Sascha
02.08.2001, 09:14 |
Land im Dilemma Thread gesperrt |
ARGENTINIEN
<font size=5>Land im Dilemma</font>
Ein strikter Sparhaushalt soll Argentinien wieder kreditfähig machen. Aber die Menschen verweigern die Zustimmung und demonstrieren mit Straßensperren.
ANNE GRÜTTNER, Buenos Aires
HANDELSBLATT, 2.8.2001
Die Szene auf der Avenida Cordoba im Zentrum von Buenos Aires hat beinahe Volksfestcharakter: Eine Köchin rührt in einem riesigen Topf und erzählt Reportern stolz, welche Zutaten sie verwendet hat. Überall stehen Gruppen von Menschen auf der Straße. Den Autos bleibt nur eine Fahrspur, die von Polizisten freigehalten wird. Selbst die brennenden Reifen wirken eher wie ein Lagerfeuer als wie Barrikaden.
<font color="#FF0000">Aber die friedliche Versammlung ist eine Demonstration. In mehr als 200 Orten in Argentinien haben die Menschen am Dienstag Straßen gesperrt</font>. Sie protestierten damit gegen das Sparprogramm, mit dem die Regierung das Land wieder kreditfähig machen will."Arbeitslosigkeit null Ja, Defizit null Nein", steht auf einem Plakat: <font color="#FF0000">Die Menschen sind es leid, dass der Staat auf die immer neuen wirtschaftlichen Krisen immer gleich reagiert. Die Last wird denen aufgebürdet, die es am wenigsten wegstecken können</font>: Der Staat will alle Gehälter über 500 Dollar um mindestens 13 Prozent kürzen und außerdem die Steuern erhöhen. Da beruhigt es die Menschen kaum, dass auch die Diäten der Parlamentsabgeordneten gesenkt werden.
Die Regierung von Präsident Fernando de la Rua steckt in einem <font color="#FF0000">Dilemma: Sie muss kräftig sparen und gleichzeitig die Wirtschaft in Schwung bringen</font>. Die internationalen Finanzmärkte vertrauen dem im Ausland mit <font color="#FF0000">150 Milliarden Dollar verschuldeten Land </font>nicht mehr. Die Ratingagentur Moody’s hat Argentinien auf ein Niveau mit Pakistan und der Ukraine eingestuft.
<font color="#FF0000">Die Zahlungsunfähigkeit droht und damit einhergehend auch eine Abwertung des Pesos</font>. Das kann die wirtschaftliche Situation nur noch weiter verschlechtern, das wissen die Argentinier nur zehn Jahre nach der Überwindung der Hyperinflation noch genau. Aber die Bevölkerung will nicht mehr sparen.
Dabei hängt jetzt für de la Rua alles davon ab, das ganze Land hinter sich zu bringen: die politischen Parteien, die lokalen Banken, die privaten Rentenfonds, die Privatanleger und Sparer: also alle, die das Finanzsystem stützen und unpopuläre Maßnahmen zur Verkleinerung und Reform des Staatsapparats mittragen müssen.
"Wir müssen alle parteilichen Interessen zurückstellen und die gemeinsamen Überzeugungen in einer einzigen nationalen Unternehmung bündeln: den Präsidenten unterstützen", sagt Ex-Präsident Raul Alfonsin, der schon Anfang der 80er-Jahre die Bevölkerung angesichts eines drohenden Militärputsches zu mobilisieren wusste. Heute ist Alfonsin Parteichef der größten Regierungspartei.
Die seit vielen Jahren arbeitslose Frau im Hafenviertel"La Boca" von Buenos Aires interessiert dagegen vor allem, <font color="#FF0000">wie sie ihre zehn Kinder ernähren soll, die jetzt zwischen den Straßensperren herumtoben</font>. Sie könne die Kleinen nur mit Hilfe öffentlicher Essstuben und anderer Hilfen irgendwie durchfüttern, erzählt sie, und in ihrem Mund klaffen breite Lücken zwischen den wenigen verbliebenen Zähnen. Aber irgendwie ist dieser Tag auch für sie ein Festtag: Sie hat das Gefühl, angehört und ernst genommen zu werden, und das passiert ihr nicht oft.
