Wüstentourismus in Libyen
Ines Kohl
Kulturwandel im Orient
Libyen Fezzan
(ISBN 3-9000310-75-0)
Assassinen
Markenprodukte und Werbung
Desert Tourism Seminar Ghadames
as-Sahara Libyia
(ab Nov. 2001 erhältlich) Die Assassinen
Betrachtungen über die Legenden und historischen Sequenzen der ismailitischen Geheimorganisation
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Inhalt
*Die historische Überlieferung - Wahrheit oder Legende?
*Etymologie
*Wer waren die Assassinen wirklich?
*Die Geschichte der Ismailia (heute auch Aga Khan-Sekte genannt)- die Geschichte der Assassinen
*Hasan-y-Sabbah und die"Neue Verkündigung"
*Gesellschaftsstruktur, Ideologie und Geheimdoktrin, (Initiation)
*Die Zeit der Krise
*Hasan-y-Sabbahs Erbe
*Die Verwendung von"Haschisch" bei den Assassinen
*Rekapitulation und abschließende Bemerkungen
*Literaturverzeichnis
*Die historische Überlieferung - Wahrheit oder Legende?
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Um die Assassinen ranken sich seit Jahrhunderten mythische und mystische Geschichten, denen Begriffe wie Meuchelmörder, religiöse Fanatiker, bezahlte Killer und"Haschischfresser" anhaften.
"(... ) ich erwähne besonders die Assassinen, die verflucht und gemieden seien. Sie verkaufen sich, dürsten nach Menschenblut, töten Unschuldige gegen Bezahlung, scheren sich weder um das Leben noch um die Erlösung. Wie der Teufel verwandeln sie sich in Engel des Lichts, indem sie Gebärde, Kleidung, Sprache, Sitte und Benehmen vieler Nationen und Völker nachahmen; als solche Wölfe im Schafspelz nehmen sie den Tod auf sich, sobald sie erkannt werden (...)"(Brocardus, zitiert nach Lewis 1989, 15)
Diese Zeilen stammen von Brocardus, einem deutschen Kleriker, der 1332 König Philipp VI von Frankreich seine Hilfe für einen weiteren Kreuzzug anbot, und in diesem Traktat auf die besonderen Gefahren im Orient hinwies. Die frühesten Zeugnisse der Assassinen, als Bezeichnung einer muslimischen Sekte unter der Führung einer mysteriösen Gestalt, der"Alte vom Berg" genannt, stammen alle aus der Zeit der Kreuzzüge, und wurden von europäischen Söldnern, Klerikern und Geschichtsschreibern verfasst. Eine der frühesten Beschreibungen der Assassinen finden wir im Bericht eines Gesandten des Kaisers Friedrich Barabrossas, der 1175 nach Syrien und nach Ägypten geschickt wurde:
"Beachte, dass in den Bergen um Damskus, Antiocheia und Aleppo ein gewisses Geschlecht der Sarazenen wohnt, die in ihrer eigenen Sprache"Heyssessini", im Romanischen aber"segnors de montana" genannt werden. Diese Menschenbrut lebt ohne Gesetz, verzehrt Schweinefleisch wider das Gebot der Sarazenen und verkehrt unterschiedslos mit allen Weibern, die eigenen Mütter und Schwestern eingeschlossen. Sie leben in den Bergen und sind nahezu unbezwinglich, denn sie können sich in ihre wohlbefestigten Burgen zurückziehen. (...)"(ebd. 17)
Die eurozentristische und vor allem die einseitige negative Berichterstattung über die Assassinen lässt sich aus dem kriegerischen Kontext erklären. Das christliche klerikale Europa des Mittelalters wurde als Mittelpunkt der Welt, und somit als die einzig wahre Glaubensrichtung angesehen. Der Orient stellte die Ungläubigen, die zu Bekehrenden dar. Die Assassinen wurden aufgrund ihres wehrhaften Charakters von den Kreuzrittern gerade deswegen besonders hervorgehoben und in einem Negativkontext idealisiert. Auf der anderen Seite stellte aber die grausame Darstellung der Assassinen eine weitere Legitimation der Kirche für die Kreuzzüge dar. In den abartigen Sitten und Gebräuchen der Sekte sah man erst recht einen triftigen Grund diese Gemeinschaft zu bekämpfen, zu unterwerfen, und zu beherrschen. Die Verifikation der mittelalterlichen Texte als empirisch korrektes Material ist somit nicht mehr gegeben.Man muss sehr genau abwägen, wo die historische Dimension beginnt, und wo die mythische Verzerrung endet.
Etymologie
In den mittelalterlichen Berichten wurden bereits die Termini"Assassinen" bzw."aschischin" verwendet, um die muslimische Sekte zu benennen. Neuere arabische und persische Quellen zeigten jedoch, dass der Begriff"Assassine" lediglich eine lokale Bezeichnung für syrische Ismailiten war.Im beginnenden 19. Jhd. trug Silvestre des Sacy (Lewis 1989), der wohl bedeutendste Arabist seiner Zeit, wesentlich zur Klärung der Assassinenlegende bei. Er veröffentlichte 1809 eine Denkschrift über die Dynastie der Assassinen und die Etymologie ihres Namens. Seine Forschungen stellten einen Meilenstein in der eher kärglichen Assassinenforschung dar, da er auf eine reiche Sammlung arabischer Quellen der Pariser Bibliothéque Nationale und bis dahin unbekannte Chroniken der Kreuzfahrer Bezug nahm. Den größten Teil seiner Studien widmete de Sacy der Frage nach der Bedeutung und der Herkunft des Wortes"Assassine".
Seiner Meinung nach leitet sich der Terminus Assassine arabischen"haschisch" ab. De Sacy nahm an, dass die abweichenden aber ebenfalls gebräuchlichen Termini"Assassini","Assissini" und"Heyssissini" auf den arabischen Formen"haschischi" und dessen Plural"haschischijjin" beruhen. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes"haschisch" im arabischen ist"trockenes Kraut". Später wurde der Begriff speziell zur Bezeichnung des Indischen Hanfes, Cannabis Sativa, verwendet, dessen Wirkung der arabischen Welt selbstverständlich schon lange vor dem Mittelalter bekannt war.Diese Deutung des Namens"Assassine" trug wesentlich zur Mystifizierung dieser Gesellschaft bei.
Besonders das Thema des Haschischgebrauchs, nicht nur aus der etymologischen Wurzel bekannt, sondern auch Inhalt vieler Legenden und mittelalterlicher Berichte, erregte die Gemüter und rief wilde Spekulationen hervor, und ließ die Assassinen unter dem im Volksmund üblichen Terminus"Haschischfresser" in die Geschichte eingehen.
Wer waren die Assassinen wirklich?
Die Assassinen sind abgespaltete Ismailiten die von Persien ausgehend eine Geheimorganistion gründeten, deren Lehre Ähnlichkeit mit der Mystik besaß.In den ersten 3 Jahrhunderten der islamischen Geschichte etablierten sich drei Glaubensrichtungen, die bis heute wesentlich sind - Schiiten, Sunniten und Charidschiten.
