Liebe Freunde, liebe Kritiker (was einander nicht ausschließt),
weil ichs angekündigt hatte und immer gern bei der Naht bleibe, jetzt der Grundsatztext von Otto von Habsburg zum Somary-Buch. Dass von Habsburg ein überzeugter Europäer und Demokrat ist, kann kein Mensch ernsthaft bezweifeln.
Der Text hat zwar direkt nicht mit Börse zu tun (ich überhöre die Kritiken durchaus nicht, dass dies hier ein EW-Forum sei und nicht eine Allerweltsplauderveranstaltung), aber indirekt sehr wohl.
Also Otto von Habsburg spricht (Auszüge, unwesentlich redigiert):
"Eines der eigenartigsten Merkmale unserer Zeit ist ihr weitverbreiteter Konformismus. Selten noch wurden Schlagworte eifriger nachgebetet und weniger auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.
Man spricht zwar viel von Nonkonformisten, aber gerade diejenigen, die sich am lautesten als solche bezeichnen, laufen bedingungslos der Masse nach.
Dazu kommt als logische Folge die immer weiter um sich greifende Intoleranz.
Das echte Gespräch wird immer seltener, sei es, dass die Staatsgewalt es verhindert, sei es, dass im vorherrschenden Lärm Zuhören und Sprechen nicht mehr möglich ist.
Konformismus macht sich besonders in restaurativen Epochen fühlbar. Wir leben in einer solchen.
Restaurative Strukturen lieben infolge ihrer Schwäche die Wahrheit und den Kritiker nicht. Dieser wird daher, sei es mit Gewalt, zum Schweigen gebracht, sei es, was für gewöhnlich noch wirkungsvoller ist, systematisch übersehen und überhört.
Das Verfahren steigert sich ganz besonders gegenüber jenen, die man als Seher bezeichnen könnte.... Um Prophet zu sein, muss man vor allem unabhängig von der Umgebung bleiben und logisch denken. Die Geschichte ist wie ein Fluss, eine Kontinuität von Ursache zu Wirkung. Ist man bereit, aus ihr zu lernen, kann man in großen Zügen auch den wahrscheinlichen weiteren Ablauf voraussehen.
Der Prophet ist auch unbeliebt, denn nur zu oft wird ihm das Eintreffen der Dinge, die er herannahen gesehen hat, zur Last gelegt.
Er leidet an der schier unerträglichen Spannung zwischen dem, was er vorhersieht, und der Blindheit seiner Mitbürger. Er ist daher versucht, sie mit der Wahrheit manchmal sogar in überspitzter Form zu konfrontieren. Das aber bringt ihm nur noch mehr Feindschaft und Missgunst ein. Ein solcher Seher in einer restaurativen Zeit (ist) Felix Somary.
Man kann einzelne seiner Thesen ablehnen. Aber man muss sich mit ihnen auseinander setzen. Sie regen zur Diskussion an und damit ist der der erste Schritt auf dem Wege fort vom Konformismus und fort von der gedankenlosen Nachbeterei modischer Schlagwörter getan. Das Buch (i.e."Krise und Zukunft der Demokratie") greift heiße Eisen an, bricht Tabus und dient so der Wahrheit und persönlichen Freiheit."
Und worin besteht der Unterschied zu heute? Was ist mit den wenigen, die das Debakel an den Aktienmärkten vorhergesehen haben und noch weitere Desaster vorhersagen? Was mit jenen, die gar eine Große Krise für unausweichlich halten, wenn sie auch nicht sagen können, wann und mit welcher Wucht sie eintrifft?
Was bezwecken eigentlich"Krisenanhänger"? Wollen sie sich bloß interessant machen (womit sie sich lächerlich machen würden), haben sie ein Ego-Problem?
Es gibt ein gutes Wort dazu vom Prince de Ligne:
"Wer eine Krise kommen sieht, der schweigt."
Selbstverständlich können wir uns auch über konformistische Belanglosigkeiten austauschen. Ich hätte dann zwar nicht viel beizutragen, aber ich werde mir Mühe geben.
Zum Beispiel über die WSJ-Kolumne gestern sub Titel:
"Seeking a Signal: When will Stocks Be Safe to Buy?" Wer könnte mir solche"safe (!) stocks" empfehlen und mit welchen Argumenten? Im WSJ heißt es zwar"There's No Bell at the Bottom" - aber wer weiß? Vielleicht habe ich die Glocke überhört?
Und vielleicht könnte mir auch jemand sagen, was wohl mit"Bottom" gemeint sein mag. Bottom S&P 1000? 500? 100? NULL?
Ich weiß es leider nicht und freue mich auf konkrete Aufklärung.
Gruß
d.
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