Doch die Freundlichkeit dieser ersten Protestwelle wird noch auf eine harte Probe gestellt werden. Die Finanzmärkte reagierten kaum auf de la Ruas Gesetz zum sofortigen Abbau des Haushaltsdefizits. <font color="#FF0000">Die Investoren haben die Nase voll von Ankündigungen. Sie wollen Fakten sehen. Also werden weitere tiefe Einschnitte in den Staatsausgaben folgen. Und auch an die Straßensperren werden sich die Argentinier wohl gewöhnen müssen. Schon nächste Woche soll es weitergehen, dann sogar zwei Tage lang</font>.
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Diogenes
02.08.2001, 10:47
@ Sascha
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Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil |
Ein weit größeres Dilemma liegt noch ganz wo anderst:
Macht der Staat keine Schulden mehr, oder zahlt die alten gar zurück, dann dürfte die notwendige Nettoneuverschuldung nicht mehr zustande kommen - ich glaube nicht, daß Unternehmen und Private das schaffen.
Die Wahl lautet:
- weiter Schulden machen (fragt sich nur wie), Staatsbankrott erklären und den Peso ruinieren,
- keine Schulden machen, ab in die DeDe und die Wirtschaft ruinieren, womit der Peso auch hin ist.
Let's make a Währungsreform.
Gruß
Diogenes
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Fürst Luschi
02.08.2001, 13:07
@ Diogenes
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Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil |
sind Dollarschulden!! da hilf alles nix.
mehr zur Geldpolitik in dollarisierten Ã-konomien hier: da
Dollarisierte Ã-konomien ticken anders. Die notwendige Nettoneuverschuldung machen andere. Es lässt sich auch nix weginflationieren. Währungsreformen sind witzlos.
Jetzt müssen die Kredite abgearbeitet werden, auch wenns weh tut."Sparen","Sparpolitik" und"Sparprogramm" sind doch Begriffe die an der Sache völlig vorbeigehen.
Wir sollten unsere Geheimwaffe"Codename: Reinhard" an die Argentinier ausleihen. Wenn er hier zum hundertsten Mal vergeblich denselben Käse auftischt und keiner rangeht weils Haltbarkeitsdatum schon seit dem Mittelalter abgelaufen ist, so kann er sich dort so richtig nützlich machen und Simsalabim: mit seiner goldenen Schöpfkelle Fiat-money aus dem Nirvana schöpfen und die Pampa ist wieder glücklich.
Grüsse
Fürst Luschi
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Diogenes
02.08.2001, 20:29
@ Fürst Luschi
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Re: Land im Dilemma - das ist noch der leichte Teil |
>sind Dollarschulden!! da hilf alles nix.
>mehr zur Geldpolitik in dollarisierten Ã-konomien hier: da
>Dollarisierte Ã-konomien ticken anders. Die notwendige Nettoneuverschuldung machen andere. Es lässt sich auch nix weginflationieren. Währungsreformen sind witzlos.
>Jetzt müssen die Kredite abgearbeitet werden, auch wenns weh tut."Sparen","Sparpolitik" und"Sparprogramm" sind doch Begriffe die an der Sache völlig vorbeigehen.
Das gilt alles nur solange man die Dollarisierung
- beibehalten will: Demos, Streiks, nächste Wahl kommt bestimmt...
- beibehalten kann: Dollars verschwinden aus dem Lande (Refinanzierung durch Auslandsschulden!), Militär und Polizei können nicht mehr besoldet werden,...
Im übrigen gilt auch bei Dollarschulden: Kann der Schuldner nicht zahlen, zahlt der Gläubiger.
Währungsreform werden wir kriegen und zwar weltweit.
>Wir sollten unsere Geheimwaffe"Codename: Reinhard" an die Argentinier ausleihen. Wenn er hier zum hundertsten Mal vergeblich denselben Käse auftischt und keiner rangeht weils Haltbarkeitsdatum schon seit dem Mittelalter abgelaufen ist, so kann er sich dort so richtig nützlich machen und Simsalabim: mit seiner goldenen Schöpfkelle Fiat-money aus dem Nirvana schöpfen und die Pampa ist wieder glücklich.
>Grüsse
>Fürst Luschi
Im Mittelalter mußte man seine Leibeigenen noch im Auge behalten, ihnen ein gewisses Maß an Fürsorge angedeihen lassen und den Tribut mit Gewaltandrohung eintreiben.
Heute sind sie froh, die Erzeugnisse ihrer Arbeit gegen bunte Druckerzeugnisse abzuliefern, aufdaß sie ihre eigenen Erzeugnisse drucken dürfen.
Genial, für wahr, genial. Ich ziehe meinen Hut und neige mein Haupt in Erfurcht, tief. ;-)
Goldenen Gruß
Diogenes
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