Besonders unter den Schiiten gibt es eine Reihe von Abspaltungen, deren Hauptthema die Abstammung von Mohammed betrifft, bzw. die darauf begründete Abfolge der Imame. Die Ismailiten, eine schiitische Untergruppierungenn werden auch als 7-er Schiiten bezeichnet, da ihre Imamabfolge beim 7. Imam endet. Sie betonen die innere Erleuchtung des geistlichen Führers, des Imams, die ihm göttliche Autorität und Unfehlbarkeit verleiht.
"Die Assassinen repräsentieren keine Hauptströmung islamischer Tradition oder islamischen Konsenses; sie waren sozusagen eine Häresie innerhalb einer Häresie - ein extremistischer Ausläufer der schiitischen Bewegung (...)"(Lewis, 10)
Ihr Ziel war es unter anderem die sunnitische Hegemonie zu brechen. Sie operierten von ihrem Stützpunkt der nordiranischen Burg Alamut, und mangels militärischer Macht bedienten sie sich des politischen Attentats, um gegen die sunnitischen Herrscher vorzugehen. Zu ihren Gegnern zählten auch die Kreuzfahrer, die ihren Schreckensruf nach Europa trugen. Bei den Assassinen gingen politische Programmatik und religiöser Fanatismus, getragen von göttlichem Selbstbewußtsein, Hand in Hand. Sie proklamierten einen Gottesstaat auf Erden, und die völlige Abschaffung einer irdischen Herrschaftsform.
Das oberste Prinzip der Assassinen stellte absolute Geheimhaltung dar. Dies garantierte sowohl die Sicherheit der Gemeinschaft nach außen, aber auch eine innere Festigung, eine Solidarität innerhalb der Gruppe.
"Bei diesen Fragen der Geheimhaltungstechnik ist nicht zu vergessen, dass keineswegs nur das Geheimnis ein Mittel ist, unter dessen Schutz die (...) Zwecke der Gemeinschaft gefördert werden sollen; sondern dass vielfach umgekehrt die Gemeinschaftsbildung ihrerseits dazu dienen soll, das Geheimbleiben gewisser Inhalte zu gewährleisten. Das geschieht bei dem besonderen Typus geheimer Gesellschaften, deren Substanz eine Geheimlehre ist, ein theoretisches, mystisches, religiöses Wissen."( Simmel, Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft)
Weiters meint Simmel, dass das Geheime an einer Gesellschaft eine primär soziologische Tatsache ist, eine formale Beziehungsqualität, die in unmittelbarer oder mittelbarer Wechselwirkung mit anderen steht, und die den Habitus der Gruppe bestimmt. (ebd.)
Einer Geheimgesellschaft fehlt jedoch das organische Wachstum, der Instinktcharakter in der Akkumulierung, und jede unbefangene Selbstverständlichkeit des Zusammengehörigkeitsgefühls und des Einheitbildens.(ebd.)
Ihre Bindung ist gewollt, ist bewusst und unterscheidet sich von"gewachsenen Gesellschaften", die auf Konsanguinität oder Affinität beruhen. Laut Simmel ist ihre (die der Geheimgesellschaft) sozialpsychologische Form die eines Zweckverbandes. Wesentlich ist dabei die Notwendigkeit der Zentralisierung."Je verbrecherischer die Zwecke der geheimen Gesellschaft sind, desto unbeschränkter pflegt die Macht der Anführer zu sein und desto grausamer (scheint sie) ausgeübt zu werden". (ebd.)
Simmel nennt in diesem Zusammenhang die Assassinen, die Chauffeurs (eine Räuberbande mit verzweigter Organisation) im Frankreich des 18.Jhd. und die Gardunas (eine Verbrechergesellschaft) vom 17.Jhd. bis zum 19.Jhd. in Spanien. Sie alle charakterisiert Gesetzlosigkeit und Rebellion, und sie standen alle unter einem Oberhaupt, das sie sich teilweise selbst setzten, und dem sie sich ohne jede Kritik und Bedingung beugten. Das heißt, Freiheit und Bindung stehen sich als Extreme gegenüber:"das Übermaß an Freiheit, das solche Bünde gegenüber allen sonst gültigen Normen besaßen, musste um des Gleichgewichts des Lebensgefühles willen durch ein gleiches Übermaß von Unterworfenheit und Verzicht auf eigenen Willen ausgeglichen werden." (ebd.)
Die Assassinen kann man als schiitische Extremisten des Mittelalters bezeichnen, die als Geheimgesellschaft gegen die herrschende sunnitische Macht kämpfte, um selbst die Hegemonie zu erhalten. Ihr Ziel war eine neue Gesellschaft unter der Führung ihres für wahr empfundenen Imams.Um die Aktivitäten der Assassinen verstehen zu können, muss man zunächst die Geschichte der Ismailia im allgemeinen betrachten, denn die Entwicklung der Assassinen ist untrennbar mit der der Ismailia verbunden.
Die Geschichte der Ismailia - die Geschichte der Assassinen
Nach dem Tode Mohammeds 632 n.Chr. kam es zur ersten großen Krise innerhalb der islamischen Welt. Die Frage nach der legitimen Nachfolge Mohammeds löste die Aufspaltung in Sunniten und Schiiten aus.
Sunniten haben als Grundlage ihres Glaubens neben dem Koran die Weisungen von Mohammed, die Sunna, die im Hadith überliefert ist. Sie verlangen keine direkten Nachfahren von Mohammed, sondern der Imam soll lediglich aus dem Stamm Mohammeds kommen, und in der Lage sein, die Gemeinschaft nach Recht und Gerechtigkeit zu führen.
Schiiten bestehen darauf, dass die Nachfolge Mohammeds innerhalb der Familie bleibt. Deswegen wurde Ali, Mohammeds Cousin, der erste rechtmäßige Imam, der Führer der Gemeinschaft. Der Imam ist die wichtigste Person, er hat die religiöse Führungsrolle, ist unmittelbarer Nachfolger Alis, und steht in unmittelbarer Verbindung zu Mohammed und zu Allah. Er wird zu einer fast unfehlbaren Instanz und ihm wird sogar Sündlosigkeit zugesprochen. Die Schiiten leben in der Erwartungshaltung, dass am Ende der Zeiten der verborgene/entrückte Imam kommen wird, um das Reich Allahs zu errichten. Die Idee des Mahdi gehört besonders bei den Schiiten zu den tiefverwurzelten eschatologischen Erwartungen des Islam.
Die Schia, die ursprünglich eine Partei Alis (Schi´atu Ali) war, wandelte sich Ende des 7. und Anfang des 8.Jhd. zu einer religiösen Gruppierung um und verlangte den Umsturz der bestehenden Ordnung, sowie die Einsetzung des nach ihrer Meinung nach rechtmäßigen Imams. Daraus resultierte wiederum die Aufspaltung in 7-er und 12-er Schiiten. Zum entscheidenden Bruch zwischen Extremisten und Gemäßigten innerhalb der Schia kam es 765 n.Chr., nach dem Tod von Dscha´far al-Sadiq, dem 6. Imam nach Ali. Dscha´fars Sohn Ismail wurde jedoch enterbt, und sein jüngerer Bruder Musa al-Kasim wurde als 7. Imam inthronisiert und von der Majorität der Schia auch anerkannt. Musas Linie setzte sich bis zum 12. Imam fort, der um 873 n.Chr. verschwand und seitdem für die 12-er Schiiten den Mahdi ("der erwartete Imam") verkörpert.
