dottore
19.05.2001, 21:42 |
Katastrophismus/Wissenschaftstheorie, bin wieder mal zu blöd... Thread gesperrt |
... die Postings zu finden. Es war eins in für mich schwer zu lesendem bunten Schriftbild und das offenbar als Antwort auf ein"Forums-Jochen"-Posting.
Sinngemäß ging es um Wissenschaft und was sie leistet anhand von zwei Beispielen. (2. war Newton). Das erste ging ums Trecento usw. und behandelte die Katastrophismustheorie (= offenbar muss es in historischer Zeit zu Katastrophen gekommen sein, Velikovsky wurde zwar - glaube ich - nicht genannt, steckt aber als primus in tempore inter pares hinter allem).
Dazu darf ich dieses Bild servieren (falls es klappt, bin außer der eh dürftigen Übung):
[img][/img]
Das Bild zeigt eine Sensation!
Es handelt sich um die Trockenmumie einer Krabbenfresserrobbe. Das Tier (ausgestellt im Meeresmuseum Stralsund) wurde 1990 von einer sowjetischen Antarktis-Expedition gefunden.
<font color="FF0000">Und zwar 100 km landeinwärts!</font>
Also weit entfernt vom Meer und dem Wurfplatz. Die Mumie ist ca. 800 Jahre alt (wie das Alter ermittelt wurde weiß ich nicht; c-14-Methode?).
Solche mummifizierten Robben wurden bis zu 200 km (!) landeinwärts gefunden und sogar 1600 m hoch! im antarktischen Gebirge.
Dieser Fund bedeutet im Klartext: Die gesamte Palaeographie kann einpacken, nachdem die Biologie schon einpacken muss (siehe das Anti-Darwin-Buch von Burkhard Müller und die dankenswerterweise hier von einem Board-Teilnehmer weiter unten rein gestellten Literaturen (sorry, lieber Freund, Name gerade auch nicht gefunden, waren aber exzellente Hinweise!).
Wir stehen w i r k l i c h vor einem UMBRUCH diverser Wissenschaften, besser gesagt: in deren Abbruch.
More to come. Wird mein Wochenendvergnügen; denn ich vermag nicht einzusehen, warum die Ã-konomie weiterhin auf ihrem Mainstream-Kothurn daher stiefeln darf, wenn"härtere" Wissenschaften bereits anheben müssen, sich zu schleichen.
Gruß (als Beitrag zum Sonntagsthema)
d.
<center>
<HR>
</center> |
Baldur der Ketzer
19.05.2001, 21:46
@ dottore
|
Re: unhaltbar gewordene Theoreme, Dogmen, Beweise, |
Hallo, dottore,
ist es möglich, daß dies sinngemäß auch für manche Annahmen der Geschichtswissenschaft zutreffend könnte?
Abendliche Grüße vom Baldur
<center>
<HR>
</center> |
El Sheik
19.05.2001, 21:57
@ Baldur der Ketzer
|
Zur Geschichtswissenschaft |
>Hallo, dottore,
>ist es möglich, daß dies sinngemäß auch für manche Annahmen der Geschichtswissenschaft zutreffend könnte?
>Abendliche Grüße vom Baldur
Salve Baldur!
Gibt doch zwei große Paradigmen?
Das evolutionäre Geschichtsverständnis
und
das zyklische Geschichtsverständnis
Wenn ersteres stimmt, dann entwickeln wir uns als Gesellschaft zu einer solchen Reife, daß wir als Krönung den Weg in die Antarktis finden.
Wenn das zweite richtig ist, dann entwickeln wir uns immer wieder zu irgendwelchen moralischen/technischen/wirtschaftlichen Höhen hin. Zwischen den Hochs gibt es logischerweise immer Tiefs, wie in der Charttheorie.
Literaturtipp:"Verbotene Archäologie" mit Beispielen von Evidenzen, die nicht in die h.M. passen. Das Buch habe ich mal vor Jahren gelesen, war aber nicht der Renner. Also leihen statt kaufen.
