Ghandi
20.09.2001, 22:01 |
Re: Systemfehler Zins Thread gesperrt |
Hi dottore,
eine Anmerkung zu diesem Satz von Dir:
"Die Zinsen werden immer nur dann zum Problem, wenn sie nicht bezahlt werden. Würden alle Zinsen vereinbarungsgemäß bezahlt, was letztlich nur durch zusätzlich erstelltes und realisiertes BIP seitens der Schuldner geschehen kann, hätten wir die ganzen Überschuldungsprobleme nie und nimmer am Hals."
Du hast uns gelehrt, die Wirtschaft als fortschreitende Ver-
schuldungskette zu verstehen, in der jeder Schuldner einen
Nachschuldner braucht.
Und weil stets der Zins des Vorgängers mit bezahlt werden muß,
ist die Kreditmenge zwangsläufig zu dynamischem Wachstum
verdammt.
Das System funktioniert, wie Du oben schreibst, also nur unter
dem permanenten Zwang eines parallel dazu sich steigernden
BIP-Wachstums.
D.h.: Wachstum ohne Ende! - und das auf einer runden Kugel namens
Erde, die nicht mit wachsen mag.
Ist der Begriff"Systemfehler" unter diesem Gesichtspunkt verfehlt?
Übrigens:
Einen denkbaren Zusammenhang zwischen Zins und Distanz,
den Du mal in die Diskussion geworfen hast, finde ich persönlich
sehr plausibel und hoch interessant. (In der Familie wird Kredit
zinslos gegeben, weil man sich gut kennt, im Falle von Argentinien,
weil weit weg und deshalb schwer kalkulierbar, läßt man sich als
Verleiher nur zu 10%+x zur Kreditvergabe verleiten.)
Daraus darf man schließen, dass die Globalisierung das welt-
weite Schuldenproblem prinzipiell verschärft hat, während kleine,
überschaubare Wirtschaftsräume nachhaltiger funktionieren sollten.
Im Hinblick auf soziale Sicherungssysteme (man denke nur an Zeit-
bomben wie die Pflegeversicherung) gilt Gleiches. Die Verlagerung
von Kompetenzen weg vom Staat und zurück zu kleinen Gemeinschaften
(Dorf, Stadt, Landkreis), in denen sich die Menschen gegenseitig
kennen, muß zu wesentlicher Effizienzsteigerung und geringerer
Verschwendung von Mitteln führen.
Wenn, wie Du glaubst, Staaten demnächst zerfallen werden,
dann wäre die Rückbesinnung auf lokale Stärken nicht der
falscheste Weg für einen Neubeginn. Was selbstredend nicht
den Rückfall in die Kleinstaaterei bedeuten darf.
Gruß
G.
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Euklid
20.09.2001, 22:09
@ Ghandi
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Re: Systemfehler Zins |
>Hi dottore,
>eine Anmerkung zu diesem Satz von Dir:
>"Die Zinsen werden immer nur dann zum Problem, wenn sie nicht bezahlt werden. Würden alle Zinsen vereinbarungsgemäß bezahlt, was letztlich nur durch zusätzlich erstelltes und realisiertes BIP seitens der Schuldner geschehen kann, hätten wir die ganzen Überschuldungsprobleme nie und nimmer am Hals."
>
>Du hast uns gelehrt, die Wirtschaft als fortschreitende Ver-
>schuldungskette zu verstehen, in der jeder Schuldner einen
>Nachschuldner braucht.
>Und weil stets der Zins des Vorgängers mit bezahlt werden muß,
>ist die Kreditmenge zwangsläufig zu dynamischem Wachstum
>verdammt.
>Das System funktioniert, wie Du oben schreibst, also nur unter
>dem permanenten Zwang eines parallel dazu sich steigernden
>BIP-Wachstums.
>D.h.: Wachstum ohne Ende! - und das auf einer runden Kugel namens
>Erde, die nicht mit wachsen mag.
>Ist der Begriff"Systemfehler" unter diesem Gesichtspunkt verfehlt?
