Talleyrand
21.06.2001, 10:14 |
Fontvielle & Dottore: bitte eure Debatte über Zeitenwende unbedingt fortführen!Thread gesperrt |
Hochinteressantes Thema, spannend bleibt auch die von Euch selbst aufgeworfene Frage über die Änderung der Christus-Vorstellung. (Vom Helden zum Gekreuzigten)Ist man da weiter vorgedrungen? Meine Deutung: in finsterer Zeit der Entbehrung liess sich so besser"verkaufen", daß alle ein Kreuz zu tragen haben. Wie passt das ins Bild? Welche anderen Deutungen gibt es?
Gruss! T.
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Baldur der Ketzer
21.06.2001, 10:59
@ Talleyrand
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Re: Fontvielle & Dottore: bitte eure Debatte über Zeitenwende unbedingt fortführen! |
>Hochinteressantes Thema, spannend bleibt auch die von Euch selbst aufgeworfene Frage über die Änderung der Christus-Vorstellung. (Vom Helden zum Gekreuzigten)Ist man da weiter vorgedrungen? Meine Deutung: in finsterer Zeit der Entbehrung liess sich so besser"verkaufen", daß alle ein Kreuz zu tragen haben. Wie passt das ins Bild? Welche anderen Deutungen gibt es?
>Gruss! T.
Hallo, Talleyrand,
interessanter Gedanke, zumal ja Klerus nur gedeiht in einem Umfeld der Angst.
Gibts keine Angst, muß welche eingeflößt werden.
Also Tod, Leid, Grausamkeit, Elend, und wenn es suggeriert oder postuliert wird (Fegefeuer, Hölle).
Der leidende Christus, der uns täglich aus dem herrgottswinkel heraus anblickt.
Der Priester, der bei beisetzungen desjenigen oder derjenigen gedenkt, der dem Verblichenen, der verblichenen als nächste(r) nachfolgen wird.......
Schauder und Gänsehaut, wie bei der Verwandlung der Hostie und des Meßweines, na, du weißt schon.
Alles Gänsehautthemen.
FronLEICHNAM.
Alles Todesbezogen.
Was den Vorteil hat, keine beweisbaren Antworten, sondern nur Modelle verkaufen zu können.
beste GRüße vom Baldur
P.S.: das erinenrt mich so an ein Schild an der Wand bei einem Bekannten:
drauf steht: BEI ALARM BITTE WENDEN..........
und hinten drauf, wie könnte es anders sein:
NUR BEI ALARM, DU DEPP............
Ein Ketzer, der Böses dabei denkt.
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dottore
21.06.2001, 13:42
@ Talleyrand
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Re: Fontvielle & Dottore: bitte eure Debatte über Zeitenwende unbedingt fortführen! |
>Hochinteressantes Thema, spannend bleibt auch die von Euch selbst aufgeworfene Frage über die Änderung der Christus-Vorstellung. (Vom Helden zum Gekreuzigten)Ist man da weiter vorgedrungen? Meine Deutung: in finsterer Zeit der Entbehrung liess sich so besser"verkaufen", daß alle ein Kreuz zu tragen haben. Wie passt das ins Bild? Welche anderen Deutungen gibt es?
>Gruss! T.
Sehr gute Frage, ich habe noch keine Antwort. Ich habe ein Buch in Vorbereitung, das sich mit dem Kreuz- und Christogramm-Phänomen beschäftigen soll. Noch sammle ich Stoff (siehe das"Uwe"-Mosaik mit X P hinter einem"Christuskopf", was aber als Christus-Interpretation erkennbar lächerlich ist, im British Museum).
Dummerweise habe ich gerade auch noch einen Codex entdeckt, bei dem auf einer Av-Seite der am Kreuz leidende Christus gezeigt wird, und Rv der triumphierende Weltenrichter. Entstehungsgebiet: Friaul. Datierung sehr vage (12. Jh.?).
Vielleicht scheitere ich an dem ganzen Kram, vielleicht gibt es auch eine ganz einfache Erklärung (z.B. regionale Differenzierungen). Bisher arbeite ich mit der Hypothese Pantokrator vor Gekreuzigtem. Und den Paradigmenwechsel muss etwas verursacht haben - aber was?
Gruß
d.
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Talleyrand
21.06.2001, 14:24
@ dottore
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Kam das neue Paradigma im 3ten Jahrhundert? oT |
>>Hochinteressantes Thema, spannend bleibt auch die von Euch selbst aufgeworfene Frage über die Änderung der Christus-Vorstellung. (Vom Helden zum Gekreuzigten)Ist man da weiter vorgedrungen? Meine Deutung: in finsterer Zeit der Entbehrung liess sich so besser"verkaufen", daß alle ein Kreuz zu tragen haben. Wie passt das ins Bild? Welche anderen Deutungen gibt es?
