Aldibroker
14.02.2001, 16:55 |
@dottore @alle hat Foellmer die wesentlichen Inhalte getroffen? Thread gesperrt |
Die Krisenschaukel (Paul C. Martin)
Staatsverschuldung macht arbeitslos
(Eine Buchbesprechung vom Harald P. Foellmer)
Seine These gefällt uns - die wir am Komplex"Arbeitslose, mehr Arbeitsplätze" arbeiten. Und es gelingt dem Autor, seine These überzeugend zu belegen."Die Ursache für die Arbeitslosigkeit ist die Staatsverschuldung!" sagt er. Wer's nicht glaubt, den will er beschenken. Wir meinen, er hat - teilweise - recht!
Wenn es auch nicht die einzige Ursache für Arbeitslosigkeit ist, so ist sie doch eine beachtliche. In" Arbeit für Millionen ermittelt der Autor Harald P. Foellmer 580.000 Arbeitsplätze direkt durch die Staatsverschuldung und zusätzlich 770.000 durch die aktuelle Vermögensverteilung - die wiederum durch die Staatsverschuldung begünstigt wird - also insgesamt mindestens 1,3 Mio. Arbeitsplätze. Und dies alles sehr vorsichtig gerechnet!
Die Staatsverschuldung müssen wir schnellstens beseitigen und gesetzlich verhindern, wenn wir mehr Arbeitsplätze wollen, so Paul C. Martin. Die vergangenen und die kommenden Wirtschaftskrisen wurden alle durch Verschuldung ausgelöst, der nächste Crash steht uns ins Haus wegen der gigantischen Schuldenberge weltweit!
Es gibt wenig Wirtschaftssachbücher aus dem deutschen Sprachraum, die so munter und unterhaltend, dabei immer allgemein verständlich, geschrieben sind. Denn die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler hat wahrlich nicht"Transparenz" auf ihre Fahnen geschrieben. Und sie kommt auch nicht so gut weg bei einigen beißenden Kommentaren zu ihrem Weltbild vom"wirtschaften". Denn wie anders ist es erklärbar, das wir dem Komplex"Arbeitslose" und den verschiedenen Wirtschaftskrisen immer noch so hilflos, ja fast ratlos, gegenüber stehen?
Der Autor, Paul C. Martin, Jahrgang 1939, ist Diplomvolkswirt, promovierter Historiker und Nationalökonom. Lehrreich und unterhaltend sind seine Exkursionen in die Geschichte zu dem Thema Geld und Zins, zu Verschuldungen und dem Wesen des Wirtschaftens. Wir können aus der Geschichte lernen! Mindestens gibt es für viele aktuellen Vorgänge bemerkenswerte historische Beispiele, besonders auch für Wirtschaftskrisen. Für die nächste Auflage wünschen wir uns vom Verlag einen Schlagwortindex! Auch ein Verzeichnis für empfohlene Literatur wäre gut für den Leser.
Die debitistische Theorie
gehört zu den Kernaussagen des Buches. Daraus leitet der Autor seine Deutungen von Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit ab. Nichts in der Wirtschaft existiert netto - es gibt immer die Gegenbuchung (...nur beim Staat nicht, er bucht immer noch kameralistisch!). Wo es Schulden gibt, dort sind auch Guthaben. Basis für das Schuldverhältnis in der Wirtschaft ist der Kontrakt. So entsteht die Pflicht zur"Kontrakterfüllung". Wirtschaft ist die Erfüllung von Schuldverhältnissen. Dies ist die wesentliche Triebfeder in unserem westlichen Wirtschaftssystem. Sie wurde erstmals 1996 formuliert von G. Heinson und Otto Steiger aus Bremen. Bisher dachten wir, der Eigennutz des Kapitalisten oder die freie Marktwirtschaft mit ihrer Arbeitsteilung bringt denSog, der unser kapitalistisches Wirtschaftssystem so dynamisch macht. Es ist aber der Druck der Kontrakterfüllung. Und das leuchtet ein.
Jeder von uns trägt eine" Urschuld" mit sich, die ständig abgetragen werden muß. Sie entsteht durch unser"Dasein"; wir müssen essen, trinken und wohnen und dafür arbeiten. Das macht etwa 75 Prozent aller Schulden aus. Der Abtrag der Urschuld geschieht zumeist durch ein Arbeitsverhältnis, also durch arbeiten. Die Urschuld ist eigentlich der Schlüssel zum Verständnis des ökonomischen Ablaufs. Neben der Urschuld gibt es noch die freiwillige Verschuldung, die zur Kontraktschuld führt. Wirtschaften ist immer die Erfüllung dieser Schuldverhältnisse. Damit werden die geltenden wirtschaftswissenschaftlichen Theorien gewaltig durchgeschüttelt. Aber damit lassen sich auch die früheren und möglicherweise auch kommende Krisen erklären.
