BossCube
30.05.2001, 10:41 |
Nochmal wg. Ricardo Thread gesperrt |
Hallo Tobias,
ich muß doch noch paar Worte zu Deiner Kritik an D. Ricardo loslassen. Als wir vor einer ganzen Weile sein Außenhandelstheorem behandelten, kamen mir auch Zweifel. Damals, zu Zeiten der Merkantilismus, funktionierte seine Theorie, was sich leicht anhand kleiner Beispiele festmachen läßt. Sie funktioniert aber nur so lange, wie die Produktionsfaktoren nicht mobil sind. Damals wurden doch im wesentlichen nur die Güter getauscht, Arbeitskräfte und Kapital waren doch kaum mobil. Der komparativen Vorteil anderer Nationen brachte mir beim Handel mit denen sehr wohl einen nutzen ein. Der Handel spielte sich großteils auch nur im"Norden" ab und jedes Land hatte auf bestimmten Gebieten gewisse Fertigkeiten. Heute aber sind alles Faktoren mobil und die Länder, die sich auf viele Gebieten Vorteile"erarbeitet" haben dehnen die auch auf andere Bereiche aus, indem sie die Ressourcen und Arbeitskräfte der anderen an sich saugen. Das hat eben dazu geführt, daß sich fast die ganze"Wertschöpfung" der Welt im Norden ("Westen") abspielt, während alles weiter"unten" im wesentlichen zu Rohstofflieferanten degradiert wurde. Einmal ins Hintertreffen geraten, waren und werden diese Länder nie in der Lage sein, einmal verlorenes Territorium zurückzugewinnen.
Im Norden selber stellt sich für mich jetzt die Frage, ob wir nicht einer erneuten Abschottung entgegengehen. Auch untereinander merken die Länder hier, daß sich gewisse"Kernkompetenzen" in bestimmten Ländern ballen, die dann der Entwicklung einer eigenen Industrie keine Chance lassen. Die Anfänge werden jetzt in den USA und auch bei uns mit der Übergangsfrist für Osteuropäische Arbeitskräfte gemacht. Weitere Schritte werden folgen. Ich sehe es so kommen, daß viele Regierungen es einfach nicht mehr verkaufen können, zwar im Sinne des freien Marktes zu handeln, dafür aber im eingenen Land deutlich Arbeitslosigkeit zu fördern. Ach, und ganz zu schweigen von den Ländern der Dritten Welt, die sich eines Tages weigern werden, ihre Rohstoffe für ein Butterbrot an uns zu verkaufen.
So long
Jan
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Ricardo
30.05.2001, 14:27
@ BossCube
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Ricardo ein Merkantilist (Kameralist)!? |
ganz im Gegenteil.
Merkantilistisches Denken war geprägt durch die Gleichsetzung Geld (=Gold+Silber) = Wohlstand. Ein Land wurde als reich betrachtet, wenn es über einen möglichst großen Edelmetallbestand verfügte. Da die neue Produktion von Gold + Silber begrenzt war, wurde der gesamte verfügbare Wohlstand (in Europa) als gegeben betrachtet, von dem man sich ein möglichst großes Stück sichern sollte. Es sollte ein möglichst hoher Handelsbilanzsaldo (Exportüberschuß) erwirtschaftet (Zufluß von Edelmetallen) werden, indem Importe beschränkt (durch Zölle) und Exporte gefördert wurden. Die gesamte Wertschöpfung sollte sich im eigenen Land abspielen. Das Verbot der Getreideausfuhr diente unter diesen feudalen Regimen (man achte auf Parallelen der Gegenwart) nur einem einzigen Zweck: Die Lohnkosten für die exportträchtigeren Güter zu senken. Es ging den Merkantilisten also gar nicht um freien grenzüberschreitenden Handel.
Ricardo hingegen argumentierte, das restriktiver Handel zu Wachstums- und damit zu Wohlstandsverlusten aller(!) führt (wegen des damit verbundenen insgesammt höher ausfallenden Lohnkostenniveaus), und damit den komparativen (kosten-oder wissens-) Vorteil zunichte macht. Das wettbewerbsmäßige Ausnutzen komparativer Vorteile solle stagnationstendenzen aller Länder verhindern. Das ricardianische Theorem komparativer Vorteile kann damit auch als Plädoye freien Wettbewerbs verstanden werden. Praktische Beispiele aus der Gegenwart gibt es genügend.
Grüsse
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BossCube
30.05.2001, 14:35
@ Ricardo
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Genau so ist es. |
>ganz im Gegenteil.
>Merkantilistisches Denken war geprägt durch die Gleichsetzung Geld (=Gold+Silber) = Wohlstand. Ein Land wurde als reich betrachtet, wenn es über einen möglichst großen Edelmetallbestand verfügte. Da die neue Produktion von Gold + Silber begrenzt war, wurde der gesamte verfügbare Wohlstand (in Europa) als gegeben betrachtet, von dem man sich ein möglichst großes Stück sichern sollte. Es sollte ein möglichst hoher Handelsbilanzsaldo (Exportüberschuß) erwirtschaftet (Zufluß von Edelmetallen) werden, indem Importe beschränkt (durch Zölle) und Exporte gefördert wurden. Die gesamte Wertschöpfung sollte sich im eigenen Land abspielen. Das Verbot der Getreideausfuhr diente unter diesen feudalen Regimen (man achte auf Parallelen der Gegenwart) nur einem einzigen Zweck: Die Lohnkosten für die exportträchtigeren Güter zu senken. Es ging den Merkantilisten also gar nicht um freien grenzüberschreitenden Handel.
>Ricardo hingegen argumentierte, das restriktiver Handel zu Wachstums- und damit zu Wohlstandsverlusten aller(!) führt (wegen des damit verbundenen insgesammt höher ausfallenden Lohnkostenniveaus), und damit den komparativen (kosten-oder wissens-) Vorteil zunichte macht. Das wettbewerbsmäßige Ausnutzen komparativer Vorteile solle stagnationstendenzen aller Länder verhindern. Das ricardianische Theorem komparativer Vorteile kann damit auch als Plädoye freien Wettbewerbs verstanden werden. Praktische Beispiele aus der Gegenwart gibt es genügend.
>Grüsse
Merkantilismus (übrigens auch Bullionismus in England genannt) zielt darauf ab, Geld im eigenen Land zu horten, also eine stark aktive Handelsbilanz zu haben und sich nach außen abzuschotten. Klar, daß die Handelspartner auf lange Sicht zugrunde gehen, wenn ich nur verkaufen und nicht mit ihnen handeln will. Wie ich aber sagte, sehe ich heute das Problem darin, daß viele Länder überhaupt nicht mehr in die Position kommen, anerkannte Handelspartner zu werden, weil sie keine komparative Vorteile entwickeln können. Um den Teufelskreislauf zu durchbrechen (ob es geling, ist fraglich), werden wieder merkantilistische Schranken aufgebaut.
Ahoi!
J.
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