Pagan
24.02.2001, 10:26 |
Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? Thread gesperrt |
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Kleiner Einwurf von mir. Mit Interesse verfolgte ich gestern die Diskussion, um den Silberbarrenkauf 2good4you´s. (Leider war ich mit meinem vorgestern gekauften Dax-Call beschäftigt, um meinen Senf dazuzugeben.)
"Ehrlichkeit ist eine Tugend", dem stimme ich wohl zu, v.a. in 2001. Aber mir fiel spontan das Wort Kloppstocks ein, der in einer seiner Oden an das deutsche Volk gerichtet sagt:"O deutsches Volk sei nicht all zu gerecht, denn sie denken nicht edel genug, um zu erkennen, wie schön dein Fehler ist."
Ich möchte hier keine Lanze für Betrüger oder Unehrlichkeit brechen, ich bin nur selbst am überlegen, ob es gegenüber einer ansonsten"räuberischen und korrupten Bank" ("Das Schwein Kunde, hat unser Geld in der Tasche") nicht etwas zuviel des Guten ist. Eben typisch deutsch?
Vielleicht die richtige Sonnabend-Diskussion.
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Baldur der Ketzer
24.02.2001, 12:43
@ Pagan
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Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? |
Hallo, Pagan,
meiner Ansicht nach ist Ehrlichkeit keine Frage einer Nationalität, sondern des menschlichen Formats.
Eigentlich wollte ich schreiben, der menschlichen Entwicklung, aber das wäre nicht treffend, weil manche überlebensnotwendigen Dinge in Konfliktsituation sich einer"normalen" Beurteilung entziehen können: Notlüge, Notwehr, Notstand, Mundraub etc.
Also sind schon Situationen vorstellbar, in denen Ehrlichkeit zu einem gemeinsamen Nachteil gereichen, und der Gebrauch einer Gestaltungsfreiheit sinnvoll sein kann.
Überdies kann es in einer gewalttätigen, unehrlichen Welt auch notwendig sein, sich anzupassen, um schlicht bestehen zu können.
Nur, davon sind wir hoffentlich weit entfernt.
Es hängt auch von der Lebenseinstellung ab, wie man die Abweichung von ethischen Leitlinien beurteilt.
Solange alles gestattet ist, was nur einem richterlichen Urteil entgeht (man darf sich nur nicht erwischen lassen, und wenn, alles abstreiten), ist das Niveau ein anderes als bei einer Weltanschauung, die von einer Ursache-Wirkung-systematik ausgeht und die Vergeltung von Handlungsweisen auf die eine oder andere Weise annimmt. Nenn es religiös oder esoterisch, karmisch oder nichtmaterialistisch, wie auch immer.
Zwischen diesen beiden Standpunkten gibt es keine Verbindung, höchstens graduelle Unterschiede, wie weit man der einen oder anderen Ansicht anhängt.
Wenn es etwas typisch deutsches gibt, so ist das im negativen Sinne eine obrigkeitsergebene Verbissenheit, die keine pragmatischen Lösungen zuläßt, wofür südliche Länder ja bekannt sind.
Ob eine überproportionale Ehrlichkeit existiert, es mag sein, wenn ich geschäftliche ERfahrungen denke. Beschiß gibt es überall, aber die Häufigkeit davon ist schon landesabhängig, finde ich.
Jedenfalls ist auch der Umgang mit Rechenfehlern von den Umständen abhängig.
Wenn mich individuell die Bank Abzock, Hotzenplotz & Cie. über den Tisch gezogen hat, wird man keine Gewissensbisse haben, in einer unklaren Situation Formulierungen zu eigenen Gunsten auszulegen.
Das ist ein individuelles Verhältnis.
Wenn aber jemand durch das Versehen eines andern diesen schädigt, dann ist das etwas anderes.
Wenn der Kellner die Flasche Wein aus eigener Tasche zahlen muß, die Kassiererin den Fehlbestand vom eigenen Lohn abgezogen bekommt.
Oder, wie es bei einem Geschäftspartner in Japan der Fall ist (kein Blödsinn, sondern bitterer Ernst), wenn bei einer Kundenpleite der Forderungsausfall an den Mitarbeiter berechnet wird, der den Kunden betreut hat!!!!!!!!!!!!!!
Was ich für grob unsittlich und verwerflich halte, aber dort ist es so, ich kenne den Fall.
Fürwahr ein anderer Ehrbegriff (Harakiri, Kamikaze), man kann trefflich darüber streiten, wo etwas ehrenhaftes in etwas schwachsinniges übergeht, aber durchaus kulturspezifisch.
Na ja, nur ein paar Gedanken zum Thema.
Ich denke für mich rein persönlich, es kommt alles, wofür man verantwortlich ist, auf einen selbst zurück. Gutes wie schlechtes. Das nimmt einem auch kein Priester ab.
