dottore
14.07.2001, 14:06 |
Real-Enzyklopädie (3): Geldumlauf 1 / Inflation & Deflation Thread gesperrt |
Guten Tag!
Fast jeder Banknote und jeder Münze ist sofort anzusehen, dass sie benutzt wurden. Daraus wird gern der Begriff"Geldumlauf" abgeleitet. Da auch die Karten eines Karten- oder die Geldscheine eines Monopolyspiels benutzt ausschauen, muss der Unterschied geklärt werden.
Er besteht bezogen auf Banknoten und Münzen darin, dass mit ihrer Hilfe etwas bezahlt wird. Das Vorhandensein eine Kaufkontraktes erzwingt die Bezahlung und damit die Tilgung einer Schuld des Käufers. Die Schuld kann eingeklagt werden.
(Beim Spiel wird eine"Schuld" nur mit Hilfe der Regeln simuliert, also ein Zwang zur Weitergabe. Dies kann nicht eingeklagt werden).
Um sich dem Phänomen des"Geldumlaufs" zu nähern, gab es verschiedene Versuche. Sie beginnen mit dem einfachen Voraussetzen einer"Zirkulation", ohne sie näher zu hinterfragen oder zu erklären.
Dann gibt es den Ausdruck"Taler, Taler, du musst wandern". Dabei wird allerdings auch nicht gesagt, was sich hinter dem"muss" versteckt. Der Zwang zur Zirkulation des Talers wird nicht aus der Tatsache abgeleitet, dass er zirkulieren muss, weil es auf Taler lautende Schulden gibt, die vollstreckt würden, falls er nicht zirkuliert.
Es gibt Vorstellungen, man könne den Geldumlauf beschleunigen, um so Kaufakte zu erzwingen. Man meint z.B. in einer Inflation würde mehr gekauft, weil das Geld immer wertloser wird und es sich also"lohnt" schneller zu kaufen (sog. Schnellkauf-Mythos - z.B."Warum mit dem Autokauf warten? Im nächsten Jahr ist das Auto teurer").
Der Inflationismus ist aber ein rasch durchschauter Trugschluss. Denn eine Inflation kann nicht mit dem bereits vorhandenen Geld initiiert werden, sondern nur, indem zusätzliches Geld in die Welt kommt (was normalerweise nur durch Verwandlung von neuen - und immer vor der Geldausgabe existierenden - Schuldtiteln in Banknoten bzw. ZB-Guthaben geschieht, siehe dazu auch"Notenbankkredit").
Selbst wenn das neue Geld möglichst"netto", bzw. über zusätzliche, gegen kurzlaufende Staatstitel ausgegebene Banknoten, in Erscheinung tritt, was wir aus den sog. Hyperinflationen bestens kennen, muss sich die Inflation doch immer erst"warm laufen", was der Preismechanismus vorschreibt: Jeder, der als erster seine Preise erhöht (und einer müsste der erste sein) riskiert sein ganzes Geschäft, da alle anderen Geschäfte (noch) billiger als er selbst anbieten.
Die Beschleunigung des Geldumlaufs ist zunächst nur die Tatsache, dass zusätzliches, also"immer mehr" Geld umläuft und nicht etwa, dass das bisherige Geld schneller umläuft.
Die säkulare Abnahme der"Geldumlaufsgeschwindigkeit" wie hier zu sehen
[img][/img]
ist damit zunächst erklärt (ex: Friedman,"The Optimum Quantity of Money", S. 127). Auf weiteres zur"Velocity" wird in Geldumlauf 2 noch eingegangen. Der deutliche"Knick" nach 1930 hat nichts mit einer abnehmenden Velocity zu tun, sondern eine abnehmende Velocity ist die Restgröße der Fischer'schen Gleichung (I. Fisher,"The Purchasing Power of Money", 1911)
MV = PT,
wobei M = Geld (money), V = Velocity, P = Preisniveau und T Handelsvolumen (trade). Weshalb bei sinkendem PT logischerweise MV ebenfalls sinken muss. Und wenn M allein nicht so stark sinkt, sinkt die Restgrösse, was ebenfalls nicht verwundern kann, wenn PT gefallen ist. Dass aber PT gefallen ist hat nichts mit V zu tun, sondern mit der Tatsache, dass schlicht weniger gekauft wurde, also weniger Kaufkontrakte eingegangen wurden, vor allem weil Käufe, die vor 1930 mit Hilfe von Krediten getätigt worden waren, nicht mehr getätigt wurden.