Die Zwölfer-Schia repräsentiert den gemäßigten Teil der Sekte.Eine zweite Gruppierung, die 7-er Schiiten, folgten Ismail und seinen Nachfolgern.
Diese Sekte ist unter dem Namen Ismailia (Ismailiten, Isma´ilis) bekannt, und übertraf in Hinblick auf Zusammenhalt, politischer Organisation sowie auch auf intellektueller Ebene alle Rivalen. Den Initiierten bot die Ismailia ein Geheimwissen, das über Jahrhunderte gehütet wurde. Sie übernahmen den mystischen Symbolismus vom Sufismus, und versuchten mit Hilfe psychoaktiver Substanzen eine mystische Ekstase zu erfahren. (Shand, The Secret Doctrines of the Assassins, 1998) Sie versuchten wie alle Sekten zuvor die bestehende Ordnung zu beseitigen, und anstelle dessen eine neue Gesellschaftsordnung unter der Führung des von ihnen anerkannten rechtmäßigen Imams zu etablieren.
Den größten Beifall bekam die Ismailia am Ende des 9.Jhd. im Jemen. Von dort ausgehend wurden weitere Territorien, wie Indien und Nordafrika, missioniert. Um 909 n.Chr. war die Ismailia bereits mächtig genug, um den verborgenen Imam aus seiner"Entrücktheit" auftauchen zu lassen und zum Kalifen in Nordafrika, mit dem Titel"al-Mahdi", proklamieren zu können.
Ein Imam konnte nicht nur durch Vererbung die Weiterführung der Herrschaft erlangen, sondern auch durch Entrückung. Der Imam ist zwar physisch nicht fassbar, er ist unsichtbar, also"entrückt", aber dennoch vorhanden. Wenn der entrückte Imam wieder auf der Erde auftaucht (d.h. wenn eine Person für den entrückten Imam gehalten wird), manifestiert er sich im Mahdi (Messias). Der Imam ist der einzige legitime Führer der Menschheit, denn nur er weiß, was im Sinne Allahs ist. Wenn er entrückt ist, dann leben die Menschen in einer Rechtsunsicherheit. Zur Überbrückung dieser Unsicherheit wurde ein eigenes Rechtssystem erstellt, das aber keinen Absolutsanspruch hatte.Mit der Proklamation des Mahdis wurde die fatimidische Dynastie gegründet. Anfangs beherrschten die Fatimiden nur den Westen der islamischen Welt. Ihr Ziel war es jedoch, im Osten, im Kernland des Islam, die sunnitischen Abbasiden zu verdrängen, was ihnen 969 n.Chr. auch gelang.
Im 11.Jhd. erlangte das fatimidische Reich seine Blüte und umfasste Ägypten, Syrien, Nordafrika, den Jemen, Sizilien und die Hedschas (mit Mekka und Medina) in Arabien. Doch mit diesem Höhepunkt in der politischen Laufbahn der Fatimiden drohten die ersten Konflikte innerhalb der Ismailia. So gab es Konflikte zwischen ismailischen Radikalen, die die esoterischen Mysterien bewahren wollten, und jenen, die bereit waren diese Geheimlehre zu enthüllen. Aufgrund dieser internen Zwistigkeiten konnte der sunnitische Islam an Macht zurückgewinnen, was aber Unzufriedenheit bei den Sektierern auslöste, und zu verstärkter Aktivität unter Ismailis in Persien führte.
In Ägypten wurde 1171 das Fatimidenreich beseitigt und nur wenig überzeugte Ismailis dürften dort geblieben sein. Einzig im Jemen und in Indien überlebte diese Tradition. Ihre Form des Ismailismus wird auch"Alte Verkündigung" genannt.
Im Laufe des 11.Jhd. wurde die zunehmende Schwäche der islamischen Welt durch diverse Invasoren, besonders der Seldschuken, verdeutlicht. Der militärischen Macht der Türken war die sunnitische Orthodoxie nicht mehr gewachsen und bot nun neue Angriffsmöglichkeiten, die eine auch neue Richtung in der Ismailia hervorriefen und bestärkten. Die neue Ismailia kombinierte die Kritik an der vorherrschenden Orthodoxie mit einer neuen Strategie der Revolte.
Die"Alte Verkündigung" der Ismailia war gescheitert, eine neue Denkweise, eine neue Ideologie machte sich breit. Diese"Neue Verkündigung" wurde von Hasan-y-Sabbah, dem Urvater der Assassinen verkündet.
Hasan-y-Sabbah und die"Neue Verkündigung"
Hasan-y-Sabbah wurde ungefähr Mitte des 11.Jhd in Qumm, einem Zentrum schiitischer Macht geboren, genoss eine umfangreiche religiöse Erziehung und schwor einen Treueid auf den fatimidischen ismailitischen Imam.
"Meinen Glauben an den Islam hatte ich nie irgendwie in Zweifel gezogen; ich war stets überzeugt gewesen, dass es einen lebendigen, ewigen, allmächtigen, omnipräsenten Gott, einen Propheten und einen Imam gäbe, (...)"(Zitiert nach Lewis 1998, 63)
Zu Beginn seiner Macht legte er seine ganze Aufmerksamkeit auf Nordpersien und konzentrierte sich dabei vor allem auf die Provinzen Gilan, Masederan und das Hochland von Dailam. Diese Provinzen liegen nördlich der Bergkette die das Hochland begrenzen, und die Bevölkerung galt als zäh, kriegerisch und freiheitsliebend. Sogar von den Persern selbst wurde dieses Gebiet als fremd und gefährlich angesehen. Die altpersischen Großreiche waren nie in der Lage gewesen diese Gesellschaften wirkungsvoll zu unterwerfen. Dailam etablierte sich als Zentrum schiitischer Aktivitäten schon seit dem 8.Jhd., als Alis Nachkommen Schutz vor den Kalifen von Baghdad und anderen Sunniten suchten.
Den Bewohnern von Dailam und Masederan waren die militanten und fundamental schiitischen Ideen von Hasan-y-Sabbah sehr willkommen, und sie schlossen sich Hasan-y-Sabbahs charismatischer Führung an. 1090 war er mächtig genug die Burg Alamut, die 1800 Meter hoch im Herzen des Elburs über einem fruchtbaren Tal gelegen war, mit seinen Anhängern zu erobern, und sie infolgedessen zum Zentrum des Assassinats zu erheben. Hasan-y-Sabbahs Interesse galt zunächst der Missionierung und der Unterwerfung weiterer Burgen. Das heißt, er nahm alle Burgen denen er habhaft werden konnte ein, und errichtete an jedem strategischen Punkt neueFestungsanlagen. 1092 soll er bereits 53 Burgen zwischen Tabriz und Damaskus besessen haben.(Behr 1996, 86) Sogar nach Quhistan, einem öden Gebirgsland nahe der Grenze zwischen Iran und Afghanistan, sandte er Missionare. Das Gebiet wurde schließlich zu einem Zentrum schiitischer und ismailischer Dissidenten.