Und diese individuelle Verantwortung mit einem Hunderter zu belasten, na, ich weiß nicht.........
Beste Grüße vom Baldur
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Pagan
24.02.2001, 14:38
@ Baldur der Ketzer
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Re: Falsch verstandene Ehrlichkeit oder typisch deutsch? |
>meiner Ansicht nach ist Ehrlichkeit keine Frage
>einer Nationalität, sondern des menschlichen Formats.
Hast Du natürlich Recht. Hierauf wollte ich aber nicht hinaus. Es geht mir um einen übertriebenen Gerechtigkeitssinn, der selbst vor der Eigenschädigung nicht halt macht. Diese uns manchmal innewohnende Eigenschaft meinte ich mit"typisch deutsch".
>Solange alles gestattet ist, was nur einem
>richterlichen Urteil entgeht (man darf sich
>nur nicht erwischen lassen, und wenn, alles
>abstreiten), ist das Niveau ein anderes als
>bei einer Weltanschauung, die von einer
>Ursache-Wirkung-systematik ausgeht und die
>Vergeltung von Handlungsweisen auf die eine
>oder andere Weise annimmt. Nenn es religiös
>oder esoterisch, karmisch oder nichtmaterialistisch,
>wie auch immer.
Das ist das A und O. Was wäre in dieser Theorie, wenn der Bankangestellte, Kellner etc. Dir noch etwas schuldet. z.B. aus einer früheren Inkarnation.
Wer seine Schulden nicht zurückzahlt.... Du würdest dem Burschen mit der Geldrückgabe sogar schaden, weil Du ihm seine Entschuldigung verweigerst! Es wird immer verzwickter......um mich hier nicht in unendlichen Möglichkeitsanalysen zu verlieren, kurz auf den Punkt gebracht - denke ich, daß eine dahinterstehende Absicht (des Betruges) für Schuld im karmischen Sinn ausschlaggebend ist.
Wir setzen unserem Denken desöfteren zu enge Grenzen. Meine Frau regte sich neulich fürchterlich auf, weil der Azubi von einem Mitarbeiter schlecht behandelt würde. Man weiß nie was die Ursache ist. Vielleicht war es einmal umgedreht? Durch Einmischung würde man sich gegen das Gesetz von Ursache/Wirkung stellen und sich selbst ein Karma aufladen oder dem Azubi eine Lektion vermasseln, die für ihn lebenswichtig ist? Nicht immer ist jemand da, der hilft.. Eine schwierige Entscheidung!
Nachdenkliche Grüße von Pagan, der nicht an zufällige Rechenfehler glauben mag.
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black elk
24.02.2001, 15:31
@ Pagan
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Was ist Gerechtigkeit? |
>Das ist das A und O. Was wäre in dieser Theorie, wenn der Bankangestellte, Kellner etc. Dir noch etwas schuldet. z.B. aus einer früheren Inkarnation.
>Wer seine Schulden nicht zurückzahlt.... Du würdest dem Burschen mit der Geldrückgabe sogar schaden, weil Du ihm seine Entschuldigung verweigerst! Es wird immer verzwickter......um mich hier nicht in unendlichen Möglichkeitsanalysen zu verlieren, kurz auf den Punkt gebracht - denke ich, daß eine dahinterstehende Absicht (des Betruges) für Schuld im karmischen Sinn ausschlaggebend ist.
>Wir setzen unserem Denken desöfteren zu enge Grenzen. Meine Frau regte sich neulich fürchterlich auf, weil der Azubi von einem Mitarbeiter schlecht behandelt würde. Man weiß nie was die Ursache ist. Vielleicht war es einmal umgedreht? Durch Einmischung würde man sich gegen das Gesetz von Ursache/Wirkung stellen und sich selbst ein Karma aufladen oder dem Azubi eine Lektion vermasseln, die für ihn lebenswichtig ist? Nicht immer ist jemand da, der hilft.. Eine schwierige Entscheidung!
>Nachdenkliche Grüße von Pagan, der nicht an zufällige Rechenfehler glauben mag.
Interessanter Text. Was ist ehrlich oder gerecht? Das ist immer eine Definitionsfrage und subjektiv. Allerdings haben sich in verschiedenen Gesellschaften/ Völkern bestimmte Riten und Bräuche herausgebildet ohne die eine Lebensform nicht dauerhaft existieren kann. Sich 'artgerecht' zu Verhalten kann z.B. im Tierreich überlebenswichtig sein, da man sonst von der Gemeinschaft ausgetoßen wird.
Das mit dem negativen Karma, daß alles schlechte was man tut irgendwann auf einen zurückfällt, daran glaube ich nicht. Es passiert nur, wenn man sich das selbst einredet. Ausgleichende Gerechtigkeit gibt es nur in der subjektiven Anschauung.
be
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