>
>Übrigens:
>Einen denkbaren Zusammenhang zwischen Zins und Distanz,
>den Du mal in die Diskussion geworfen hast, finde ich persönlich
>sehr plausibel und hoch interessant. (In der Familie wird Kredit
>zinslos gegeben, weil man sich gut kennt, im Falle von Argentinien,
>weil weit weg und deshalb schwer kalkulierbar, läßt man sich als
>Verleiher nur zu 10%+x zur Kreditvergabe verleiten.)
>Daraus darf man schließen, dass die Globalisierung das welt-
>weite Schuldenproblem prinzipiell verschärft hat, während kleine,
>überschaubare Wirtschaftsräume nachhaltiger funktionieren sollten.
>Im Hinblick auf soziale Sicherungssysteme (man denke nur an Zeit-
>bomben wie die Pflegeversicherung) gilt Gleiches. Die Verlagerung
>von Kompetenzen weg vom Staat und zurück zu kleinen Gemeinschaften
>(Dorf, Stadt, Landkreis), in denen sich die Menschen gegenseitig
>kennen, muß zu wesentlicher Effizienzsteigerung und geringerer
>Verschwendung von Mitteln führen.
>Wenn, wie Du glaubst, Staaten demnächst zerfallen werden,
>dann wäre die Rückbesinnung auf lokale Stärken nicht der
>falscheste Weg für einen Neubeginn. Was selbstredend nicht
>den Rückfall in die Kleinstaaterei bedeuten darf.
>
>Gruß
>G.
Die Globalisierung wird im Extremfall vielleicht zur Miniaturisierung führen.Denkbar ist auch ein Zerfall im Westen so ähnlich wie es in Jugoslawien ablief.Vielleicht wollen die Basken allein sein, dann wird Sizilien und Anhang von Norditalien abgekoppelt dann möcht vielleicht Bayern und Baden-Württemberg mit der Schweiz und Nord-Italien sowie Ã-sterreich und Liechtenstein zu einem Bund?Wer weiß was hier alles möglich wird!
Gruß EUKLID
Hoffentlich wecken die den Kaiser nicht noch auf.
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dottore
21.09.2001, 10:34
@ Ghandi
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Re: Systemfehler Zins |
>Hi dottore,
>eine Anmerkung zu diesem Satz von Dir:
>"Die Zinsen werden immer nur dann zum Problem, wenn sie nicht bezahlt werden. Würden alle Zinsen vereinbarungsgemäß bezahlt, was letztlich nur durch zusätzlich erstelltes und realisiertes BIP seitens der Schuldner geschehen kann, hätten wir die ganzen Überschuldungsprobleme nie und nimmer am Hals."
>
>Du hast uns gelehrt, die Wirtschaft als fortschreitende Ver-
>schuldungskette zu verstehen, in der jeder Schuldner einen
>Nachschuldner braucht.
Ja, in der ersten Periode in Höhe des Zinses, der nicht als Nachfrage vorhanden sein kann.
Also Beispiel mit nur einer einmal entstandenen, weil kontrahierten Schuld von 1000, Zins 100. Die Schuld wird zurückgezahlt, der Zins 100 bleibt als neue Schuld offen. Nach der ersten Periode.
Dann: Zins 100 noch offen. Zins darauf: 10.
In der zweiten Periode muss der Zins 100 bezahlt werden, geht unschwer ebenfalls durch die in Form von 100 vorhandenen Nachfrage. Zins 10 noch offen. In Höhe von 10 muss wiederum neue Verschuldung stattfinden. Zins darauf: 1.
Dritte Periode: Die 10 werden zurückgezahlt, da als Nachfrage vorhanden, da es in der Periode Zwei durch die Verschuldung in Höhe von 10 Nachfrage geschaffen wurde. Offen jetzt noch: 1.
Dann immer weiter. 0,1, 0,01, usw. Der einmal gegebene einzige Kredit (die einmal genommene Schuld) läuft also automatisch gegen Null aus - voraus gesetzt, die Zinsen werden mit der jeweiligen, immer weiter abnehmenden Neuverschuldung bezahlt.
Was für einen einzigen Kredit gilt, gilt natürlich auch für alle.