Die Missionare der Assassinen bekamen natürlich auch den Auftrag die religiöse schiitische Propaganda in Zentren sunnitischer Macht und seldschukischer Vorherrschaft zu bringen, was unweigerlich zu blutigen Zusammenstößen führte. In Sava, zwischen Rajj und Qumm gelegen, versuchten Assassinen den dortigen Muezzin vergeblich zu bekehren. Beim Scheitern ihrer Mission töteten sie ihn, aus Angst denunziert zu werden. Diese Nachricht erreichte auch den seldschukischen Wesir Nezam al-Mulk, der daraufhin den Befehl erteilte, den Anführer der Missionare zu liquidieren. Dies geschah, und die Leiche wurde als abschreckendes Beispiel über den Marktplatz geschleift - der Auslöser für die folgenden Kämpfe zwischen Assassinen und Sedschuken.
"Unterdessen hatte die Ismailia den ersten großen Erfolg in jener Kunst errungen, die fortan ihren Namen tragen sollte: in der Kunst des Meuchelmordes, des"Assassinats"".(Lewis 74) Das erste auserwählte Opfer war der Wesir selbst, Nezam al-Mulk. Mit seinem Mord begann die Reihe derartiger Angriffe, die"Strategie des Terrors" wie Lewis (ebd.) es nennt.
Über Hasan-y-Sabbah, sowie seine Missionstätigkeit wissen wir von Marco Polo, der 1273 Persien durchquerte und dem Assassinat einen langen Bericht widmete: (Marco Polo, zitiert nach Lewis, 22)
Beachten muss man aber auch bei Marco Polos Bericht die Verschmelzung von historischer Dimension mit sagenhafter und mythischer Verklärung.
"In der dortigen Sprache heißt der Alte vom Berg Aloadin. Zwischen zwei Bergen hatte er in einem Tal den größten und schönsten Garten anlegen lassen.( Marco Polo bezeichnet damit eine Festung, vielleicht Alamut, das Hauptzentrum der Assassinen, laut Lewis aber eher die Burg Girdkuh, dessen Fall im Dezember 1270 noch in frischer Erinnerung war, als Marco Polo 3 Jahre später das Gebiet bereiste.)
Die besten Früchte wuchsen darin. (...) Die schönsten Jungfrauen und Edelknaben sangen, musizierten und tanzten dort. Der Alte vom Berg ließ sie glauben, dies sei das Paradies. Mohammed hatte das Paradies ja so beschrieben, dass man darin Bäche von Honig, Milch und Wein fände und sich mit den schönsten Frauen vergnügen könnte. Deshalb versuchte er, das Paradies nachzubilden. (...)"
Damit wollte der Fürst den Glauben verbreiten, dass er ein Mohammed ähnlicher Prophet sei, in dessen Macht es läge, seinen Anhängern Einlass ins Paradies zu gewähren. Zugang hatten nur Eingeweihte. Marco Polos Bericht zufolge, ließ der Alte vom Berg zu gewissen Zeiten Jünglinge mit Opium oder Haschisch einschläfern, und brachte sie in seinen Garten. Wenn die Männer erwachten, glaubten sie sich im Paradies zu befinden. Nach einigen Tagen wurden sie wieder in Schlaf versetzt, aus dem Garten gebracht, und anschließend vom Fürsten befragt wo sie gewesen seien. Darauf antworteten sie einhellig, dass sie im Paradies gewesen wären, und das sie auf schnellstem Weg wieder dahin zurück wollten
."(...) So kann er (der Fürst), wenn er einen Menschen ermorden lassen will, den stärksten Jüngling aus dem Garten holen lassen, der willig seinen Befehl ausführt, um wieder in seinen Garten zurückkehren zu dürfen. Wenn sie den Befehl erfolgreich ausgeführt haben, kehren sie zu ihrem Herrn zurück, wenn sie gefasst werden, wollen sie sterben, weil sie so in das Paradies zu kommen glauben. (...)"(Marco Polo, zitiert nach Lewis, 23)
Inwieweit diese Beschreibung der wirklichen Mitgliederwerbung der Assassinen entspricht, ist fraglich, wenn nicht gar sehr bedenklich. Es wurde sicher nicht jeder aufgenommen, und wenn, dann einer detaillierten Überprüfung unterzogen, denn in erster Linie handelte es sich bei dieser Geheimgesellschaft um politische Aktivisten. Der mystische Aspekt ist zwar untrennbar mit der politischen Aktivität verbunden, primär aber war es eine politische Gruppierung.
Gesellschaftsstruktur, Ideologie und Geheimdoktrin
Für die Ismailia stellten die Assassinen die Elitetruppe im Kampf gegen die Feinde ihres Imams, gegen die sunnitische Hegemonie dar. Für die Opfer waren sie kriminelle Fanatiker.
Die Assassinen selbst bezeichneten sich als"da´wa" (Mission, Verkündigung), ihre Missionare bzw. Repräsentanten wurden"da´is" (wörtlich: Zusammenrufer) genannt. Der Terminus"fi´da" (Geweihter) bezeichnete den politischen Attentäter. Der religiöse Führer, das Oberhaupt wurde meist"Ältester" genannt, das Sektenmitglied"rafiq".
Die Hierarchie der Assassinen lässt sich folgendermaßen darstellen: (Edward Burman, The Assassins, Holy Killers of Islam; zitiert nach: Shand, The Secret Doctrines of the Assassins, 1998)
Direkte Nachfolge von Ali:·
Imam
Initiierte Mitglieder:·
da´id-duat (Oberster der Zusammenrufer/Missionare,"Ältester")·
du´il-kabir (höhergestellter Missionar)·
du´i (gewöhnlicher Missionar)
Halb-Initiierte Mitglieder:·
rafiq (Mitglied)
Nicht-Initiierte Mitglieder:·
lasiq ( Anhänger)·
fi´da (Attentäter)
Die Assassinen waren demnach eine Geheimorganisation mit einem System von Hierarchie, abgestuft nach Rang, Wissen, Eiden und Initiationen. Nicht alle Mitglieder der Sekte wurden automatisch initiiert. Die ismailische Theologie war in ihrem Charakter eine Offenbarungstheologie. Die esoterische Wahrheit leitete sich von gnostischen Doktrinen ab, und betrachtete die Prinzipien der spirituellen und physischen Welten in neoplatonischen Termini. Die Gnostik besagt, dass die physische Welt von einer untergeordneten Macht kreiert wurde. Einige gnostischer Parameter wurden ins islamische übernommen, denn Mohammed adoptierte die gnostische Idee, der Körpers sei lediglich ein Phantom.( Burman; zitiert nach ebd.)
Der Initiationsritus der Assassinen verlief in 9 Phasen: (ebd.)