Friedman eiert mit seiner Statistik übrigens herum, da er die"computed measured velocity" mit"cash balances" vergleicht und nicht etwa mit"money", was zwei völlig verschiedene Stiefel sind.
Die"velocity of money" selbst definiert Friedman als"the ratio of money income to the stock of money" ("Monetary History", S. 34), womit er Fishers Gleichung komplett verlässt, da"money income" etwas ganz anderes ist als Fishers PT, was"Umsätze" und nicht"Einkommen" ausdrücken soll.
Friedman würde in Fishers Gleichung ausgedrückt so schreiben:
Money Stock mal Money Income geteilt durch Money Stock = PT.
Dann hätte man Money Income = Price Niveau mal Trade, was nichts anderes hieße als: Was umgesetzt wurde, wurde umgesetzt.
So kommen wir also nicht weiter. Auf die Käufe ex Girokonten und den diesbezüglichen"Geldumlauf" komme ich in Teil 2.
Zurück zum eigentlichen Text:
Wird nun vom Publikum beobachtet, dass nicht nur immer mehr Geld umläuft, sondern immer schneller immer mehr Geld umläuft, kann in der Tat alles Geld immer schneller umlaufen. Auch das Publikum läuft dann (buchstäblich) immer schneller, um noch etwas mit dem sich jetzt rapide entwertenden Geld zu kaufen (siehe Hyperinflationen).
Dieser schnellere Geldumlauf ist allerdings im wesentlichen auf die direkten Lebensbedürfnisse begrenzt, weshalb in einer Hyperinflation zwar Bäcker und Wurstverkäufer usw. florieren, aber der große Rest der Wirtschaft immer stärker stagniert und zurückgeht. Eine Hyperinflation wird niemals den Sektor"Stahlwerke" erfassen, in dem Sinne dass Stahlwerke auch immer teurer werden. Dies schon deshalb nicht, weil den Stahlwerksanbietern jegliche verlässliche Kalkulationsbasis (was kostet eine Stranggussanlage in zwei Jahren?) fehlt und sie nicht"auf gut Glück" neue Stahlwerke anbieten können, ohne Kopf und Kragen zu riskieren.
Eine Hyperinflation ist daher letztlich immer mit einer allgemeinen Verelendung verbunden.
Das Tempo des Geldumlaufs bleibt allerdings auch in ihrem eng begrenzten Wirkungskreis das immer schnellere Abschließen von Kaufakten, aus denen dann die Schuld, mit Geld bezahlen zu müssen, resultiert. Diese Beschleunigung der Kaufakte (Abschluss von Kaufkontrakten) findet ihre Grenze in sich selbst. Es hat keinen Sinn, alles zu kaufen, nur weil alles teurer wird und man weiß, dass alles teurer wird, weil man dadurch, dass alles teurer wird, nicht mehr Kaufkraft selbst in Händen hat (Kaufkraft definiert als das einem zur Verfügung stehende Geld korrigiert um die laufende Entwertung des Geldes).
Deshalb kann niemand die Inflation mit dem jeweils ihm zur Verfügung stehenden Geld überlisten, sondern nur - sofern es sich um Kaufakte handelt - indem man sich in dem sich - über die steigenden Preise - entwertenden Geld zusätzlich verschuldet. Dann hat man nicht nur die vorhandene Kaufkraft zur Verfügung, sondern auch die mit Hilfe des Kredits zusätzliche Kaufkraft. Dies bietet sich an, wenn man die durch die Kreditierung entstandene Schuld mit"entwertetem" Geld zurückzahlen kann.