Das Geld als Schuldschein wird neu definiert. Es setzt Eigentum voraus, das beleihbar ist. Eigentum, das nicht beliehen wird, betrachtet der Autor als"gebunkertes" Eigentum. Geldgibt es von den Notenbanken fast nur noch gegen Staatsanleihen. Fast alles Geld in unserem Wirtschaftskreislauf basiert schon auf Staatspapieren. Werden diese Schulden dereinst getilgt, gibt es auch kein Geld mehr! Was dann? Durch die Zinsen muss auch die Geldmenge ständig wachsen.
Kontraktschulden (etwa 25 % aller Schulden) sind zinsbewehrt. Mehr als ein Drittel aller Kontraktschulden sind inzwischen Staatsschulden. Rechnet man Rentenversprechen und Pensionsverpflichtungen dazu, die nicht durch arbeitende Einkommen gedeckt werden, sind es schon 75 Prozent. 1997 zahlte unser Staat etwa 170 Mrd. DM nur an Zinsen an die Inhaber der Staatspapiere, für sie"arbeitslose Einkommen". Zum Vergleich: Alle deutschen Aktiengesellschaften zusammen erwirtschafteten 1997 etwa 30 Milliarden DM an Dividenden.
So entsteht die debitistische Theorie: Die Wirtschaft ist eine endlose Kette von Kreditverhältnissen. Reißt dieser Kettenbrief, gehen die Gläubiger unter, die Wirtschaft wird kleiner, bis alles still steht.
Und jetzt der Staat mit seiner unverantwortlichen Verschuldung. Bemerkenswert und überzeugend ist die grafische Darstellung der Korrelation Staatsschulden - Arbeitslosigkeit. Verschuldung eines Kontraktschuldners ist gut, ja notwendig, weil der debitistische Druck dafür sorgt, die Schuld zu tilgen. Der Schuldner leistet etwas, indem er wirtschaftet. Aber der Staat leistet nichts zur Tilgung seiner Schuld, er belastet mit den Zinsen teilweise seine Bürger, den Rest bucht er immer nur um. Die Schuld wird ständig größer. Auf der Gläubigerseite entstehen immer mehr"arbeitslose Einkommen". Weder der Staat noch seine Gläubiger leisten etwas, wozu auch?
USA - das Zentrum der Finanzblasen - Gesamtschulden 300 Prozent des BIP. Riesige Außenwirtschaftsdefizite, die Guthaben dazu (in gut verzinsten Staatspapieren) liegen im Ausland, hauptsächlich in Japan. Wenn sie zurückfließen, dann gibt es ein Desaster.
Japan - der Finanzcrash 1997 konnte noch mal abgefangen werden; die laufenden Konjunkturprogramme erhöhen die Verschuldung und die Arbeitslosenrate dramatisch. Der nächste Crash ist vorprogrammiert!
Der IWF - er entlastet und beschützt die privaten Gläubiger (Banken, Fonds, Versicherungen), indem er die Schulden der Pleitestaaten teilweise übernimmt, umbucht. Die Schulden werden nicht zur Bereinigung aus der Welt geschafft.
Mexiko ist heute wesentlich höher verschuldet als vor der Krise, Rußlands ist bankrott, die Verschuldung wächst weiter. Die nächste Krise kommt bestimmt.
Die große Krise kommt! Die Schulden wachsen weltweit, demnächst werden die Sachwerte billiger (Gold, Immobilien, Rohstoffe), die Preise fallen, erst Deflation dann Depression. Die Zinsen der Anleihen fallen, ihr Kurs steigt, die Aktien gehen weiter hoch, bis die Blase platzt.
Was ist neu?
Die Unsitte"Staatsverschuldung" wird direkt mit dem Problem der Arbeitslosigkeit verbunden. Wachsende Staatsschulden ergeben"arbeitslose Einkommen" bei den Gläubigern. Schulden und Einkommen daraus müssen beseitigt werden, wenn wir wieder mehr Arbeitsplätze wollen. Es gibt mehrere mögliche Lösungen, um die Staatsschulden und die Guthaben daraus zu verkleinern:
Staatsbankrott - die Schulden des Staates werden entwertet und billigst zurückgekauft.
Zinsen für Staatsschulden an der Quelle besteuern (bis zu 100 Prozent), der Kurswert der Staatspapiere verfällt, sie können preiswert zurückgekauft werden.
Zwangsanleihe zur Entschuldung des Staates mit null Prozent Zinsen.
Enteignung von nicht beliehenem Eigentum und Verteilung an diejenigen, die es beleihen und damit, wirtschaften.
Staatseigentum an die Bürger verteilen, damit es beliehen werden kann.
