Gundel
02.09.2001, 05:53 |
Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung Thread gesperrt |
Good Morning Ihrs,
Ich hab mal oben neu angefangen, weil der Thread schon so weit unten verschwunden ist und weil inzwischen ein neuer Tag ist.... Ihr seid ja alle richtige Nachteulen.
Tatsache ist, dass die Reallöhne sinken, wohingegen die Abgaben, die vom Brutto-Ertrag an diverse öffentliche Stellen zu leisten sind, gleich bleiben oder steigen. Im Fall der gesetzlichen Krankenversicherung von 13Kommasowas demnächst auf vermutlich 14 %. Man braucht wohl nicht auf die Situation von 1960, auf die subjektiven Balkendiagramme und die Inflationsraten einzugehen, dazu hat Euklid sich ja schon wesentlich kompetenter geäußert, als ich das je könnte.
Die wirklich üblen Veränderungen in dieser (Gesundheits-)Welt haben erst viel später damit begonnen, sich überhaupt so zu Lasten der Wehrlosen zu manifestieren.
Das Problem scheint mir nicht einmal primär in der nackten Beitragssteigerung der Gesetzlichen Krankenkasse (GKK) zu liegen, sondern in einer Verschiebung der zugehörigen Gegenleistungen.
Dazu ein paar Beispiele:
Sehhilfen, Zahnbehandlung, Hilfsmittel für Behinderte, Krankengymnastik, Sanfte Medizin, Kuren u.v.m. gibts nicht mehr. Ersatzlos gestrichen. Zusatzzahlungen auf ärztlich verordenete Medikamente übersteigen oft genug den Preis für die Packung.
Amalgam (Thema für sich..)
Im Fall der Zahnbehandlung steht dem Patienten eine"Grundversorgung" zu, die aber schon kurz nach dem Ã-ffnen der Tür zu der charakteristisch angsteinflößend duftenden Praxis wieder eingeschränkt wird: Nicht nur durch das regelmäßig zu bestempelnde"Kontrollkärtchen"...
Amalgam verwenden die Zahnärzte nicht mehr"wegen der Gesundheitsrisiken (HAH, wer hier tiefer schürft wird sein blaues Wunder erleben)", ein anderes Füllmaterial aber zahlen die Kassen bisher nicht. Also darf man doch wohl mit Fug und Recht die Frage stellen, ob die Grundversorgung überhaupt gegeben ist.
Fallpauschale
Die erst vor wenigen Tagen im Bundesrat beschlossene und ab 2003 (freiwillig) und ab 2004 (zwanghaft) wirksam werdende Fallpauschale (als Ersatz für den bisherigen KHS-Tagessatz pro Bett) wird m.A.n. vermutlich zu Folgendem führen:
Die GKK legen für bestimmte Fälle (z.B. Entfernen der Gallenblase, Behandlung eines Schlaganfalles etc.) aus den Erfahrungswerten der Vergangenheit (bestimmt auch des laufenden und kommenden Jahres) einen bestimmten Durchschnitts-Satz fest, sagen wir mal DM 10.000.- für die XY-Operation.
Diesen Betrag darf die Krankenhausverwaltung nur dann überschreiten, wenn sie in Ausnahmefällen detailliert begründen kann, dass in diesem speziellen Fall Mehraufwendungen erforderlich waren. (Vielleicht werden dann früher oder später alle entzündeten Blinddärme zu Risikoblinddärmen mutieren, wie es ja heute schon bei den Schwangerschaften zu sein scheint.)
Da nun Krankenhausbetreiber auch nichts anderes als gewerbliche und gewinnorientierte Unternehmen sind, werden die selbstverständlich versuchen, den Patienten so zu behandeln, dass von den DM 10.000.- möglichst noch etwas übrig bleibt, ein Gewinn eben. Dass unter diesen Umständen der Patient immer nur die billigste, nie aber die beste Behandlung bekommt, liegt als Vermutung auf der Hand.
Nun ist es einschlägig betroffenen Patienten durchaus bekannt, dass es solche und solche Behandlungen für ihre individuelle Erkrankung und entsprechende Spezialkliniken gibt, in die sie sich bisher einweisen lassen konnten. Dabei denke ich z.B. an Darmkrebs und daran, dass es eine erprobte Methode gibt, die erforderliche Anlage eines künstlichen Darmausganges nach ein paar Monaten (also nach Chemo und Bestrahlung) wieder rückgängig zu machen. Eine Methode, die dem Erkrankten eine sichtliche Verbesserung der künftigen Lebensqualität einträgt, falls er sich entschlossen hat, die Segnungen der Schulmedizin zu erdulden.
