tauschen" interpretiert wird), bis der Titel wieder verschwindet, weil die ursprüngliche Schuld getilgt wurde (daher alles Geld bis heute nur vorübergehend unterwegs ist und im Fall, alle Schulden wären getilgt, Staatsschulden insbesondere, alles Geld wieder verschwindet). Dieser Titel ist"Geld". Klartext: Kreditgeld.
Da ich früher statt mit dem Titel (ex Kredit) auch mit Eigentum selbst (Edelmetall in gemünzter und daher in Gewicht und Feinheit garantierter Form!) meine Kontrakte erfüllen konnte (auch fälschlicherweise als"tauschen" bezeichnet), gab es jahrhundertlang auch Warengeld, ziemlich lange sogar beides nebeneinander, wobei wahlweise die Note oder die Sache genommen werden konnte (Gold selbst oder die"goldgedeckte" Banknote eben oder ein Wechsel oder ein Schuldschein oder sonst was in der Art).
Heute gibts nur noch Kreditgeld (also jede Banknote oder Giralbuchung lässt sich auf einen Kreditakt zurück führen). Dieses Kreditgeld schafft nicht (!!!) die Notenbank, sondern sie verwandelt nur gegen eine Monopolprämie (Rediskont usw.) bereits bestehende (!) Kreditkontrakte in das berühmte"gesetzliche Zahlungsmittel", das sie allein ausgeben darf. Merke: Notenbanken geben nie Kredit! (Es sei denn direkt an den Staat in den Zeiten der Hyperinflation, was diese ja dann ausmacht bzw. definiert).
Inflation ergibt sich, wenn die Kreditakte nicht per Leistung aus der Welt geschafft, sondern prolongiert oder hochgebucht werden. Deflation ergibt sich, sobald die Kredit fällig gestellt werden, aber die zusätzliche Netoneuverschuldung fehlt und damit immer mehr Debitoren unter Druck geraten und schließlich zwangsweise verkaufen müssen (Depression). Stabile Verhältnisse liegen vor, wenn Kredite nach Ablauf erfüllt werden. Nur dann ist dieses Kreditgeld auch ein"Wertaufbewahrungsmittel", das diesen Namen verdient, weil die Werte (alias das generelle Preisniveau nur marginal nach beiden Seiten um die Null-Linie pendelt).
>2. Inflation und Deflation. Japan ist noch nicht in einer Deflation (Oldy), während bei uns und in Amerika schon längst die große Inflation begonnen hat (Saiger). Oder ist dem nicht so und wir bekommen erstmal eine schöne Deflation, bevor wir Hyperinflation und Edelmetallhausse sehen (dottore)?
Ich bin der Meinung und das zeigen die Verbraucherpreise in Japan seit längerem, incl. Großraum Tokio, dass Japan in einer Deflation steckt, die sich jederzeit in eine Depression verwandeln kann, zumal die 16 Konjunkturprograme nix gebracht haben, daür aber jetzt in Höhe der Staatstitel, die ausgegeben wurden, zusätzlicher Verrentungseffekt eingetreten ist (die Zeichner der Titel warten jetzt auf die Zinsen, ohne was zu tun oder ohne sich dafür anstrengen zu müssen). Eine Inflation ist in Ansätzen da, aber eher das, was ich die praedeflationäre Inflation nenne und nicht etwa so etwas wie in den 70er Jahren.
Dazu wurde schon massenhaft gepostet und Du kannst vielleicht ein bisschen stöbern im Archiv.
Gruß
d.
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Tobias
12.02.2001, 20:41
@ dottore
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Re: Kristallklar + präzise - Der Nebel verzieht sich. Danke. (owT) |
>Hi Tobias,
>vielleicht das in Kürze:
>>----
>>Noch nicht geklärt sind zwei große Themen:
>>1. Geld. Kann es einfach so von den Geschäftsbanken gemacht (geschöpft) werden?
>Geschäftsbanken heißen auch Kreditinstitute, daher ist ihr Geschäft nicht das Geld, sondern der Kredit. Geld entsteht immer, nachdem (!) es Kreditakte gegeben hat, es gibt niemals Geld"netto", sondern es ist (da aus Kreditakt entstanden) doppelt verbucht.
>Der Streit geht letztlich darum, ob es eine Wirtschaft"als solche" gibt, die Produktion und Leistung anbietet und zu der dann Geld"als solches" tritt, das die"Tauschvorgänge" innerhalb der Wirtschaft erleichtert.
>Oder wird gewirtschaftet, nachdem es Verschuldung gibt? Dann ist das Wirtschaften nicht"als solches" in der Welt, sondern es ist immer nur das Erfüllen von vorangegangenen Verschuldungsakten. Und um das allererste Wirtschaft zu erklären, braucht es (Hilfskrücke, die ich gefunden habe) eine Urschuld: Sobald ein Mensch erscheint, hat er eine Passivseite (Lebensaufenthalts- und -unterhaltskosten) und die muss permanent abgeabeitet werden, weil sie permanent neu erscheint bzw. sich verlängert (sog. Urschuld, vgl."Krisenschaukel").