Eigentum ist die Basis für Verschuldung. Nicht beliehenes Eigentum ist zu verteilen, damit es beliehen wird für Kontraktschulden, das bringt Arbeitsplätze! Alles Staatseigentum sollten wir an die Bürger verteilen, auch Autobahnen, Gefängnisse. Staatseigentum ist ein Relikt aus"Fürstlichen" Zeiten. Der Bürger kann es besser beleihen, um damit zu wirtschaften.
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dottore
14.02.2001, 17:20
@ Aldibroker
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Re: @dottore @alle hat Foellmer die wesentlichen Inhalte getroffen? Feinstens! |
Hi Aldibroker!
Dafür danke ich sehr, dass Du die Besprechung hier reingestellt hast.
Es ist alles genau getroffen, über minimale Details könnte man natürlich noch ein wenig diskutieren - aber die GROSSE LINIE (und auf die kommt's an) ist perfekt erwischt.
Sauber, sog' i...
Herzlichen Gruß
d.
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Aldibroker
14.02.2001, 18:24
@ dottore
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Re: @dottore Ergänzung |
was mir noch Kopfzerbrechen macht, ist die These, daß mich nur der Schuldendruck und nicht eine differenzierte Bedürfnisstruktur zum Wirtschaften bringen soll. Selbst wenn wir auf der Hypothese arbeiten, das die traditionelle VWL mit Ihren Bedürfnis- und Tauschtheorien falsch liegen, sollten wir uns frei von diesen Denkkategorien einmal mit Maslow + Debetismus beschäftigen.
Von den Psychologen Maslow lernen wir, das unser Handeln und Unterlassen viele Motive hat. Die materialistische Grundversorgungs(druck)variante als Fundament wird gleich gesehen. Es ergeben sich aber weitere Entwicklungsstufen, die mir im Debetismus noch fehlen:
Physiologische Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse sind biologisch und bestehen aus dem Bedarf an Sauerstoff, Nahrung, Wasser und eine relativ konstante Körpertemperatur. Diese Bedürfnisse sind die stärksten, da bei Nichterfüllung der Mensch sterben würde. Hier setzt sicherlich der wirtschaftliche Druck am Stärksten ein.
Sicherheitsbedürfnisse. Diese treten in Zeiten der Not oder Perioden der Desorganisation in der sozialen Struktur verstärkt hervor. Es handelt sich dabei um Bedürfnisse nach Sicherheit und Stabilität, Schutz, Strukturen, Grenzen, Freiheit vor Furcht, Angst und Chaos. Auch hier gibt es Gemeinsamkeiten, das ganze Jükü-Forum ist davon beseelt unter dem Druck der unausweichlichen Krise wirtschaftlich davon zu kommen, sich vorzubereiten... Sicherlich gibt es Wechselwirkungen, Kartenhäuser, Krisenschaukeln... die genau in diese Sicherheitslücke fallen und kollektiv Chaos und Sozialnot etc. verbreiten. Nur Ursache und Wirkung wird breit diskutiert. Mit der Erkenntnis und Verbreitung sind wir auch ein Stück Ursache, moralisch gerechtfertigt mit es würde sonst nur noch alles noch schlimmer?
Bedürfnisse nach Liebe, Zuwendung und Zugehörigkeit. Menschen haben das Bedürfnis, Liebe und Zuwendung zu geben und zu empfangen und sich zugehörig zu fühlen. Die Frustration dieser Bedürfnisse führt zu Einsamkeit, Isolation und Entfremdung. Na endlich mal etwas, was nicht käuflich ist. Mit dem letzten Treffen hat ein Teil des Forums diese Entwicklungsstufge erreicht.
Bedürfnisse nach Achtung. Menschen brauchen einen stabilen, fest gegründeten, hohen Level an Selbst-Respekt und Respekt von anderen, um sich zufrieden, selbstbewußt und wertvoll zu fühlen. Wenn diese Bedürfnisse verfehlt werden, fühlt sich die Person unterlegen, schwach, hilflos und wertlos. Unsere nächste Zielsetzung, sofern wir dort noch nicht angekommen sind. Kann das mit einer absoluten Wahrheit vereinbar sein? Debetismus ein Anstoß unter vielen?
Selbstverwirklichungs-Bedürfnisse. Maslow beschreibt Selbstverwirklichung als das Bedürfnis einer Person, das zu sein und zu tun, wozu sie geboren wurde. Es ist seine"Berufung"."Ein Musiker muß Musik machen, ein Künstler muß malen, und ein Schriftsteller muß schreiben." Wenn diese Bedürfnisse nicht eingelöst werden, fühlt sich die Person rastlos, angespannt, mit dem Gefühl, daß etwas fehlt. Niedere Bedürfnisse mögen ebenfalls ein rastloses Gefühl hervorrufen, aber hier ist es viel einfacher, den Grund zu finden.