Das gibts ab 2003/2004 aber nur noch für Betuchte. Punkt.
Intensivmedizin, Medizintechnik.
Die teuren Geräte amortisieren sich nur, wenn sie auch ausgelastet sind. Daher werden gern und willig Kernspintomografien, Multilabortests, Endoskopien, EKG, EEG und was weiß ich nicht alles, verordnet. Nicht, dass damit eine einfache Röntgendiagnose entbehrlich geworden wäre... Mitnichten, die teuren Untersuchungen werden ja grundsätzlich auf die Erstuntersuchungen aufgesattelt...
Organtransplantationen.
Sie sind ja schon etwas fast Normales geworden, trotz aller ethischen Fragen, die spätestens seit der Forschung mit embryonalen Stammzellen offensichtlich keine Rolle mehr zu spielen scheinen.
Eine Herztransplantation verursacht - inclusive der lebenslangen Nachbehandlung - Kosten von einer halben Million Mark. Ich selbst möchte das für mich nicht, lehne es rundweg ab (Thema für sich, Link). Jeder Versicherte muss es aber mitbezahlen wie er ohnehin keinen Einfluß auf die Verwendung seiner Beiträge hat.
Frühgeborene
Wir schaffen es heute, 350 g leichte Kinder (bis vor kurzem waren das noch Fehlgeburten, man stelle sich nur das Gewichtsmaß in Form einer beliebigen Substanz vor) zum Leben zu zwingen. Der Preis sind unzählige Operationen, oft bis ins Schulalter, und eine jahrelange Extremsituation für die Eltern, Geschwister und alle Angehörigen. Kostenpunkt? Besser nicht weiter darüber nachdenken.... Jedenfalls steht das Geld nicht mehr zur Verfügung, um z.B. einer alten Frau einen neuen Krückstock zu bezahlen.
A propos Alter.
Es scheint aus einem mir nicht näher ersichtlichen Grund erstrebenswert zu sein, so alt wie möglich zu werden. Oder doch, irgendwie ist es schon nachvollziehbar, und zwar dann, wenn ein Mensch sein Leben mit einer entfremdenden Arbeit und den vielen nutzlos vertanen Stunden vorm Big-Brother-TV vergeudet hat. Ihm wird im Fall einer Krankheit erstmals bewußt, was er in diesem seinem gegenwärtigen Leben noch alles zu erledigen hat und dazu möchte er nun endlich die erforderliche Zeit gewinnen.
Kann er, soll er, das gestehe ich ihm gerne zu. Aber Vergleichbares möchte ich für mich selbst nicht in Anspruch nehmen, denn ich vergeude keine Zeit, falls irgend möglich.
Ich möchte mir vielmehr das Recht bewahren gehen zu dürfen, wenn die Chefin mich zu sich heranwinkt.
Doch wenn es tatsächlich so weit sein wird, und ich mich einer Behandlung verweigere, nachdem man mich ohnmächtig und gegen meinen mehrfach und an gut sichtbaren Stellen deutlich erklärten Willen in ein Krankenhaus geschleift hat, dann glaube ich jetzt schon das hippokratische Geschrei zu hören...
Ja, man muss es sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Der Hippokratische Eid geht in jedem Fall über das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Ist Gesetz. Nicht dass der weißbekittelten Mafia auf einmal noch einer durch die Lappen geht.... Und zahlen soll ich dann wohl auch noch für das, was ich nicht nur nicht bestellt, sondern sogar eindeutig und ausdrücklich abbestellt habe. Und am Ende wären die noch fähig meine Kinder und Enkel zur Zahlung der Rechnung heranzuziehen. Kann das so in Ordnung sein?
Vor ein paar Monaten gingen die beiden an der Wirbelsäule zusammen gewachsenen Neugeborenen durch die Presse. Die Eltern wollten sie einfach in Frieden sterben lassen, aber die Richter verboten es ihnen, zwangen die Eltern, der chirurgischen Trennung zuzustimmen. Was ist eigentlich aus denen geworden, weiß das jemand? Sind sie tot? (In diesem Fall: GOTT SEI DANK) oder sind sie nur"nur" schwerstbehindert, wie es seinerzeit von den Ärzten (im besten Fall!) prognostiziert wurde?
