Montag 17. September 2001, 11:53 Uhr
Afghanische Opposition harrt in Oase der Hoffnung aus
- von Sebastian Alison
Pandscher-Tal (Reuters) - Flüchtlinge drängen sich auf einer kleinen Inselgruppe im Fluss Pjandsch und starren den Hubschrauber über ihnen an, als komme er aus einer anderen Welt. Sie sind das Erste, was man sieht, wenn man aus Tadschikistan in das Nachbarland Afghanistan einfliegt. Sie sind in der Mitte des Flusses gefangen, der die Grenze zwischen beiden Ländern markiert, denn Tadschikistan lässt Afghanen auf der Flucht vor Kampfhandlungen, Dürre und Elend nicht ins Land.
Schon lange bevor die Terroranschläge in Amerika einen Militärschlag der USA gegen Afghanistan heraufbeschworen haben, ergoss sich aus dem Land ein Flüchtlingsstrom. Die Vogelschau aus einem altersschwachen Hubschrauber sowjetischer Bauart im Dienste der afghanischen Opposition macht klar warum. Das Gelände ist staubtrocken. Afghanistan wird wieder einmal von Dürre heimgesucht. Aus der Luft noch zu erkennende Dörfer sind nicht nur verlassen, sondern verfallen - ob Krieg oder Armut daran schuld sind, lässt sich unmöglich sagen.
Der Flug von Tadschikistan ins Pandscher-Tal, das Herz des von der oppositionellen Nord-Allianz gehaltenen Territoriums, führt über Gebiet unter Kontrolle der radikal-islamischen Taliban-Regierung, die 95 Prozent Afghanistans beherrscht. Doch der Begriff"Kontrolle" verliert in diesem Land seine Bedeutung. Es scheint eher, dass alle, die hier leben, von der Ã-dnis um sie herum kontrolliert werden.
Die Landung im Tal nach zweistündigem Flug gleicht der Ankunft in einer Oase. Dank dem Fluss Pjandsch ist die Gegend fruchtbar, zugleich wird sie von steilen Bergen geschützt. Das Tal ist nie von den sowjetischen Truppen eingenommen worden, die 1979 in Afghanistan einmarschierten. Auch den Taliban gelang es nicht, es zu erobern. Die Straße, die auf dem schmalen Stück Land neben dem Fluss entlang führt, ist von ausgebrannten Panzerfahrzeugen gesäumt. Hier herrschte Ahmad Schah Masud, der"Löwe von Pandscher", militärischer Anführer der Nord-Allianz, bis er vor einer Woche einem Bombenanschlag zum Opfer fiel.
Nur einige der Frauen im Tal tragen die vollständige Verschleierung, die die Taliban anderswo in Afghanistan verlangen. Hier können Frauen sich auch alleine in der Ã-ffentlichkeit zeigen oder in Gruppen ohne männliche Begleitung. Die Islamauslegung trägt hier deutlich liberalere Züge."Im Pandscher-Tal herrscht Friede. Das ist ein ermutigendes Zeichen für die Zukunft", sagt eine der Frauen, Nilab Mobarez.
Mobarez ist eine Frau, die außerhalb des Pandscher-Tals in Afghanistan nicht gern gesehen würde. Sie versteckt weder ihr Gesicht, noch ihre Ansichten, noch ihre beruflichen Fertigkeiten. Sie ist eine frühere Professorin für Chrirurgie der Universität von Kabul. 1989 ging sie nach Paris. Im Juni kam sie auf Einladung Masuds ins Tal. Jetzt pendelt sie zwischen der französischen Hauptstadt und der Zuflucht der Opposition.
"In den Taliban-kontrollierten Gebieten gehen Frauen nicht zur Schule, haben keine Arbeit, ihnen wird medizinische Versorgung durch männliche Ärzte verweigert", sagt Mobarez. Von den 59 Schulden im Pandscher-Tal hingegen seien 29 für Mädchen vorgesehen. Masud hatte Mobarez ermutigt, im Tal eine Klinik zu eröffnen. Drei weitere sollten nach seinen Plänen folgen.
Masuds Tod ist nicht nur ein Rückschlag für die Nord-Allianz als militärische Organisation, sondern auch für Mobarez' Projekte. Doch sie hofft, dass seine Waffengefährten sein Werk fortsetzen und ihre Allianz nicht auseinanderbricht:"Ich hab die Anführer bei seiner Beisetzung reden hören. Fast alle von ihnen weinten. Ich hatte vorher noch nie einen afghanischen Mann weinen sehen, auch meinen Vater nicht. Und sie weinten nicht um den Mann, sondern um seine Sache. Sie alle sagten, dass sie zusammenbleiben würden."
mor/kjf
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