Kann man dies am Ende nicht, z.B. weil die Inflation gestoppt wurde oder es gar zu einer Währungsreform bzw. -umstellung kommt, oder (noch schlimmer) anschließend an die Inflation Ausgleichszahlungen fällig werden bzw. Umstellung der Schulden auf frühere Kaufkraft erfolgt, wie es 1923 oder 1948 geschehen ist, ist der vermeintliche"Inflationsgewinn" sofort wieder dahin. Man muss dann seine Schulden zu den alten Preisen bzw. mit früherer Kaufkraft abarbeiten.
Jede Spekulation auf die mühelose Entschuldung in einer Inflation ist daher eine höchst gefährliche Sache.
Umgekehrt ist es auch höchst schwierig, in einer Deflation die Zahl der Kaufakte zu erhöhen (vulgo = den Geldumlauf zu beschleunigen), weil dazu erst eine massive Inflationserwartung aufgebaut werden muss (vgl. die Vorschläge von Prof. Paul Krugman in puncto Japan).
Eine Inflation muss aber nicht nur"versprochen" werden, sondern sie muss deutlich sichtbar Statt finden. Sie kann ihrerseits aber nur deutlich sichtbar Statt finden, wenn durch massierte zusätzliche Käufe die Preise steigen. Diese Käufe könnten aber zunächst nur mit dem bereits vorhandenen Geld getätigt werden, da das zusätzliche Geld noch nicht erschienen ist.
Erscheint das zusätzliche Geld, wird es auch nicht für zusätzliche Käufe verwendet, sondern zunächst einmal, um mit seiner Hilfe bereits bestehende Schulden aus früheren Kaufakten abzuzahlen. Dies gilt nicht nur für die Konsumenten, sondern für den gesamten Rest der Wirtschaft, bei dem das von den Konsumenten ausgegebene Geld über kurz oder lang ankommen würde. Das Geld kursiert nicht von Konsument zu Konsument, sondern von Konsument zum Geschäft, von dort zum Lieferanten, von dort zum Hersteller, von dort zum Vermieter usw.
Das Geld macht, um ein Bild zu gebrauchen, niemals einen"Kreis", sondern es steigt immer eine Treppenstufe höher.
Bereits vorhandene Schulden (egal auf welcher Stufe der Treppe) sind in einer Deflation das Allerschlimmste, da sie in einer sich ständig erhöhenden Kaufkraft zurück gezahlt werden müssen, also immer mehr Leistung erfordern, bis man sie schließlich hinter sich hat.
Durch die Tilgung von Schulden mit Hilfe von zusätzlichem Geld werden in der Deflation solange keine neuen Kaufakte getätigt, bis - schlimmstenfalls - alle aus der früheren Zeit her rührenden Verbindlichkeiten getilgt sind. Daher frisst sich nach einem Kreditexzess die Deflation immer weiter fort, d.h. es kommt zu keinen neuen Kaufakten (und einem möglicherweise dadurch sich wieder erholenden Preisniveau). Und je länger sich die Deflation fortsetzt, um so drückender werden die Schulden. Und umso mehr Schulden werden unbedienbar.
Im Extremfall kann die Deflation, die ihrerseits immer mehr alte Schulden unbedienbar werden lässt, erst gestoppt werden, nachdem sämtliche (!) Schulden getilgt sind.
Da in früheren (vordeflationären) Zeiten aber nicht nur mit Geld, sondern auch mit Kredit nachgefragt wurde und in einer Deflation die Kreditnahme (selbst bei Nullzins!) rapide nachlässt, entfällt obendrein der Block der Nachfrage, die bisher mit Hilfe von Kredit ausgeübt wurde. Dem deflationären Teufelskreis kann kaum einer entkommen, zumal die laufenden Einkommen ihrerseits (Arbeitslosenproblem) auf breiter Front wegbrechen.