1. Phase:
Der Neophyt wurde zunächst von seinem Lehrer in ein Stadium des Zweifels über alle konventionellen, religiösen und politischen Ideen eingeführt. Mit falschen Analogien und diversen Argumenten versuchte man dem Initianten vor Augen zu führen, dass alles was er bisher gelernt hat, auf reinen Vorurteilen beruht, und alles Wissen einer neuen Herausforderung bedarf. Ziel dieser Übung war es, nicht den Lehrer als Quelle des Wissens anzusehen, sondern anhand von Fakten wahre, richtige Interpretationen vorzunehmen. Gleichzeitig deutete der Lehrer kontinuierlich an, dass formales Wissen bloß eine Verschleierung darstellt, und sich dahinter die versteckte innere machtvolle Wahrheit verbirgt. Diese"Verwirrungstechnik" wurde solange angewandt, bis der Neophyt ein Stadium erreichte, in dem er seinem Lehrer ein Gelübde absoluter Treue ablegte und blindes Vertrauen versprach.
2. Phase:
Der Neophyt erfuhr, dass Allahs Zustimmung nicht gewonnen werden kann, wenn man lediglich den Verordnungen des Islam folgt, sondern man muss vielmehr der inneren Doktrin folgen, die vom Imam, der die Vormundschaft über einen hat, vorgegeben wird.
3. Phase:
Der Initiant lernte nun die Abfolge der rechtmäßigen Imame, sowie die signifikante Bedeutung der Zahl 7, für die Ismailia wie auch für die gesamte spirituelle und die materielle Welt.
4. Phase:
Dem Neophyten wurden die Doktrinen der sieben Propheten (Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus, Mohammed, Ismail) gelehrt, und damit die Erkenntnis, dass Mohammed nicht der letzte der Propheten gewesen sei, und dass der Koran nicht Allahs letzte Offenbarung für die Menschheit ist.
5. Phase
:Der Initiant wurde nun tiefer in die Zahlenwissenschaft eingeführt, er lernte verächtlich über den herrschenden Zustand der Religion zu sprechen (über die sunnitische Doktrin), und ihm wurde die Bedeutung der Zahl 12 nähergebracht, sowie die 12 Beweise, die 12 Wahrheiten, die die Propaganda eines jeden Imams leiten. Diese manifestieren sich in den menschlichen Rückenwirbeln, während die Zahl 7 die Halswirbeln, und damit in Verbindung die 7 Propheten bzw. die 7 Imame darstellt.
6. Phase:
Dem Schüler wurden nun die allegorischen Bedeutungen der Riten und der Vorschriften des Islam gelehrt; Obligationen wie das Gebet, die Almosen, die Pilgerfahrt, das Fasten, etc. Weiters musste er schwören, dass äußerliche Beobachtungen von keinerlei Bedeutung seien, bevor sie nicht von weisen Philosophen einer gründlichen Überprüfung unterzogen wurden.
7. Phase:
Diesen und den folgenden beiden Ausbildungsphasen wurden nur die führenden da´is unterzogen, die ein volles Verständnis der Welt und der Ziele ihrer Doktrinen benötigten. Dabei wurden sie in die dualistische Doktrin des"Vorexistenten" und des"Folgenden" (Arkon Daraul nennt die beiden Begriffe"the Pre-existent and the Subsequent", Secret Societies, zitiert nach: Shand, 1998) eingeweiht. Die Lehre war dazu bestimmt, den Glauben des Schülers an die göttliche Einheit zu schwächen und zu untergraben.
8. Phase:
Der Konvertit erfuhr, dass über dem"Vorexistenten" und dem"Folgenden" eine namenlose Existenz stehe, ein Wesen ohne Attribute, ein Wesen, das niemand voraussehen kann, das niemand verehren kann. Diese namenlose Existenz scheint"Zerwan Akanana", die"grenzenlose Zeit" des zoroastrischen Systems darzustellen. Weiters wurde dem Neubekehrten gelehrt, dass man einen Propheten nicht an seinen Wundern erkennt, sondern an seiner Fähigkeit ein politisches, soziales, religiöses und philosophisches System in Einem zu schaffen. Daneben lernte er das Ende der Welt, die Auferstehung, zukünftige Belohnungen ("Paradies") und Bestrafungen ("Hölle") sowie andere eschatologische Doktrinen allegorisch zu verstehen.
9. Phase:
In der letzten Phase der Initiation wurden die letzten Reste einer dogmatischen Religion verworfen, und der Initiierte wurde zum freien und reinen Philosophen, dem es frei stand, Dogmen zu adoptieren, oder sie nach seinem Eigendünken zu vermischen.( Edward Granville Brown, in: St. Bart´s Hospital Journey, 1897; zitiert nach: Shand 1998)
Außerdem wurden okkultische Praktiken gelehrt, und die Wissenschaft der Alchemie und der Astrologie wurden Teil der philosophischen Studien. Auf der Burg Alamut besaßen die Assassinen eine reiche Bibliothek programmatischer, ideologischer und wissenschaftlicher Schriften, die jedoch größtenteils verloren ging, als die Tartaren 1523 das Gebiet verwüsteten.( Shand 1998)
Interessant ist, dass die Kreuzritter von der Ismailia das gesamte Konzept ihrer Geheimstruktur übernommen haben, was schließlich zum Entstehen der religiösen wie auch der säkulären Geheimgesellschaften in Europa führte. Die Institution der Templer und der Hospitaller, wie auch die Gesellschaft um Jesus, die von Ignatius von Loyola ins Leben gerufen wurde, gingen alle aus einer Körperschaft hervor, die sich entweder auf Kairo oder auf Alamut zurückführen lässt.( S. Ameer Ali, zitiert nach: Shand 1998)
Die Zeit der Krise
1094 begann für die Ismailia eine Zeit der Krise. Der fatimidische Kalif und Imam al-Mustansir starb in Kairo und löste mit seinem Tod einen Nachfolgestreit aus. Die persischen Ismailiten verweigerten seinem offiziellen Nachfolger Musta´ili die Anerkennung, denn für sie war sein Bruder Nizar der legitime Erbe. (Seine Anhänger wurden daraufhin als Nizari bekannt)
Mit der Thronfolge Musta´ilis entzog sich die persische Ismailia somit aus Protest der Unterstützung und der Kontrolle Kairos. Ihr gewollter Nachfolger Nizar jedoch kam in Arrest und wurde im Gefängnis von Kairo ermordet.
Das ismailische Imamat ging auf seinen Enkel über, zu der Zeit noch ein Kleinkind, der heimlich in Alamut aufgezogen wurde. Skeptiker dementierten den Tod Nizaris und waren der Meinung, er habe sich lediglich verborgen, er sei entrückt, und er werde als Mahdi zurückkehren. Die Nachfolge von Nizaris Enkel wurde lange Zeit geheimgehalten, sodass eine imamlose Periode folgte. Das Fehlen eines manifesten Imams und die Neuorientierung, die aufgrund des Bruches mit Kairo stattfand, behinderten die Ismailia aber keineswegs. Ganz im Gegenteil.