Spargel verdauenderweise grüßend
Der Scheich
<center>
<HR>
</center> |
Harald
19.05.2001, 22:35
@ Baldur der Ketzer
|
Baldur, was heißt hier Wissenschaft, es geht um gerichtsnorische Fakten! |
>Hallo, dottore,
>ist es möglich, daß dies sinngemäß auch für manche Annahmen der Geschichtswissenschaft zutreffend könnte?
>Abendliche Grüße vom Baldur
<center>
<HR>
</center> |
dottore
19.05.2001, 22:55
@ Baldur der Ketzer
|
Re: unhaltbar gewordene Theoreme, Dogmen, Beweise, |
>Hallo, dottore,
>ist es möglich, daß dies sinngemäß auch für manche Annahmen der Geschichtswissenschaft zutreffend könnte?
>Abendliche Grüße vom Baldur
Noch und noch!
Habe gerade den dritten Teil meiner"Was las man zur Karolingerzeit"-Serie in den"Zeitensprüngen" abgeliefert. Darin erscheint ein Berner (Burgerbibliothek!) Kodex Nr. 207 mit einer Runenschrift, die ins 8./9. Jh. datiert wird, die aber nachweislich nicht früher als 10./13. Jh. gefertigt sein kann.
Es geht nicht um einen Kodex, sondern darum, dass der Text einem anderen Kodex (Diez) der Berliner StaBi entspricht, der als aus der"Palastbibliothek" Karls d. Gr. stammend bezeichnet wird.
Demnach können wir Carolus Magnus entweder als Runenkundigen aus dem 10. oder als einen der Zisterzienser-Zahlungssystemen Kundigen des 13. Jh. bezeichnen müssen.
Ist aber nur Kleinkram.
Was außer den"dark ages" des MA nicht stimmt ("Karl der Fiktive"):
- die Sumerer sind erfunden ("Sumerer" aus einem Buchtitel des 19. Jh.)
- die Pharaonen gehören frühestens in - 1. Jtd. (wahrscheinlich ab um -600).
- Das frühe Rom ist eine Komplett-Fiktion (schon aus dem"Aes Grave" unschwer abzuleiten
- Athen kann nicht 300 Jahre lange einen grammgenauen Münzstandard gehabt haben
- Das AT ist 1000 Jahre zu früh datiert (mindestens)
- Eine"Bibel" kann es kaum vor 1000 gegeben haben
- Die mittelamerikanischen Kulturen sind komplett falsch datiert (und wann und woher kamen die Olmeken?)
- Die chinesische Frühgeschichte ist frei erfunden (Jesuiten-Machwerk)
Und so fort.
Abgesehen von den in historischer Zeit erlebten Groß-Katastrophen, die allesamt als"Prae-Homo-Sapiens" datiert werden.
En detail auf Anfrage gern mehr.
Besten Gruß und nochmals Danke für Deine immer wieder extrem lesenwerten Beiträge; der in Sachen Aurum war eine Klasse für sich.
Ich glaube, sooo falsch kann das Forum sub summa also nicht liegen. In rebus oeconomicis schon absolut nicht!
Gruß
d.
<center>
<HR>
</center> |
dottore
19.05.2001, 23:01
@ Harald
|
Re: Es geht um gerichtsnotorische Fakten! Nenn' mir welche! Dann... |
... enttarne ich auch Deinen"Ritter mit der Eisernen Hand" als Debitisten. Der CR der Berner Zeitung, mein Freund Dr. Andreas Z'Graggen, hat eine Schuldurkunde von ihm.
Ich stelle auch gern andere debitistische Dokumente des 16. Jh. aus meinem Bestand hier als Optik rein (Frundsberg, Sickingen, Anton Welser, usw.)
Sonntage sind lang und schön.
Freue mich übrigens auf den neuen URSCHULDNER aus Deinem Stamm.
Gruß
d.
<center>
<HR>
</center>
|
Toni
19.05.2001, 23:40
@ dottore
|
Re: unhaltbar gewordene Theoreme, Dogmen, Beweise // muss das sein ;-) |
...
>Was außer den"dark ages" des MA nicht stimmt ("Karl der Fiktive"):
>- die Sumerer sind erfunden ("Sumerer" aus einem Buchtitel des 19. Jh.)
>- die Pharaonen gehören frühestens in - 1. Jtd. (wahrscheinlich ab um -600).