Bis die Deflation ausgelaufen ist, gibt es faktisch kein Mittel, die Zahl der Kaufakte (vulgo = den Geldumlauf) irgendwie zu erhöhen, auch nicht mit dem Kunstgriff das Problem mit Hilfe von"sich selbst (also nicht durch die Preise) entwertendem Geld" zu lösen. Denn auch dieses Geld würde nicht zu neuen Kaufakten stimulieren, sondern es würde zunächst dazu dienen, die bereits existierenden und immens drückenden Schulden abzubauen.
Auch ein Schein, auf dem stünde"Morgen nur noch die Hälfte wert" würde sofort zur Schuldentilgung verwendet werden, dies sogar umso mehr, je höher die Entwertung ist. Denn"Morgen" könnte ich nur noch halb so viele Schulden tilgen wie ich es heute kann. Für neue und zusätzliche Kaufüberlegungen wäre erst dann Platz, nachdem alle ihre Schulden getilgt haben, was umso länger dauert, je höher die bereits existierenden Schulden sind.
Gruß
d.
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Galiani
14.07.2001, 18:27
@ dottore
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Hallo dottore: Gratuliere und bedanke mich für die 3 Beiträge im Forum |
Ich habe diese drei ebenso detail- wie kenntnisreich verfaßten Aufsätze kopiert und werde sie an diesem Wochenende nochmals gründlich studieren. Insbesondere Ihren heutigen Aufsatz habe ich sehr lehrreich gefunden. Über den Begriff der Deflation liest man ja kaum je etwas Vernünftiges. Es gab ja auch kaum je Deflationen in der Wirtschaftsgeschichte; jedenfalls nur sehr wenige! Mit großem Interesse und Respekt habe ich im übrigen auch Ihr curriculum zur Kenntnis genommen.
Zu Ihrem Aufsatz von gestern bzgl. Aes grave habe ich eine Bitte: Könnten Sie mir mitteilen, wo ich Ihre Thesen zum Thema"Warengeld" nachlesen kann? Sie sind offenbar ernsthaft der Überzeugung, daß Warengeld nicht zum"Bezahlen" da ist? Wofür sonst? Daß das Aes grave, über das ich aus Ihrer Notiz viel gelernt habe, so schwer war, scheint mir für eine solche umstürzende Meinung noch kein ausreichender Grund zu sein: Der japanische Koban zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert war noch schwerer; - und doch wurde - wie Jevons berichtet (Vgl."Über das Geld", S. 92, FN 9) - damit sehr wohl bezahlt. Ganz abgesehen vom russischen Kupfergeld im 17. Jahrhundert, über das Sie selbst ja einmal in der"Bilanz" geschrieben haben. Wenn ich mich recht erinnere, wogen 100 Rubel 165 Kilo oder so ähnlich, ich müßte nachschauen... Und das war damals das Geld der einfachen Leute und der Bauern. Nur die Aristokraten verfügten über Silbergeld.
Auch das Argument des zu hohen Wechselkurses zum Silber scheint mir noch kein wirklicher Beweis für die Auffassung zu sein, daß"Warengeld" überhaupt kein Tauschmittel war: Die Geldgeschichte ist, wie wir beide wissen, voll von derartigen bisweilen skurillen Wertsetzungen (vgl. a.a.O., insbes. etwa auch den erwähnten Bericht von Jevons, daß die Japaner noch im Jahr 1858 ihren Gold-Koban im Verhältnis von 1:3,3 gegen Silber tauschten.)
Aber das Geld hat so viele Facetten und kaum jemand schöpft bei diesem Thema aus einem so tiefen Wissens-Fundus wie Sie, so daß ich keineswegs ausschließen will, daß Ihre Ansicht dennoch zutrifft. Ich würde gerne mehr darüber wissen.
Für einen kurzen Literaturhinweis wäre ich dankbar.
Herzlichst
Galiani
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dottore
15.07.2001, 13:36
@ Galiani
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Re: Hallo, Galiani, hier noch ein 1,5 Kilo schweres"Metallgeld" (FOTO!) |
Lieber Galiani,
für die positive Beurteilung darf ich mich zunächst sehr herzlich bedanken. Ich werde diese Reihe fortsetzen.