Behandlung mit Stammzellen, Präimplatationsdiagnostik (PID)
Hier sind Grenzen überschritten, ganz entschieden. Zu einer besseren"Volksgesundheit" werden die neuen Techniken ebenso wenig führen wie die vorgenannten Maßnahmen.
Man könnte jetzt stundenlang weiter philosophieren, über die Nützlichkeit von Medikamenten, Behandlungs- und Operationsmethoden und ob sie uns heilen oder gewinnbringend in einem Nirwana zwischen Gesundheit und Siechtum halten, über den Tod als GAU, den es unter allen Umständen zu verhindern gilt, über die Überwachung mittels Medikamenten-Chip-Karte, über die unterschiedlichen Abrechnungsmodi zwischen dem eines normalen Krankenhauses und dem einer einer"Spezialambulanz" (ja, eine Ballondilation zur Entkalkung der zivilisationsverstopften Herzkranzgefäße kann in der einen Spezialeinrichtung locker DM 36.000.- kosten und in einem Kreiskrankenhaus DM 9.000.-), über die Kosten der Behandlung von Leberzirrhose als Folge des überreichlichen Konsums legaler Drogen (Alkohol), über amputierte Raucherbeine und sonstige Verstümmelungen, die Machenschaften der Pharmaindustrie, USW USW.
Selbstverständlich hat auch das sorglose Patientenverhalten zu der heutigen Situation geführt: Kaum steckt ein Furz quer, sitzt man schon - mit vielen anderen, die ein ähnliches Anliegen plagt - im Wartezimmer wie die Hühner auf der Stange, bis man per Sprechgerät in eine der Fließbandkabinen gerufen wird.
Werdende Mütter sind grundsätzlich Schwerkranke und brauchen als Therapie wöchentlich ein aktualisiertes Ultraschall-Foto des Fötus, damit die Omma mitkriegt, wies Kind wächst.
Um eine Zecke zu entfernen, reserviert man selbstverständlich einen Termin beim Prof. Möglichst zeitnah, sonst ist das widerhakenbemaulte Vieh abgefallen, bevor der Prof Pinzette und Rechnungsblock zücken kann.
Durch die vom Gesetzgeber herbeigeführte Selbstverständlichkeit von Beitragszahlungen einerseits und Patientenforderungen andererseits konnte das System so unrettbar ausufern. Und durch den sich hartnäckig erhaltenden Mythos, dass ein Mediziner etwas Besonderes ist.
Und natürlich wegen der Angst des Einzelnen Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Ich hab mich schon vor vielen Jahren (nachdem ich, genau wie André, die Schulmedizin auch nicht mehr in Anspruch nahm, sondern nur die von den Kassen boykottierte alternative Heilkunde) dem kranken Gesundheitssystem konsequent entzogen. Für etwaige Grenzfälle (auch dies ein Thema für sich) habe ich schon mal vorsorglich Oskar´s Tierarzt um Behandlung im Fall des Falles gebeten. Bislang widersetzt er sich allerdings ;-) Ok Ok, das ging jetzt bisschen übers Spinnerlimit. Wie vielleicht auch die Aussage, dass ein Schmerz, eine Infektion oder ein krankes Organ seinen Besitzer zu einer Einsicht und zu einer Weiterentwicklung aufrufen will. Ich gebe aber zu, dass man leichter urteilen und verurteilen kann, wenn man sich gesund fühlt...
"Mein" Zahnarzt, der ist froh mit meinen bunten DM-Zetteln, die er gelegentlich kriegt als verdienten Lohn dafür, dass er z.B. den 8er oben links aufbohrt und wieder zubetoniert. Augenscheinlich sogar froher als mit einer Plastikkarte, über die er 1 x 89 Pfennig fürs Aufbohren, 1 x 99 Pfennig für die Füllung und 1 x DM 1.20 für die ebtunelle Spritze, natürlich alles zuzgl. Wehrmachtssteuer bei der AOK abrechnen dürfte und mir trotzdem noch eine Rechnung ausschreiben müsste, weil die Füllung eben aus Plastik und nicht aus giftigem Quecksilber besteht.
