vwd Kommentar/Nicht mehr als ein Hoffnungsschimmer in Japan
Von vwd Redakteur Christian Vits
Genügsam sind sie, die japanischen Finanzmärkte. Da bestätigt der neue
Premierminister Junichiro Koizumi die vor seiner Wahl zum Parteivorsitzenden
angekündigten Pläne, und schon dreht der Nikkei-Index deutlich ins Plus,
schließt gar auf dem höchsten Stand seit Dezember vergangenen Jahres - und
der Beobachter staunt. Denn die Reaktion der Märkte spiegelt exemplarisch
die beinahe totale Erstarrung der japanischen Politik wider, wenn bereits
einige vage Absichtsbekundungen des politischen Hoffnungsträgers reichen, um
Tokioter Händlern neue Zuversicht zu spenden.
Wenn dieser Freitag eines klar machte, dann dass die erhoffte radikale
Abkehr von der bislang vielfach an Klientelinteressen orientierten
japanischen Wirtschaftspolitik nicht zu erkennen ist. Dazu passt das Fehlen
inhaltlich und vor allem in ihrem Zeithorizont wirklich konkreter Pläne zur
Reform des Finanzsystems, zur grundlegenden Sanierung der Staatsfinanzen
oder zur Reform des Gesundheits- und Rentensystems. Viel steht auf der
Reform-Agenda, greifbar ist bislang wenig.
Da verkündet einer mit großer Geste die Begrenzung der Emission
japanischer Staatsanleihen auf 30 Bill JPY pro Jahr - und fügt im Anschluss
eilfertig hinzu, dass er sich im Falle einer"Panik" der Wirtschaft eine
"flexible" Antwort vorbehalte. Soll heißen, dass bereits jetzt die Hintertür
geöffnet wird, um die exorbitante Staatsverschuldung des Landes über die
genannte jährliche Marke hinaus zu vergrößern. Führt man sich vor Augen,
dass die jetzt avisierte Obergrenze noch um zwei Bill JPY über die im
laufenden Haushaltsjahr geplante Emissionen hinaus geht, relativiert sich
das Vorhaben ohnehin. Und auch auf einen Termin zum Start einer
systematischen Rückführung der Staatsverschuldung wartete man am Freitag
vergebens.
Hier verbleibt folglich ein fiskalpolitischer Spielraum, der wenig
glaubhaft macht, dass die erklärte Abkehr von einer Politik eingeleitet
wurde, die die schleppende Binnennachfrage mit immer neuen und extrem
kostspieligen Ausgabenprogrammen erfolglos anzukurbeln trachtet. Statt
dessen soll nun also die Lösung des Problems unzähliger fauler Bankkredite
Priorität genießen. Doch auch der schon von der Vorgängerregierung mit
ebenfalls großem Getöse vorgestellte Rettungsplan wird nach Einschätzung
eines hohen LDP-Funktionärs wohl auf sich warten lassen und nicht mehr - wie
zuvor geplant - vor Ende Juni vom Parlament verabschiedet werden.
Die Malaise der japanischen Wirtschaftspolitik lässt sich aber auch an
der Person des Regierungschefs selbst festmachen: Koizumi gilt als Reformer,
ja beinahe als Revolutionär. Nur verblasst dieses Etikett, berücksichtigt
man die Tatsache, dass er aus dem Establishment einer Dauerregierungspartei
stammt, in der ihm die Hausmacht fehlt und zudem einige der mächtigen
Funktionäre wie Hiromu Nonaka nicht eben zu seinen Freunden zählen. Die
Ernennung des greisen Masajuro Shiokawa zum Finanzminister war bereits ein
erstes Zugeständniss an die realen Machtverhältnisse der Partei, in der
voran kommt, wer die richtigen Kontakte pflegt. Von zumindest mangelnder
Abstimmung innerhalb der Regierung zeugt auch, dass der stellvertretende
Finanzminister nach Koizumis Rede sogleich erklärte, radikale Reformen des
Haushalts setzten stabiles Wirtschaftswachstum voraus. Sollte nicht eben
dieses durch Reformen erst erzielt werden?
Immerhin hat Koizumi wider Erwarten den Hashimoto-Flügel erfolgreich
übergangen, beflügelt von einer Welle der Unterstützung seitens einer
ansonsten reichlich bedeutungslosen Parteibasis. Bei der grundsätzlichen
Frage, ob Koizumi mit dem Elan der öffentlichen Zustimmung die Umsetzung
bitter notwendiger und schmerzhafter Reformen durchsetzen kann, sind aber
Zweifel angebracht. Stehen doch bereits im Juli für die LDP ausgesprochen
ungewisse Oberhaus-Wahlen an. Aber auch die geringste Regung des Tankers
Japan muss derzeit wohl als Erfolg gefeiert werden.
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