>Zu Ihrem Aufsatz von gestern bzgl. Aes grave habe ich eine Bitte: Könnten Sie mir mitteilen, wo ich Ihre Thesen zum Thema"Warengeld" nachlesen kann? Sie sind offenbar ernsthaft der Überzeugung, daß Warengeld nicht zum"Bezahlen" da ist?
Bitte erlauben Sie mir, das noch ein Mal zu präziseren:
1. Es ging mir bei diesem Posting nur darum, zu widerlegen, dass Metall - egal jetzt in welcher Form (AE bis AU) - dazu gedient haben konnte, als"Tauschmittel" zu dienen, bzw."erfunden" oder"eingeführt" wurde, um Tauschvorgänge zu"erleichtern".
Dies belegt das folgende Bild:
[img][/img]
Es handelt sich um einen As, datiert auf spätes -4. bis frühes -3. Jh. Das Stück wiegt 1,552 Kilogramm. Damit konnten also Staat habende Tauschvorgänge auf keinen Fall"erleichtert" werden, sie wurden damit"erschwert" (buchstäblich).
2. Metall in gewogener Form wurde mit anderen Sachen getauscht. Das ergibt sich in diesem Fall schon daraus, dass die Römer selbst keine Kupfergruben hatten, und an das Kupfer ("Aes") nur kommen konnten, indem sie andere Sachen dafür hergaben. Was diese"anderen Sachen" waren, wissen wir leider nicht. Ob Rind, Huhn, Ei (oder gar ein Raubzug?) - sorry! Vergleiche mit späteren Preisen führen nicht weiter, zumal Preise Märkte voraussetzen, weil nur auf Märkten Preisbildungen vorstellbar sind (bis dahin sind es Tauschvorstellungen - also einer tauscht mit einem anderen).
3."Zahlungsmittel" setzen bereits zedierte Forderungen auf Waren voraus. Waren, weil sie mehr als die beiden am zweiseitigen Tausch Interessierten interessieren müssen, so dass es zu einer Preisbildung in freier Konkurrenz kommt. Sobald Sachen also ein"Preisschildchen" bekommen (nicht Angebots- sondern realisierte Preise, also z.B. abgewogene Gewichtsmengen von Metall, wie in den Schekelbeispielen sich bereits abzeichnet, auch wenn sie zunächst immer noch ein Tausch einer Immobilie in das mobile Metall waren), haben mehr als Zwei eine Vorstellung davon, was die Sache, die auf dem Markt zur Ware wurde, anderen"wert" ist. Gleichartige, gleich große, gleich fruchtbare Äcker werden also über kurz oder lang mit gleich viel Metall"aufgewogen".
In Rom wurde interessanterweise grundsätzlich ein gleich großes Grundstück immer gleich ausgepreist, die Hypothekenschulden waren flächenbezogen und ein Hypothekenschuldner konnte die Schuld durch jedes andere Grundstück tilgen, wenn es nur die gleiche Größe hatte.
4."Bezahlen" ist mehr als die Erfüllung eines Tauschkontraktes, wiewohl auch dort Schuldrecht gilt (ich komme in der Betrachtung Babylons noch darauf zurück)."Bezahlt" wird eine Schuld. Die wiederum setzt einen Schuldtitel voraus, der nicht die Erfüllung des Tauschkontraktes ist, sondern sich erst ergibt, wenn etwas geliehen wurde, Rückzahlung versprochen wurde und für die Rückzahlung ein DRITTER mit seinem Eigentum haftet (in der Regel Land, weil es immer zugriffsbereit vorhanden ist, da es nicht bewegt werden kann).
Damit kann diese Forderung auf Rückzahlung zediert werden, da das Risiko des Erstschuldners durch das Zugriffsrecht auf die unbewegliche Sicherheit (Land) abgedeckt ist.
