dottore
01.03.2001, 07:43 |
Mittelalter-Literatur Thread gesperrt |
Hi,
auf diese etwas ältere Frage kurz:
1. Barbara Tuchman ist outstanding. Sehr anspruchsvoll, eine Historikerin von Weltrang (leider verblichen).
2. Für"Einsteiger" in Romanform: Ken Follett(ISBN 3404118960), Die Säulen der Erde, basiert auf guten Vorstudien, allerdings die Zeit nach den Lollardenaufstände, also n a c h d e m der freie Lohnarbeiter und damit der klassische Kapitalismus des MAs entstanden ist. Aber hat u.a. schon solche Sachen wie Termingeschäfte für Wolle, usw. Stark klösterlich bezogen, aber die Klöster waren damals Wirtschaftszentren, klassisch debitistisch, mit permanenten Geldproblemen und Schuldendruck.
3. Arno Borst, Lebensformen im MA (3548265138). Kommt aus der traditionellen Historie, gibt aber gute Einblicke, auch wenn einiges Zweifel weckt.
4. Horst Fuhrmann (Herausgeber der Monomenta und Top-MA-Historiker): Überall ist MA (3406405185). Aufsatzsammlung, darin sehr interessant die Sache mit den Fälschern, die er als"vorempfunden" darstelt, was natürlich Quatsch ist, aber er muss es tun, sonst fällt die traditionelle Chronologie zusammen.
Und ders.: Einladung ins MA (340632052X). Viele Fakten, logo, und eine gut geschrieben Grundlage.
5. Susan Reynolds (0198204382): Fiefs and Vassals. Räumt mit dem Märchen vom"Lehenswesen" auf. Ist aber Oxford Univ. Press, und daher so schnell nicht vom Tisch zu wischen. ROTES Tuch für alle traditionellen MA-Historiker, die das Lehens-Modell karessieren.War für mich eine weitere Offenbarung, dass es eben so n i c h t stimmt wie es immer in den herkömmlichen Lehrbüchern steht.
Dazu ex Cambridge deren Medieval History of Europe (sehr dicker Wälzer, braucht man nicht). Dazu die Bücher zur KarldG, einmal pro: Hägermann, einmal contra: Illig usw.
Natürlich sonst noch MASSEN, aber das als Starter reicht dicke. Für Spezialliteratur stets bereit:
d.,
morgengrüßend.
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Josef K.
01.03.2001, 08:55
@ dottore
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Re: Mittelalter-Literatur |
Vielen Dank für den umfangreichen Tip, Dottore!
Können Sie - vorab - bestätigen, daß das Wohlleben des normalen Standes im Mittelalter reine Propaganda von Freigeldisten ist? Mein Hirnkaschterl mag
sich nicht vorstellen, daß ein jedermann sich ein Bürgerhäuschen und die (ca.) 20-30 Stunden-Woche leisten konnte. Und eben schon mal einen Dom hier und da für das Seelenheil springen lassen konnte.
Wünsche einen schönen Tag!
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Metatron
01.03.2001, 11:00
@ dottore
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Nanu, Herr"Carolus magnus falsusque" Illig ist wieder zitierfähig? owT |
>Hi,
>auf diese etwas ältere Frage kurz:
>1. Barbara Tuchman ist outstanding. Sehr anspruchsvoll, eine Historikerin von Weltrang (leider verblichen).
>2. Für"Einsteiger" in Romanform: Ken Follett(ISBN 3404118960), Die Säulen der Erde, basiert auf guten Vorstudien, allerdings die Zeit nach den Lollardenaufstände, also n a c h d e m der freie Lohnarbeiter und damit der klassische Kapitalismus des MAs entstanden ist. Aber hat u.a. schon solche Sachen wie Termingeschäfte für Wolle, usw. Stark klösterlich bezogen, aber die Klöster waren damals Wirtschaftszentren, klassisch debitistisch, mit permanenten Geldproblemen und Schuldendruck.
>3. Arno Borst, Lebensformen im MA (3548265138). Kommt aus der traditionellen Historie, gibt aber gute Einblicke, auch wenn einiges Zweifel weckt.
>4. Horst Fuhrmann (Herausgeber der Monomenta und Top-MA-Historiker): Überall ist MA (3406405185). Aufsatzsammlung, darin sehr interessant die Sache mit den Fälschern, die er als"vorempfunden" darstelt, was natürlich Quatsch ist, aber er muss es tun, sonst fällt die traditionelle Chronologie zusammen.
>Und ders.: Einladung ins MA (340632052X). Viele Fakten, logo, und eine gut geschrieben Grundlage.
