dottore
29.08.2001, 10:40 |
Patacones - wie es Argentinien geldmengenmäßig so geht: Thread gesperrt |
Hi,
Ecki1 hatt am 11. August dankenswerterweise den Beitrag der NZZ über die neuen"Patacones", regionales Ersatzgeld der Provinz Buenos Aires reingestellt.
Die NYT hat jetzt die aktuelle Lage beleuchtet.
Man muss dazu wissen, dass das Land ein"currency board"-System hat, also neue Pesos nur herausgeben kann, wenn neue Dollar ins Land kommen. Dieses CB-System funktioniert im Grunde wie der GS in den 30er Jahren auch: Die ZBs konnten nur neue Inlandswährung ausgeben, wenn sie Gold hereinbekommen hatten. Auf dem Inlandgeld lassen sich dann die übliche Kreditpyramiden aufbauen.
Was ist nun konkret los in Argentinien?
1. Der IMF hat gerade 8 Mrd $ locker gemacht (Kredit, also anders als damals Gold, das nicht via Kredit in die NBs gekommen ist) und so kann die BoA zusätzliche Pesos ausgeben. Aber das dürfte nicht viele nutzen, weil die Pesos sofort zur Zahlung von Inlandsschulden verwendet werden und ergo wieder in der BoA landen werden, ohne von dort erneut abgefordert zu werden, da es kaum ZB-fähige Sicherheiten bzw. Kreditaufnahemwillen gibt.
2. Am meisten Geld fehlt in der Provinz von BA wo ein Drittel der Argentinier lebt.
3. Seit Juni gibt die Provinzregierung die Patacones aus, nachdem es ihr nicht gelungen war, einen Bond im Ausland zu platzieren.
4. Die Patacones haben Parität zum US-$ und erscheinen in Nominalen von 1 bis 100. Offiziell heißen sie"Schatzscheine". Sie sollen im nächsten Jahr zu pari zurückgezahlt werden. Sie entsprechen damit den klassischen"Promessen" Frankreichs, die kurz vor der Revolution ausgegeben wurden und anderen solcher"Schatzscheine".
5. Einfache Preise werden in P.s mit Aufschlag angeboten, z.B. ein Big Mäc plus Cola usw. kostet einen P. mehr als ein normal in Pesos bezahlter. Einige Restaurants hängen Schilder ins Fenster, auf denen steht"Ich glaube an mein Vaterland und nehme daher P.s an".
6. Es fehlt Wechselgeld. Es werden in den Geschäften, die gegen P.s verkaufen immer runde Summen abgefordert.
7. Geschäfte mit Alltagswaren unterscheiden sich von Geschäften am"high end" der Konsumskala. Boutiquen, Elektronikshops und Modegeschäfte akzeptieren keine P.s, weil sie diese nicht weitergeben können. Sie werden nur in der weit entfernten Provinzbank selbst akzeptiert, aber in Buenos Aires selbst praktisch nirgends. Außerdem ist der Transport dorthin zu teuer und umständlich, siehe auch Punkt 9.
8. Lohnempfänger protestieren gegen Bezahlung P.s. Gerade erst gab es eine große Demonstration von Lehrern, Gerichts- und Krankenhausangestellten (also öffentlicher Dienst), die zum Gouverneurs-Palast zogen und skandierten:"Gib uns Pesos, gib uns Pesos!"
9. Kriminelle haben kein Problem mit P.s, die rauben entsprechende Geldtransporter aus.
10. Arme Leute in der Hauptstadt akzeptieren keine P.s, sie lassen sich mit Tauschgutscheinen bezahlen oder beschenken, die sie dann in kleinen Geschäfte einlösen können.
11. Gespart wird ausschließlich noch in US-$, sofern sie jemand in die Finger kriegen kann.
12. Die Regierung plant, den Peso ganz abzuschaffen und statt dessen den US-$ zur Landeswährung zu machen.
Kurzum, die gesamte nationale Geldwirtschaft löst sich aus.
Nun ist die Frage, wie andere, des öfteren vorgetragene Geldsysteme das Problem, in dem Argentinien zweifellos steckt mit schwerer Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit usw. lösen würden.