>- Das frühe Rom ist eine Komplett-Fiktion (schon aus dem"Aes Grave" unschwer abzuleiten
>- Athen kann nicht 300 Jahre lange einen grammgenauen Münzstandard gehabt haben
>- Das AT ist 1000 Jahre zu früh datiert (mindestens)
>- Eine"Bibel" kann es kaum vor 1000 gegeben haben
>- Die mittelamerikanischen Kulturen sind komplett falsch datiert (und wann und woher kamen die Olmeken?)
>- Die chinesische Frühgeschichte ist frei erfunden (Jesuiten-Machwerk)
>Und so fort.
_ _ _ _ _ _ _ _
dottore! also wirklich! Muss das sein, dass Du mich jetzt am späten Samstag abend noch dermassen umhaust?
- Naja, muss wohl.
Zum Glück bin ich jetzt Abonnent der"Zeitensprünge".
>... sooo falsch kann das Forum sub summa also nicht liegen. In rebus oeconomicis schon absolut nicht!
>Gruß
>d.
rebus geschichtae auch nicht, würdich meinen.
Thänks fürs Hirninhalt-Durcheinanderbringen, immer mal wieder.
Herzliche Grüsse
Toni
<center>
<HR>
</center> |
dottore
19.05.2001, 23:44
@ Toni
|
Re: Grüß' Dich, Tonerl, herzlichst zurück! (owT) |
<center>
<HR>
</center>
|
fpu
19.05.2001, 23:53
@ dottore
|
Re: Es geht um gerichtsnotorische Fakten! Nenn' mir welche! Dann... |
>Freue mich übrigens auf den neuen URSCHULDNER aus Deinem Stamm.
>Gruß
>d.
Was meinst Du jetzt genau mit Stamm, d.?
der fpu
<center>
<HR>
</center>
|
Shakur
20.05.2001, 02:23
@ dottore
|
Hochinteressant!-owT- |
>>Hallo, dottore,
>>ist es möglich, daß dies sinngemäß auch für manche Annahmen der Geschichtswissenschaft zutreffend könnte?
>>Abendliche Grüße vom Baldur
>Noch und noch!
>Habe gerade den dritten Teil meiner"Was las man zur Karolingerzeit"-Serie in den"Zeitensprüngen" abgeliefert. Darin erscheint ein Berner (Burgerbibliothek!) Kodex Nr. 207 mit einer Runenschrift, die ins 8./9. Jh. datiert wird, die aber nachweislich nicht früher als 10./13. Jh. gefertigt sein kann.
>Es geht nicht um einen Kodex, sondern darum, dass der Text einem anderen Kodex (Diez) der Berliner StaBi entspricht, der als aus der"Palastbibliothek" Karls d. Gr. stammend bezeichnet wird.
>Demnach können wir Carolus Magnus entweder als Runenkundigen aus dem 10. oder als einen der Zisterzienser-Zahlungssystemen Kundigen des 13. Jh. bezeichnen müssen.
>Ist aber nur Kleinkram.
>Was außer den"dark ages" des MA nicht stimmt ("Karl der Fiktive"):
>- die Sumerer sind erfunden ("Sumerer" aus einem Buchtitel des 19. Jh.)
>- die Pharaonen gehören frühestens in - 1. Jtd. (wahrscheinlich ab um -600).
>- Das frühe Rom ist eine Komplett-Fiktion (schon aus dem"Aes Grave" unschwer abzuleiten
>- Athen kann nicht 300 Jahre lange einen grammgenauen Münzstandard gehabt haben
>- Das AT ist 1000 Jahre zu früh datiert (mindestens)
>- Eine"Bibel" kann es kaum vor 1000 gegeben haben
>- Die mittelamerikanischen Kulturen sind komplett falsch datiert (und wann und woher kamen die Olmeken?)
>- Die chinesische Frühgeschichte ist frei erfunden (Jesuiten-Machwerk)
>Und so fort.
>Abgesehen von den in historischer Zeit erlebten Groß-Katastrophen, die allesamt als"Prae-Homo-Sapiens" datiert werden.
>En detail auf Anfrage gern mehr.
>Besten Gruß und nochmals Danke für Deine immer wieder extrem lesenwerten Beiträge; der in Sachen Aurum war eine Klasse für sich.