Ist dies nicht das höchste Motiv des Handelns? Kann Wirtschaft nicht auch ohne Schuldendruck aus Selbstverwirklichung entstehen? Beruht ein Großteil unseres Wohlstandes nicht gerade auf diese Selbstverwirklichungsbedürfnisse, wir arbeiten kann schon sinn und Verwirklichung geben, wir geben aus, ist materialistischer Lustgewinn. Geht das immer zu Lasten anderer? Können nicht Gläubiger und Schuldner eine Selbstverwirklichungsgemeinschaft, Volkswirtschaft oder gar eine Weltwirtschaft sein, die nicht nur aus Nahrung, Wohnung... besteht? Sind diese Bedürfnisse nicht prozentual viel höher zu gewichten, als die Grundversorgung?
Gruß Aldi
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BossCube
14.02.2001, 18:43
@ Aldibroker
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Re: @dottore Ergänzung |
>was mir noch Kopfzerbrechen macht, ist die These, daß mich nur der Schuldendruck und nicht eine differenzierte Bedürfnisstruktur zum Wirtschaften bringen soll. Selbst wenn wir auf der Hypothese arbeiten, das die traditionelle VWL mit Ihren Bedürfnis- und Tauschtheorien falsch liegen, sollten wir uns frei von diesen Denkkategorien einmal mit Maslow + Debetismus beschäftigen.
>Von den Psychologen Maslow lernen wir, das unser Handeln und Unterlassen viele Motive hat. Die materialistische Grundversorgungs(druck)variante als Fundament wird gleich gesehen. Es ergeben sich aber weitere Entwicklungsstufen, die mir im Debetismus noch fehlen:
>Physiologische Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse sind biologisch und bestehen aus dem Bedarf an Sauerstoff, Nahrung, Wasser und eine relativ konstante Körpertemperatur. Diese Bedürfnisse sind die stärksten, da bei Nichterfüllung der Mensch sterben würde. Hier setzt sicherlich der wirtschaftliche Druck am Stärksten ein.
>Sicherheitsbedürfnisse. Diese treten in Zeiten der Not oder Perioden der Desorganisation in der sozialen Struktur verstärkt hervor. Es handelt sich dabei um Bedürfnisse nach Sicherheit und Stabilität, Schutz, Strukturen, Grenzen, Freiheit vor Furcht, Angst und Chaos. Auch hier gibt es Gemeinsamkeiten, das ganze Jükü-Forum ist davon beseelt unter dem Druck der unausweichlichen Krise wirtschaftlich davon zu kommen, sich vorzubereiten... Sicherlich gibt es Wechselwirkungen, Kartenhäuser, Krisenschaukeln... die genau in diese Sicherheitslücke fallen und kollektiv Chaos und Sozialnot etc. verbreiten. Nur Ursache und Wirkung wird breit diskutiert. Mit der Erkenntnis und Verbreitung sind wir auch ein Stück Ursache, moralisch gerechtfertigt mit es würde sonst nur noch alles noch schlimmer?
>Bedürfnisse nach Liebe, Zuwendung und Zugehörigkeit. Menschen haben das Bedürfnis, Liebe und Zuwendung zu geben und zu empfangen und sich zugehörig zu fühlen. Die Frustration dieser Bedürfnisse führt zu Einsamkeit, Isolation und Entfremdung. Na endlich mal etwas, was nicht käuflich ist. Mit dem letzten Treffen hat ein Teil des Forums diese Entwicklungsstufge erreicht. >
>Bedürfnisse nach Achtung. Menschen brauchen einen stabilen, fest gegründeten, hohen Level an Selbst-Respekt und Respekt von anderen, um sich zufrieden, selbstbewußt und wertvoll zu fühlen. Wenn diese Bedürfnisse verfehlt werden, fühlt sich die Person unterlegen, schwach, hilflos und wertlos. Unsere nächste Zielsetzung, sofern wir dort noch nicht angekommen sind. Kann das mit einer absoluten Wahrheit vereinbar sein? Debetismus ein Anstoß unter vielen? >
>Selbstverwirklichungs-Bedürfnisse. Maslow beschreibt Selbstverwirklichung als das Bedürfnis einer Person, das zu sein und zu tun, wozu sie geboren wurde. Es ist seine"Berufung"."Ein Musiker muß Musik machen, ein Künstler muß malen, und ein Schriftsteller muß schreiben." Wenn diese Bedürfnisse nicht eingelöst werden, fühlt sich die Person rastlos, angespannt, mit dem Gefühl, daß etwas fehlt. Niedere Bedürfnisse mögen ebenfalls ein rastloses Gefühl hervorrufen, aber hier ist es viel einfacher, den Grund zu finden.