(Ob er 2002 auch noch mit den EURO-Zetteln froh sein wird, ist ein ganz anderes Thema.)
Ja, man könnte sich stundenlang aufregen, gell?
Schönen Sonntag euch allen
wünscht Gundel
<ul> ~ Organspende - Mundus hat den trefflichen Link gestern morgen schon gepostet</ul>
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nereus
02.09.2001, 11:29
@ Gundel
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Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen.. und Gundel |
Hallo Gundel!
Viel Zustimmung für Deinen Artikel, vor allem hinsichtlich der Abschnitte Frühgeborene und Alter.
Bei Deinen Beiträgen schimmert immer eine gesunde Portion Pragmatismus und natürliches Selbstbewusstsein heraus.
So willst Du Dir das Recht zum Sterben vorbehalten und äußerst Dich ohne viele Verrenkungen dementsprechend.
Ich sehe schon wieder die aufziehenden Stirnfalten mancher Leser. Aber ihr vergeßt den Missbrauch und die Geschäftemacherei dabei.
Ja, die sind mir hierbei herzlich egal.
Wenn die Menschheit jegliche Problematik bis zum allerletzten Betrachtungspunkt ausdiskutieren würde und dann zu einer Entscheidung käme, wobei selbst diese wieder Ungerechtigkeiten in sich bergen würde, müßten wir wohl heute noch mit Pfeil und Bogen durch die Gegend jagen.
Ich bin ja auch für Diskussionen und mitunter stellt sich mancher Sachverhalt außerordentlich komplex dar. Und sehr oft lässt sich trotz intensivster Betrachtung kein Konsens erzielen.
Das ist eben nun mal so und muß schlicht und ergreifend akzeptiert werden.
Aber wer von uns nimmt das Recht für sich in Anspruch über das Leben oder den Tod eines anderen zu entscheiden?
Hilfe ja, aber bitte nicht wenn es nur eine Verlängerung der Qualen bedeutet.
Wenn jemand diese Hilfe wünscht, trotz künstlicher Ernährung und einem nur noch Dahindämmern, dann soll er sie erhalten.
Aber wenn ein Mensch diesen Zustand für sich als würdelos betracht, dann soll man ihn nicht um jeden Preis daran hindern.
Wobei ich übrigens sogar vermute, das schon jetzt von den Ärzten größtenteils so verfahren wird.
Man belässt es aber stillschweigend bei diesem Einvernehmen zwischen Patient und Arzt.
Oder muß ein Neugeborenes um jeden Preis dieser Welt aufgezogen werden?
Ich spreche jetzt nicht von den Kosten. Das Drama danach ist unserer allseits besorgten Gesellschaft ja dann herzlich egal. Wenn, wie in dem von Dir beschriebenen Fall, die Eltern für das Sterben der Babys waren, haben sie sich diese Entscheidung sicher nicht leicht gemacht.
Und wer soll den bitte entscheiden was für die Kinder richtig oder falsch ist wenn nicht die Eltern?
Daher hatte ich auch zum Selbstmord-Artikel von riwe was geschrieben und Du hattest anhand eines Beispieles ein mögliches Szenario gestaltet.
Liebe Gundel, mir laufen derzeit einfach zu viele Gutmenschen mit blütenweisen Hemden durch die Gegend. Und meine Erfahrung sagt mir das bei nicht wenigen Leuten noch ein Hemd darunter sitzt.
Daher kannst Du schon mal die Waschmaschine vorsorglich in Betrieb setzen. ;-)
In dieser Zeit wird alles zum gesellschaftlichen Problem hoch stilisiert und jegliche Privatheit und die daraus resultierende eigene Entscheidungsfreiheit verschwindet.
Denn wenn ich jedes Mal darüber nachdenke, was werden bloß die Anderen sagen, dann habe ich schon einen beträchtlichen Teil meiner Freiheit eingebüßt.
Wer dieses Problem nicht sehen will tut mir einfach nur leid.
Die Diktatur kommt auf Samtpfoten daher und wir reißen auch noch Türen und Fenster dazu auf, anstatt sich darüber Gedanken zu machen ob diese teilweise niedlichen kleinen Krabbeltierchen sich nicht irgendwann zu ausgemachten Riesenspinnen entwickeln, aus deren dichtgewebten Netz dann kein Entrinnen mehr möglich ist.
Das gipfelt dann in Container-Sendungen wo die Kamera auf Schritt und Tritt dabei ist.
