Wiedermal Zeitung gelesen und dieses gefunden (wieder so ein Nachtigallen-Artikel, bei dem einem mulmig werden könnte - - - oder wird):
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Kein Hüppi-End im Cyberspace
Verzweifelt versucht Zürich-Konzernchef Rolf Hüppi, die Totgeburt seiner milliardenteuren Internetstrategie zu verheimlichen. Denn dahinter verbirgt sich ein noch grösserer Schaden: Die Zürich hat auch hunderte von Millionen Dollar in Internetaktien verspekuliert.
André Kienzle
Als Konzernchef Rolf Hüppi vor bald einem Jahr ankündigte, dass die Zürich eine Milliarde Dollar in ihre Internetstrategie investiere, war das als Befreiungsschlag gedacht: Das E-Business sollte die stagnierende Prämienentwicklung der Versicherung wieder anfachen und die Kundenzahl in einem herkulischen Akt von 35 auf 100 Millionen anheben. Die Märkte reagierten skeptisch. Lag es daran, dass der Allfinanzkonzern damals schon seit über einem Jahr im Internet werkelte und statt eines integrierten E-Business nur eine Anhäufung von verzettelten Websites seiner zahlreichen Länder- und Tochterfirmen hervorgebracht hatte?
Heute hat die «New Zurich» nach eigenen Angaben rund 330 Millionen Dollar in das Internetprojekt gebuttert. Doch sie hat kein einziges Zwischenziel erreicht, weil die Hauptpfeiler ihrer Internetstrategie morsch sind. Der eine Pfeiler ist die Global E-Business Exchange (GEBX) der Firma Channelpoint. Das ist eine Plattform, mit der verschiedenste Versicherungsprodukte von allen Zürich-Konzernteilen und von dritten Anbietern in einheitlicher Form verfügbar gemacht werden sollen. Der zweite Pfeiler ist eine paneuropäische Internetbank. An den Lieferanten beider Systeme, den US-Softwarehäusern Channelpoint und S1 (für E-Bank) ist die Zürich massgeblich beteiligt.
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Mit Channelpoint hat Zürich über 150 Millionen Dollar verloren
Die Konzernleitung war seit langem gewarnt. CASH liegen interne Dokumente vor, in denen zuständige Stellen schon im Frühling 2000 unmissverständlich auf schwer wiegende Probleme bei Channelpoint hingewiesen haben. Die Zentrale missachtete die Signale geflissentlichst. «Im Sommer verbot CEO Hüppi einfach, negative Informationen über Channelpoint intern zu kommunizieren», sagt ein Insider. Anfang September schrieb Farmers-CEO Martin Feinstein der Konzernleitung jedoch einen «sehr besorgten» Brief, der CASH vorliegt. «Das Channelpoint-Projekt ist seiner Vollendung nicht näher», mahnt Feinstein und stellt die Gretchenfrage: «Sollen wir damit fortfahren, oder soll - auch wenn dies ein frostiges Signal über den Zürich-Konzern aussenden würde - Farmers einen eigenen Weg gehen?»
Am 27. Oktober blies Channelpoint das IPO ab. Seither entlässt die Firma laufend Leute. «Das Chaos ist total. Inzwischen ist der Rückzug von Farmers beschlossene Sache», erfährt CASH aus zuverlässiger Quelle, «die werden die GEBX jetzt mit Accenture bauen.» Die Zürich hat mit Channelpoint insgesamt über 150 Millionen Dollar in den Sand gesetzt.
Ähnlich ergeht es dem E-Banking-Projekt. Vor Weihnachten 1999 gab die Zürich bekannt, sich mit 15 Millionen Dollar erstmals an S1 zu beteiligen, um in England das Pilotprojekt einer Internetbank zu realisieren. Doch im Januar 2000 wollte der Konzern mit S1 schon eine paneuropäische E-Bank aufbauen, die sämtliche Zürich-Kunden bedient. Dabei wies S1 in CASH vorliegenden Dokumenten selber darauf hin, dass ihr Produkt nur ein Frontend, also eine Benutzeroberfläche im Internet, sei. Die übrigen Elemente für eine E-Bank - etwa das Zahlungsverkehrs- und Kontenführungssystem (Backend) sowie die verbindende Middleware - könne S1 nicht liefern. Mit anderen Worten: «Ohne eine paneuropäisch tätige Partnerbank mit leistungsfähiger EDV-Infrastruktur konnte und kann die E-Bank gar nicht funktionieren», erklärt ein damit betrauter Zürich-Manager.
Die Pilotbank funktioniert nicht, die Partnerbank fehlt sowieso
Dass dieser Partner fehlte, war das eine. Auch die technische Eignung der S1 und deren der Zürich offerierte Gebühren waren stark umstritten, wie interne Dokumente zeigen. Doch das kümmerte die Konzernleitung wenig. Sie beteiligte sich im Mai 2000 mit weiteren 75 Millionen Dollar an S1 und versprach im Geschäftsbericht, die E-Bank-Dienstleistungen von S1 würden «ab Mai getestet und später im Jahr in ausgewählten Märkten eingeführt».