Die Bezahlung kann letztlich nur dadurch geschehen, dass zusätzliches BIP erstellt, am Markt realisiert und vom Gläubiger verkonsumiert wird. Gewirtschaftet wird ja nicht, um zu wirtschaften, sondern um die Güter und Leistungen, die erwirtschaftet wurden, letztlich zu konsumieren.
Es muss also immer in realisiertem BIP gezahlt werden, in einer Leistung eben, die der Gläubiger als Zahlung akzeptiert.
Das ganze Problem geht nur darum, dass der Schuldner genau das liefert, was der Gläubiger als Zahlung akzeptiert. Der Schuldner ist verpflichtet.
Akzeptiert der Gläubiger die Zahlung (Leistung) nicht, geht der Schuldner bankrott und der Gläubiger muss in den Schuldner vollstrecken, Klartext:
In die Sicherheiten (Pfänder), die dieser geboten hat. Denn der Gläubiger war mit der Qualität, Quantität, Eigenschaft und dann der Stellung der Sicherheit einverstanden, also mit deren Ablieferung an ihn, falls der Kontrakt platzt.
Deshalb akzeptiert er Sicherheiten (Pfänder) immer nur unterhalb (!) ihres aktuellen Marktpreises ("Wertes"). Die Differenz zum vollen Marktpreis wäre dann die Entschädigung für den - wegen Konkurs des Schuldners - entgangenen Zinses.
Jetzt etwas klarer?
Gruß (muss weg; Rest folgt)
d.
>Und weil stets der Zins des Vorgängers mit bezahlt werden muß,
>ist die Kreditmenge zwangsläufig zu dynamischem Wachstum
>verdammt.
>Das System funktioniert, wie Du oben schreibst, also nur unter
>dem permanenten Zwang eines parallel dazu sich steigernden
>BIP-Wachstums.
>D.h.: Wachstum ohne Ende! - und das auf einer runden Kugel namens
>Erde, die nicht mit wachsen mag.
>Ist der Begriff"Systemfehler" unter diesem Gesichtspunkt verfehlt?
>
>Übrigens:
>Einen denkbaren Zusammenhang zwischen Zins und Distanz,
>den Du mal in die Diskussion geworfen hast, finde ich persönlich
>sehr plausibel und hoch interessant. (In der Familie wird Kredit
>zinslos gegeben, weil man sich gut kennt, im Falle von Argentinien,
>weil weit weg und deshalb schwer kalkulierbar, läßt man sich als
>Verleiher nur zu 10%+x zur Kreditvergabe verleiten.)
>Daraus darf man schließen, dass die Globalisierung das welt-
>weite Schuldenproblem prinzipiell verschärft hat, während kleine,
>überschaubare Wirtschaftsräume nachhaltiger funktionieren sollten.
>Im Hinblick auf soziale Sicherungssysteme (man denke nur an Zeit-
>bomben wie die Pflegeversicherung) gilt Gleiches. Die Verlagerung
>von Kompetenzen weg vom Staat und zurück zu kleinen Gemeinschaften
>(Dorf, Stadt, Landkreis), in denen sich die Menschen gegenseitig
>kennen, muß zu wesentlicher Effizienzsteigerung und geringerer
>Verschwendung von Mitteln führen.
>Wenn, wie Du glaubst, Staaten demnächst zerfallen werden,
>dann wäre die Rückbesinnung auf lokale Stärken nicht der
>falscheste Weg für einen Neubeginn. Was selbstredend nicht
>den Rückfall in die Kleinstaaterei bedeuten darf.
>
>Gruß
>G.
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dottore
21.09.2001, 14:19
@ Ghandi
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Re: Systemfehler Zins, Antwort Teil 2 |
Hi,
hier noch kurz einige Anmerkungen zum Rest:
>Das System funktioniert, wie Du oben schreibst, also nur unter
>dem permanenten Zwang eines parallel dazu sich steigernden
>BIP-Wachstums.