Vielleicht ist die Hinwendung zu den Sternen oder der Esoterik die instinktive Flucht davor.
mfG
nereus
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BB
02.09.2001, 12:32
@ Gundel
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Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung |
warum steigen die Krankenkassenbeiträge unaufhörlich?
Hauptursache dafür sind die ständig steigenden Zahlungsverpflichtungen in den Risikostrukturausgleich (RSA), in diesem Jahr mußte meine Krankenkasse 52%!!!ihrer Einnahmen abführen - warum wird die AOK nicht endlich gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten?
daneben aber auch der überproportionale Anstieg der Kosten für Arzneimittel (15 % im ersten Quartal).
15% im Quartal? Das wären rund 60% im Jahr!!! Warum wird hier nicht mal der Rotstift angesetzt? Die Pharmakonzerne verdienen sich dumm und dusselig an nachgewiesenermaßen völlig nutzlosen und hochgradig schädlichen Medikamenten (siehe Aidsmedikamente, Chemo, Herzmedikamente (Hauptwirkstoff Cumarin=Rattengift) und und und)
Diese Behandlungen können zigtausende Mark kosten und machen den Menschen zum Krüppel, falls er dabei nicht gleich ins Gras beißt.
Für wirklich elementare, meist sogar billige Hilfsmittel, wie z.B. die paar Mark für Verbandsmaterial nach einem Unfall oder eine Brille ist dann natürlich kein Geld da.
Werden die Verantwortlichen den Wahnsinn erst dann begreifen, wenn die Summe aller Versicherungsbeiträge höher als das Bruttoeinkommen ist???
Gruß
BB
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Cosa
02.09.2001, 12:48
@ Gundel
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Re: Überlegungen |
Hi Gundel!
Hier ein paar Überlegungen:
Die Frage ist doch wollen wir ein gewinnorientiertes Gesundheitssystem oder eines, das auf einer Solidaritätsgemeinschaft aufbaut. Da halte ich letzteres für eine reiche Gesellschaft wir sie nun mal haben unumgänglich. Das sich Besserverdienende aus diesem verabschieden dürfen, halte ich für einen Fehler. So ist privaten Krankenversicherungen momentan noch möglich bedingt durch die Altersstruktur günstigere Tarife anzubieten. Dies wird sich zwangsläufig in dem Moment umdrehen, in dem die heutigen Betragszahler ebenfalls in Rentenalter kommen und dann nicht mehr 13-14% sondern einen wesentlich höheren Prozentsatz ihrer Rente/pension abdrücken müssen.
Selbst war ich über Jahre privat versichert, habe die Beitragsexplosion schon miterlebt und in regelmässigen Abständen Briefe erhalten, in denen ich aufgefordert wurde die Notwendigkeit meiner Arztbesuche zu überdenken. Heute bin ich froh wieder gesetzlich versichert zu sein.
Ein anderer Punkt ist das momentane Gesundheitssystem, das ist morbide. Alle beteiligten Strukturen sind jeweils in einer Art Monopol strukturiert.
Die Krankenkassen - ein Wettbewerb untereinander findet, wie bereits hier schon angesprochen, nicht statt. Zahlen habe ich keine, daher ist die Argumentation hier emotional, mich würde schon interessieren wie hoch deren Kostenanteil an den Beiträgen ist und wie der sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Bei uns haben sich nun mal die Krankenkassen im letzten Jahrzehnt die schönsten und teuersten Bauten hingestellt.
Die Ärzte - zwangweise eingebunden in Standesorganisationen findet untereinander kein Wettbewerb statt. Die kassenärztliche Vereinigung regelt die Niederlassung bzw. sichert die Pfründe, der bereits niedergelassenen Ärzte. Aber auch dort ist keine homogene Struktur vorhanden, es gibt wenige, die sozusagen den Reibach machen, Laborärzte und Radiologen fallen in diese Kategorie. Dann aber auch ein Teil, der niedergelassen ist und überlegt wie die Sprechstundenhilfe bezahlt werden soll. Insolvente Arztpraxen - vor 20 Jahren kaum vorstelltbar, heute wird deren Inventar offen verhökert. Kredite zur Praxisniederlassung bekamst Du früher nach dem Studium förmlich aufgedrängt, als Sicherheit diente die eigene zukünftige Arbeitsleistung.