>Ist dies nicht das höchste Motiv des Handelns? Kann Wirtschaft nicht auch ohne Schuldendruck aus Selbstverwirklichung entstehen? Beruht ein Großteil unseres Wohlstandes nicht gerade auf diese Selbstverwirklichungsbedürfnisse, wir arbeiten kann schon sinn und Verwirklichung geben, wir geben aus, ist materialistischer Lustgewinn. Geht das immer zu Lasten anderer? Können nicht Gläubiger und Schuldner eine Selbstverwirklichungsgemeinschaft, Volkswirtschaft oder gar eine Weltwirtschaft sein, die nicht nur aus Nahrung, Wohnung... besteht? Sind diese Bedürfnisse nicht prozentual viel höher zu gewichten, als die Grundversorgung?
>Gruß Aldi
Hallo Aldi,
die Basis der Maslowschen Pyramide sind ja die existenziellen Grundbedürfnisse, also die"Urschuld" im Sinne von Dottore. Erfülle ich diese nicht, kann ich die anderen gar nicht befriedigen, da ich untergehe. Für alles, was ich über meine"Urschuld" hinaus will, gehe ich mehr Kontraktschulden ein, um diese zu befriedigen. Ich finde nicht, daß sich das mit dem Debitismus irgendwo beißt.
Gruß
Jan
p.s. Ich find es übrigens klasse, daß wir uns so sachlich unterhalten können.
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dottore
14.02.2001, 19:35
@ Aldibroker
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Re: @dottore Ergänzung - Danke für die guten Fragen! Plus Freiwirte-Lob... |
Hi Aldi,
im wesentlichen sind die folgenden Einwände, die Du bringst, berechtigt. Es geht beim Debitismus nicht um eine Menschen- und Welterklärung als solche, sondern nur darum, einen nicht unwichtigen Teilbereich, nämlich das Wirtschaften (solo oder in Arbeitsteilung) vor allem (nicht ausschließlich, klaro) als Resultat des Existenzdrucks (Urschuld), Angst vor Illiquidität, usw. darzustellen.
>was mir noch Kopfzerbrechen macht, ist die These, daß mich nur der Schuldendruck und nicht eine differenzierte Bedürfnisstruktur zum Wirtschaften bringen soll.
Bei den"Bedürfnissen" arbeite ich mit der Arbeitshypothese, dass es Bedürfnisse, sofern sie nicht mit"Sauerstoff","Wasser" usw. zu umschreiben sind, sich immer auf konkrete (!) Dinge beziehen."Kleidung" heisst eben nicht nur Bekleidetsein, sondern zielt auf ein bestimmtes Kleidungsstück (Mantel usw.). Dies wiederum setzt ein bereits produziertes Kleidungsstück voraus, das in einer Form von Wirtschaft gefertigt sein muss. Niemand stellt einen Mantel, den er selbst nicht braucht, her, wenn er ihn nicht"verkaufen" will. D.h. das Bedürfnis"Mantel" bei einem anderen kann nur entstehen, wenn er einen Mantel sieht.
Denkt man das hin und her, kommt man schnell zum Punkt, dass Bedürfnisse (in dieser Definition) nicht Wirtschaften beginnen lassen, sondern bereits Wirtschaften voraussetzen. Also sind ökonomische Theorien, die klären wollen, warum gewirtschaftet wird, mit der Antwort"weil es Bedürfnisse gibt" in einem Zirkelschluss, da bereits gewirtschaftet werden musste, weil sich sonst Bedürfnisse nicht erklären lassen.
>Selbst wenn wir auf der Hypothese arbeiten, das die traditionelle VWL mit Ihren Bedürfnis- und Tauschtheorien falsch liegen, sollten wir uns frei von diesen Denkkategorien einmal mit Maslow + Debetismus beschäftigen.
>Von den Psychologen Maslow lernen wir, das unser Handeln und Unterlassen viele Motive hat. Die materialistische Grundversorgungs(druck)variante als Fundament wird gleich gesehen. Es ergeben sich aber weitere Entwicklungsstufen, die mir im Debetismus noch fehlen:
>Physiologische Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse sind biologisch und bestehen aus dem Bedarf an Sauerstoff, Nahrung, Wasser und eine relativ konstante Körpertemperatur. Diese Bedürfnisse sind die stärksten, da bei Nichterfüllung der Mensch sterben würde. Hier setzt sicherlich der wirtschaftliche Druck am Stärksten ein.
Das ist völlig richtig. Dieser Druck existiert"als solcher". In welcher Form der Druck dann abgearbeitet wird (allein oder arbeitsteilig, also mit Kontrakten und ergo Kontraktschulden) spielt keine Rolle. Er muss einfach abgearbeitet werden, sonst geht der Mensch unter.