Ja, genau das macht zunächst die Dynamik des Systems aus. Wird der Zins durch Nichtbezahlung und Hochbuchung bzw. immer neue Schulden aber an immer anderen Stellen immer weiter vor sich"hergeschoben", gerät das System zwangsläufig aus den Fugen:
Eine, die Ressourcen zerstörende, nur noch auf Produktionsmaximierung ausgelegte Wirtschafterei hebt an, immer mehr und mehr sinnloses Zeugs wird produziert, das dann, wenn die Hochbucherei mangels noch zu gewährender oder gewährter"new credits" auf einmal ins Stocken kommt (solche Krisen beginnen in den"gehobenen" Marktsegmenten, Weltreisen, Zweit-Ferraris, Phantasieprojekte wie vieles in der IT- und"new economy"-Branche, UMTS etc.) - und die Krise ist da.
Der berühmte Konjunkturforscher Arthur Spiethoff hat dazu den sehr passenden Ausdruck"Stockung" gewählt.
Und alle halten sie für"unerklärlich".
>D.h.: Wachstum ohne Ende! - und das auf einer runden Kugel namens
>Erde, die nicht mit wachsen mag.
Wichtiger Punkt! Denn hinzu kommt auch noch on top die Maximierung der Weltbevölkerung (andere Kulturen hatten sich gerade in diesem Punkt sehr weise beschränkt). Dann erledigt die"menschliche Springflut" (Titel eines Buches von Claus Jacobi, ehemals"Spiegel"-Chefredakteur) den Rest.
>Ist der Begriff"Systemfehler" unter diesem Gesichtspunkt verfehlt?
Nein.
>Übrigens:
>Einen denkbaren Zusammenhang zwischen Zins und Distanz,
>den Du mal in die Diskussion geworfen hast, finde ich persönlich
>sehr plausibel und hoch interessant. (In der Familie wird Kredit
>zinslos gegeben, weil man sich gut kennt, im Falle von Argentinien,
>weil weit weg und deshalb schwer kalkulierbar, läßt man sich als
>Verleiher nur zu 10%+x zur Kreditvergabe verleiten.)
>Daraus darf man schließen, dass die Globalisierung das welt-
>weite Schuldenproblem prinzipiell verschärft hat, während kleine,
>überschaubare Wirtschaftsräume nachhaltiger funktionieren sollten.
Sehr guter Punkt! Auch das verschärft das Ganze. Eine solche Form der Globalisierung muss scheitern, und das hat nichts mit freiem Welthandel zu tun, sondern mit den dann immer weiter hochgebuchten und nicht geleisteten Zinsen. Die Armen in der Dritten Welt haben auch keine Chance, sie jemals zu leisten. Hätte man ihnen die Kredite nicht geradezu aufgedrängt (wer nimmt nicht gerne Geld?) und dann stehen lassen, wären deren ursprüngliche sozialen und wirtschaftlichen Strukturen erhalten geblieben und hätten sich moderat weiter entwickelt.
>Im Hinblick auf soziale Sicherungssysteme (man denke nur an Zeit-
>bomben wie die Pflegeversicherung) gilt Gleiches. Die Verlagerung
>von Kompetenzen weg vom Staat und zurück zu kleinen Gemeinschaften
>(Dorf, Stadt, Landkreis), in denen sich die Menschen gegenseitig
>kennen, muß zu wesentlicher Effizienzsteigerung und geringerer
>Verschwendung von Mitteln führen.
Absolut auch meine Meinung.
>Wenn, wie Du glaubst, Staaten demnächst zerfallen werden,
>dann wäre die Rückbesinnung auf lokale Stärken nicht der
>falscheste Weg für einen Neubeginn. Was selbstredend nicht
>den Rückfall in die Kleinstaaterei bedeuten darf.
Ja, es wird nicht nur zu einer Remoralisierung, sondern auch zu einer Relokalisierung kommen, nachdem der sich anbahnende Weltimperialismus in sich kollabiert ist. Die Geschichte aller"Imperien" sollte zu denken geben, siehe Persien, Athen, Alexander, Rom, Byzanz, Karolinger, Türkei, England, Italien, usw. - von den gescheiterten Versuchen (Kaiserreiche bis WK I, Hitler, Sowjetunion) ganz abgesehen.
Paul Kennedy hat dies bestens erläutert.
Gruß + Dank
d.
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