Sollte der Peso von seiner Parität zum US-$ gelöst werden, würde der Peso zwar sofort frei gedruckt werden können, sein künftiger Kursverlauf aber dürfte sich dann in nichts von dem der türkischen Lira unterscheiden - freier Fall.
Gruß
d.
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Cosa
29.08.2001, 11:16
@ dottore
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Re: Patacones - wie es Argentinien geldmengenmäßig so geht: |
Moin, moin!
Interessant was sich an Kompensationsmechanismen so ausbildet.
Von den 8 Mrd. $ dürften wohl nur wenige den September überleben; lt. Stratfor.com werden davon 5 Mrd. $ alleine im September verbraten. Dann kommen am 14. Oktober die Wahlen zum Kongress und dann...
Wenn nichts mehr hilft, werden wohl nationale"Gefühle" wach gerufen.
"Ich glaube an mein Vaterland und nehme daher P.s an".
Auf ähnliche Weise wird wohl versucht in der Türkei vorzugehen. Ob das Ausrufen einer"Anti-Dollar-Kampagne" nur ein letzter Hilferuf ist oder ob die Matratzen wirklich geleert werden, bleibt abzuwarten.
Hier ein Artikel zur Türkei:
Tuesday, 28 August 2001 12:52 (ET)
<font size="4"> Turkey launches anti-dollar campaign</font>
By SEVA ULMAN, UPI Correspondent
ANKARA, Turkey, Aug 28 (UPI) -- A campaign launched by the Ankara Chamber of Commerce to encourage the Turks to use Turkish lira instead of the U.S. dollar is rapidly gaining support nationwide, the president of the chamber said Tuesday.
"So far, more than 300 non-governmental organizations and the country's two largest business conglomerates in Istanbul applied to us declaring their support to the campaign, as well as the prime minister," Sinan Aygun, the president of the ACC told United Press International.
The anti-dollar campaign dubbed"honoring Turkish lira" is aimed at urging people to refuse to conduct transactions in dollars and also to convert their savings from dollars into Turkish lira and into the economy, Aygun said.
Following the country's worst financial crisis, which erupted in February, people rushed to change their lira savings into dollars and most of them kept them under mattresses because of ongoing distrust in the faltering banking system. As confidence in the lira, which has lost more than 50 percent of its value over the past six months, continued to wane, real estate transactions were conducted in dollars. Price tags in posh stores were marked in dollars. Even some domestic employees started to charge dollars for cleaning jobs.
"There is almost $100 billion under mattresses," Aygun said, noting that the ACC's further aim was to pull these dollars back into the economy.
Prime Minister Bulent Ecevit also had voiced support to the campaign during a meeting Monday with ACC, saying that the credibility of the lira should be restored."A state currency is the honor of that state," he said.
Aygun asked Ecevit's support to preventing state-run enterprises from selling their goods and services in dollars and most private schools from charging tuition in foreign currency.
Some 70 different professional groups accredited with the ACC have vowed to use lira in commercial transactions and hang banners in front of their shops that say,"No foreign currency is accepted here."
ACC also said it would punish members who violate the decision of their boards of directors, sanctions that could range from a simple warning to temporary suspension of membership, Sinan said.
In a related development, the Religious Affairs Directorate ordered imams this Friday to preach against the use of using foreign currency. They will urge the people to use lira and refrain from keeping them under mattresses so as to pull their country out of the economic hardship.
Aygun said that on Sunday, the ACC would aim for a social consensus from all walks of people. The people of Ankara, at 40 different locations, will be asked to sign a paper declaring that they will honor the Turkish lira,"for a bright and secure future for myself and for my children."
The declaration will also urge them to use Turkish-made goods instead of foreign brands.
Last week, the country's leading businessmen, Sakip Sabanci and Bulent Eczacibasi declared that they would stop dollar payments to their executive employees.
The government in February abandoned exchange rate control announcing a free-floating currency regime that caused the Turkish lira to drop against the dollar.
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<font size="2"> Copyright 2001 by United Press International.
All rights reserved.</font>
schöne Grüsse
Cosa
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