Heute funktioniert nicht einmal die englische Pilotbank. Auf Anfrage verspricht die Zürich-Pressestelle, diese werde «in der zweiten Jahreshälfte 2001 lanciert». Allerdings fehlt nach wie vor eine Partnerbank. Weil S1 unter Analysten als technisch bankrott gilt? Ihr Verlust erreichte per Ende 2000 volle 1,2 Milliarden Dollar (Vorjahr 125 Millionen). Der Aktienkurs ist seit der ersten Zürich-Beteiligung um rund 90 Prozent gefallen. Zudem hat die Zürich im englischen Pilotprojekt bisher über 25 Millionen Pfund an laufenden Kosten in den Sand gesetzt.
Jetzt steigt die Nervosität am Zürich-Hauptsitz. Lange kann Rolf Hüppi das Fiasko seiner Internetstrategie nicht mehr verheimlichen. Erste personelle Konsequenzen wurden zwar gezogen, aber nicht kommuniziert: Ende 2000 trennte sich die Zürich vom Chef der Konzern-IT, Niklaus Meyer, und im Januar von der erst seit März 2000 amtierenden Chefin der konzernweiten E-Business-Entwicklung, Nina Chapman. Der 59-jährige Meyer sei pensioniert worden, behauptet die Pressestelle - und widerspricht damit Meyers Aussage, er «übernehme die Leitung des Europabereichs einer IT-Beratungsgesellschaft». Zu Chapman macht die Zürich keine Angaben.
Hüppi ist im Cyberspace sogar doppelt gescheitert
Der Konzern will seine Internet-Totgeburt heimlich beerdigen. Offenbar hat CEO Rolf Hüppi jetzt ein Vertragspaket mit S1 zum Bezug von Leistungen im Wert von knapp 400 Millionen Dollar sistiert, das Konzernleitungsmitglied Gunnar Stokholm gemäss zuverlässiger Quelle noch im Februar 2001 unterzeichnet hatte. Damit wären über 700 Millionen von Hüppis Dollarmilliarde weggewesen. Insider halten den für E-Business verantwortlichen Stokholm jetzt für das mögliche Bauernopfer Hüppis. Den Mut, die Notbremse öffentlich zu ziehen, hat Hüppi aber offenbar nicht. Warum wählt er diesen Schrecken ohne Ende statt ein Ende mit Schrecken? Warum riskiert der vor kurzem bereits wegen einer Gewinnwarnung in Ungnade Gefallene Hüppi noch seine allerletzte Glaubwürdigkeit?
Es gibt eine beunruhigende Erklärung: Weil die Zürich im E-Business doppelt gescheitert ist. Sie hat nämlich nicht nur in Sachen Technik und Projektmanagement versagt, sondern - direkt und indirekt über ihren Partner Capital Z - zusätzlich hunderte von Dollarmillionen im E-Finance-Sektor verspekuliert. Mit diesem Klumpenrisiko ist Hüppis Internetstrategie jetzt wahrlich «too big to fail».
Infolecks häufen sich - die Nervosität steigt an allen Enden
Mit den Artikeln vom 16. und 23. Februar über die Missstände in der Zürich-Versicherung hat CASH in ein Wespennest gestochen. Das Raunen in der Belegschaft wird immer lauter.
Konzernchef Hüppi sah sich am 27. Februar genötigt, seinen Mitarbeitern ein Mail zu senden, in dem er von «verzerrten Darstellungen» in der Presse sprach und bestritt, dass die Konzernführung in Uneinigkeit zerfalle. Heftiger als Hüppis flaue Dementis waren die Durchhalteparolen in seinem Mail <http://www.cash.ch/dyn/detail.cfm?Artikel_ID=333>: «Eine unternehmerische Transformation, wie wir sie uns vorgenommen haben, braucht Mut, Durchhaltevermögen, Begeisterungsfähigkeit, Geduld und Hingabe an die Sache.» Fünf Arbeitstage nach dieser Seelenmassage entschied Hüppi am Dienstag dieser Woche jedoch, die Stellen am Hauptsitz von 1110 auf 500 abzubauen und 230 Entlassungen auszusprechen. Die Arbeitnehmer sind empört. Die Gefolgschaft für Hüppi, der sich mit bewaffneten Bodyguards umgibt, schwindet. Informationslecks häufen sich - auch wenn die Pressestelle droht, dass die Zürich «E-Mails und Anrufe zurückverfolgen kann».
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"Cash"-Artikel über"Zürich"-Abenteuer im eBusiness (praktisch ungekürzt eingestellt)
Vor ca. 10 Tagen hatte ja auch die Bank Vontobel die Beerdigung ihres E-Banking-Projektes bekanntgegeben. Wie die"Zürich" ein grundsolides Unternehmen...
Who's next?
Take care.
Toni
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