Ende des 11. und Anfang des 12. Jhd. wurde die Ismailia erst recht aktiv, und zwar im östlichen Elburs, in Isfahan und im heutigen Irak, wo sie neue Burgen errichteten, bzw. schon erbaute eroberten. Die Ismailia wurde zunehmend aktiver und gefährlicher, und die Seldschuken sahen sich zum Handeln gezwungen. Zwar erlitt die Ismailia daraufhin Rückschläge in Quhistan, aber ihr Regime wurde lediglich gezügelt, und war keineswegs am Ende.
Hasan-y-Sabbahs Erbe
1124 erkrankte Hasan-y-Sabbah und ernannte Busurgumid, den Kommandanten der Burg Lamasar, zu seinem legitimen Nachfolger.
Es war das Ende eines bemerkenswerten Mannes. Sabbah galt als scharfsinniger, geschickter Denker und Mann der Tat, versiert in Geometrie, Mathematik, Astronomie, Magie und anderen Disziplinen. Während der 35 Jahre, die er in Alamut herrschte, wurden angeblich Abstinenz und Askese großgeschrieben. Das deckt sich so gar nicht mit den teils haarsträubenden Berichten der Kreuzritter, die von Drogengebrauch bis hin zu Inzest auf der Burg berichteten.
Unter Busurgumid war die Liste der Morde (in den Lokalchroniken von Alamut wurden auf Ehrentafeln alle Morde und ihre Täter dokumentiert) kurz. Obwohl die Assassinenmorde an der Zahl nur wenig waren, enthält sie wichtige Namen und zeigt laut Lewis den Übergang von Quantität zu Qualität. Die Regierungszeit Busurgumids endete mit seinem Tod im Jahre 1138.
Die Nachfolge trat sein Sohn Muhammad an. Während seiner Ära verzeichnet die Ehrentafel 14 Assassinate, unter anderem al-Raschid, der Sohn und Nachfolger al-Mustarschids. Im Vergleich zu Hasan-y-Sabbah war dies eine magere Ausbeute und verdeutlicht wohl die Bedeutung lokaler und territorialer Probleme der Ismailia. In den ismailischen Chroniken tauchen ab dieser Zeit keine großen Staatsaffairen mehr auf, sondern viele kleine lokale Konflikte, die die Gemeinschaft intern schwächten. Dennoch waren sie in der Lage weitere Festungen zu erbauen und auch ihren Einfluß auf weitere Gebiete auszudehnen. Georgien wurde von den Assassinen, der Elitetruppe der Ismailia, missioniert, und der Herrscher von Afghanistan lud die Assassinen sogar persönlich ein, in seinem Land ihre Mission zu verbreiten. Zwei Feinde aber waren besonders hartnäckig.Der neue Herrscher von Masederan und der seldschukische Gouverneur von Rajj, namens Abbas. Beide sollen Türme aus Ismailitenschädeln errichtet haben. 1146/47 wurde Abbas getötet, und man vermutet, dass die Ismailia bzw. die Assassinen ihre Finger im Spiel gehabt haben.Insgesamt aber schien die politische Leidenschaft der Ismailia langsam verloren zu gehen. Zwischen Ismailiten und Sunniten begann eine stillschweigende Akzeptanz zu herrschen, die Festungen der Assassinen verkamen zu lokalen Sektendynastien. Die fi´da praktizierten zwar weiterhin das Assassinat, wenn auch nur mehr nebenbei. Einige wünschten sich Hasan-y-Sabbahs markante Führerqualität zurück und sehnten sich nach der religiösen Inbrunst der vergangenen Kämpfe.
Einen neuen starken Führer fanden die Assassinen in Hasan, Muhammads Sohn und Erbe, der 1162 nach dem Tode seines Vaters die Regentschaft antrat. 1164 verkündete er, er habe eine Botschaft des verborgenen Imams Nizar erhalten:
""Der Imam unserer Zeit hat euch seinen Segen und sein Erbarmen gesandt und euch seine auserwählten Diener genannt. Er hat euch von der Bürde des Heiligen Gesetzes befreit und euch zur Auferstehung geführt." Überdies habe der Imam Hasan, den Sohn Muhammads, des Sohnes Busurgumids, zu"seinem Stellvertreter, da´is und Beweis ernannt. Unsere Partei muss ihm folgen und ihm gehorchen in geistlichen und weltlichen Dingen, seine Befehle als bindend anerkennen und wissen, dass sein Wort unser Wort ist.""( Lewis, 104)
Damit machte Hasan seine Anhänger zu seinen persönlich erwählten Dienern, bewahrte sie vor der Sünde und führte sie lebendig ins Paradies. Er proklamierte die Auferstehung, ließ Schriften verfassen in denen er verlauten ließ, dass er zwar nach außen Busurgumids Enkel sei, in der esoterischen Realität jedoch sei er der Imam auf Zeit. Die meisten Ismailiten und Assassinen nahmen diese neue Lehre an, diejenigen die sich weigerten, wurden bestraft.
Hasans Sohn und Nachfolger Muhammad proklamierte ebenfalls seine Abstammung vom Imam Nizar, politisch aber war er kaum von Bedeutung. 1210 starb Muhammad an Gift und sein Sohn Dschalal al-Din Hasan trat das Erbe an.
Er änderte das politische Programm, bekannte sich als gläubiger Muslim, folgte den Gesetzten der Scharia, proklamierte die Beendigung der Ketzerei, und wurde aufgrund dessen der"Neumuslim" genannt. Er entsandte zwar auch Armeen zur Eroberung von Provinzen und Städten aus, aber anstatt das Assassinat weiter voranzutreiben, trug er zur Errichtung von Moscheen und Bädern bei. Damit erreichte er, dass das Assassinenreich ein angesehenes Königsreich wurde, das mittels Heiratspolitik mit seinen Nachbarn eng liiert war. Sowohl der Kalif als auch andere Häretiker waren von Dschalal al-Dins Rechtsgläubigkeit überzeugt.
1221 starb Dschalal al-Din und wurde von seinem Sohn Ala al-Din, damals erst 9 Jahre alt, abgelöst. Obwohl er zu Regierungsantritt noch ein kleiner Junge war, war seine Zeit von politischer wie auch intellektueller Aktivität gezeichnet. Die Bibliothek von Alamut erlangte unter ihm Berühmtheit und zog eine Reihe von Gelehrten an den Hof. Die politische Aktivität bezog sich auf territoriale Ausdehnungen, wie auch auf Verkündungen und Bekehrungen. Ala al-Din wurde aber in späteren Berichten äußerst negativ beschrieben, er galt als verrückter Trunkenbold, und wurde 1255 von Unbekannten ermordet.
Sein Sohn Rukn al-Din kapitulierte gegenüber den Mongolen und auf seinen Befehl hin wurden die meisten Burgen den Reitern aus dem Osten überlassen. Außer den beiden Bollwerken Alamut und Lamasar. Beide Festungen wurden zwar von den Mongolen eingeschlossen und belagert, konnten aber nicht eingenommen werden. 1256 zerstörte ein Erdbeben Alamut, und wurde dem Erdboden gleichgemacht. 2 Jahre später, 1258 ergab sich Lamasar, da es dem mongolischen Druck nicht mehr standhalten konnte, und 1270 wurde Girdkuh überwältigt. Rukn al-Din wurde von den Mongolen ermordet.