>Sicherheitsbedürfnisse. Diese treten in Zeiten der Not oder Perioden der Desorganisation in der sozialen Struktur verstärkt hervor. Es handelt sich dabei um Bedürfnisse nach Sicherheit und Stabilität, Schutz, Strukturen, Grenzen, Freiheit vor Furcht, Angst und Chaos. Auch hier gibt es Gemeinsamkeiten, das ganze Jükü-Forum ist davon beseelt unter dem Druck der unausweichlichen Krise wirtschaftlich davon zu kommen, sich vorzubereiten...
Mein Bedürfnis nach Sicherheit, um dies als Beispiel zu nehmen, setzt das Bedürfnis nach"Besicherung" in die Welt, womit wir bei Waffen oder Soldaten wären - beides"Produkte" von dann bereits existierender Wirtschaft (Steinbeilproduktion) bzw. Arbeitsteilung (Soldat muss bezahlt werden).
>Sicherlich gibt es Wechselwirkungen, Kartenhäuser, Krisenschaukeln... die genau in diese Sicherheitslücke fallen und kollektiv Chaos und Sozialnot etc. verbreiten. Nur Ursache und Wirkung wird breit diskutiert. Mit der Erkenntnis und Verbreitung sind wir auch ein Stück Ursache, moralisch gerechtfertigt mit es würde sonst nur noch alles noch schlimmer?
Das ist ein sehr guter Punkt. Und wir merken ja in diesem Forum, wie sehr diese Fragen der Absicherung diskutiert werden. Das tun die meisten ja nicht als Gedankenspielerei, sondern weil ihnen echt"mulmig" ist.
>Bedürfnisse nach Liebe, Zuwendung und Zugehörigkeit. Menschen haben das Bedürfnis, Liebe und Zuwendung zu geben und zu empfangen und sich zugehörig zu fühlen. Die Frustration dieser Bedürfnisse führt zu Einsamkeit, Isolation und Entfremdung. Na endlich mal etwas, was nicht käuflich ist. Mit dem letzten Treffen hat ein Teil des Forums diese Entwicklungsstufge erreicht.
Auch volle Zustimmung. Es gibt zwar die US-Schule um Gary Becker, wonach auch Ehe usw. sub specie oeconomiae betrachtet wird, aber das sind wirklich Grenzbetrachtungen. Wenn ein Teilnehmer (war's Baldur?) zum Schluss gesagt hat, das Treffen hätte einen Gegenwert von 1000 Mark gehabt, dann ist dies kein ökonomisch relevanter Satz, sondern auch eine Form der"Bezahlung" für die Vielen, die das Treffen so vorzüglich vorbereitet und durchgeführt haben.
Selbstverständlich gibt es auch einen breiten"meta-ökonomischen" Bereich im Leben, den wir uns unbedingt erhalten (und hier im Forum ausweiten) sollten. Wer hier postet (oder antwortet und hilft) tut dies ja aus freien Stücken und der"Lohn" besteht darin, dass er sich in dieser kleinen Welt"behaust" fühlt.
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>Bedürfnisse nach Achtung. Menschen brauchen einen stabilen, fest gegründeten, hohen Level an Selbst-Respekt und Respekt von anderen, um sich zufrieden, selbstbewußt und wertvoll zu fühlen. Wenn diese Bedürfnisse verfehlt werden, fühlt sich die Person unterlegen, schwach, hilflos und wertlos. Unsere nächste Zielsetzung, sofern wir dort noch nicht angekommen sind. Kann das mit einer absoluten Wahrheit vereinbar sein? Debetismus ein Anstoß unter vielen?
Ein Anstoß unter vielen und - wie schon gesagt - ausschließlich auf die"nackten" ökonomischen Abläufe reduziert und konzentriert. Oder ein etwas anderes Beispiel: Es gibt viele Familientragödien (Vater erschlägt die Seinen und tötet sich dann selbst), die eindeutig auf Überschuldungsprobleme zurück zu führen sind. Ich habe lange nach psychologischen Arbeiten zu diesem Thema gesucht, aber keine gefunden. Hier (Mord und Selbstmord als Ausfluss eindeutig ökonomischer Tatbestände) fehlt sozusagen die Anschlussforschung in anderen Wissenschaften. Das hängt auch damit zusammen, dass das Phänomen"Schuld", das ja in allen Religionen einen große Rolle spielt ("... und vergib uns unsere Schuld...") zu den am stärksten verdrängten Phänomenen der Menscheit zählt.