>5. Susan Reynolds (0198204382): Fiefs and Vassals. Räumt mit dem Märchen vom"Lehenswesen" auf. Ist aber Oxford Univ. Press, und daher so schnell nicht vom Tisch zu wischen. ROTES Tuch für alle traditionellen MA-Historiker, die das Lehens-Modell karessieren.War für mich eine weitere Offenbarung, dass es eben so n i c h t stimmt wie es immer in den herkömmlichen Lehrbüchern steht.
>Dazu ex Cambridge deren Medieval History of Europe (sehr dicker Wälzer, braucht man nicht). Dazu die Bücher zur KarldG, einmal pro: Hägermann, einmal contra: Illig usw.
>Natürlich sonst noch MASSEN, aber das als Starter reicht dicke. Für Spezialliteratur stets bereit:
>d.,
>morgengrüßend.
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BossCube
01.03.2001, 11:17
@ dottore
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Pirenne ist für den schnellen Überblick auch sehr gut. |
>Hi,
>auf diese etwas ältere Frage kurz:
>1. Barbara Tuchman ist outstanding. Sehr anspruchsvoll, eine Historikerin von Weltrang (leider verblichen).
>2. Für"Einsteiger" in Romanform: Ken Follett(ISBN 3404118960), Die Säulen der Erde, basiert auf guten Vorstudien, allerdings die Zeit nach den Lollardenaufstände, also n a c h d e m der freie Lohnarbeiter und damit der klassische Kapitalismus des MAs entstanden ist. Aber hat u.a. schon solche Sachen wie Termingeschäfte für Wolle, usw. Stark klösterlich bezogen, aber die Klöster waren damals Wirtschaftszentren, klassisch debitistisch, mit permanenten Geldproblemen und Schuldendruck.
>3. Arno Borst, Lebensformen im MA (3548265138). Kommt aus der traditionellen Historie, gibt aber gute Einblicke, auch wenn einiges Zweifel weckt.
>4. Horst Fuhrmann (Herausgeber der Monomenta und Top-MA-Historiker): Überall ist MA (3406405185). Aufsatzsammlung, darin sehr interessant die Sache mit den Fälschern, die er als"vorempfunden" darstelt, was natürlich Quatsch ist, aber er muss es tun, sonst fällt die traditionelle Chronologie zusammen.
>Und ders.: Einladung ins MA (340632052X). Viele Fakten, logo, und eine gut geschrieben Grundlage.
>5. Susan Reynolds (0198204382): Fiefs and Vassals. Räumt mit dem Märchen vom"Lehenswesen" auf. Ist aber Oxford Univ. Press, und daher so schnell nicht vom Tisch zu wischen. ROTES Tuch für alle traditionellen MA-Historiker, die das Lehens-Modell karessieren.War für mich eine weitere Offenbarung, dass es eben so n i c h t stimmt wie es immer in den herkömmlichen Lehrbüchern steht.
>Dazu ex Cambridge deren Medieval History of Europe (sehr dicker Wälzer, braucht man nicht). Dazu die Bücher zur KarldG, einmal pro: Hägermann, einmal contra: Illig usw.
>Natürlich sonst noch MASSEN, aber das als Starter reicht dicke. Für Spezialliteratur stets bereit:
>d.,
>morgengrüßend.
Ich glaube, es heißt"Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters". Wirtschaftsgeschichte eben. Ist ja auch mein Steckenpferd.
Gruß
Jan
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dottore
01.03.2001, 12:19
@ Josef K.
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Re: Mittelalter-Literatur |
>Vielen Dank für den umfangreichen Tip, Dottore!
>Können Sie - vorab - bestätigen, daß das Wohlleben des normalen Standes im Mittelalter reine Propaganda von Freigeldisten ist? Mein Hirnkaschterl mag
>sich nicht vorstellen, daß ein jedermann sich ein Bürgerhäuschen und die (ca.) 20-30 Stunden-Woche leisten konnte. Und eben schon mal einen Dom hier und da für das Seelenheil springen lassen konnte.
>Wünsche einen schönen Tag!
Danke!
Alles, was wir aus Quellen und der Literatur wissen, war das Leben brutal und hart. Die Nöte des Tages schier unerträglich, Follett hat das sehr schön romanisiert, dies wie gesagt nach sorgfältigen Vorstudien. Es herrschten Krieg und Willkür, das soziale Gefüge war brüchig und brutal.
Hans Weitkamp sieht das in seinem Freiwirte-Buch ganz anders. Aber wenn jemand ein"Secretum Templi" abbildet, wie er, das nichts anderes ist als eine plumpe Abraxas-Gemme, von denen selbst ich ein paar besitze (werden gern zum nächsten EW-Treff mitgebracht), dann hörts mit der Seriosität auf. Dann könnte ich ja auch behaupten, ein versprengter"Templer" zu sein.