>Ich glaube, sooo falsch kann das Forum sub summa also nicht liegen. In rebus oeconomicis schon absolut nicht!
>Gruß
>d.
<center>
<HR>
</center> |
Rossi
20.05.2001, 19:37
@ dottore
|
@dottore: Zu Katastrophismus/Wissenschaftstheorie... |
>Dieser Fund bedeutet im Klartext: Die gesamte Palaeographie kann einpacken, nachdem die Biologie schon einpacken muss (siehe das Anti-Darwin-Buch von Burkhard Müller und die dankenswerterweise hier von einem Board-Teilnehmer weiter unten rein gestellten Literaturen (sorry, lieber Freund, Name gerade auch nicht gefunden, waren aber exzellente Hinweise!).
>Wir stehen w i r k l i c h vor einem UMBRUCH diverser Wissenschaften, besser gesagt: in deren Abbruch.
Herzlichen Dank für die warmen Worte. Die Literaturhinweise stammen allerdings teilweise von einem gewissen Walter Ströer. Als"ungläubiger Thomas" bedurften seine sehr interessanten Analysen und Schlußfolgerungen einer eingehenden Überprüfung. Und das hat nebenbei mein bisheriges statisches Weltbild ganz gehörig verändert.
Ein kleiner Auszug aus"How nature works":
Fluctuations and Catastrophes Are Unaivodable
Our conclusion is that large fluctuations observed in economics indicate an economy operating at the self-organized critical state, in which minor shocks can lead to avalanches of all sizes, just like earthquakes. The fluctuations are unaviodable. There is no way that one can stabilize the economy and get rid of the fluctuations through regulations of interest rates or other measures. Eventually something different and quite unexpected will upset any carefully architectured balance, and there will be a major avalanche somewhere else in the system.
In contrast to our critical economy, an equilibrium economy driven by many independent minor shocks would show much smaller fluctuations. Those fluctuations are given by a Gaussian curve, better known as the bell curve which has negligible tails. There is no possibility of having large fluctuations ore catastrophes in an equilibrium economy.
Although economists do not understand the large fluctuations in economics, the fluctuations are certainly there. Karl Marx saw these fluctuations in employment, prices and production as a symbol of the defunct capitalistic society. To him, the capitalistic society goes from crisis to crisis. A centralized economy would eliminate those fluctuations to the benefit of everybody, or at least the working class. Marx argued that a large avalanche, namley a revolution, is the only way of achieving qualitative changes.
Alan Greenspan, chairman of the Federal Reserve, manipulates the interest rate in order to avoid inflationary bursts - even with the prospect of slowing down the economy. Common to Greenspan´s and Marx´s view is the notion that fluctuations are bad and should be avoided in a healthy economy.
If economics is indeed organizing itself to a critical state, it is not even in principle possible to suppress fluctuations. Of course, if absolutely everything is decided centrally, fluctuations could be suppressed. In the sandpile model, one can carefully build the sandpile to the point where all the heights are at their maximum value. However, the amount of computations and decicions that have to done would be astronomical and impossible to implement. And more important, if one succeeded in building this maximally steep pile, then any tiny impact anywhere would cause an enormous collapse. The Soviet empire eventually collapsed in a mega-avalanche (not predicted by Marx). But maybe, as we shall argue, the most efficient state of the economy is one with fluctuations of all sizes.
Kleiner Auszug aus"Das Sandkorn, das die Erde zum Beben bringt":
Diese Buch handelt von Katastrophen und Umwälzungen der verschiedensteten Art: von Erdbeben und Waldbränden, dem Aussterben der Dinosaurier, Börsencrashs und Weltkriegen. Wie sind diese Ereignisse zu erklären? Mit welchen Modellen und Theorien kann man sie beschreiben? So unwahrscheinlich es sich auch anhören mag und so wenig sinnvoll es zunächst zu sein scheint: Seit einiger Zeit werden in der theoretischen Physik Ideen entwickelt, bei denen diese und viele andere dramatische Vorgänge bei all ihrer offensichtlichen Verschiedenheit doch diesselbe Grundstruktur haben. Mehr noch: Diese neuen Ideen sprechen dafür, dass es eine universelle Logik gibt, die in den verschiedensten Bereichen unserer Welt gilt - eine Logik, nach der plötzliche und unvorhersagbare Katastrophen aller Art notwendigerweise auftreten und ein unvermeidlicher Bestandteil des Lebens sind.
