Hi,
hier ein Text (AuszĂŒge) und einige Anmerkungen dazu; denn wir suchen genau das und wollen prĂŒfen, ob es ein"Warengeld" vor dem PhĂ€nomen Kredit & Kreditgeld gegeben hat:
Money before Coinage and the invention of Coinage
"Coins in antiquity can be defined as pieces of metal issued as carefully measured units of a weight standard, and marked with a symbol or inscription which identified the authority which guaranteed their value."
Dies ist zunÀchst klar. Die Frage nach den"authorities" ist noch nicht geklÀrt.
Es gibt frĂŒhe Elektron-StĂŒcke mit (lykischen?) Buchstaben, die als VALVEL oder PHANES (retrograd geschrieben) gedeutet werden. Man geht in der Numismatik davon aus, dass es sich in diesem Fall um private AutoritĂ€ten gehandelt hat. (Ich werde ein StĂŒck zu EWT II mitbringen).
Die hier schon oft diskutierten (in EWT I schon gezeigten) Statere des legendĂ€ren Kroisos (Funde erst im vorigen Jh. bei Ausgrabungen des Artemis-Tempels in Ephesos) gibt es in zwei Varianten, im 10-g- und im 8-g-Standard. Daraus ist zu schlieĂen, dass eine Abwertung der MĂŒnzen statt gefunden hat (MĂŒnzbilder absolut gleich).
Diese Abwertung kann nur den Zweck gehabt haben, in (alten) Stateren kontrahierte Schulden mit Hilfe neuer Statere zurĂŒck zu zahlen. Die (staatliche) AutoritĂ€t hat also ihre AutoritĂ€s-Monopol offensichtlich missbraucht.
Ăberdies zeigen die Ausgrabungen der Cornell University unter dem Ehepaar Ramage in Sardeis (TĂŒrkei), das Kroisos (falls er es war, jedenfalls war Sardeis seine Hauptstadt) eine groĂe Affinerie angelegt hatte, um Gold und Silber zu trennen.
Diese Investition muss mit irgendetwas bezahlt worden sein und da sie nicht mit den neuen MĂŒnzen gezahlt sein konnte, da die Metalltrennung erst noch vorgenommen werden musste, muss es eine Form der ĂberbrĂŒckung des Investitionszeitraums gegeben haben (wurden freie Lohnarbeiter bezahlt, ist das sofort klar; wurden Sklaven eingesetzt, dann mussten sie ernĂ€hrt werden, was wiederum den Kauf von Nahrungsmitteln zur Folge hatte).
"Coinage has three key functions: to serve as a medium of exchange, as a store of wealth, and as a measure of value. Its ability to perform these functions efficiently sets it above other forms of currency, such as uncoined metals, and an array of goods and services, though it never completely replaced them at any stage in antiquity and in the centuries up to the modern era."
Diese"Dreierfunktion" wird zwar immer gern wiederholt, ist aber nur bedingt richtig.
1."Medium of exchange" (Tauschmittel) fĂŒhrt in die Irre, da die MĂŒnzen wegen ihres groĂen Wertes TauschvorgĂ€nge (Ware A in Ware B) nicht erleichert, sondern erschwert hĂ€tten. Die MĂŒnzen waren ihrerseits selbst Tauschgegenstand. Tauschen setzt Waren voraus, die sich aus Sachen nur entwickeln können, indem sie beabeitet werden, was wiederum ein ZeitphĂ€nomen dar stellt. Es ist nicht vorstellbar, dass ich das Tauschgut (Ware) MĂŒnze gegen Sachen tausche, die ihrerseits keine Waren sind.
Hinzu kommt das PhÀnomen des Marktes, der seinerseits ebenfalls ein PhÀnomen des Zeitablaufs ist (etwas zum Markt tragen, etwas dort kaufen (oder tauschen), aber es nicht zeitgleich mit der Hergabe einer anderen Ware bezahlen, usw.)
2."Store of wealth" (Wertaufbewahrungsmittel) ist ebenfalls irrefĂŒhrend, da nicht der Wert des Metalls selbst konserviert werden sollte, da das Metall aufgrund seiner physischen Eigenschaften nichts an sich selbst verlieren also wertloser werden kann. Es geht also um andere Werte, d.h. als letztlich Preise, denn wo es keine Preise gibt, ist auch ein Wert unvorstellbar - es sei denn wir habe es immer nur mit zwei Personen zu tun, ĂŒber deren individuelle Wertvorstellungen Dritte und Vierte sich nicht zu kĂŒmmern haben.