Die Ismailia war allerdings noch eine Weile aktiv. 1275 schafften sie es sogar Alamut für kurze Zeit zurückerobern, ihre Mission aber war verloren. Seitdem repräsentierten sie nur noch eine unbedeutende Sekte, verstreut über Ostpersien, Afghanistan, den Jemen und einige innerasiatische Länder der heutigen Sowjetunion.Dem endgültigen Untergang der Ismailia sowie der Assassinen und der Zerstörung von Alamut widmete Dschuweini folgende Zeilen:
"In jener Ketzter-Bruthöhle von Alamut in Rudbar, der Heimstatt der gottlosen Anhänger Hasan-y-Sabbahs, (...) ist kein Grundstein mehr auf dem anderen geblieben.(...) Die Verbreiter des Ismailismus sind gefallen unter dem Schwert der Soldaten des Islams.(...) Und alle Bewohner der Erde, besonders aber die Gläubigen, sind von den üblen Machenschaften und dem schmutzigen Irrglauben jener befreit worden. (...) So ist nun die Welt von der Schande, die sie beschmutzt hatte, endlich gereinigt. (...) Möge Allah ebenso mit allen Tyrannen verfahren!"( Dschuweini, zitiert nach Lewis, 133f)
Die Verwendung von"Haschisch" bei den Assassinen
Weden wir uns nun noch einmal den Überlieferungen der Kreuzritter zu, in denen immer wieder die Verwendung von Haschisch einerseits als Vorgeschmack auf die Freuden des Paradieses, andererseits als Agressivitätsförderer für das Morden, genannt werden. Der Legende nach sollen sich die Attentäter vor ihrem Anschlag mit Haschisch berauscht haben. Das war anscheinend Grund genug, fortan Haschisch und Gewaltbereitschaft miteinander zu assoziieren.
Silvestre de Sacy hat sich zwar davon distanziert, die Assassinen würden ihren Namen dem Konsums von Haschisch verdanken, jedoch erklärt er den etymologischen Zusammenhang in Verbindung mit der Verwendung von Haschisch als Vorgeschmack auf das Paradies. Sacy verknüpft seine Interpretation mit der von Marco Polo erzählten, und in diversen anderen Quellen erwähnten Existenz der Paradiesgärten.( Lewis 1998)
Der österreichische Assassinenforscher und Orientalist Josef von Hammer-Purgstall (Hammer-Purgstall, 1818; zitiert nach Behr 1996, 85) spricht auch von der Verwendung von Haschisch im Kontext der Assassinen.
"Den Jüngling, der durch Kraft und Entschlossenheit würdig erachtet ward, zum Meuchlerdienste eingeweiht zu werden, lud der Großmeister (...) zu Tisch und zum Gespräche ein, berauschte ihn mit einem Oppiate aus Hyoscyamus (Haschische), und ließ ihn in den Garten tragen. (...) Noch heute zeigt Konstantinopel oder Kairo, was für einen unglaublichen Reiz Opium aus Hyoscyamus auf die schläfrige Indolenz des Türken und die feurige Einbildungskraft des Arabers hervorbringt, und erklärt die Wuth, womit jene Jünglinge den Genuß dieser berauschenden Kräuterpastillen (Haschische) suchten. (...) Von den Genuß derselben nannte man sie Haschischin, das ist"die Kräutler"."
Mit dieser empirisch nicht haltbaren Interpretation trug Hammer-Purgstall wesentlich zu einem falschen Verständnis der Assassinen bei. Erstens bezeichnet Hammer-Purgstall Haschisch fälschlicherweise als"Opiat aus Hyoscyamus", zweitens assoziiert er Gewalt (er nennt es"Wuth") mit Haschischkonsum, d.h. er nennt zwei völlig konträre Termini in einem Kontext, und drittens nimmt er eine eurozentristisch Wertung der arabischen Gesellschaft vor.
Hanf (Cannabis Sativa und Cannabis Indica, die dann zu Marihuana und zu Haschisch weiterverarbeitet werden) gehört zur Familie der Kannabineen, und enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetra-hydrocanabiol (kurz THC). Die psychoaktive wirksame Dosis THC liegt bei 4 bis 8 mg. THC ist kein gefährlicher Stoff, seine Toxizität liegt bei Ratten bei 600 mg/kg, also etwa 6000-fach höher als die beim Menschen wirksame Dosis. Hellmuth Kotschenreuther definiert die Wirkung von Haschisch folgendermaßen:
"Das logisch-deduktive und kategorale Denken wird durch das intuitiv-assoziative ersetzt. Indem das THC das kausale Denken zugunsten des intuitiven schwächt, setzt es die Phantasie frei; und indem es Psyche und Geist von der Fixierung an den Alltag und seine Probleme löst, erleichtert es die Konzentration auf das Wesentliche."
Die anregende wie auch die heilsame Wirkung (als krapmflösendes und Übelkeit verhinderndes Medikament wird es in den teilweise bereits als Therapie für Aids-Kranke erfolgreich eingesetzt) des Cannabiols war der Menschheit schon lange vor den Assassinen bekannt. Sumerer, Ägypter, Griechen und vor allem Inder wussten um die Wirksamkeit dieses Stoffes. Shiva, der zuweilen den Beinamen Aushadhisvara (Herr der Drogen und Kräuter) trägt, hat drei Augen, von denen das dritte, das Stirnauge für Erleuchtung, Weisheit und Wissen steht. In Shiva vereinen sich, neben zahlreichen anderen Funktionen, die Erleuchtung und die Meditation mit dem Gebrauch von Hanf. Ein großer Teil des Hinduismus ist eigentlich nichts anderes als Ekstasetechnik: Religion wird somit ein Mittel höhere Bewußtseinszustände zu erreichen.
Die Verwendung von Haschisch wird als Mittel zum Zweck benutzt: Haschisch erleichtert den Zugang zu anderen Wirklichkeiten, vertieft die Meditation, lenkt den Blick auf das Wesentliche, und stellt eine Hilfe psychoaktiver Art dar, um Weisheit zu erlangen.Ich glaube, die Verwendung von Haschisch bei den Assassinen muss man in einem ähnlichen Kontext sehen.
"Dass die Nizari natürlich mit Haschisch zu tun hatten, beweisen viele alte Schriften, außerdem einige schöne Haschischdöschen und Wasserpfeifen, die in verschütteten Zisternen von Alamut und Meimundiz gefunden wurden."( Behr, 87) Aber Haschisch diente nicht der Förderung von Agressivität;"Haschisch macht sanft, der Dolch trifft dann nicht, da das Herz zu Zärtlichkeiten neigt"( zitiert nach Lewis, 87) heißt es schon in einer ismailitischen Schrift, sondern Haschisch diente dem Verständnis der esoterischen Lehre der Assassinen.