Von solchen Stories wie Templer-holten-Silber-aus-Amerika und an der romanischen (!) Kathedrale von Vezelay seien Maiskolben zu beobachten und anderswo gar Kakaobohnen halte ich bei aller Kritik an der mainstream-Historie rein gar nichts.
Die Finanzierung der"Hochblüten"-Dome geschah wie üblich via Schulden (aus Pisa sind noch entsprechende Schuldscheine erhalten), danach wurden die Gläubiger enteignet durch permanente Münzverschlechterung, die mit den Brakteaten ihr Non-Plus-Ultra erreichten (Bischof Wichmann von Magdeburg!).
Und dass bei aller Hochblüte dann doch das Geld ausgegangen ist, zeigt am besten der Kölner Dom, der bis zum 19. Jh. eine Ruine war.
Gruß und erbauliche Lektüre
d.
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Josef K.
01.03.2001, 13:08
@ dottore
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Re: Mittelalter-Literatur |
Danke, Dottore, hochinteressant!!!
Was ist Ihrer Ansichr nach mit Kalli, dem Grossen?
Hat es ihn gegeben?
Grüsse freundlich!
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dottore
01.03.2001, 13:59
@ Josef K.
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Re: Karl der Fiktive |
>Danke, Dottore, hochinteressant!!!
>Was ist Ihrer Ansichr nach mit Kalli, dem Grossen?
>Hat es ihn gegeben?
Nein natürlich nicht. Warum hat man ihn dann erfunden?
Kurz: Es gab Klöster (quasi Genossenschaften junger Männer, die dann älter wurden und Nachwuchs brauchten usw.). Die Klöster wurden in"Freiland"-Zonen angelegt, deshalb findet man sie bis heute in unzugänglichen oder kruden Gegenden. Dort war zunächst Wald (= keine Eigentümer). Den haben sie gerodet und ihre Felder angelegt. Und sehr fleißig und so wurdens immer mehr.
Und dann kamen die"Feudalherren" und sagten: Das Land gehört aber mir. Womit hätten die armen Mönchen beweisen können, dass das Land ihnen gehört? Ein Bauer kanns beweisen, weil er selbst mit seiner Familie auf seinem bisschen Land hockt. Dem nimmt man's so schnell nicht weg. Aber einem Kloster Land, das weit entfernt lag (schau Dir Mal die Karte der Klösterbesitzungen an - Fulda von der Nordsee bis nach Lothringen usw.)...
Im Kloster gibts keinen Erbgang, da keine Kinder, also musste es s e l b s t als Rechtsperson in Erscheinung treten (juristiche Person). Jetzt fehlt noch die Urkunde, die beweist, das diesem Kloster (nicht einem Mönch oder Abt) dieses Land gehört.
Grundbücher gabs nicht. Also mussten die Mönche Schenkungen erfinden. Alle klösterlichen Besitzungen beruhen komischerwiese immer auf Schenkungen. Von wem am besten? Von einem, der alle Könige, Grafen und Herzöge toppt - also einem Kaiser.
Dessen Geschlecht musste natürlich ausgestorben sein (Karolinger - alle fiktiv), damit keiner sagen kann: Habe i c h doch geerbt. Und damit der Kaiser auch das Recht zur Schenkung hatte, musste er das Land erobert haben (deshalb saß Kalli auch sein Leben lang im Sattel - ca. 40.000 km weit geritten, so viele Kriege...). Dann gehörte es ihm (jus occupandi). Und dann konnte er es verschenken.
Daher die Schenkungsurkunden alle gefälscht, viele Fälschungen inzwischen von den Historikern selbst enttarnt und zugegeben. Aber man sagt wohl besser: Erfunden. Denn das Land hatten sich ja die Mönchen aus ehemaligem Nicht- oder Voreigentum angeeignet.
Und als Schenkungsgrund musste natürlich die Religion her (fromm, ewiges Leben, Auferstehung, Seelenheil usw.) - daher Kalli immer schreiben ließ"In nomine dei...". Und fromm war er, dass man's nicht aushält, obwohl er ein Schlächter war (die armen Sachsen usw.).
Deshalb ist Karl der Große eine komplette Fälschung und damit er glaubhaft wurde, musste natürlich alles hinterher gestrickt werden ("Vita Caroli Magnis" usw.). Die ganze Geschichte von damals ist also ein Konstrukt. Und da von klugen Mönchen, fast fehlerlos eingefädelt. Und wer die Absicht kennt, kapiert's sofort.
>Grüsse freundlich!
Ich auch.
d.
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mond73
02.03.2001, 00:29
@ dottore
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H/S zu Karl dem Großen |
hallo dottore,
soweit ich mich erinnere, wird der große karl auch in eigentum zins und geld genannt.
da hörte es sich aber nicht anch einer fälschung an.....
was sagt denn die wissenschaft dazu?
grüße
der mond
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