Durch die Budgetierung werden heute z.T. erbrachte Leistungen nicht mehr vergütet oder eingeschränkt. Welcher Unternehmer liefert eine Leistung und erfährt erst nach Monaten die Höhe der Vergütung?
Über Krankenhausärzte - nicht die Chefärzte - brauchen wir hoffentlich nicht zu diskutieren, die werden gnadenlos ausgenutzt. Unbezahlte Überstunden, für die Ausbildung eine geringe Entlohnung.
Die Pharmaindustrie - in kaum einem europäischen Land sind die Medikamentenpreise so hoch wie bei uns. Der Import von Medikamenten aus anderen europäischen Ländern muss weiter fortschreiten, findet nur ansatzweise statt, ist m.E. aber nicht verboten.
Die Apotheker - auch eingebunden in Standesorganisationen.
Alle derartigen Organisationen haben m.E. das Bestreben Bestehendes zu konservieren, stellen sich Neuem nur auf Druck hin. Aber wer soll da Druck ausüben?
Der Gesetzgeber, schwierig. Da spiegeln sich zu unterscheidlichen Zeiten die verschiedenen Lobby-Interessen wider.
Das grösste Grundübel des Gesundheitssystem ist für mich die Monopolisierung und die kann nur durch eine Zerschlagung der Strukturen aufgelöst werden.
Mein Problem ist dann allerdings wie ersetze ich die Strukturen, da fehlen mir die Antworten. Noch.
Dann Gundel will ich noch inhaltlich auf von Dir angesprochenen Beispiele eingehen:
Die Frühgeborenen- und Intensivmedizin ist sicherlich ein vielschneidiges Schwert.
Wenn ein Patient z.B. intubiert in eine Klinik kommt, können die dortigen Mediziner den Tubus nicht einfach entfernen, die Beatmung wird fortgesetzt. Alles andere wäre nicht nur unterlassene Hilfeleistung, sondern würde strafrechtlich den Bestand der Tötung erfüllen. Eine Lungenentzündung im finalen Stadium nicht antibiotisch zu behandeln oder eine Reanimation nur bedingt durchzuführen, sind auch leider immer Tatbestände am Rande der Legalität.
Das Problem sind nicht nur Mediziner, die die Intensivmedizin bis zum Exzess betreiben, sondern auch Angehörige, die genau dies erwarten. Wie es Eltern gibt, die ihre schwerbehinderten Kinder sterben lassen würden, gibt es aber eben auch die anderen, die potentiellen Kläger. Die USA liefern uns da ein Beispiel, die Versicherungsprämien für die Gynäkologen dort sind immens.
Wo machst Du für Dich den Schnitt, was Du an Leistungen in Anspruch nimmst? Glaubst Du ernsthaft diese Grenze wird sich im Laufe der Zeit nicht ändern? Im Krankheitsfall erscheinen Zustände plötzlich lebenswert und annehmbar, die man sich im gesunden Zustand nicht vorstellen konnte.
Inhaltliche und strukturelle Probleme gibt es in Hülle und Fülle im Gesundheitssystem, das ist mehr als ein abendfüllendes Thema. Wenn die strukturellen Probleme gelöst sind, werden wir uns mehr leisten können als momentan vermutet. Über die inhaltliche Probleme werden wir dann aber angesicht der unterschiedlichen Ansprüche weiter kräftig diskutieren. ;-)
ebenfalls einen schönen Sonntag wünscht
Cosa
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Euklid
02.09.2001, 12:56
@ BB
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Re: Re. @rodex, Emerald, Euklid, André und die anderen: Ges. Krankenversicherung |
>warum steigen die Krankenkassenbeiträge unaufhörlich?
>Hauptursache dafür sind die ständig steigenden Zahlungsverpflichtungen in den Risikostrukturausgleich (RSA), in diesem Jahr mußte meine Krankenkasse 52%!!!ihrer Einnahmen abführen - warum wird die AOK nicht endlich gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten? > daneben aber auch der überproportionale Anstieg der Kosten für Arzneimittel (15 % im ersten Quartal).