Hat etwas nur fĂŒr einen (oder eine Transaktion zwischen zwei Parteien) einen"Wert" (die Beispiele"Braut","HĂ€uptlingsfedern" usw.), kann es niemals Geld sein, da es nicht zedierbar ist (Braut ist nur einmal vorhanden und kann nicht mehrmals an verschiedene MĂ€nner verheiratet werden; HĂ€uptling sind nicht alle Indianer, usw.).
<font color="FF0000">Warengeld ist aus einem"Wert" bzw. einer"WertschĂ€tzung" allein nicht ableitbar. Wenn mir etwas gefĂ€llt, aber anderen nicht, hat es fĂŒr andere keinen Wert.</font>
Wir kommen also peu Ă peu zu etwas, das einen Wert unabhĂ€ngig von der individuellen EinschĂ€tzung einzelner haben muss. Und das diesen Wert auch behĂ€lt (und nicht etwa aufgrund einer vorĂŒbergehenden Laune mal wertvoll, dann wieder wertlos wird - wir kennen das PhĂ€nomen vom Aktienmarkt).
<font color="FF0000">Dieser Wert wiederum kann nur etwas sein, das auf einen gemeinsamen Nenner fĂŒr alle anderen hinauslĂ€uft. Da der Wert, bezogen allein auf etwas Dingliches, stark schwanken und ergo fĂŒr jeden ganz verschieden sein kann, mĂŒssen wir also etwas finden, das seinen Wert möglichst dergestalt behĂ€lt, dass der Wert nicht nur heute, sondern auch in absehbarer Zukunft hat.</font>
Dabei stoĂen wir zunĂ€chst auf Dinge, die zum Leben notwendig sind, in Sonderheit Nahrungsmittel, weshalb wir in den frĂŒhen ĂŒberlieferten Kontrakten Entsprechendes ausgedrĂŒckt finden. (Ich werde dazu noch weitere Beispiele reinstellen). Aus der Tatsache, dass ich heute essen muss, ergibt sich die Tatsache, dass ich es auch Morgen oder in drei Monaten tun muss.
Nahrungsmittel (ausgedrĂŒckt in Kontrakten z.B. ĂŒber Getreidelieferungen) sind aber dem Risiko ausgesetzt, dass sie bei Lieferung möglicherweise nicht benötigt werden, also nicht nur der Eigenverbrauch wenig sinnvoll, sondern auch die Verarbeitung und der anschlieĂende Verkauf nur mit Verlusten möglich ist (ich hatte daraus eine Zinstheorie abgeleitet, die besagt, dass der Zins das Risiko des Wertverlustes bei KontrakterfĂŒllung also Lieferung kompensieren muss).
Nun haben wir aber ein"Medium", das auch dieses Risiko ausschlieĂt, nĂ€mlich Edelmetall. Dieses kann ich - als Ware! - bei KontrakterfĂŒllung (Lieferung) unschwer zeitlich vortragen, da es keinem physischen Verfall unterliegt.
<font color="FF0000">Der gemeinsame Nenner fĂŒr alle am Wirtschaften Partizipierenden ist also nicht der Wert (fĂŒr jeden individuell schwankend), der auf einer Ware liegt, sondern die Zeit (fĂŒr jeden absolut gleich ablaufend). Dies ist wiederum Edelmetall. Dessen Wert kann - bezogen auf alle anderen Waren (egal wie sie individuell bewertet werden) - fĂŒr alle nur gleich sein, da alle dem selben Zeitablauf unterliegen.</font>
Der Kontrakt ĂŒber Edelmetall kann ohne Zinsen ausgestellt sein (Beispiele kommen in einem spĂ€teren Posting), aber auch mit Zins versehen, was dann bedeutet: Der Zins ist die PrĂ€mie dafĂŒr, dass ich in der Zeit, in der ich ĂŒber das geliehene Metall verfĂŒgen kann, wiederum die Wahl habe, nach meinen individuellen WertschĂ€tzungen vorzugehen.
Ich muss das Metall nicht am gleichen Tag weiter tauschen, an dem ich es geliehen habe, sondern ich habe die Möglichkeit, Tauschobjekt und Tauschzeitpunkt so zu wĂ€hlen, wie ich es will, d.h. ich kann handeln oder warten ohne dass mich das Warten mit Wertverlust bestraft. Das Metall gibt mir eine Option, die ich ausĂŒben kann oder auch nicht.
FĂŒr diese Option muss ich in der Regel wiederum eine PrĂ€mie bezahlen ("Zins"). Alles ĂŒbrigens unbeschadet der Tatsache etwaiger Besicherungen des Kontraktes. Sollte ich z.B. mit einem Fall bestimmter Preise von bestimmten Waren rechnen, ohne allerdings zu wissen, wann dies eintreten wird, kann ich risikolos warten, was wiederum ein ZeitĂŒberbrĂŒckungsphĂ€nomen ist und ergo etwas kostet.