>>Gruss! T.
>Sehr gute Frage, ich habe noch keine Antwort. Ich habe ein Buch in Vorbereitung, das sich mit dem Kreuz- und Christogramm-Phänomen beschäftigen soll. Noch sammle ich Stoff (siehe das"Uwe"-Mosaik mit X P hinter einem"Christuskopf", was aber als Christus-Interpretation erkennbar lächerlich ist, im British Museum).
>Dummerweise habe ich gerade auch noch einen Codex entdeckt, bei dem auf einer Av-Seite der am Kreuz leidende Christus gezeigt wird, und Rv der triumphierende Weltenrichter. Entstehungsgebiet: Friaul. Datierung sehr vage (12. Jh.?).
>Vielleicht scheitere ich an dem ganzen Kram, vielleicht gibt es auch eine ganz einfache Erklärung (z.B. regionale Differenzierungen). Bisher arbeite ich mit der Hypothese Pantokrator vor Gekreuzigtem. Und den Paradigmenwechsel muss etwas verursacht haben - aber was?
>Gruß
>d.
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Fontvieille
21.06.2001, 17:31
@ Talleyrand
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Re: Fontvielle & Dottore: bitte eure Debatte über Zeitenwende unbedingt fortführen! |
>Hochinteressantes Thema, spannend bleibt auch die von Euch selbst aufgeworfene Frage über die Änderung der Christus-Vorstellung. (Vom Helden zum Gekreuzigten)Ist man da weiter vorgedrungen? Meine Deutung: in finsterer Zeit der Entbehrung liess sich so besser"verkaufen", daß alle ein Kreuz zu tragen haben. Wie passt das ins Bild? Welche anderen Deutungen gibt es?
>Gruss! T.
Hallo Talleyrand,
also in der Mittelalter-Runde von gestern kam eigentlich das Christus-Bild nicht vor, das muß dottore irgendwann vorher aufgeworfen haben. Meine Geschichtskenntnisse sind nur rudimentär, deshalb rege ich ja solche Debatten an, aber zum Christusbild habe ich eine andere Meinung. Die Sache"Held" oder"Gekreuzigter" ist nicht einfach in die eine oder andere Richtung gelaufen. Zunächst einmal muß man sich fragen, was man jeweils unter einem"Helden" versteht. Heutzutage sind Boris Becker, Bill Gates, Toni Blair oder auch aktuell Madonna zum Beispiel"Helden". Allen gemeinsam ist, daß sie einen überdurchschnittlichen Erfolg auf der materiell-irdischen Ebene vorweisen können, jeder auf einem anderen Gebiet. Unter einem solchen Blickwinkel ist jemand, der sich wehrlos foltern und grausam töten lässt, kein Held. Wenn der Blickwinkel aber sich von der rein materiell-irdischen Ebene abwendet und andere Werte in den Mittelpunkt stellt wie z.B. Anständigkeit und Bescheidenheit, dann ändert sich das Bild und mancher"Held" könnte als unbescheiden oder zu egoistisch aus dem Raster herausfallen (also kein Held mehr sein) und dann könnte jemand wie Christus ganz anders dastehen, und trotzdem gleichzeitig der"Gekreuzigte Looser" bleiben.
Der jeweilige Blickwinkel ist natürlich von Mensch zu Mensch verschieden und damit subjektiv und individuell. Trotzdem läßt sich auch ein"kollektiver", von einer Mehrheit getragener Blickwinkel auf alles mögliche, auch auf das Phänomen"Held" oder"gekreuzigter Looser" feststellen. Damit kommen wir wieder zum"Mittelalter". Soweit ich informiert bin, hatten die nicht ganz so große Schwierigkeiten,"irdischen Looser" und"geistigen Helden" gleichzeitig zu sehen. Jedenfalls stand wohl das"Jenseitige" (mit allen Perversionen und Mißbrauch seitens der Kirche) mehr im Vordergrund des Interesses, als das"Diesseitige". In der jüngeren Geschichte standen an ernst genommenen Grundansichten ( nenne es auch Ideologie oder Ersatzreligion) eigentlich nur zwei völlig diesseitige, materialistische zur Verfügung: der Kommunismus und der Kapitalismus. Der eine ist schon pleite, der andere könnte es noch werden. Und wenn das mit der zyklischen Wiederkehr von Grundmustern stimmt, dann werden wir in einer noch fernen Zukunft wieder mehr"Jenseitigkeit" bekommen (mit allem Mißbrauch, der damit getrieben werden kann).
