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 EuroTower: Irritierte Watcher
 
 Von vwd Finanzkorrespondent Hans Hutter
 
 Frankfurt (vwd) - Die Irritation der EZB-Watcher ist groß. Sie ist nicht
 gewichen mit der Lektüre des EZB-Monatsberichtes, eher noch gestiegen. Das
 zeigt auch die monatliche Zinsumfrage von vwd. Auch der EZB-Rat scheint die
 neue Irritation zu merken. Nur so ist EZB-Rat-Mitglied Yves Mersch,
 Gouverneur der Luxemburgischen Zentralbank, am Freitag zu verstehen, der
 gegen Zinssenkungserwartungen aus der Interpretation des EZB-Monatsberichtes
 anzukämpfen sich bemüßigt fühlt und die EZB-Botschaft frei interpretierte:
 Die EZB-Zinssenkung vom 10. Mai 2001 auf 4,50 (4,75) Prozent sei"eher als
 eine Anpassung denn als Beginn einer Zinssenkungsphase" zu interpretieren.
 
 EZB-Watcher Stefan Schneider (Deutsche Bank Research) bekannte sich am
 Freitag nach dieser Mersch-Meldung auf dem Ticker offen zur Gruppe der
 Irritierten. Dennoch geht er davon aus: Der EZB-Rat werde die Leitzinsen
 "spätesten im Juli" um weitere 25 Basispunkte senken, womit die Erwartung
 von DB Research von 50 Basispunkten Zinssenkung vorerst auch erfüllt wären.
 Was die Zinssenkungserwartung durch die EZB-Bericht-Lektüre munitioniert
 hatte, das war die EZB-Andeutung, dass die Expansion der Geldmenge M3 um bis
 zu ein Prozentpunkt überzeichnet sein dürfte durch herauszurechnende - weil
 nicht inflationäre - Euro-Geldanlagen bei Gebietsfremden.
 
 EZB-Watcher Thorsten Polleit (Barclays Capital) hat die Euro-M3 nach den
 Andeutungen und Angaben der EZB analysiert und kommt zum Ergebnis: Wenn man
 von einer Überzeichnung der M3-Expansionsrate - Berichtsmonat März: 4,8
 Prozent 3-Mt-Durchschnittsrate - von fast einem Prozentpunkt ausgeht auf der
 Basis der EZB-Angaben mit 1/2 Prozentpunkt für Euro-Geldmarktfondsanteile
 bei Gebietsfremden und ähnlich viel für Euro-Finanztitel bei Gebietsfremden,
 dann komme man auf eine Geldmengenexpansion weit unter dem M3-Referenzwert
 von 4-1/2 Prozent, was eine zu restriktive Geldpolitik und damit zu hohe
 Leitzinsen bedeute. Noch restriktiver sei die Geldpolitik anhand der"realen
 Geldlücke".
 
 Dennoch ist man auch bei Barlays Capital vorsichtig geworden, wohl auch
 irritiert durch die EZB: Denn nach dieser M3-Analyse von Polleit wäre eine
 schnelle und massive EZB-Rat-Zinssenkung angesagt; offiziell lautet aber die
 Zinsprognose"nur" auf einen neuen kleinen Zinssenkungsschritt um 25
 Basispunkte"im dritten Quartal". Stefan Schneider (Deutsche Bank Research)
 versucht, mit dem MCI (Monetary Conditions Index) die EZB-Geldpolitik zu
 verstehen und kommt voran: Mit MCI (Wechselkurs/realer 3-Mt-Geldmarktzins)
 gemessen sei die EZB-Geldpolitik doch eher expansiv.
 
 EZB-Watcher Michael Schubert (Commerzbank) hat sich nach der Lektüre des
 EZB-Monatsberichts schnell auf die Bahn der Zinssenkungserwartungen gemacht:
 Nachdem die Commerzbank-Volkswirte bis vor der EZB-Bericht-Veröffentlichung
 noch Geradeausfahrt mit dem Leitzins 4,50 Prozent prognostiziert hatten,
 gehen sie nun"im Sommer" noch von zwei weiteren Zinssenkungsschritten von
 je 25 Basispunkten aus. Aber irritiert liest sich auch die Einschätzung der
 Commerzbank:
 
 "Da aus der monetären Analyse eine weitere Zinssenkung möglich, aber
 nicht unbedingt erforderlich ist, dürfte die Einschätzung der Indikatoren an
 der zweiten Säule durch die EZB von besonderer Bedeutung sein. Die
 Entscheidung wird der EZB nicht leicht fallen, da neben dämpfenden
 Einflüssen auf die Preisentwicklung wegen der konjunkturellen Risiken
 weiterhin durchaus auch noch Aufwärtsrisiken für die Preise vorhanden sein
 werden."
 
 
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