Lautet der Kreditvertrag z.B. auf Metall (was mehr und mehr die Regel wurde, allerdings zunächst immer noch Metall in gewogener Form, z.B."Schekel"), wird der Vertrag erfüllt, sobald die abgewogene Menge Metall (gleiche Feinheit) geliefert wird. So wird dann mit Metall"gezahlt", sprich der Kreditvertrag erfüllt. Falls er nicht erfüllt wird kann sich der jeweilige Gläubiger, der nicht mehr der Erstgläubiger ist, am Land schadlos halten bzw. das immobile Land wiederum in die mobile Ware Silber tauschen (Ware, weil bereits Preisvorstellungen damit verbunden sind).
>Wofür sonst? Daß das Aes grave, über das ich aus Ihrer Notiz viel gelernt habe, so schwer war, scheint mir für eine solche umstürzende Meinung noch kein ausreichender Grund zu sein: Der japanische Koban zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert war noch schwerer; - und doch wurde - wie Jevons berichtet (Vgl."Über das Geld", S. 92, FN 9) - damit sehr wohl bezahlt.
Selbstverständlich. Mit dem Koban wurden entweder auf die Lieferung von Koban lautende Lieferversprechen (siehe eben) erfüllt oder der Koban wurde direkt in andere Waren getauscht. Der Koban selbst war ebenfalls eine Ware, weil er seinerseits produziert und als produzierte Ware bereits mit anderen produzierten Waren getauscht wurde.
Der Koban war einwandfreier Tauschgegenstand, indes niemals (!) ein Tauschmittel, in dem Sinne, dass man damit andere Tauschvorgänge"erleichtert" hätte. Das ergibt sich sofort aus der Geschichte des"Ban", der ab 1573 bis zur Meji-Revolution ausgegeben wurde. Der große Ban ("Oban") wog ca. 165 g und war aus Gold! Also unmöglich ein Tauschmittel. Der dann aus dem im 17. Jh. überlieferte"Koban" war im 5-Rio-Stück fast 9 cm im Durchmesser (Gold!) und der 1-Rio-Koban (ebenfalls Gold) wog noch 18 g (vgl. Munro, Coins of Japan, u.a.).
Wir haben also in Japan ganz genau den selben Ablauf wie in Lydien, Lykien, Attika, usw. auch: Zuerst erschienen die Großmünzen.
Das bei Jevons auftauchende"bezahlen" ist übrigens von ihm nicht sauber genug definiert. Die Hergabe von Koban kann ein Erfüllen eines Warenkontraktes in Form eines Warentausches sein oder das Erfüllen eines auf Koban lautenden und zedierten (!) Kredit- sprich Warenabforderungsvertrages.
>Ganz abgesehen vom russischen Kupfergeld im 17. Jahrhundert, über das Sie selbst ja einmal in der"Bilanz" geschrieben haben. Wenn ich mich recht erinnere, wogen 100 Rubel 165 Kilo oder so ähnlich, ich müßte nachschauen... Und das war damals das Geld der einfachen Leute und der Bauern. Nur die Aristokraten verfügten über Silbergeld.
Das russische Cu-Geld war wie auch anderes Cu-Plattengeld (schwedische Daler) ein Notgeld im Rahmen einer Metall-Hyperinflation (gleiches Nominal bei immer geringerem Metallgehalt). Das erste Rubelgeld waren, wie die Funde aus dem 11. bis 15. Jh. zeigen, schwere Silberbarren, z.B. runde wie Perm, Kasan zwischen 50 und 250 g, rombenförmige z.B. Dnjepergebiet ca. 200 g, sechseckige von Kiew ca. 160 g, also nie und nimmer"Tauschmittel" zur Erleichterung des täglichen Verkehrs.
>Auch das Argument des zu hohen Wechselkurses zum Silber scheint mir noch kein wirklicher Beweis für die Auffassung zu sein, daß"Warengeld" überhaupt kein Tauschmittel war: Die Geldgeschichte ist, wie wir beide wissen, voll von derartigen bisweilen skurillen Wertsetzungen (vgl. a.a.O., insbes. etwa auch den erwähnten Bericht von Jevons, daß die Japaner noch im Jahr 1858 ihren Gold-Koban im Verhältnis von 1:3,3 gegen Silber tauschten.)