>15% im Quartal? Das wären rund 60% im Jahr!!! Warum wird hier nicht mal der Rotstift angesetzt? Die Pharmakonzerne verdienen sich dumm und dusselig an nachgewiesenermaßen völlig nutzlosen und hochgradig schädlichen Medikamenten (siehe Aidsmedikamente, Chemo, Herzmedikamente (Hauptwirkstoff Cumarin=Rattengift) und und und)
>Diese Behandlungen können zigtausende Mark kosten und machen den Menschen zum Krüppel, falls er dabei nicht gleich ins Gras beißt.
>Für wirklich elementare, meist sogar billige Hilfsmittel, wie z.B. die paar Mark für Verbandsmaterial nach einem Unfall oder eine Brille ist dann natürlich kein Geld da.
>Werden die Verantwortlichen den Wahnsinn erst dann begreifen, wenn die Summe aller Versicherungsbeiträge höher als das Bruttoeinkommen ist???
>Gruß
>BB >
Der Risikostrukturausgleich ärgert mich als Ersatzkassenpatient zwar auch aber er ist nicht verantwortlich für steigende Kosten,da das Geld was die AOK bekommt bei den anderen Kassen abgeht.Die Gesamtsumme bleibt unverändert.
Aber wir Ersatzkassenpatienten müssen natürlich das mehr löhnen was die AOK-Patienten nicht zahlen können,dürfen oder sollen.Was dort an Patientengruppen sich zwangsweise tummelt ist jedem bekannt.Ehrlicher als Risikostrukturausgleich (Verneblung von Tatsachen) wäre Umlage für Asylsuchende,Bürgerkriegsflüchtlinge,Arme,Sozialhilfefälle usw.
Das ist nur ein Wieselwort um die Tatsachen zu verschleiern.
Und da der Bürger darüber ob der Flut in den 80er Jahren teilweise erzürnt war kann man halt leider nicht offenlegen was wirklich ist.Ein neues Hoyerswerda wäre die Folge und kann nicht gewollt sein.Außerdem haben verschiedene Industien ganz deutliche Interessen an billigen Arbeitskräften.Da hierbei geringe Krankenkassenbeiträge anfallen muß der Rest von der Gemeinschaft erbracht werden.Eine versteckte Subvention von den Taschen der Bürger in die Kassen von Industrie.
Gruß EUKLID
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Gundel
02.09.2001, 20:11
@ Cosa
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Re: Überlegungen |
Hallo COSA,
ja Du hast Recht: Das System ist marode, namentlich als Solidargemeinschaft. Aber bevor ich jetzt einen Anflug von schlechtem Gewissen bekomme, weil ich selbst keinen Beitrag zu dieser"Gemeinschaft" mehr leiste, muss ich noch ein paar Argumente rauskramen. Ich bin übrigens nicht privat versichert, sondern gar nicht und ich stehe (streitlustig ärmelhochkrempelnd ;-) dazu. Das hat nichts mit Geld zu tun, weil man die DM 500.- pro Monat sicher aufbringen würde, sondern damit, dass ich die derzeitigen Inhumanitäten und Perversitäten einfach nicht mehr ertragen kann und daher folgerichtig auch nicht mehr mittragen möchte.
Genau so wie zurzeit im Staat (zwischen Armen und Reichen) geht die Schere auch in der Krankenproblematik immer weiter auf, und zwar zwischen den unterversorgten (gleichwohl zahlenden) Patienten und den Medizinern, die offenbar - gegen einen Haufen Geld, versteht sich - alles machen dürfen, was technisch überhaupt möglich ist. Die Solidargemeinschaft zahlt Letzteres und kann sich gegen Ersteres nicht wehren. Und genau so, wie die"Gemeinschaft" der Steuerzahler keinen Einfluß auf die Verwendung ihrer schwer erarbeiteten Steuern hat, ist es auch bei den Millionen wehrlosen Kassenfüllern der GKK. Unter Solidargemeinschaft stelle ich mir z.B. vor, dass man GEMEINSAM (z.B. via Abstimmung) darüber befinden könnte, wie die Gelder verwandt werden. Sollten dann die von mir so geschmähten Therapien eine Mehrheit finden (was ich - faire Information veriasgesetzt! - nie und nimmer glaube), dann müsste und würde ich mich der Mehrheit beugen. Mir fallen allerdings in Anbetracht des vom beginnenden Zerfall geprägten Systems leider auch keine praktikablen Lösungen ein. Früher hatte ich wenigstens noch die Hoffnung, dass es irgendwann z.B. unterschiedliche, an individuellen Bedürfnissen der Versicherten orientierte Tarife geben könnte. Ich hätte dann die Intensivmedizin abgewählt, weil ich das eben für mich nicht möchte, unter keinen Umständen.