Ich glaube, dass die Assassinen, Haschisch für ihre Meditation verwendeten, sie als Mittel für ihre Ekstase einsetzten, und dass Haschisch primär eine sakrale Rolle spielte, und nur sekundär, wenn überhaupt profan verwendet wurde.Dass sich dieses Bild durch die mittelalterlichen Überlieferungen so verzerrt hat, ist logisch. Die Kreuzritter, von denen die meisten Berichte stammen, waren eingefleischte christliche Puritaner. Die Kirche, das sakrales wie auch das säkulare Oberhaupt, stellte das einzig wahre Dogma dar. Häretiker wurden verfolgt, andere religiöse Strömungen und Glaubensrichtungen wurden als Ketzer denunziert. Die christliche Religion war von Anfang an eine dogmatische Glaubensrichtung. Selbsterkenntnis und Ekstasetechnik spielten dabei nie eine Rolle, ganz im Gegenteil, Eigeninitiative war und ist nicht erwünscht. Die christliche Offenbarungstheologie stieß im Laufe der Kreuzzüge unwillkürlich mit orientalischen und asiatischen Ekstasereligionen zusammen, und bekämpfte sie unter dem Deckmantel des Heiligen Krieges. Die Kreuzritter, manipuliert von der Kirche, verhaftet und sozialisiert in ihrem Glauben an das christliche Dogma, konnten ja gar nicht anders als diese anderen und fremden religiösen Aspekte zu verdammen.
Don Castro III versucht die etymologische Verbindung zwischen den Termini Haschisch und Assassine zu erklären."Die etymologische Verbindung zwischen den Worten Haschisch und Assassine wurde als eines der Hauptbeweismittel für die Möglichkeit zitiert, dass Haschisch Gewalttätigkeit hervorrufen kann. Eine Prüfung des Ursprungs dieser Worte zeigt jedoch, dass die Verbindung zwischen den Worten eine derartige Annahme nicht unterstützt. (...) Der Name Hashishin war allgemein ein Schimpfwort, das, obwohl von Haschisch abgeleitet, sich mehr auf den exzentrischen Glauben dieser Sekte als auf Rauschgiftanwendung bezog."( Don Castro III, Marijuana and the Assassins, in: British Journal of Addiction 65, 1970; zitiert nach Behr, 86)
Rekapitulation und abschließende Bemerkungen
Die Assassinen lassen sich von der Mitte des 11.Jhd bis zu ihrer Eroberung durch die Mongolen ungefähr 1260 historisch verfolgen. Beinahe 2 Jahrhunderte lang konnte sich diese Splittergruppe der Ismailiten als Geheimgesellschaft halten. Alamut repräsentierte dabei mehr als nur einen physischen Platz, mehr als eine materielle Festung. Alamut war das symbolische Heim dieser Bewegung.( Cook, Alamut in Literary and Anarchist Theory, 1998) Für die Assassinen stellte Alamut die physische wie auch die symbolische Vereinigung ihrer geheimen Gesellschaft dar.( ebd.)
Es gab viele Sekten und Gruppen der Ismailia, aber die Assassinen waren die ersten, die eine effiziente und vor allem dauerhafte Organisation schufen. Sie sind ohne historisches Beispiel in Bezug auf den geplanten, systematischen und langfristigen Einsatz von Terror als politische Waffe geblieben.( Lewis, 175)Interessant ist, dass die Assassinen bei ihren Mordanschlägen stets den Dolch, aber niemals Gift, was oft einfacher gewesen wäre, benutzten. Die fi´da machte gewöhnlich auch keine Anstalten zu fliehen, denn angeblich wurde es als Schande angesehen, eine Mission zu überleben. Das würde zur islamsichen Märtyreridee passen, und mit den Versprechungen des Eingehens ins Paradies konform gehen.
Der deutsche Chronist Arnold von Lübeck schrieb im 12.Jhd.:" Haben sich einige für einen solchen Tod entschieden (...), so überreicht er selbst (der Anführer) ihnen Dolche, die sozusagen (...) geweiht sind (...)"(Lübeck, zitiert nach Lewis, 172)
In den Taten der Assassinen vereinigten sich kaltblütige Planung und religiöser Fanatismus. Ihr Gebot der absoluten Gehimhaltung garantierte sowohl Sicherheit nach außen, als auch Solidarität nach innen. Somit wurde ein interner Gruppenzusammenhalt erreicht, unter der Leitung einer charismatischen, kalkulierenden Führerpersönlichkeit. Eine große Hilfe stellten im Kampf der Ismailia gegen die herrschende sunnitische Macht, stellte die Bevölkerung dar. Es war von Hasan-y-Sabbah ein genialer Schachzug, zunächst kleine, für die Sunna unbedeutende Gebiete und vom offiziellen sunnitischen Dogma weit abgelegene Territorien für sich zu gewinnen. Damit stand eine gewaltige Schar an Menschen hinter ihm und hinter seiner politischen Ideologie und Führung.
Einheitliches Ziel der Ismailia und der Assassinen war die Zerschlagung der sunnitischen Ordnung, das Einsetzten des"wahren" schiitischen Imams, und die territoriale Ausweitung der schiitischen Lehre auf den gesamten arabischen Raum. Die Ismailia konnte aber auf Dauer die vorherrschende sunnitische Doktrin nicht stürzen, ihre Herrschaftsgebiete wurden überrannt, und geblieben ist lediglich eine gescheiterte Mission. Dennoch ist die"revolutionäre Leidenschaft", die die Assassinen vorwärtstrieb, niemals versiegt, und ihre Ideale und Methoden haben bis heute auf schiitischer Basis viele Nachahmer gefunden.( Lewis, 189)
Literaturverzeichnis
BEHR Hans-Georg, Von Hanf ist die Rede, Frankfurt am Main 1995
BROWN Edward Granville, in: St. Bart´s Hospital Journal, 1987
BURMAN Edward, The Assassins - Holy Killers of Islam
COOK Steve, Alamut in Literary & Anarchist Theory, 1998, in: http://www.alamut.com/subj/ideologies/alamut/litTheory.html, 11.7.1999
DARAUL Arkon, Secret Societies
DON CASTRO III, Marijuana and the Assassins, in: British Journal of Adiction 65, 1970
HAMMER-PURGSTALL Josef von, Die Assassinen, Stuttgart 1818
IQBAL Shayk Muhammad, Hasan-i Sabbah, 1998, in: http://alamut.com/subj/ideologies/aloamut/iqbal_Sabbah.html, 11.7.1999
LEWIS Bernard, Die Assassinen, Frankfurt am Main 1989
SHAND Richard, The Secret Doctrins of the Assassins, 1998, in:http://www.alamut.com/subj/ideologies/alamut/secDoctrines.html, 11.7.1999
SIMMEL Georg, Das Geheimnis und die geheime Gesellschaft, Teil 3, 1998, in: http://socio.ch/sim/unt5c.htm, 11.7.1999
Ebd., Teil 5, 1998, in: http://socio.ch/sim/unt5e.htm, 11.7.1999
http://hellgate.hs-bremen.de/~bastard/drogen/dro_gesc.htm, 11.7.1999
http://www.marihuana.com/topics/assass.htm, 11.7.1999
http://einzelhandel.freepage.de/cgi.../923334x204A/re.../richtung.htm, 7.9.1998
Ines Kohl, 1999
Vienna, Austria
Ines Kohl
www.unet.univie.ac.at/~a9211337/ | kohlspross@hotmail.com
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