Warengeld war Tauschgegenstand. Unter"Tauschmittel" wird immer die Erleichterung (daher"Mittel" zum Zweck des leichteren oder schnelleren"Tausches") des Tauschvorgangs verstanden, jedenfalls wird es heute in den ökonomischen mainstream-Lehrbüchern so dar gestellt.
Das ist, wie die Münzgeschichte aller Staaten lehrt (ich hatte es schon für Ertrurien gepostet -"not for internal trade"!) komplett falsch und abwegig.
>Aber das Geld hat so viele Facetten und kaum jemand schöpft bei diesem Thema aus einem so tiefen Wissens-Fundus wie Sie, so daß ich keineswegs ausschließen will, daß Ihre Ansicht dennoch zutrifft. Ich würde gerne mehr darüber wissen.
>Für einen kurzen Literaturhinweis wäre ich dankbar.
Ich kann zum Aes Grave außer den erwähnten Literaturen noch Sydenham,"Aes Grave" (1926) und vor allem Thurlow u. Vecchi,"Italian Cast Coinage" (1979) nachtragen, neuere Publikationen sind meist Kataloge (Crawford,"Roman Republican Coinage" 2 Bde, 1974, ist das Standardwerk) bzw. die Standardliteraturen zur Römischen Münzgeschichte, von denen das aktuellste dieses ist:
Reinhard Wolters,"Nummi Signati. Untersuchungen zur römischen Münzprägung und Geldwirtschaft", München 1999, ISBN 3 406 42923 8. Das Buch fasst in exzellenter Form den letzten Stand der Dinge zusammen (Habilitation TU Braunschweig).
Herzlichen Gruß
d.
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Ghandi
15.07.2001, 14:27
@ dottore
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dottore, versuchst Du´s mit dem Foto nochmals? (owT) |
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dottore
15.07.2001, 14:55
@ Ghandi
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Re: Gern, aber ich kann es gut sehen: |
Der 1,6 Kilo schwere As also:
[img][/img]
Ich hoffe, das"Geldstück" ist jetzt gut zu sehen.
Gruß
d.
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Galiani
15.07.2001, 15:23
@ dottore
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Ich sehe nur ein kleines weißes Viereck mit rotem Kreuz! Bitte nochmals (owT) |
>[img][/img]
>Ich hoffe, das"Geldstück" ist jetzt gut zu sehen.
>Gruß
>d.
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JüKü
15.07.2001, 15:37
@ Galiani
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Re: Nein, es ist zu sehen, liegt nicht an dottore owT |
>>[img][/img]
>>Ich hoffe, das"Geldstück" ist jetzt gut zu sehen.
>>Gruß
>>d.
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Fontvieille
15.07.2001, 16:24
@ JüKü
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Hallo JüKü, ich kann es auch nicht sehen (owT) |
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JüKü
15.07.2001, 16:31
@ Fontvieille
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Re: Hallo JüKü, ich kann es auch nicht sehen / Dann lade ich es mal... |
Da isser:
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Fontvieille
15.07.2001, 17:04
@ JüKü
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Danke, sieht fast aus wie ein moderner High-Tech-Barren ;-) (owT) |
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Galiani
15.07.2001, 17:47
@ dottore
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@ dottore: Danke für Ihre Antwort und die Literaturhinweise... |
Ich habe übrigens gesehen,
sehr geehrter, lieber dottore,
daß Sie schon wieder einen enzyklopädischen Beitrag abgeliefert haben. Eine Frage: Wann schlafen Sie eigentlich?
Was unser Thema betrifft:
Ich bin da ganz Ihrer Meinung! Die Sache mit dem zur"Erleichterung der Transaktionen""erfundenem" Geld haben sich zweifellos Ã-konomen (wie der von mir an sich verehrte Carl Menger) ausgedacht, die ohne große Hemmungen auf dem Gebiet der Psychologie und Ethnographie nur dillettierten.