Die theoretischen Grundlagen dieser Sichtweise sind den Physikern schon seit über 15 Jahren bekannt. Trotzdem fanden sie in den Forschungsgebieten, in denen sie am nützlichsten sein könnten, bisher nur wenig Beachtung: in den Sozialwissenschaften und in der Geschichte. Manche Wissenschaftler vertreten die Ansicht, der freie Wille des Menschen würde ausschließen, dass man für soziale Systeme tiefere theoretischere Zusammenhänge finden kann. Diese Art zu denken führt jedoch in die Irre, dennn selbst für den Fall, dass die Handlungen eines einzigen Individuums nicht vorhersagbar sind, kann es doch sein, dass es für das kollektive Verhalten von Millionen von Menschen genau festliegende Muster gibt.
"Alle großen Taten und alle großen Gedanken haben in ihren Anfängen etwas Lächerliches" hat Albert Camus einmal geschrieben. Auch als 1987 drei Physiker in einem Büro im Brookhaven National Laboratory in New York an einem eigenartigen kleinen Modell bastelten, sah dies am Anfang lächerlich aus...
Per Bak, Chao Tang und Kurt Weisenfeld beschäftigten sich mit ganz anderen Dingen: Sie versuchten herauszufinden, was passiert, wenn man ein Sandkorn nach dem anderen auf eine jeweils vom Zufall bestimmte Stelle einer Platte streut.
Pysiker stellen gerne triviale Fragen, die sich nach einigem Nachdenken als gar nicht so trivial entpuppen. Das Spiel mit den Sandkörnern ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Es scheint eigentlich ganz klar zu sein, dass ein mächtiger Sandberg heranwächst, wenn man Sand ausstreut. Klar scheint aber auch, dass das nicht beliebig weitergehen kann, denn mit dem Anwachsen des Berges werden die Hänge steiler, und es wird immer wahrscheinlicher, dass das nächste fallende Sandkorn eine Lawine auslöst: Sand rutscht bergab in tiefer liegende Regionen und der Berg wird zunächst wieder niedriger, statt anzuwachsen. Wir stehen vor einem Berg, der abwechselnd anwächst und zusammenfällt - seine Umrisslinie flukturiert.
Bak, Tang und Weisenfeld wollten diese Fluktuationen verstehen: Wie groß ist eine"typische" Lawine? Wie sieht der typische Zeitablauf für das Anwachsen und Schrumpfen des Berges aus?... Schon bald machten Sie einige merkwürdige Beobachtungen. Die erste große Überraschung war die Antwort auf die Frage nach der typischen Lawinengröße. Mit dem Computer ist es leicht, die Zahl der Körner in einer Lawine zu zählen. Deshalb starteten die Forscher Millionen von Lawinen in Tausenden von Sandbergen, um ein typisches Maß zu erhalten. Das Ergebnis war:
Es gab keine typische Lawine! Man beobachtet Lawinen, die nur aus einigen wenigen Sandkörnern bestehen, bei anderen sind es zehn, hundert oder tausend. Wiedere andere wachsen sich zu Katastrophen aus, die den halben Berg erfassen und in die Tiefe reißen. Es scheint, dass sich alles nur irgendwie Mögliche auch irgendwann ereignet...