>Sind die üblichen Kontraktschulden in der Welt, also, was wir heute unter"weltweiter Verschuldung" o.ä. verstehen, erklärt sich alles natürlich ganz einfach: Es wird gewirtschaftet, weil man Kontrakte erfüllen, also leisten muss. Der Drive des Systems entsteht durch die permanente Angst von Unternehmern und Konsumenten vor Illiquidität bzw. Überschuldung. Bei Staatsverschuldung fehlt dieser Drive natürlich, da es keinerlei Erfüllungsdruck gibt, unter dem der Staat stehen könnte.
>>Und: Was ist denn nun eigentlich Geld (Definition!)?
>Sobald eine Kontraktschuld erscheint, muss sie nicht nur vom Rückzahlungsversprechen des Schuldners, sondern auch von einer Sicherheit eines Eigentümers unterlegt sein, damit der Gläubiger (jeweiliger Inhaber des Schuldtitels) nicht nur in den Schuldner, sondern auch in eine Sache vollstrecken kann. Sind diese Elemente gebeben (siehe Tontafel bei der Austellung, Nr. 2!) steht einem Gläubigerwechsel nichts mehr im Wege (wer"Geld" hat ist ja immer Gläubiger). Und dann sind diese Schuldtitel"Geld", weil sie von jedermann angenommen werden können - sofern jedermann die gleiche Risikoeinschätzung hat, wovon auszugehen ist. Dann"gilt" der Titel (= er wird"Geld" oder"gelt" wie es früher hieß).
>Mit diesem Titel kann der Inhaber dann kaufen (was fälschlicherweise als"tauschen" interpretiert wird), bis der Titel wieder verschwindet, weil die ursprüngliche Schuld getilgt wurde (daher alles Geld bis heute nur vorübergehend unterwegs ist und im Fall, alle Schulden wären getilgt, Staatsschulden insbesondere, alles Geld wieder verschwindet). Dieser Titel ist"Geld". Klartext: Kreditgeld.
>Da ich früher statt mit dem Titel (ex Kredit) auch mit Eigentum selbst (Edelmetall in gemünzter und daher in Gewicht und Feinheit garantierter Form!) meine Kontrakte erfüllen konnte (auch fälschlicherweise als"tauschen" bezeichnet), gab es jahrhundertlang auch Warengeld, ziemlich lange sogar beides nebeneinander, wobei wahlweise die Note oder die Sache genommen werden konnte (Gold selbst oder die"goldgedeckte" Banknote eben oder ein Wechsel oder ein Schuldschein oder sonst was in der Art).
>Heute gibts nur noch Kreditgeld (also jede Banknote oder Giralbuchung lässt sich auf einen Kreditakt zurück führen). Dieses Kreditgeld schafft nicht (!!!) die Notenbank, sondern sie verwandelt nur gegen eine Monopolprämie (Rediskont usw.) bereits bestehende (!) Kreditkontrakte in das berühmte"gesetzliche Zahlungsmittel", das sie allein ausgeben darf. Merke: Notenbanken geben nie Kredit! (Es sei denn direkt an den Staat in den Zeiten der Hyperinflation, was diese ja dann ausmacht bzw. definiert).
>Inflation ergibt sich, wenn die Kreditakte nicht per Leistung aus der Welt geschafft, sondern prolongiert oder hochgebucht werden. Deflation ergibt sich, sobald die Kredit fällig gestellt werden, aber die zusätzliche Netoneuverschuldung fehlt und damit immer mehr Debitoren unter Druck geraten und schließlich zwangsweise verkaufen müssen (Depression). Stabile Verhältnisse liegen vor, wenn Kredite nach Ablauf erfüllt werden. Nur dann ist dieses Kreditgeld auch ein"Wertaufbewahrungsmittel", das diesen Namen verdient, weil die Werte (alias das generelle Preisniveau nur marginal nach beiden Seiten um die Null-Linie pendelt).
>>2. Inflation und Deflation. Japan ist noch nicht in einer Deflation (Oldy), während bei uns und in Amerika schon längst die große Inflation begonnen hat (Saiger). Oder ist dem nicht so und wir bekommen erstmal eine schöne Deflation, bevor wir Hyperinflation und Edelmetallhausse sehen (dottore)?
>Ich bin der Meinung und das zeigen die Verbraucherpreise in Japan seit längerem, incl. Großraum Tokio, dass Japan in einer Deflation steckt, die sich jederzeit in eine Depression verwandeln kann, zumal die 16 Konjunkturprograme nix gebracht haben, daür aber jetzt in Höhe der Staatstitel, die ausgegeben wurden, zusätzlicher Verrentungseffekt eingetreten ist (die Zeichner der Titel warten jetzt auf die Zinsen, ohne was zu tun oder ohne sich dafür anstrengen zu müssen). Eine Inflation ist in Ansätzen da, aber eher das, was ich die praedeflationäre Inflation nenne und nicht etwa so etwas wie in den 70er Jahren.
>Dazu wurde schon massenhaft gepostet und Du kannst vielleicht ein bisschen stöbern im Archiv.
>Gruß
>d. >
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