Ich wollte mal anfangen, über solche größeren Zeitenwenden zu diskutieren, sehe aber, wie schwierig das ist, weil die Ebene sehr abstrakt und abgehoben ist und der Bezug zum normalen Leben sich nicht so einfach von selber ergibt. Er ist aber schon da, denn unsere Sichtweise und Prioritäten bestimmen viele Bereiche des realen Alltags, wie man am Unterschied von westlichen zu islamischen Staaten als Beispiel sehen kann.
Gruß, F.
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Talleyrand
21.06.2001, 17:55
@ Fontvieille
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Auch heute noch muss Cartago zerstört werden - immer wieder neu - immer alt. |
>Ich wollte mal anfangen, über solche größeren Zeitenwenden zu diskutieren, sehe aber, wie schwierig das ist, weil die Ebene sehr abstrakt und abgehoben ist und der Bezug zum normalen Leben sich nicht so einfach von selber ergibt. Er ist aber schon da, denn unsere Sichtweise und Prioritäten bestimmen viele Bereiche des realen Alltags, wie man am Unterschied von westlichen zu islamischen Staaten als Beispiel sehen kann.
>Gruß, F.
Wenn man so will, dann befinden sich islamische Staaten in gewisser Hinsicht im Mittelalter. Mancher würde sagen"noch" im Mittelalter, aber Du hast ja fantastisch dargelegt, daß diese Zeiträume eben eine völlig andere Qualität als"Rückständig" oder"Modern" besitzen. Sie sind so einfach nicht zu fassen. Der Punkt, daß es z.Bsp. keine Kanalisation ("hier" nicht,"dort" aber schon seit langem, und"drüben" kennt man sowas schon seit langem nicht mehr) im Mittelalter unserer Breiten gab, macht die Diskussion sehr schwierig, weil man sogar ständig in erklärenden / relativierenden"in Fussnoten" sprechen muss. Die Begriffe sind hier entweder unklar, falsch oder verschieden besetzt, sodaß eine Diskussion darüber niemals ein statisches Ergebnis bringen kann.
Hat man sich für einen Moment geeinigt, zerfällt das Meinungs-Produkt sofort wieder in seine Bestandteile, um sich neu zu formieren. Es ist wie die hier viel zu selten:-) gestellte Frage:"was ist eigentlich Geld?"
Gruss! T.
Im Übrigen meine ich, daß das Mittelalter immer und zu allen Zeiten, so auch heute, neben der Moderne und sogar neben der Antike existiert hat.
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dottore
21.06.2001, 17:56
@ Fontvieille
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Re: Sehr interessant! Nur wann wurde aus Held A Held B? Until next week! (owT) |
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Fontvieille
21.06.2001, 18:28
@ Talleyrand
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Re: Auch heute noch muss Cartago zerstört werden - immer wieder neu - immer alt. |
>Im Übrigen meine ich, daß das Mittelalter immer und zu allen Zeiten, so auch heute, neben der Moderne und sogar neben der Antike existiert hat.<
Klar, es gibt alles immer überall und zu allen Zeiten. Auch im Mittelalter hat es sicher realistische Zeitgenossen gegeben, die sich die Haare darüber gerauft haben, wie man seine Zeit mit Diskussionen über"Wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze" oder"ist der Same des Satans kalt oder lauwarm" verschwenden kann. Ernsthafter gesagt, da hat es bestimmt auch Leute gegeben, die an ein Jenseits überhaupt nicht geglaubt haben, die haben das dann aber nicht laut sagen können. Die Folgen wären genauso fürchterlich gewesen wie für einen bekennenden Christen in der Sowjetunion zu ihren besten Zeiten.
Interessant ist, welche Grundhaltung sich bei der Mehrheit durchsetzt, und da sind schon bestimmbare große Richtungen für bestimmte Zeiten in bestimmten Regionen feststellbar. Ausgehend von der Annahme, daß auch solche Sachen einer gewissen Zyklik unterliegen, und angetrieben von einer großen Neugierde, wollte ich mal sehen, was uns so alles in Zukunft erwarten könnte. Da die Zeiträume aber groß und die Entwicklungsgeschwindigkeit gering ist, könnte es sein, daß uns jetzt lebende das alles gar nicht mehr betrifft. Macht aber auch nix, dann haben wir eben was aus der Historie gelernt.
Gruß, F.
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Fontvieille
21.06.2001, 19:33
@ dottore
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Re: Sehr interessant! Nur wann wurde aus Held A Held B? Until next week! (owT) |
Super Frage, da sind wir wieder beim Mittelalter: Wann und warum ändern Menschen ihre grundlegenden Ansichten über ihr Leben, die Bedeutung des irdischen im Verhältnis zum Jenseitigen und umgekehrt? Da diese grundlegenden Ansichten im Mittelalter augenscheinlich ganz anders waren als die unsrigen heute, könnte man doch dort, im sog. Mittelalter, mal pars pro toto nachsehen.
Gruß, F.
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