Das klingt alles so, als ob es nur für Physiker interessant wäre. Aber sehen wir weiter: Die höchst empfindliche Situation, in die der Sandberg ganz von selbst geraten ist, nennt man kritischen Zustand. Die grundlegenden Eigenschaften eines solchen kritischen Zustands kennen die Physiker seit mehr als hundert Jahren, man hat ihn aber bisher nicht ganz ernst genommen und als nebensächlich abgetan, als einen äußerst labilen und seltenen Zustand, der sich nur unter besonders ungewöhnlichen Umständen einstellt. Ein Sandberg scheint dagegen durch die herabrieselnden Körner auf ganz natürliche Weise und zwangsläufig so anzuwachsen, dass er in einen kritischen Zustand übergeht. Das Ergebnis stellte für Bak und seine Kollegen eine Herausforderung dar: Wenn der Sandberg so leicht und ohne weiteres Zutun in den kritischen Zustand gerät, dann könnte doch auch Ähnliches anderswo passieren! Gibt es vielleicht Zonen von Instabilität, die von ihrer Struktur her...ähnlich aufgebaut sind, auch in der Erdkruste, in Wäldern, Ã-kosystemen und möglicherweise in unserem etwas abstraktem Wirtschaftssystem? Denken wir nur an den die ersten paar brechenden Felsen bei Kobe, den einen verhängnisvollen Blitzschlag im Yellowstone-Nationalpark und den ersten völlig unbedeutenden Kursrückgang, der letzlich den Crash von 1987 auslöste: Waren das Sandkörner in einem anderen Spiel? Kann möglicherweise die ganz besondere Organisationsform des kritischen Zustands erklären, warum die Welt als Ganzes derart anfällig für unvorhergesehene Katastrophen ist?
Den Rest müssen Sie leider selbst lesen, ich bin vorerst bei Seite 146 hängengeblieben.
Gruss
Rossi
P.S. Als Häretiker habe ich über Ostern mit Genuß"Wer schrieb das neue Testament? Die Erfindung des christlichen Mythos" von Burton L. Mack gelesen.
Können Sie mir weitere Bücher zu diesem Thema empfehlen? Bald ist Pfingsten...
<center>
<HR>
</center> |
dottore
20.05.2001, 21:28
@ Rossi
|
Re: @dottore: Zu Katastrophismus/Wissenschaftstheorie... |
Hi Rossi,
Danke und Entschuldigung. Ich habe die ganze Latte bestellt und auch anderes ist unterwegs. Mal reinschauen.
>P.S. Als Häretiker habe ich über Ostern mit Genuß"Wer schrieb das neue Testament? Die Erfindung des christlichen Mythos" von Burton L. Mack gelesen.
Tja, große Klasse, obwohl ich schon bei Paulus und erst Recht bei den"Kirchenvätern" nicht seiner Meinung bin.
Wie kann sich vom 2. bis 4. Jh. eine Religion - noch dazu beginnend in den Unterschichten, also einfachen Gemütern (ich habe die"frühchristlichen Gräber in Aquileja, 4. Jh. gerade komplett en detail betrachtet und durchfotografieren lassen: gaaaanz schlichte Sachen, fast schon Mitleid erregend dürftig!)* - ausbreiten, die bereits, siehe auch Tertullian, Origines, Augustinus, Eusebius etc. derart extrem komplizierte Theologien entwickelt.
Da ist doch keiner mit gekommen. Religion muss simpel sein, wenn sie wirken soll (daher die Wucht des Korans). Wenn es aber schon um Finessen der Gottmenschlichkeit-Menschgöttlichkeit-Dreifaltigkeit und Ähnliches geht, da schnallt doch jeder ab.
>Können Sie mir weitere Bücher zu diesem Thema empfehlen? Bald ist Pfingsten...
Suche dringend selbst. Derzeit sehe ich leider nichts. Bin deshalb ebenso für jeden Hinweis dankbar.
Gruß
d.
*) Es gibt Grabplatten, in denen das Christogramm X und P zwischen die römischen Standardabkürzung D. M gemeisselt ist. D = Dis, M = Manibus. Also den Göttern (Deus, deis) und den Vorfahren (bzw. deren"Geistern" = manes). Wie kann man heidnische Vielgöttervorstellungen mit der des einen und einzigen ewigen Gottes vermixen? Da stimmt vermutlich nix. Jedenfalls nicht die Theologie vom Format eines Ratzingers mit dem schlichten Gemüt eines Friauler Winzers überein.
<center>
<HR>
</center>
|
Victor
21.05.2001, 17:51
@ dottore
|
Re: unhaltbar gewordene Theoreme, Dogmen, Beweise, |
Hallo dottore,
hochinteressante Thesen, die du hier aufstellst. Ich würde mich gerne näher mit diesen Themen bestellen.
Was für Einstiegsliteratur rätst du mir?
Danke und Gruss
Victor
<center>
<HR>
</center> |