Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen entscheidet über die amerikanische Konjunktur
<font size=5>Der US-Aufschwung lässt auf sich warten</font>
Von MICHAEL BACKFISCH
Fünfzig Prozent der Wirtschaft bestehen aus Psychologie. Dieser alte Wahlspruch von Ludwig Erhard trifft auch auf die revidierten Zahlen für das zweite Quartal des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu. <font color="#FF0000">Mit Erleichterung nahmen die Experten gestern zur Kenntnis, dass die amerikanische Wirtschaft nicht geschrumpft ist. Plus 0,2 Prozent: Das ist zwar schlechter als die zuvor vorhergesagten 0,7 Prozent. Pessimisten hatten jedoch Schlimmeres befürchtet</font>. Dementsprechend reagierten die Märkte auf das Signal aus den USA zunächst leicht positiv.
Trotz dieser Stimmungsverbesserung gilt zu berücksichtigen, dass die ökonomischen Fakten alles andere als rosig sind. Kritisch zu bewerten ist zunächst die Produktivität der US-Wirtschaft: Sie wächst deutlich langsamer als in den Boom- Zeiten der New Economy. Die magere Kapazitätsauslastung ist ein weiterer wesentlicher Grund für die lahmende Konjunktur. Zwar müssen die Restbestände aus den Warenregalen erst abgebaut werden, bevor neue Güter produziert werden. Doch bislang gibt es keine Anzeichen, dass die Unternehmen in absehbarer Zeit wieder verstärkt investieren. Vor allem bei den <font color="#FF0000">Ausrüstungsinvestitionen</font>, einem wichtigen Motor für das Traumwachstum in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre, wurde der Rotstift angesetzt. Auch die Computer-Branche, einst das Paradestück der US-Wirtschaft, wurde in den Abwärtssog mitgerissen.
Zurückgehende Verkaufszahlen und schrumpfende Gewinne führten dazu, dass viele Unternehmen auf Konsolidierung setzten: Kostenkontrolle und Entlassungen waren oberstes Gebot. Sorgenkind bleibt hier vor allem das produzierende Gewerbe, dem der hohe Dollarkurs zunehmend zu schaffen macht. Die sich abschwächenden Exporte drücken die US-Handelsbilanz weiter nach unten - ein zusätzlicher Faktor für die schlechteren Wachstumszahlen.
<font color="#FF0000">Einziger Hoffnungsschimmer in diesem Szenario ist das Kaufklima. Der private Verbrauch, der zwei Drittel des amerikanischen Bruttosozialproduktes beisteuert, geht weiterhin nach oben</font>. Mehrere Faktoren schlagen hier zu Buche. Zum einen führen die Steuererleichterungen von Präsident George W. Bush dazu, dass das Geld bei vielen Konsumenten lockerer sitzt. Zum anderen sorgte die US-Notenbank ("Fed") für billige Kredite, indem sie seit Januar <font color="#FF0000">sieben Mal die Leitzinsen senkte</font>. Diese günstigen Rahmenbedingungen werden anhalten, da sich eine Zinssenkung in der Regel erst sechs bis acht Monate später am Markt auswirkt.
<font color="#FF0000">Trotz dieser positiven Effekte muss der Zinssenkungs-Fetischismus von"Fed"-Chef Alan Greenspan kritisch hinterfragt werden</font>. Die Verbraucher entfachen zwar ein konjunkturelles Strohfeuer, können der amerikanischen Wirtschaft jedoch nicht den entscheidenden Impuls geben. Die Kardinalfrage, ob und wann der Durchbruch kommt, entscheidet sich mit der Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Eine Politik des billigen Geldes allein reicht jedenfalls nicht aus.
<font color="#FF0000">Eine schnelle Erholung der US-Konjunktur scheint daher nicht in Sicht</font>. Die Prognose von Bush-Berater Lawrence Lindsey, dass die Wirtschaft bereits im dritten oder vierten Quartal wieder auf Touren komme, dürfte als psychologische Schützenhilfe für die Regierung zu verbuchen sein. Im Lichte der aktuellen Daten ist ein Aufschwung vor Anfang, Mitte nächsten Jahres unwahrscheinlich. So lange werden die Konjunktur-Astrologen darüber fachsimpeln, ob die Wirtschaft die Talsohle in Form eines"U" oder"W" durchschreitet.
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