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>Selbstverwirklichungs-Bedürfnisse. Maslow beschreibt Selbstverwirklichung als das Bedürfnis einer Person, das zu sein und zu tun, wozu sie geboren wurde. Es ist seine"Berufung"."Ein Musiker muß Musik machen, ein Künstler muß malen, und ein Schriftsteller muß schreiben." Wenn diese Bedürfnisse nicht eingelöst werden, fühlt sich die Person rastlos, angespannt, mit dem Gefühl, daß etwas fehlt. Niedere Bedürfnisse mögen ebenfalls ein rastloses Gefühl hervorrufen, aber hier ist es viel einfacher, den Grund zu finden.
Richtig. Aber laufen solche Karrieren nicht am Ende doch auf ökonomische Anerkennung hinaus? Der Maler will sein Bild nicht nur bewundert sehen, er will es auch verkaufen, selbst wenn er das Geld nicht braucht. Der Verkauf gäbe ihm das Gefühl einer"wirklichen" (realen) Wertschätzung.
>Ist dies nicht das höchste Motiv des Handelns? Kann Wirtschaft nicht auch ohne Schuldendruck aus Selbstverwirklichung entstehen?
Ebenfalls sehr gut! Ich habe versucht, das formal dahingehend zu"ökonomisieren", dass ich den Wunsch nach Selbstverwirklichung der Einfachheit halber zur Urschuld schlage. Oder anderes Beispiel: Jemand, der unbedingt den Ferrari und die Villa in St. Tropez am Meer braucht (die wirklich kein Mensch braucht), maximiert seine Urschuld. Eine Hilfskonstruktion, zugegeben, aber sie hilft doch weiter, wenn"Selbstverwirklichung" auf die Realisierung von Wünschen hinausläuft, die an Märkten (und ergo nur mit Hilfe von Kontrakten usw.) realisiert werden können.
>Beruht ein Großteil unseres Wohlstandes nicht gerade auf diese Selbstverwirklichungsbedürfnisse, wir arbeiten kann schon sinn und Verwirklichung geben, wir geben aus, ist materialistischer Lustgewinn. Geht das immer zu Lasten anderer?
Nein, zu Lasten anderer geht das nicht, eher im Gegenteil. Der Ferrari-Arbeiter freut sich doch, dass es die F-14-Freaks gibt.
>Können nicht Gläubiger und Schuldner eine Selbstverwirklichungsgemeinschaft, Volkswirtschaft oder gar eine Weltwirtschaft sein, die nicht nur aus Nahrung, Wohnung... besteht?
Das ist das Grundproblem, in der Tat. Sollte es gelingen, den nach heutigem Verständnis unaufhebbaren Widerspruch zwischen Gläubiger und Schuldner aufzuheben, wären alle sich aus dem Widerspruch ergebenden Folgerungen (wie die Theorie des Debitismus) natürlich erledigt.
Es gibt zahlreiche Bemühungen in dieser Richtung, grundlegend umzudenken. Und wenn ich mich in anderen Foren umschaue - ich denke dabei an die Freiwirte und ihre hoch interessanten Gedanken zum Matrix-Problem - dann stehe ich letztlich vor der Fage: Soll ich mich diesen Bemühungen anschließen, ganz und gar oder nur ein wenig, oder gar nicht. Dass wir in der aktuellen Welt mit dem"gar nicht" materiell (!) am weitesten kommen, kann nicht bestritten werden. Was dabei an"ethischen Werten" drauf geht bzw. gar nicht erst ins Bewußtsen kommt, steht auf einem anderen Blatt und muss nicht groß ausgeführt werden.
Nehmen wir den Mönch, der verzichtet oder die Ordensschwester, die (siehe auch dazu das Freiwirte-Forum) in der Deutschen Bank protestiert und jetzt ein Verfahren wg. Hausfriedensbruches am Hals hat - beides starke Beispiele. Beim Mönch würde ich sagen, er erwartet seinen Payday post mortem. Bei der Schwester ist es schon schwieriger. Aus ihr spricht eine enorme moralische Kraft. Nur sind sie und ihre Bewunderer derart verschwindende Minderheiten, dass es absolut aussichtslos erscheint.
Desungeachtet (jeder muss solche Sachen allein mit sich selber ausmachen) muss die heutige Ã-konomie als falsche Welterklärung (jetzt der materiellen Seite dieser Welt) enttarnt werden. Und ihre Behauptungen, alles ließe sich immer zum Guten wenden, ist ein Heilsversprechen, auf das wir nicht hereinfallen dürfen.
>Sind diese Bedürfnisse nicht prozentual viel höher zu gewichten, als die Grundversorgung?
Ja, sie sind höher zu gewichten. Dennoch sollten wir uns in Sachen"Grundversorgung" (egal jetzt, was alles dazu gehört) eine stringente Erkärung angewöhnen. Hat man die einmal erreicht (und nach meiner Erfahrung geht es jedem so, der den Debitismus einmal verinnerlicht hat), ist wenigstens dieser Teil des Lebens erklärt und kann als gelöst abgehakt werden.