Rechne ich mit Preissteigerungen anderer Waren, leihe ich mir das Metall sofort und tausche es auch sofort in diese Waren. Dann habe ich zwar die PrĂ€mie fĂŒr das Ausleihen von Silber zu entrichten, aber dies kann ich verschmerzen, wenn ich durch die Nutzung des Preisunterschieds der Waren (heute niedrig, alsbald hoch) diese PrĂ€mie kompensieren kann.
Durch den RĂŒcktausch der teureren Waren in Metall"verdiene" ich dann mit Leichtigkeit just jenes zusĂ€tzliche Silber, das ich bei FĂ€lligkeit des Kontraktes meinerseits an den Silber-"Vermieter" zurĂŒckgeben muss.
Das Silber bleibt nach wie vor Tauschgegenstand.
3."Measure of value". Dies ist zunĂ€chst einleuchtend, kann aber - da wir es immer nur und noch mit Warentausch zu tun haben - rasch umgekehrt werden: Nicht das Silber ist dann"Wertmesser" fĂŒr Getreide, sondern dieses"Wertmesser" fĂŒr Silber.
Der Punkt 3. macht also nur Sinn, wenn sÀmtliche Teilnehmer den Prozess sub 2. bereits vollzogen bzw. akzeptiert oder simpel gesagt: kapiert haben.
Nun weiter zum Text:
âPre-coinageâ societies
"Many different forms of money were in use before the invention of coinage (in the mid-7th century BC in Asia Minor and, independently, a little later in China). The particular items employed reflect the resources available to a community as well as the nature of their own culture. Rural Aztec communities, for example, employed cocoa beans as money. We can establish a broad division between natural products which were used as currency, such as grain or wine, which can be termed âstaple itemsâ, on the one hand, and precious objects, and more specifically metals, which fall into the general category of âwealth itemsâ. There are many instances of both though in general staple items served as money in communities of all sizes, while the use of âwealth itemsâ (in addition to âstaple itemsâ) tends to be characteristic of complex societies. The use of money in âpre-coinageâ societies is often highlighted in surviving law codes. A famous example, now preserved in the Louvre (Paris) is the Code of Hammurabi (an Old Babylonian king who lived between 1792 and 1750 BC), in which many of the laws recorded on this stone also set out the appropriate fines in money for transgressions."
Das SchlĂŒsselwort ist zunĂ€chst"currency". Denn wenn es"money" wĂ€re, wĂŒrde es dort stehen. Allerdings wechselt der Autor wenig spĂ€ter doch zu"money" - ohne zu erklĂ€ren, was denn der Unterschied zwischen"currency" und"money" sei.
Darin liegt ein unzulÀssiger Bruch. Oder der in Geldtheorien immer wieder zu beobachtende Versuch, aus Sachen- in Schuldrecht zu wechseln und umgekehrt. Currency ist Ware und Tauschgegenstand (Sachenrecht). Money ist mit Sicherheit unterlegte Forderung, die zediert werden kann (Schuldrecht).
Auf der Hamurabi-Stele im Louvre ist ein sog. Ringstab zu sehen, der ganz genau das PhÀnomen Sachenrecht und Schuldrecht symbolisiert. Sachenrecht: der Stab in dem Sinne, dass mit seiner Hilfe Eigentum abgesteckt wurde. Schuldrecht: der Ring, der den Vertragsschluss zweier Parteien symbolisiert: Er ist an einer Stelle zusammengesteckt (Scharnier). Zwei Teile, die nur auf der Abbildung der Stele als ein Teil erscheinen.
(Vielleicht könnte jemand die Stelle (weltberĂŒhmt) als Optik hier reinstellen, weil ich derzeit keine Bilder offerieren kann. Sonst mache ich es gern selbst, möglichst heute Abend.
Ich besitze einen solchen Ringstab (Fundort vermutlich Susa), den ich in EWT II gern zur Begutachtung vorlege.
Das Gesetz des Hamurabi Ă€hnelt sehr den mosaischen Vorschriften bzgl. Schadensersatz, Schuld und Tilgung, was auf EWT II (oder schon frĂŒher hier im Board) gern detailliert besprochen werden kann.
Nun weiter im Text:
"The following two examples from the Code are instructive. If a man cuts down a tree in another manâs orchard without the consent of the owner of the orchard, he shall pay one half-mina of silver."