Für sehr intelligent halte ich übrigens, was Galiani (der Richtige:-)) über die Entstehung des Geldes schreibt (vgl."Über das Geld", S. 92-97). Letztlich läuft zwar auch das auf's"Erleichtern" hinaus, aber in einem ganz anderen, viel weiteren Sinn, nicht nur auf das Gewicht des Tauschgegenstandes bezogen!
Daß die Römer kein Kupfer hatten, erscheint mir nebenbei bemerkt keineswegs als außergewöhnlich: Primitives Geld ist fast immer aus Materialien, die nicht im eigenen Land verfügbar sind; denken wir nur an das langlebigste (Klein-) Geld der Menschengeschichte überhaupt, an die Kauris, die nur im Indischen Ozean gedeihen und Jahrtausende lang eigentlich überall - außer in Indien selbst - von China bis Westafrika, von Rügen bis Papua-Neuguinea als Geld in Geltung waren bzw. zumindest als Schmuck für Tiere dienten.
Ihren Punkt, daß>>"Zahlungsmittel"... bereits zedierte Forderungen auf Waren voraussetzen habe ich allerdings offenbar noch immer nicht richtig verstanden:
Wenn sich Käufer und Verkäufer am Marktplatz einigen, daß eine Kuh den (standardisierten) Preis von einem Dukaten kostet, - spielt es dann wirklich eine Rolle, woher der Dukat kommt? Ob er durch Konsumverzicht, im Kreditweg oder durch einen Diebstahl in den Besitz des Käufers kam? Allein die Tatsache jedenfalls, daß ein Marktpreis von einem Dukaten für eine Kuh festgestellt wurde, berechtigt m.E. noch nicht von"zedierten Forderungen auf Waren" zu sprechen.
Und ich kann - zumindest wenn der Dukat rechtens durch Konsumverzicht erworben wurde, nicht erkennen, warum ganz allgemein
"bezahlen"... mehr als die Erfüllung eines Tauschkontraktes ist.
Wo wäre da die"Schuld" die beim Kauf der Kuh beglichen werden müßte? Oder meinen Sie die Zerlegung des Kaufaktes in seine logischen Einzelteile? Wenn der Dukat nicht Zug um Zug übergeben würde, dann natürlich besteht nach der Übergabe der Kuh an den Käufer ein Schuldner/Gläubiger-Verhältnis. Aber das ist ja dann kein wirklicher einfacher Kauf mehr.
Ganz etwas anderes ist natürlich Ihre Entdeckung, daß historisch fast immer zuerst große Währungs-Denominationen geschaffen wurden und erst später allmählich auch das Kleingeld entstand; ein wirklich erstaunliches Phänomen. Hängt vielleicht mit dem in früheren Zeiten höheren Selbstversorgungsgrad und der geringeren gesellschaftlichen Arbeitsteilung zusammen. Die kleinen Leute brauchten kein Geld. Das Großgeld hingegen war offenbar für den Außenhandel nötig.
Ich habe das russische Cu-Geld auch überhaupt nur als Beleg dafür angefügt, daß schweres Geld (geringer Denomination) bisweilen tatsächlich zum Bezahlen diente. Daß es VOR diesem Kupfergeld auch in Rußland Geld mit höherer Denomination gab - nicht nur die berühmten von Ihnen erwähnten Rubel-Silberbarren, sondern schon die von Wladimir I. im Jahre 988 geprägte Silbermünzen, ist in"Über das Geld", S. 55, FN 3 ausdrücklich erwähnt. Ich wollte das in diesem Zusammenhang keineswegs verschweigen.
Mit nochmaligem Dank bin ich herzlichst Ihr
G.
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Rab
15.07.2001, 18:50
@ JüKü
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Re: Ist das ein Stein? |
>[img][/img]
Sieht jedenfalls so aus.
Ob man was dafür bekommt?
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