Gruß
d.
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Baldur der Ketzer
14.02.2001, 20:24
@ dottore
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Re: @dottore - quantifizierter Wert des Treffens |
>Wenn ein Teilnehmer (war's Baldur?) zum Schluss gesagt hat, das Treffen hätte einen Gegenwert von 1000 Mark gehabt,
Hallo, dottore,
ich habe, als ich das schrieb, eine Einladung zu einem Trader-Infotreff bei London im mailkasten gefunden, pro Tag 750 USD.
Dann kenne ich die Seminare von Gold&Money Intelligence bzw. Dr.Bruno Banduletm die auch so um 600 Mark liegen, allerdings eintägig.
Also, das Elliott-Treff als mindestens ebenbürtiges Seminar und de facto zweitägig kommt im Wege des Fremdvergleichs auf einen guten Tausender, meine ich.
Es war mir ein Anliegen, auch mal den Idealismus der Vortragenden (und des Ausstellers!) irgendwie nachvollziehbar zu bewerten, um den elitären Abstand deutlich zu machen, der sich hier bewies.
Ich finde, das Forum ist seither nur noch besser geworden.
Gleichzeitig ist es erschreckend, wie deutlich die Faktenlage einerseits und die offenbar nirgends sonst vorhandene Bereitschaft, nachzudenken, andererseits auseinanderklaffen.
Wie unten gepostet, ich schließe mich voll an: wenn wir hilfesuchend nach dem großen Vordenker suchen, was wir tun sollen, wie die Schwierigkeiten zu lösen sein werden, so werden wir ihn nicht finden.
DIE wissen es nämlich auch nicht.
Irgendwann heißt es mal, rette sich wer kann.
Und dann können wir uns nur noch selber helfen.
Auch mit aus dieser Not heraus geborenem Tauschmittel, sei es Reinhards privates Silbergeld, sei es ein anderes BÃœRGERLICH entstandenes"Geld".
Wenn wir auf den Staat warten werden, werden wir genauso verlassen sein wie die Erdbebenopfer, die - überwiegend vergeblich - warten, daß man ihnen einen Suchtrupp schickt, bevor nach ein paar Wochen der Großbagger alles plattmacht.
Eigeninitiative und gemeinsames Nachdenken, Auseinanderklabüstern aller möglichen Gedanken, nur das wird etwas produktives hervorbringen.
Und kein gläubiges Verinnerlichen von Politiker- und Notenbank-geschwafel.
Beste Grüße vom Baldur
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Aldibroker
15.02.2001, 08:21
@ BossCube
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@boss cube wegen sachlich unterhalten |
>p.s. Ich find es übrigens klasse, daß wir uns so sachlich unterhalten können.
Jan,
jetzt ist noch Zeit dafür, in der tiefsten wirtschaftlichen Not und persönlichen Krise gehen wir wegen der Urschuld über Leichen und wenn wir kein Blut und Leid mehr sehen können, rücken wir enger zusammen und besinnen uns.
Aber bitte laßt mich auch mal provokativ und konträr sein. Ich glaube faßt, wir werden nur dann breitere Erkenntnis bekommen, wenn wir die Geduld mitbringen, uns immer und immer wieder mit Gegenargumenten zu beschäftigen. Ist im übrigen auch ein Selbstschutz vor geistiger Verblendung. Ich verstehe heute auch black elk besser, aber... keine neuen Gräben.
Gruß Aldi
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BossCube
15.02.2001, 09:58
@ Aldibroker
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Moin Aldi |
>>p.s. Ich find es übrigens klasse, daß wir uns so sachlich unterhalten können.
>Jan,
>jetzt ist noch Zeit dafür, in der tiefsten wirtschaftlichen Not und persönlichen Krise gehen wir wegen der Urschuld über Leichen und wenn wir kein Blut und Leid mehr sehen können, rücken wir enger zusammen und besinnen uns.
>Aber bitte laßt mich auch mal provokativ und konträr sein. Ich glaube faßt, wir werden nur dann breitere Erkenntnis bekommen, wenn wir die Geduld mitbringen, uns immer und immer wieder mit Gegenargumenten zu beschäftigen. Ist im übrigen auch ein Selbstschutz vor geistiger Verblendung. Ich verstehe heute auch black elk besser, aber... keine neuen Gräben.
>Gruß Aldi
Hi Aldi,
wir lernen alle dazu und ein einseitiges Forum wäre auch öde. Aber an Streitgesprächen mangelt es hier nicht, obwohl viele mehr oder weniger eine Richtung vertreten. Du bekommst es ja selber mit, daß etwas passieren wird, weil es nicht so weiter geht. Es gibt aber ein danach.... und das macht Hoffnung.
Gruß
Jan
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