Da Schadensersatz: klassiches Sachenrecht. Und hier das Schuldrecht:
"If a man borrows grain or money from a merchant and does not have the grain or money to pay (it) back, but has (other) goods, he shall give to his merchant whatever there is in his possession (affirming) before witnesses that he will bring (it), while the merchant shall accept (it) without making any objections. These examples illustrate, in the context of the Babylonian Empire, the importance of silver in official payments, the use of weight standards, and the existence of laws to govern the practice of lending money at interest."
Wir haben es also hier bereits mit einem voll ausgebildeten Sachen- und Schuldrecht und damit selbstverstÀndlich auch mit"Geld" zu tun. Und weiter:
The invention of coinage
"In the years around or shortly after 650 BC the first objects were made which we can describe as coins. Here begins the western tradition of coinage. These coins were small, globular-shaped bits of electrum, an alloy of gold and silver more popularly known as âwhite goldâ, which occurs naturally in several river-beds of the west Asia Minor, notably the river Paktolos which lies in the land of the Lydians.
The first examples were found during the early 20th century in the excavations of the British Museum at the temple of Artemis at Ephesos."
Werden - wie gesagt - auf EWT II ausgestellt. Und weiter:
"Many of these coins bear a design, and their different sizes can be fitted into a carefully calculated system of weight standards. Both these characteristics illustrate that an authority was behind these first coins, but the identity of that issuing authority (or authorities) has been debated. Ancient writers like Herodotos appear to attribute the first coins to the Lydians. <font color="FF0000">Installations for the smelting and refining of precious metals, including electrum, have been found at the capital of the Lydians, Sardeis, through which runs the river Paktolos. To the present day their king Kroisos remains famous for his wealth; he minted coins in electrum, but the first to mint electrum was one of his predecessors."</font>
Hier sehen wir also wieder das Problem der Investition bzw. der ZeitĂŒberbrĂŒckung zur Herstellung von MĂŒnzen deutlich. Selbst wenn wir zum vormĂŒnzlichen Edelmetall zurĂŒck gehen, stehen wir immer wieder vor dem gleichen PhĂ€nomen. Irgendwann ist aus der Sache Edelmetall die Ware Edelmetall geworden.
Sachen sind zwar ebenfalls tauschbar, aber immer nur in einem sehr kleinen Umfang (normalerweise sogar nur zwischen A und B). Wollen wir zur Ware kommen (damit zu MĂ€rkten und Preisen) mĂŒssen wir den Kreis der Interessierten erweitern, also derjenigen, die an der Ware ein (in etwa) gleiches Interesse haben.
Erst wenn C, D, E usw. auftreten und ebenfalls Interesse an der Ware bekunden, können wir von einer Tauschwirtschaft sprechen (Waren = TauschgegenstĂ€nde, Edelmetall = standardisierter Tauschgegenstand wg. des fĂŒr alle selben Zeitablaufs, siehe oben; statt Edelmetall sind auch andere Waren möglich, je nach kollektiver"kultureller" EinschĂ€tzung).
Von einer Geldwirtschaft aber können wir erst sprechen, wenn sich das Interesse an Waren nicht nur auf Warentausch zu einem Zeitpunkt beschrĂ€nkt, sondern auf beliebig in die Zukunft vortragbare Zeitpunkte, ergo ZeitrĂ€ume. Dazu bedarf es des oben beschriebenen Kredits, der zessionsfĂ€hig wird, wenn er mit mehr als nur der erhofften RĂŒckzahlung unterlegt ist, nĂ€mlich mit einer zusĂ€tzlichen Besicherung.
<font color="FF0000">Der Schluss: Da die Verwandlung einer Edelmetall-Sache bzw. Edelmetall enthaltenden Sache in eine Ware (zunĂ€chst Silber, spĂ€ter SilbermĂŒnzen) immer ein ZeitphĂ€nomen beinhaltet, kann die Ware (!) Edelmetall nur auf dem Weg der ZeitĂŒberbrĂŒckung entstanden sein, was logischerweise Finanzierungen und ergo Kredite/Schulden voraussetzt.</font>
Und endlich (Danke schön fĂŒr die immense Lese-Geduld!):
Money from Antiquity
to the Modern Age
"Coinage was only one particular means of exchange. In Antiquity barter was probably very often a more prevalent practice, especially in small rural towns away from the capitals. Today, as in antiquity, only certain types of transactions are carried out with coins. The earliest coins, made of electrum and then gold and silver, for example, were too valuable to be used for everyday purchases. Today we commonly use banknotes, credit cards, or giro payments, retaining coins for certain through very common, âlow levelâ transactions."
"Exchange" und"barter" erklĂ€ren wiederum just das ausfĂŒhrlich Vorgetragene.
GruĂ
d.
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