Gleichwohl respektiere ich aber die Bedürfnisse anderer und gestehe ihnen das selbstverständlich zu. Wobei wir dann leicht zur Problematik reich = gesund kommen könnten, ich weiß... *seufz*. Und dazu, welchen Anteil die meinungsbildenen Massenmedien daran haben *würg*.
Die von Dir angesprochene Problematik zur Notfallversorgung und die entsprechende Rechtslage ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, ganz klar. Die in USA örtlich praktizierte Nichtbehandlung, auch in Notfällen, und zwar so lange, bis geklärt ist, ob der Verletzte zahlen kann oder versichert ist, ist auch nicht das Gelbe vom Ei.
Was ich eigentlich sagen möchte: Priorität hat für mich die Selbstbestimmung, die ich durchzusetzen versuche. Gegen Fremdbestimmung setze ich mich zur Wehr, falls möglich. (Ein gutes, separates Thema... vielleicht bald mal). Diese Gegenwehr äußert sich aber nicht so, dass ich mich hungerstreikend an die nächstbesten Straßenbahnschienen anschweißen lasse, sondern dass ich mich dem maroden System einfach entziehe.
Außerdem tue ich mit meinem Verhalten keinem weh, denke ich, und komme auch nach komplexeren Gedankengängen zu diesem Schluß. Dass das System durch meine Verweigerung minimal geschwächt werden könnte, nehme ich damit zwar billigend und stillschweigend in Kauf, weiß aber gleichzeitig, dass eine so verschwindend kleine Minderheit von den Verwaltern der Beiträge und den medizinischen Nutznießern gar nicht bemerkt wird. So schnell, wie das derzeitige System durch seine eigene morbide Struktur und zunehmende Unbezahlbarkeit zusammenbrechen wird, so rasch könnte kein stummer Protest Einzelner auch nur einen Millimeter Bewegung reinbringen.
Für mich sind die Leiden, die ich dadurch aushalten muss, dass einem anderen unerwünscht eine unnötige Leidensverlängerung auf der Intensivstation aufgezwungen wird (erst kürzlich im eigenen Freundeskreis wieder erlebt) sicher größer als die Nachteile, die ich dem System durch meine passive Verweigerung zufüge.
Eine Lösung für das Grundproblem sehe ich leider auch nicht. Denn ich muss Dir auch hier wieder Recht geben, dass die Angehörigen eines Kranken allzuoft verlangen, dass"alles Menschenmögliche" für den Patienten getan wird. Auch das habe ich vor ein paar Jahren erlebt, als der Nachbar seine Frau vom Sterbebett"gerettet" hat. In diesem Fall sogar gegen die Meinung human eingestellter Mediziner ("das wird doch nix mehr") und vermutlich, weil ihm auf einmal diverse Versäumnisse bewusst geworden sind. Heute sitzt sie (58 J.) apathisch, bewegungslos und ohne Beine im Rollstuhl oder liegt im Bett. Für beide hat das Leben keinerlei Qualität mehr. Außer der erzwungenen Transformation, später, vielleicht...
Ich kann die Grenzen leider auch nicht ziehen, daher rede und entscheide ich ja auch nur für mich. Aber diese Entscheidung möchte ich, wenn es ernst wird, ernst genommen wissen.
Du hast auch damit Recht, dass man neuerdings (sogar mehr und mehr, glaube, hoffe ich) auf human eingestellte Mediziner trifft, die"im stillen Einverständnis" den Willen der Patienten respektieren. Das läßt hoffen. Der Großteil der Weißgekleideten aber ist heute unglücklich in einem System gefangen, dass dazu zwingt, immer mehr und immer kleinere Einzelhäppchen von einem nicht größer werdenden Kuchen abzuschneiden. Oben werden Millionen abkassiert mit High Tech, unten, in der Gemeinschaftspraxis des Allgemeinmediziners, wird gekämpft um jede Urinprobe.
Ich hoffe halt im Fall des Falles, für mich selbst, einem Humanmediziner zu begegnen, der den Namen verdient. Mehr nicht.
Gruss Gundel,
auch ganz besonders an Nereus, der mir mit seiner Einstellung aus der Seele spricht
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